Ja, wir haben ein Problem mit Vielfalt, mit Chancengerechtigkeit und auch mit dem internen Miteinander. Für diesen Befund hätte es in der taz wohl keines Trainings bedurft. Nein, dieser Befund stand am Anfang eines Prozesses, den wir im Oktober unter dem Titel „Diversity Managment“ angestoßen hatten. Die Mitarbeitenden wollten ihr eigenes Verhalten reflektieren und diskriminierende Strukturen analysieren. Vielfältiger, gerechter und angenehmer sollte es in der taz zugehen – so das hehre Ziel.
Vier Monate später, am 20. Februar, sitzen zur Kickoff-Veranstaltung am späten Nachmittag gut 25 Mitarbeitende im Konferenzraum der taz. In den vergangenen Monaten haben Sie zusammen mit noch mal gut 75 Kolleg_innen in sieben Workshops reflektiert, diskutiert, gestritten und konzipiert. Häufig kontrovers, meistens konstruktiv und sicherlich mit dem ein oder anderen Aha-Moment. So berichtet es auch Anne-Gela Oppermann, ehrenamtliches Vorstandsmitglied des Vereins „Eine Welt der Vielfalt“, die den Prozess im Auftrag der taz koordininiert: „Ich habe eine große Offenheit bei den Teilnehmenden für das Thema wahrgenommen. Natürlich gab es auch skeptische Haltungen und kritische Auseinandersetzungen, aber die Atmosphäre war sehr wertschätzend und konstruktiv. Ich bin begeistert über die hohe Anzahl der Teilnehmenden (…) und das große Engagement, das sich daraus ergeben hat.“
In den Trainings entstand so eine Liste von 133 Anliegen, also kritischen Aspekten, die von den Teilnehmenden in den Workshops im Hinblick auf Diversity analysiert und formuliert wurden. Darunter einerseits eine große Bandbreite an Problembefunden, andererseits aber auch häufig wiederkehrende Themen. „Die Top-Themen, die in den Workshops genannt wurden, sind ‚wertschätzender Umgang‘, eine vielfältigere Belegschaft, Transparenz und Standards in der Personalarbeit und Anerkennung inklusive Gehalt. Dazu kommen einige weitere Themen wie zum Beispiel die Einrichtung einer Beschwerdestelle oder der Wunsch nach einer diskriminierungsfreien Sprache“, fasst Anne-Gela Oppermann die thematischen Schwerpunkte der Workshops zusammen.
Auf Grundlage dieser Befunde soll es nun also weitergehen. Aus den kritischen Aspekten sollen konkrete Verbesserungen hervorgehen. Aus individuellen Problembefunden strukturelle Veränderungen erwachsen. Dafür müssen die tazzler_innen und allen vorweg die Verantwortlichen, die sich zum Kickoff getroffen haben, ihre Themen in kleineren Arbeitsgruppen weiter entwickeln. Sie müssen das Problem auf den Punkt bringen und Lösungsansätze erarbeiten. Sie müssen im Haus für ihre Themen werben und Verbündete finden.
Doch hier ist die erfahrene Beraterin und Trainerin zuversichtlich: „40 Teilnehmende haben sich als ‚Kümmerer_innen‘ für Arbeitsgruppen zur Verfügung gestellt (…). Sehr erfreulich ist auch, dass Chefredaktion und Geschäftsführung der taz selbst an den Workshops teilgenommen haben (…) – das ist für alle Beteiligten motivierend und für die Umsetzung der Maßnahmen ein wichtiger Erfolgsfaktor.“
Bis Juni 2018 soll ein konkreter Fahrplan zu mehr Diversity in der taz entstehen und sicher gestellt werden, dass auf konstruktives Reden auch konkretes Handeln folgt. Gerade in der taz bedarf es dafür „erheblicher Übersetzungsarbeit“ analyisiert Oppermann. „Die taz ist keine herkömmliche hierarchisch strukturierte Organisation (…). Eine Schwierigkeit – gerade aus der Diversity-Perspektive – besteht darin, Rechte von Minderheiten oder benachteiligten Gruppen konsequent einzufordern, wenn basisdemokratische Prozesse eine wichtige Rolle spielen. Denn dann ist die Gefahr recht hoch, dass sich die ‚dominante‘ Gruppe durchsetzt, die kein Problem empfindet oder gar Einschränkungen für sich befürchtet.“ Doch sie sei trotz aller Schwierigkeiten zuversichtlich, dass die taz einen Weg finden werde, den strukturellen Diskriminierungen im eigenen Haus zu begegnen.