vonBlogwart 11.04.2020

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Vergangenen Donnerstag wurde es allmählich lauter auf der Straße: viele Autos, Traktoren mit Anhängern, Menschen mit Schubkarren, Kinder mit Fahrrädern – sie alle standen im Stau. Verwirrt habe ich mich ans Fenster gestellt: So viele Menschen? Auf einem Haufen? Und das während der Ausgangssperre?

Es hat einen kurzen Moment gedauert bis ich verstanden habe, was da gerade abging: Der ehemalige Bürgermeister stand in Trachtenjacke und mit Hut in der Pforte des Wertstoffhofs. Nach und nach winkte er die einzelnen Fahrzeuge durch – Abstand wird also auch bei der Müllentsorgung gehalten.

Eine Szene, die meine Kolleg:innen in Hamburg so vermutlich nicht kennen. Vielleicht gibt es auch dort Staus vor den Wertstoffhöfen – dennoch bezweifle ich, dass Peter Tschentscher in Tracht, den hanseatischen Bürger:innen den Weg zum Müllcontainer weist.

Der ehemalige Bürgermeister weist in Trachtenjacke den Weg zur Müllentsorgung

Anders als meine Kolleg:innen verbringe ich mein Home-Office nicht in der Hansestadt. Mein Praktikantinnen-Alltag spielt sich seit etwa drei Wochen auf dem bayrischen Land ab. 829 Kilometer trennen mich aktuell von meinem ehemaligen Großraumbüro, das ich gegen mein altes Kinderzimmer ersetzen musste.

Ich bin zu meinen Eltern geflüchtet. Zum einen weil ich mein Hamburger WG-Zimmer nur bis Ende März hatte. Zum anderen weil ich mich sorgte, Bayern würde die Grenzen schließen – und zwar ausnahmslos. Ehrlicherweise habe ich das dem bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder zugetraut.

Im Telefongespräch mit meiner Chefin nannte sie mich humorvoll „die südlichste Korrespondentin, die wir je hatten“. Die bin ich also seit drei Wochen und fühle mich dabei von Zeit zu Zeit wie eine Hochstaplerin. Dann bin ich froh, dass meine Handy-Nummer nicht mit 089 beginnt. Meine Interviewpartner:innen begrüße ich nach wie vor weder mit „Moin!“ noch mit „Servus!“. Ein „Hallo!“ scheint mir passender zu sein.

„Die südlichste Korrespondentin, die wir je hatten“

Mein Praktikum geht nun zu Ende. Klar, ich bin traurig, weil die Zeit jetzt vorbei ist. Aber immerhin bleibt mir das Kuchenbacken erspart. Wie ich mich geschlagen habe, darüber möchten meine Chef:innen im Videochat mit mir sprechen. Mein eigenes Fazit kann ich aber jetzt schon zum Besten geben: Es ist mir erstaunlich leicht gefallen, aus Bayern über Hamburger Lokalthemen zu schreiben – trotz der 829 Kilometer Entfernung.

Ob das nun gut oder schlecht ist – das sei nun dahin gestellt. Häufig hatte ich Probleme mit dem schlechten Netz auf dem Land – die hatten jedoch auch meine Kolleg:innen in Hamburg. Mag sein, dass ich tatsächlich eine Hochstaplerin bin – nur aufgefallen ist mein Exil-Dasein kaum jemandem.

Von Anastasia Trenkler, zukünftige Ex-Praktikantin der Lokalredaktion taz Nord Hamburg

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