Von Luise Strothmann
Ganz Mecklenburg-Vorpommern wählt die AfD … ganz Mecklenburg? Nein! Da gibt es noch Kieve, ein Dorf mit 140 Einwohner*innen direkt an der Grenze zu Brandenburg. Die Gemeinde ist die einzige in Ostdeutschland, in der die SPD bei der Bundestagswahl 2025 stärkste Kraft wurde, ein roter Fleck auf den Wahlkarten. Überall drumherum war die AfD am stärksten, im Nachbardorf kam sie auf 46 Prozent.
Was ist in Kieve anders? Mit dieser Frage ist Jonas Waack, Klimaredakteur der taz, Anfang dieses Jahres auf den Weg nach Mecklenburg gemacht, um einen Text für die Zukunftsseiten der wochentaz zu schreiben. Die Idee: nicht nur dorthin schauen, wo alles schiefläuft, sondern gerade dahin, wo etwas vielleicht besser funktioniert als anderswo. Für seine Reportage „Das Dorf der Unbeugsamen“ hat er nun am Dienstagabend den Deutschen Reporter:innenpreis in der Kategorie Newcomer verliehen bekommen.

Jonas Waack, Jahrgang 1999, ist selbst Mecklenburger. „Stadtkind aus Mecklenburg, möchte auch sonst Widersprüche vereinbaren“, schreibt er in seiner Autoreninfo und mit diesem Blick klingelt er in Kieve an Türen und setzt sich ins Gemeindezentrum.
Er findet heraus: Kieve ist erstmal ein Dorf wie viele andere in Brandenburg und Mecklenburg. „Die Jungen ziehen weg, die Alten bleiben. Der Bus kommt zweimal am Tag, am Wochenende gar nicht. Die Gaststätte ist geschlossen, weil die Pächterin krank ist“, schreibt er. Aber dann gibt es da Christine Jantzen, die nur Bürgermeisterin geworden ist, weil es keiner werden wollte, aber die es jetzt schafft, dass der Ort zusammenhält. Dass Menschen stolz sind auf das wiedervernässte Moor, in dem der Silberreiher landet. Die ein Nahwärmenetz plant und dafür sorgt, dass es gemeinsame Arbeitseinsätze und Dorffeste gibt. Und ein Theaterprojekt, bei dem die Dorfbewohner*innen ihren Streit um Vorgärten auf die Bühne bringen.
Jonas gelingt es, in zwei Tagen ein Dorf zu verstehen. Das funktioniert sicher auch wegen der Demut, die ihn als Reporter auszeichnet. Selbst auf der großen Bühne bei dem Reporterpreis lobt er die anderen nominierten Texte statt seinen eigenen.
„An Haustüren zu klingeln, ohne zu wissen, wer sich dahinter verbirgt, erfordert Mut“, schreibt die Jury. „Zusätzlich sendet der Text durch die beschriebene politische Widerstandskraft von Kieve ein wichtiges politisches Signal: Es gibt noch Hoffnung da draußen.“ Herzlichen Glückwunsch!