vonhausblog 10.12.2019

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von MALTE KREUTZFELDT

Am 02.12.19 ist in einer Beilage der taz Panter Stiftung ein Kommentar mit der Überschrift „Atomenergie als kleiners Übel“ erschienen. Diese Beilage ist kein Produkt der taz-Redaktion, sondern sie ist, wie viele andere zuvor, als Ergebnis eines Workshops der taz Panter Stiftung für Nachwuchsjournalist*innen entstanden. Eine Besonderheit bei diesem Workshop war, dass unter den Teilnehmer*innen auch Aktivist*innen von Fridays for Future und Auszubildende des Energiekonzerns EnBW waren.

„Auch in Kommentaren müssen die Fakten stimmen, auf denen die Meinungen beruhen. Und das ist in diesem Text leider nicht der Fall“

Bei dem Text der beiden Workshop-Teilnehmer*innen handelt es sich um einen Kommentar, und natürlich kann man zum Sinn der Atomkraft unterschiedlicher Meinung sein. Aber auch in Kommentaren müssen die Fakten stimmen, auf denen die Meinungen beruhen. Und das ist in diesem Text, wie auch zahlreiche Leser*innen anmerkten,  an mehreren Stellen leider nicht der Fall. Folgendes möchten wir darum an dieser Stelle klarstellen:

Im Kommentar heißt es, „Merkel“ habe nach Fukushima den Atomausstieg durchgesetzt, und zwar „ohne eine Debatte zu führen“. Tatsächlich erfolgte der Atomausstieg 2011 nach breiter parlamentarischer Debatte durch einen Beschluss des Deutschen Bundestags mit den Stimmen aller Fraktionen – mit Ausnahme der Linken, denen der Ausstieg in der beschlossenen Form nicht schnell genug ging.

Weiter steht im Kommentar, „die Nachbarn der EU“ hätten stattdessen darauf gesetzt, „die Zeit bis zur notwendigen Energiewende mit Atom zu überbrücken“. Das ist zum einen deswegen falsch, weil die Hälfte der EU-Staaten (ebenso wie die Hälfte der EU-Nachbarstaaten Deutschlands) gar keine Atomkraft nutzt. Zum anderen legt diese Aussage nahe, dass sich Atomkraft und erneuerbare Energien gut ergänzen – was nicht der Fall ist, weil Atomkraftwerke ihre Leistung nur in geringem Umfang variieren können. Als Ergänzung zur schwankenden Einspeisung von Wind- und Solarkraftwerken eignen sie sich darum kaum. Konsequenterweise nutzen die EU-Staaten mit dem höchsten Erneuerbaren-Anteil am Strommix – Österreich, Dänemark, Litauen und Kroatien – überhaupt keine Atomkraft.

Unzutreffende Angaben

Dass in Frankreich in „funktionierende Atomendlager“ investiert wird, ist zumindest im Plural unzutreffend – es gibt genau ein Projekt in Bure. Und eine kostenintensive Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll sowie den Bau eines Endlagers für schwach radioaktiven Müll gibt es auch in Deutschland. Auch dass Deutschland die Atomforschung „weitgehend eingestellt“ hat, trifft nicht zu. Noch immer fließen aus dem Bundeshaushalt dafür jährlich mehrere hundert Millionen Euro.

Im Text steht weiterhin, Deutschland sei ein großer Stromimporteur, wenn Wind- und Sonnenkraftwerke keinen Strom produzieren. Dazu ist festzustellen, dass es bisher eine große Ausnahme ist, wenn Deutschland zu einem Zeitpunkt mehr Strom importiert als exportiert. Und auch wenn diese Zeiten im Rahmen von Atom- und Kohleausstieg zunehmen werden – das französische AKW Fessenheim wird davon, anders als im Kommentar behauptet, nicht profitieren, denn es wird im nächsten Jahr abgeschaltet.

Auch dass Deutschland weniger in erneuerbare Energien investiert als Frankreich, ist nicht korrekt. Der Vergleich der Zahlen aus dem Staatshaushalt ist nicht hilfreich, denn in Deutschland läuft die Förderung der Erneuerbaren im Stromsektor vor allem über die EEG-Umlage, die direkt von den Stromkunden an die Betreiber fließt, ohne im Staatshaushalt aufzutauchen. Auch dass der „kostenintensive Rückbau der Atomkraftwerke“ höhere Investitionen in Deutschland verhindere, ist unzutreffend. Zum einen wird dieser Rückbau nicht vom Staat bezahlt, sondern von den AKW-Betreibern, zum anderen stehen in Frankreich weitaus höhere Kosten für den Atom-Rückbau an. Tatsächlich flossen für Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland pro Jahr zuletzt etwa 24 Milliarden Euro, in Frankreich hingegen nur 5 Milliarden Euro. Dementsprechend lag der Anteil der Erneuerbaren im Jahr 2018 in Frankreich mit 21 Prozent weniger als halb so hoch wie in Deutschland.

Malte Kreutzfeldt ist taz-Parlamentskorrespondent für Wirtschaft und Umwelt

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kommentare

  • Ich würde sagen eine glatte Eins für den Nachwuchs. Der macht die Profis schon richtig gut nach und nutzt geschickt die in den Köpfen vorherrschenden Vorurteile und vorgefertigten Meinungen, um die Fakten zu verdrehen und Falschaussagen zu verbreiten.

    Die Stiftung könnte jetzt natürlich überlegen, ob hier ein Systemfehler vorliegt, weil die Profis es in den Zeitungen eben so vormachen, aber so wie sich die Panter-Stiftung präsentiert, wird das eher nicht passieren und diese Nachwuchsjournalisten werden als „unseriöse Einzelfälle“ bezeichnet.

    Und nein, die TAZ ist keinen Deut besser, was das Verbreiten von Falschaussagen und Auslassen von Fakten angeht. Wem Thematiken wie Gleichberechtigung, Gender und Korruption dafür zu kontrovers sind, der kann sich die Berichterstattung zur EU Copyright Directive noch mal ansehen und sich zur Gemüte führen, wie die TAZ mit falschen Zahlen und voreingenommenen Kommentaren Propaganda für eine Verschärfung des Urheberrechts und eine rechtliche Schlechterstellung der (auch eigenen!) Autoren/Journalisten gemacht hat.

  • Zum „kostenintensiven Rückbau der Atomkraftwerke“ … „Zum einen wird dieser Rückbau nicht vom Staat bezahlt, sondern von den AKW-Betreibern“ – so war das auch mal angedacht. Die deutschen Betreiber bauen wohl tatsächlich die Bauwerke zurück. Das kostenintensive ist aber der Atommüll, und der hochradoaktive Müll ist größtenteils in den Brennelementen. Dessen Entsorgung ist den Atomkraftbetreibern nun aber billig abgenomenm worden.

  • EnBW entsendet Atom-Ingenieure als U-Boote in die TAZ… Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Fridays for Future Kampagne gewollt oder ungewollt die aktuellen Interessen der Atommafia befördert.

    Die Investitionen in die deutschen AKWS sind längst abgeschrieben. Jeder Tag an dem die Reaktoren weiterlaufen ist eine Lizenz zum Gelddrucken. Nach dem Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes aus 2011 müssen das AKW Philippsburg Ende 2019, die AKWs Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen Ende 2021 und die AKWs Isar, Neckarwestheim und Emsland Ende 2022 endgültig abgeschaltet werden.

    Atomkraft bedeutet unkontrollierbare Grosskatastrophen: Kernschmelzen in Tschernobyl, in Fukushima, in Windscale, in Harrisburg, Kühlungsausfall und Explosion von Atommülltank in Kyschtym (Russland) … Die Verantwortung für den technisch ungelösten sicheren Einschluss und ggf. Kühlung des hochradioaktiven Mülls wird auf hunderte spätere Generationen abgewälzt. Frankreich ist wegen seiner Atomkraftpolitik ökologisches Schlusslicht in Europa.

  • Also die Kraftwerksbetreiber zahlen nur indirekt selbst, da sie Ausgleichszahlungen bekommen und das eh viel zu hoch. Eigentlich ist das schon unverschämt. Ebenso unverschämt finde ich die Aussage, dass Österreich „überhaupt keine Atomkraft“ nutzt. Bloß weil sie sich entschieden haben auf ihrem eigenen Boden den Müll nicht stehen zu haben, heisst das NICHT, dass Sie das nicht beziehen und im Ausland dadurch fördern!

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