vonjannlucakuenssberg 03.09.2019

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Im Vorfeld des dritten globalen Klimastreiks von Fridays For Future (FFF) luden die taz Panter Stiftung und taz FUTURZWEI, Magazin für Politik und Zukunft, am Montag die Aktivistin Luisa Neubauer und den Vorstandsvorsitzenden des Energiekonzerns EnBW, Frank Mastiaux, zur Diskussion. Insgesamt wurden mehr als 200 Gäste zu der Abendveranstaltung in der taz Kantine empfangen. Der Konzernchef kam mit einer Entourage von rund 40 Leuten, unter ihnen auch Auszubildende des Konzerns. Gruppen verschiedener Interessenverbände – sowohl von anderen Energiekonzernen, als auch aus dem Bereich des Umweltschutzes – sowie einige Schulklassen waren vor Ort. Inhaltlich sollte es um postfossile Wirtschaft und die konkreten Forderungen der FFF-Bewegung an Konzerne gehen.

Unter den Gästen war auch die Berliner Sozialwissenschaftlerin Gisela Notz, die sich vorab auf Anregung und Information, als Feministin aber vor allem über junge Frauen wie Luisa Neubauer als Protagonistin der gegenwärtigen Umweltbewegung, freute: „Der Freitag als Tag für die Streiks ist gut gewählt, besser als ein Samstag oder Sonntag, so ist das ein Akt der Selbstermächtigung.“ Nico Götze, gerade Buchhalter geworden, wusste vor der Diskussion nicht so recht, was ihn zu der Veranstaltung trieb. Er zeigte sich jedoch genervt von dem Steuererhöhungshemmnis, das er der aktuellen Bundesregierung attestierte: „Wir brauchen Klimainvestitionen!“, so der 23-Jährige.

Erfolg durch die Antwort auf das „Warum“

Peter Unfried, Chefredakteur der taz FUTURZWEI, moderierte die Diskussion mit dem Titel „Fridays for Future vs. EnBW“. Er  fragte die 23-jährige Neubauer nach dem Erfolgsgeheimnis der Bewegung, nachdem sich Umweltaktivist*innen in früheren Zeiten mit politischen Durchbrüchen, wie sie derzeit erlebbar sind, schwer taten: „Wir sind erfolgreich, weil wir die Frage nach dem „Warum“ für uns beantworten konnten“, so die Hamburgerin. Die Gründe und die Notwendigkeiten seien greifbar für jede*n. Dass es bis zum konkreten Handeln der politischen Akteure aber noch dauern könnte, war ihr klar: „Aus Gesprächen wie mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier weiß ich: Die Wirtschaft soll nicht verschreckt werden“.

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Ihr Gegenüber, Frank Mastiaux, gab sich etwas versöhnlicher mit der Politik: „Ich bin mir nicht sicher, ob sofortige Handlungen erwartbar sind. Politiker müssen natürlich immer erst einmal was sagen, eine Antwort parat haben.“ Vorhaben dann auch umzusetzen brauche Zeit. Mastiaux wurde 2012 Vorstandsvorsitzender der EnBW, nachdem er bereits für andere große Energiekonzerne tätig war. Seitdem treibt er die Transformation des Konzerns voran: Er sprach sich bereits für eine Mindestbepreisung von Kohlendioxid aus. Auf Nachfragen von Luisa Neubauer hin schloss er sich deren Forderung nach einer CO2-Steuer unter der Voraussetzung an, dass diese entsprechend ausgearbeitet sei.

Neubauer war das alles nicht genug, sie forderte die Einigung auf ein Ziel, eine Vision für die breite Masse. Das müsse kein Klimakonsens à la AKK sein, aber doch die Mehrheit ansprechen, schließlich sei „die Dekarbonisierung der Wirtschaft als Transformationsprozess keineswegs geringer einzuschätzen als die Industrialisierung“. Dem stimmte Mastiaux durchaus zu, verwies aber auf die Probleme, die man etwa beim Windenergieausbau habe. Man suche immer auch den Dialog mit den Bürgern vor Ort, und wenn die keine Windräder vor der Tür stehen haben wollen, werde es es schnell problematisch. Er machte aber auch deutlich, dass er die Klimakrise keineswegs als Anliegen einzig der Jüngeren sehe: „Auch die ältere Generation macht sich ihre Gedanken, das können Sie mir glauben.“

Volles Haus in der taz Kantine

Moderator Peter Unfried gab zu bedenken, dass EnBW in seiner Atom-Ära auch eine soziale Seite hatte, „da wurde das Geld mit den Schubkarren reingeholt und Landräte haben Schwimmbäder gebaut“. Die Hälfte des Konzerns gehört dem Land Baden-Württemberg. Das schrieb sich auch Frank Mastiaux gerne auf die Fahnen, der Erfolg gehöre so natürlich auch immer den Bürger*innen, deren Steuergelder schließlich in den Anteilen stecken. Neubauer sah das anders, man habe die Bürger*innen ja nie gefragt, ob sie diese Art von Energiekonzern denn wollten.

Seit bald acht Jahren sei Mastiaux nun am transformieren, merkte Unfried an und wollte wissen, wie lange er noch zu brauchen gedenke. „Wir sind noch lange nicht fertig, unser Ziel für 2020, sowohl finanziell als auch für die erneuerbaren Energien, erreichen wir aber voraussichtlich schon in diesem Jahr“, so der Konzernchef.

Enteignungen zum Wohle des Klimas – eine gesamtgesellschaftliche Frage

Zum Ende der Diskussion ging es, den konkreten Forderungen der FFF-Bewegung entsprechend, auch um den Kohleausstieg. Luisa Neubauer halte Kohleverstromung nach 2030 moralisch nicht für vertretbar, zitierte Peter Unfried die Aktivistin und konfrontierte Mastiaux damit. Der verwies auf die technische Notwendigkeit: „Es ist eine unbequeme Realität: Wir können dieses Land aktuell nicht ausschließlich mit Erneuerbaren energetisch versorgen.“

Auf Neubauers Nachhaken zu genauen Daten des Kohleausstiegs bei EnBW erwiderte er, dass mit manchen Kraftwerken vor, mit anderen nach 2030 vom Netz gegangen werden solle. Im Anschluss wurde die Diskussion für das Publikum geöffnet. Ein Gast war sich auch der möglichen Zwiespälte bewusst, die die Energiewende und der Ausbau erneuerbarer Energien mit sich bringen: „Wenn wir wollen, dass es schneller geht, müssen wir akzeptieren, dass Menschen enteignet werden, wenn sie kein Windrad vor Tür wollen. Das ist eine Frage, die sich die Gesellschaft stellen muss!“ warf Lukas Beckmann, ehemaliger Grünen-Politiker und früherer Vorstand der genossenschaftlichen GLS-Bank, ein.

Frank Mastiaux betonte im Anschluss gegenüber der taz, wie wichtig er den Dialog mit den jungen Menschen um die FFF-Aktivistin Luisa Neubauer findet: „Wir wollen mit dieser Generation reden, weil wir die brauchen. Von daher gehe ich jede Diskussion gerne mit.“ Neubauer wollte trotz deren Engagements Frank Mastiaux und EnBW nicht aus der Verantwortung entlassen: „Diese Unternehmen tragen eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung – auch als die, die uns in diese Klimakrise reingeritten haben.“

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kommentare

  • Wenn die ENBW mit dafür ist die Erneuerbaren Energieen voranzubringen dann müssen sie von den PV-Anlagen auch nach 20 Jahren den Strom noch abnehnmen.
    Leider habe ich das bei der Diskution vermisst.

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