vonjan feddersen 20.03.2009

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Heiner Flassbeck (Wikipedia) diskutiert beim tazkongress gemeinsam mit Bernhard Emunds, Manfred Neumann und taz-Redakteur Tarik Ahmia unter dem Titel Schuld & Chancen – Welche Lehren sind aus der Jahrhundertkrise zu ziehen? über die Finanzkrise. Heute hatten wir Kollegin Ulrike Hermanns Interview mit Heiner Flassbeck im Blatt und auf taz.de.

Was Flassbeck in diesem ausführlichen Interview mit Ulrike Hermann ausführt, ist plausibel. Man kann auch sagen: So plausibel wie er klangen sonst nur Ökonomen der neoliberalen Sorten am Anfang ihrer Ära, was gefühlt etwa fünfhundert Jahre zurück liegt. Genauer gesagt war es die FDP in der Bundesrepublik, die vorwiegend neoliberale Gründe hatte, 1982 die Koalition mit der SPD und das Bündnis mit Helmut Schmidt aufzukündigen. Damals fing es an, dass der Mainstream des Alltagsverständnisses in den bildungsbürgerlichen und Funktionseliten sich in ökonomischer Hinsicht änderte: Weg von, so verstanden sie es, der Alimentation von Massen, hin zur Freiheit der Konsumbürger und Unternehmer.

Was Heiner Flassbeck jetzt so überpointiert fast sagt, ist das genaue Gegenteil: Nur noch der Staat kann die Misere richten. Aber jenseits des bizarren Gefühls, dass alle momentan von Krise sprechen, aber niemand so ernsthaft von ihr betroffen ist – von den sogenannten Ewig- und Stetigunterschichtlern mal abgesehen. Noch, würde ich sagen, hat Flassbecks Befund mit Weissagung zu tun – also mit einer aus seiner Sicht satt belegten Vermutung. Kann sein, dass es so kommt, wie er sagt, könnte aber auch sein, dass es anders gerät, dieses Spiel um Krisen und ihre Prophezeiungen. In der Zeit war heute im Wirtschaftsteil eine Umfrage von unterschiedlichen Ökonomen zu lesen. Die meisten unkten, es würde, ja gewiss, noch schlimm kommen, aber bereits in einem Jahr könne von einer globalen ökonomischen Erholung gesprochen werden. Nun ja, soll man dem trauen? Schätzungsweise ist es doch so, dass niemand irgend etwas präzise begreift – etwa im Sinne von: Ja, ich verstehe, eins plus zwei sind im Ergebnis drei. Zweifelsfrei, nur für Esoteriker nicht verständlich.

Aber Volkswirtschaftstheorie hat soviel noch Unwägbares, ist selbst in ihren Forschungen noch ideologisch befangen. Vielleicht auch Flassbeck? Könnte es nicht sein, dass, bei aller Einsicht in das Anwerfen der Geldmaschinen durch die Europäische Zentralbank, jene sich nun im Recht wähnen, die die Marktwirtschaft für ein Grundübel halten, also auch den Kapitalismus? Und dass jene nun ein zähes Knirschen im Gemüt spüren, die noch vor zwei Jahren grölten: Na, ist doch alles im Lot, nichts kann schief gehen. Geht es aber doch – Island bankrott, Lettland und andere Staaten ebenfalls auf dem finanzwirtschaftlichen Level von Drittweltökonomien angekommen, abhängig von Subventionen der Europäischen Union, irre werdend aktuell am gescheiterten Wahn, das virtuelles Geld echt realwirtschaftlich produziertes Geld ist. Ich tendiere eher, bei allem Respekt zur Analyse Flassbeck: Bitte keine Katastrophenrufe!

Bitte mehr Mühe gedanklicher Art, wie sie Sascha Lobo (Blog) aufbringt: Phantasien um das Sterben des Kapitalismus – wo tut er das denn? – lohnen nicht, dafür bitte mehr Gehirnschmalz um eine Idee, wie man der Marktwirtschaft, also dem Kapitalismus mehr Effizienz verpassen könnte. Oder um es mit dem früheren Kanzler Helmut Schmidt zu sagen: Der Finanzmarkt kann kollabieren, weil er kein Markt ist, sondern ein oligopoles Ding weniger Menschen ohne Kontrolle durch so etwas wie die Konsumenten von finanzwirtschaftlichen Leistungen. Flassbeck mag Recht haben – aber ob er es bekommt, steht offen. Das ist ja für alle Spekulanten wie auch für Kassandren das Übel: Was morgen ist, weiß man erst morgen. –

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kommentare

  • Die KKommentatoren sollten vielleict mal einen Blick in das Werk Max Webers werfen, der die Enstehung der Börse und „Entpersönlichung der Herrscahftsbeziehungen“ Anfang des 20. Jahrhunderts beschreibt. MArktwirtschaft wie Kapitlismus sind eine zunehmend illegtime, da das know how aus der Wissenschaft kommt, richtige wirkliche, jeden Tag millardenfach stattfinde Herrschaft von Wenigen (BIG haves), organsierten, über Viele (not BIG haves).
    Finanzmarkt und Banken sind recht artifiezielle und vom funktionellen Standpunkt grottenschlechte verschwende überpersöliche Artefartke dazu. Unrechtfertigbar. Noch nie gewesen.

  • Zwischen Markwirtschaft und Kapitalismus gibt es einen Unterschied. Marktwirtschaft ist der Handel mit natürlichen oder produzierten Waren, die man sieht und anfassen kann, und deren Bewertung nach Bedarf und Nutzen. Kapitalismus ist der Handel von Geld mit Geld, das man nicht sieht und nicht anfassen kann, und deren Bewertung nach Betrug und Täuschungen.

  • Geldlose Ökonomie war auch garnicht gemeint.
    Geld, zumindest unser Geld, ist ja auch gerade nicht ‚der große Neutralisator‘, wie ja die aktuelle Krise brutalstmöglich nachweist.
    Gemeint ist: Geld ist nichts weiter als ein künstlich nach bestimmten Regeln geschaffenes Produkt zur Erleichterung wirtschaftlicher Tätigkeit. Damit Geld tatsächlich eine neutrale, rein vermittelnde Funktion einnehmen kann, darf es keine Eigenschaften besitzen, die es anderen Waren überlegen macht, die sog. Liquiditätspräferenz, und es muss ein öffentliches Gut sein.
    Mit andern Worten: Objektiv, um mal wieder einen marxistischen Terminus zu bemühen, vollkommen unproduktive Tätigkeiten wie Devisenspekulation und andere überflüssige Finanztransaktionen, die keinerlei volkswirtschaftlichen Wert hervorbringen, werden durch entsprechende Spielregeln einfach unattraktiv gemacht.
    Allein auf Grund dieser einfachen Maßnahme könnte zumindest der zeitgenössische Kapitalismus angelsächsischer Prägung schlichtweg nicht mehr stattfinden.
    Und wieso sollte es deswegen keine Marktwirtschaft mehr geben?

  • „Da merkt man doch gleich, dass er kein Marxist war“: Das merk‘ ich doch gleich, dass es um reine Sophisterei geht. Marktwirtschaft und Kapitalismus analytisch zu trennen, mag interessant sein – aber die Vorstellung, dass eine geldlose Ökonomie auch eine marktwirtschaftliche sein kann, ist abstrus. Geld ist doch gerade der große Neutralisator – eines, nun ja, Kampfes, um nicht pur – plenar? – verhandelter Naturalienwirtschaft ausgesetzt zu sein. Dass ich wenig anzubieten habe, will ich nicht bestreiten: Aber was ist das Angebot sonst? Mich erinnert diese Differenz – Marktwirtschaft und Kapitalismus seien nicht das Gleiche – an die von jenen, welche sich der Analyse des Sozialismus nicht stellen wollen und die DDR nicht für einen Beweis des Sozialistischen halten. Sie sagen: Na, das war doch keiner, der muss doch erst noch kommen. Wie der nächste Morgen? Der sicher auch kommt?

  • Eines der Grundübel ‚marxistischer‘, im Falle von Jan Feddersen wohl eher post-linker, Grundüberzeugungen ist die stereotype Gleichsetzung von Marktwirtschaft und Kapitalismus.
    Während erstere seit Jahrtausenden mehr oder weniger floriert, ist der Kapitalismus eine Erscheinung der Moderne, dessen Gedeihen an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, deren grundlegendste die Existenz von Geld in einer quasi als Meta-Ware verkehrsfähigen Form ist.
    Der olle Marx hat dies sehr wohl problematisiert:
    „Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst konstituierte Wert aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt wie die Natur, ihres eigentümlichen Wertes beraubt. Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dieses fremde Wesen beherrscht ihn und er betet es an.“
    Da merkt man doch gleich, dass er kein Marxist war ;-)
    Wer sich keine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus vorstellen kann, hat sowohl analytisch als auch perspektivisch wenig anzubieten.

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