vontazlab 09.04.2011

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Von Tabea Becker

Mit Ines Pohl hat die taz inzwischen zum zweiten Mal eine lesbische Chefredakteurin und auch Jan Feddersen, taz-Redakteur für besondere Aufgaben ist sich sicher: „Bei einer Umfrage in unserem Haus wäre bestimmt die Mehrheit erstmal davon überzegt: Wir sind queer.“

Eine von der Norm abweichende Einstellung und Berichterstattung gehört also augenscheinlich zu kritischem Journalismus dazu. Das Bild von Homoexuellen in der deutschen Medienkultur ist aber dennoch weit von Ausgewogenheit entfernt.

Der Männlichkeitsstatus von Schwulen werde in der heterosexuellen Gesellschaft generell angezweifelt und als Ersatz entwickle man dann bestimmte andere Stereotypen, erklärt Peter Rehberg, der vier Jahre lang Chefredakteur der politisch-gesellschaftlichen Schwulenzeitschrift „Männer“ war. Unter die typischen Klassifizierungssysteme fallen dabei breits altbekannte Charaktere wie die Kulturschwuppe, der beste Freund, die Feier-Tunte, der Comedy-Schwule oder der Haute-Coûture-Designer.

Bei seinem Vortrag „Mode und Mimosen“ zur Darstellung von Schwulen in der medialen Mainstreamkultur anlässlich des Medienkongress von taz und Freitag in Berlin unterschied Rehberg nun zwischen allgemeiner Hyper-, und Entsexualisierung: „Die Hypersexualisierung ist ein Spektakel. Man sieht durchtrainierte Männer mit nacktem Oberkörper, die sich öffentlich zur Schau stellen und bannt durch dieses klare Bild ihre Gefahr und Fremdartigkeit.“

Entsexualisierung lasse sich dagegen beim schwulen Außenminister Guido Westerwelle beoachten: Ein Homosexueller, der eine öffentliche Figur werden will, gesteht seine Sexualität einmalig und erwähnt sie dann nie wieder. Dieser Tauschhandel werde oft noch mit dem sogenannten „straight-acting“ als potenter Macho kombiniert. Rehberg nennt hier das Beispiel des schwulen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit. Solche Verhaltensweisen seien aber bei weitem nicht mit einem echten immer wieder bestätigten Coming-Out zu vergleichen. „Ich wünsche Guido Westerwelle ein Coming-Out als die glamouröse Tunte, die er vielleicht ist,“ schließt Rehberg seine Erklärungen ab.

Die stereotypen Bilder von Schwulen sind dennoch auch in homosexuellen Medien vertreten. Das schuwle Magazin „Du und Ich“ arbeitet mit RTL zusammen, die in ihren Vorabendsendungen schwule Eiskunstläufer präsentieren und Rehberg bezeichnet hypersexualisierte Darstellungen als Steilvorlagen für die Springer-Presse, die im Gegenzug dann homophobe Artikel liefere.

Auch bei der taz gibt es keine Hausdirekiven für die „queere“ Berichterstattung. Jan Feddersen empfindet Geschichten aus dem schwulen Alltag inzwischen als langweilig und bemängelt, einen Schwulen einfach nur als interessanten Menschen unabhängig von seiner Sexualität darzustellen funktioniere ebenso wenig. Opfergeschichten hingegen müssten sein. „Aber ich möchte jetzt eigentlich nur noch über Schwule reden, die Fußball gucken.“

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