Bis hierhin kennen Sie diese Geschichte vielleicht schon: Wir schieben dann also morgens immer unsere Fahrräder auf den Hof des Rudi-Dutschke-Hauses, schließen sie unter dem Diekmann-Pimmel, äh: -Kunstwerk an und dann schlurfen oder sprinten wir ums Eck, durchs taz-Café, die Treppen hinauf in den Konferenz- und Redaktionsalltag der taz. Seit einigen Tagen hat sich dabei, hier und da, eine Beklemmung eingestellt.
Die Polizei steht vor der Tür. Sie will uns beschützen.
Seit bescheuerte Irre in Frankreich einen Angriff auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo und damit einen mörderischen Anschlag auf die Pressefreiheit verübt haben, steht die Polizei auch in Deutschland vor Redaktionen Wache, zum Schutz. Vor dem Berliner Verlag stehen Polizisten, vor den Redaktionsräumen von Zeit Online und auch hier bei uns, vor dem Dutschke-Haus. Und was sollen wir anderes sagen als zunächst einmal: Danke, dass Ihr an uns dachtet.
Nun ist dieser Satz aus einem Redaktionsraum ja nicht immer eine Selbstverständlichkeit in einer Zeitung wie der taz gewesen. Als linksradikales Projekt wurde die taz 1979 gegründet, veröffentlichte selbst Bekennerschreiben aus dem autonomen Milieu. Über viele Jahre hinfort kannten taz-RedakteurInnen die Polizei bevorzugt von Demonstrationen oder Hausdurchsuchungen – in ihrem eigenen Haus, oder auch: in ihrer Redaktion.
Bis heute steht die taz für eine der vielleicht polizeikritischsten Qualitätsblätter in Deutschland. Wir beobachten kontinuierlich die Pfefferspray-Orgien rund um den 1. Mai in Berlin, berichten über die polizeilichen Grundrechtseingriffe bei Castor-Demonstrationen im Wendland oder über den fehlenden Reformwillen innerhalb von Polizeibehörden, eine offene und multikurelle Polizeikultur zu entwickeln. Wenn es nun, nach den Angriffen auf Charlie Hebdo, auf einen muslimischen Polizisten und auf jüdische Ladenbesucher in Paris, um größere Eingriffsbefugnisse für Polizeibehörden geht, wird die taz an der Seite der BürgerrechtlerInnen und für die Freiheit des Denkens und Handelns stehen. Die Polizei stand, anachronistisch gesprochen, lange auch auf der Gegenseite.
Nun steht sie vor unserer Tür.
Hier in den weitläufigen Redaktionsbüros beschäftigt dies auf vielfältige Weise auch die tazler. Einige tragen Cappucinos hinüber, fair gehandelten taz-presso für die Bullen vom Dienst und plaudern ein wenig. Und dann ergeht es Dir zum Beispiel so: Eigentlich willst Du vielleicht lieber nicht danke sagen, weil Du gar nicht sicher bist, ob Du Dir wünschen sollst, dass diese Beamten hier sind. Andererseits willst Du natürlich auch danke sagen. Vielleicht ist dies das eigentlich Verstörende: Dass es nach den Attacken auf die Karikatur für einen Moment die Gelegenheit gibt, ohne Reflexe auszukommen und stattdessen wieder neue, kleine, vielleicht selbstverständliche Solidaritätserfahrungen zu machen, neue Gespräche zu führen.
Diese Beamten, so viel scheint ja sicher, stehen vor der taz, damit drinnen in Ruhe gearbeitet werden kann. Doch drinnen lässt sich auch nicht einfach nur in Ruhe arbeiten. Da war zum Beispiel die Verabredung im taz-Café, die nicht erschien. Der Informant wollte die taz besuchen, auch weil sie für ihn einen Schutzraum für seine Informationen darstellt. Die Polizeipräsenz vor der Tür sorgte dafür, dass der Gast abdrehte. Zwischendurch kommen die Beamten auch hinein, sie stehen dann im taz-Café, klären das ein oder andere – und mancher Mitarbeiter spekuliert dann natürlich: Was gibt es, was wird es nun sein? Ist Dir auch aufgefallen, dass es gestern noch zwei Polizeiautos waren und es heute schon drei sind? Und worum ging es, als die Beamten vorhin vor unserer Eingangstür den dunkelhäutigen Mann ansprachen, der eine Verabredung bei uns hatte?
Das wollen wir ja nicht: Dass wir schließlich Teil einer gemachten Verunsicherung werden, die sich mehr und mehr potenziert. Dass wir mit einem Gefühl von Angst unseren redaktionellen Freiraum betreten, das manche bedrückt und nachdenklich stimmt und die anderen abgekühlt und genervt reagieren lässt – vom Anblick einer Polizeipräsenz, die, ganz latent, leise, hintergründig, viel zu präsent sein könnte. Aber wie sollten wir bei all der irrationalen Wut, der etwa die Mitarbeiter von Charlie Hebdo zum Opfer fiel, auch wissen: Könnten nicht wirklich morgen andere JournalistInnen – sagen wir deutlich: wir – schon die nächsten sein? Oder fallen wir – gleich zu Beginn eines neuen Sicherheitsdiskurses – offenkundig einer Sicherheitsinszenierung zum Opfer, die die Freiheit der Presse zu schützen vorgibt und sie dabei aber gleichzeitig auch berührt?
Wir wollen nicht, dass unsere Gäste vor unserem Eingangsbereich abdrehen. Und wir wollen nicht solche, die mit Kalaschnikows kommen.
Und so müssen wir also, derzeit, den Kampf um unseren Raum, um die Freiheit unseres Denkens und aber auch die Freiheit unserer Eingangstür auf eine einfühlsame Art führen. Denn natürlich möchten viele von uns sagen: Wir wissen zu schätzen, Freunde, Helfer, dass Ihr da wart. Aber jetzt sollt ihr bitte wieder gehen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Andere im Haus wünschen sich, dass Ihr noch etwas bleibt. Es muss ja nicht immer gleich auf alles eine Antwort geben. Manchmal helfen auch die Fragen weiter.
Mal sehen ob die Polizei in Zukunft für sowas noch Personal hat bei den ganzen Großdemos zur Zeit