Zahlreiche freie Autor*innen und unser Korrespondent schreiben für die taz aus der kriegsgebeutelten Ukraine. Es wird daher höchste Zeit, Ihnen die Menschen hinter den Reportagen vorzustellen.
Anastasia Magasowa, Kyjiw
Der erste Text von Anastasia Magasowa für die taz wurde im Jahr 2013 veröffentlicht. Sie schrieb ihn nach der Teilnahme am taz-Workshop für Journalist*innen aus Osteuropa. Zu dieser Zeit lebte und arbeitete sie noch auf der Krim. Als ein halbes Jahr später er der Euromaidan in der Ukraine begann und die russische Annexion der Krim folgte, schrieb sie fast täglich von vor Ort für die taz. Diese Reportagen gehörten zu den ersten, die in den deutschen Medien über die Ereignisse auf der Krim erschienen.
Seitdem schreibt Magasowa regelmäßig für die taz über den Krieg Russlands gegen die Ukraine. In 10 Jahren schrieb sie Hunderte Reportagen aus der Ukraine. Die meisten dieser Texte wurden aus Städten an der Frontlinie im Donbas geschrieben, darunter auch aus dem von Russen besetzten Donezk.
Als Russland im Februar 2022 einmarschierte, reiste die damals 32-Jährige sofort von Berlin nach Kyjiw. Seitdem veröffentlichte die taz Dutzende ihrer Berichte aus den Frontstädten im Süden, Osten und Norden der Ukraine. Sie war eine der ersten, die nach dem Rückzug der russischen Armee aus Butscha von dort berichtete.
Bernhard Clasen, Kyjiw
„Die Demonstrationen in Kiew erscheinen uns in der Redaktion so wichtig, dass wir entschieden haben, Dich zu bitten, in die Ukraine zu reisen – nur für zwei Wochen“ hatte ihm taz-Redakteurin Barbara Oertel Ende 2013 am Telefon gesagt. Aus den zwei Wochen wurden zwei Monate, zwei Jahre, schließlich neun Jahre.
Inzwischen hat Clasen eine Wohnung in Kyjiw, eine ukrainische Aufenthaltserlaubnis und eine Akkreditierung beim Militär. Seit Januar 2014 hat er die Demonstrationen auf dem Maidan besucht und journalistisch begleitet, war in Donezk, Luhansk, dem AKW von Saporischschja, Uschhorod, Konotop, Odessa, Poltawa, Lwiw und vielen anderen ukrainischen Städten, hat die zerbombten Häuser von Borodjanka und Butscha gesehen, mit vielen Aktivist*innen und Organisationen gesprochen.
Der studierte Russisch-Dolmetscher hat längst auch Ukrainisch gelernt. Gerne sitzt er in einem Bus, einer Straßenbahn, einer Cafeteria oder einem Zug und hört zu, was die Menschen bewegt.
Juri Larin, Charkiw
Die taz lernte Juri Larin 2016 bei einem Osteuropa-Workshop der taz Panter Stiftung kennen.
Seinen ersten taz-Artikel schrieb er über den 30. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschornobyl. Heute ist der 35-Jährige verheiratet und Vater eines sechsjährigen Sohnes. Der promovierte Philologe arbeitete als Dozent für Alte Literatur an der Universität seiner Heimatstadt und als Herausgeber der lokalen Website Depo, Charkiw. Kurz vor Kriegsbeginn wurde seine Uni-Stelle gestrichen. Und seit dem 24. Februar 2022 existiert Depo, Charkiw nicht mehr.
Während der ersten Kriegsmonate waren die taz-Honorare fast seine einzige Einnahmequelle. Seit ein paar Monaten ist er Chef eines neuen Charkiwer Medienprojektes, Dumka.media. Die Region Charkiw hat er schon lange nicht mehr verlassen. Er ist ständig an der Frontlinie und in den von der Ukraine zurückeroberten Gebieten unterwegs. Den stärksten Eindruck haben auf ihn bislang die Massengräber von Isjum und die fast menschenleere Stadt Wowtschansk gemacht, in der es keine Heizung mehr gibt, weil die Russen die Gasleitung gekappt haben.
Tatjana Milimko, Odesa
Sie ist eine echte Odessitin. Tatjana Milimko wurde in der Hafenstadt am Schwarzen Meer geboren und hat ihr ganzes Leben dort verbracht. Die studierte Juristin und Mutter zweier Söhne ist Chefredakteurin des Ukrainischen Informationsdienstes. Vor dem Krieg moderierte sie auch eine Kultursendung im Fernsehen und schrieb Gedichte. Seit Februar 2022 tritt sie immer wieder als Sängerin bei Veranstaltungen auf, um Geld für die ukrainische Armee zu sammeln.
In ihrem Leben vor dem Krieg ging sie boxen und tauchen. Jetzt besucht sie regelmäßig ein Malstudio, denn Schönheit beruhigt die Seele. Nach Kriegsausbruch zog sie mit ihren Kindern in eine Datscha am Stadtrand. Dort kümmert sich sich auch um vier Hunde und zehn Katzen, deren ehemalige Besitzer*innen kriegsbedingt die Stadt verlassen mussten.
Für die taz schreibt sie regelmäßig seit März 2022 für die Kolumne „Krieg und Frieden – Ein Tagebuch“, auch über die Situation von Kindern im Krieg. Sie hat außerdem über die ukrainischen Getreidetransporte und über den Ökozid im Schwarzen Meer als Folge des Krieges berichtet.
Juri Konkewitsch, Luzk
Seit einem Vierteljahrhundert schreibt der 47-jährige Journalist für verschiedene ukrainische Medien, als Reporter und Redakteur. Die taz lernte er im November 2019 kennen, als er zu einem Seminar in Berlin war. Seit Mai 2022 erscheinen seine Artikel regelmäßig in unserer Zeitung. Konkewitsch ist es wichtig, dass gerade auch ukrainische Autor*innen deutsche Leser*innen über den Krieg in der Ukraine informieren.
Dazu sagt er: „Bis 2014 waren leider nur wenige Ukrainer*innen in Deutschland, was, so meine Vermutung, auch ein Grund für das Unverständnis (und teilweise auch die Ignoranz) der Deutschen nach Beginn der russischen Aggression war. Ich sehe jetzt, dass sich das geändert hat.“
Konkewitsch lebt in Luzk, im Dreiländereck Ukraine-Polen-Belarus. Aus dem einen Land kommt seit Kriegsbeginn umfangreiche Unterstützung. Aus dem anderen kamen vor zehn Monaten russische Soldaten in die Ukraine. „Vielleicht scheint es, als liege Luzk noch immer im tiefsten Hinterland, bislang schlugen nur drei russische Raketen hier ein. Aber doch ist es eine kriegsverwundete Stadt, die täglich Verteidiger der Ukraine begräbt und Binnenflüchtlinge aus der Ost- und Südukraine aufnimmt“, schreibt er.
Tigran Petrosyan, Berlin
Der gebürtige Armenier, zweifach promovierte Orientalist und Kulturwissenschaftler kam 2012 als Praktikant zur taz. Seitdem schrieb er immer wieder über sein Heimatland, den Krieg mit Aserbaidschan um die Enklave Bergkarabach, aber auch über kulturelle und gesellschaftliche Themen.
Daneben hat er regelmäßig bei den Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung mitgearbeitet. Dort ist er seit 2022 nun Leiter der Osteuropa-Projekte. Mit Kriegsbeginn hat er die Kolumne „Krieg und Frieden – Ein Tagebuch“ ins Leben gerufen und betreut diese seitdem auch redaktionell. Die Texte erscheinen auf taz.de zweisprachig – deutsch und russisch. Im September erschien ein gleichnamiges Buch dazu im Verlag edition.fotoTapeta. Für die Autor*innen dieser Kolumne, die aus verschiedenen Ländern der ehemaligen Sowjetunion stammen, hat er im November 2022 einen fünftägigen Workshop in Berlin organisiert.
Die Ortsnamen entsprechen der ukrainischen Schreibweise. Odessa wird hier dennoch mit doppel-s geschrieben, da der Name im deutschen Sprachgebrauch so eingeführt ist.