1989 tauchte in Leipzig am Nikolaikirchhof ein Banner auf mit der Aufschrift „Kritisches Denken braucht Zeit und Raum – hier & überall“. Es blieb nur einen Tag hängen. Wer das Banner gemacht hat, ist bisher nicht bekannt.
Heute vor 25 Jahren beging die DDR ihren 40. Republikgeburtstag. Bürger demonstrieren vor dem Palast der Republik, am Alexanderplatz und an der Gethsemanekirche. Der Staat reagiert mit Gewalt: Ab 21 Uhr riegeln Polizei und Sicherheitskräfte die Straßen rund um die Kirche hermetisch ab. Die Polizei greift wahllos Leute heraus, verprügelt Demonstranten. Doch der Staat erreicht sein Ziel nicht: Zwei Tage später gehen in Leipzig bereits über 70.000 Menschen auf die Straße. Die Polizei wagt es nicht mehr, einzugreifen. Einen Monat später fällt die Mauer.
Mischa Kuball, Künstler und Kunstprofessor in Düsseldorf, hat das Banner jetzt reproduziert und in mehreren Städten aufgehängt. In Köln hängt es gegenüber vom Dom, in Düsseldorf an der Kunsthalle, in Hannover am Sprengelmuseum – und für Berlin hat Kuball als Standort erfreulicherweise die taz ausgewählt. Kuball: „Ich betrachte meine Umsetzung als eine Art re-enactment zur historischen Situation. Aber mit deutlichem Verweis auf die jetzige Situation, denn wie kann die Frage nach einem ‚kritischen Denken‘ zeitgebunden sein und sich nur auf Leipzig und die Ex-DDR beziehen?“ In Leipzig entsteht zudem seine Installation „White Space“ am Wilhelm-Leuschner-Platz. Darüber berichtet MDR Figaro am Donnerstag ab 21:15 Uhr.
Foto: Isabel Lott