Der Deutsche Presserat hat eine Rüge gegen die taz ausgesprochen. Mit der Überschrift „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“ zur Papstwahl habe die taz grob gegen das Sorgfaltsgebot verstoßen. Die Nähe Bergoglios zur argentinischen Militärdiktatur sei nicht ausreichend bewiesen, um sie als Tatsache darzustellen. Bergoglios Ehre werde verletzt, indem die taz ihn ohne ausreichende Belege in die Nähe eines Regimes rückte, das Zehntausende von Menschen ermordet hat. In Ziffer 2 des Pressekodex heißt es: „Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.“
Nicht beanstandet wurden vom Presserat scharfe Bewertungen in einem Kommentar von Deniz Yücel wie „Alter Sack I folgt Alter Sack II“ oder „esoterischer Klimbim“ als Bezeichnung für katholische Dogmen. Wegen der Veröffentlichung waren fast 50 Beschwerden beim Presserat eingegangen, darunter auch eine von der Zeitung des Bistums Speyer.
Die Stellungnahme von taz-Chefredakteurin Ines Pohl:
Neben anderen ausgewiesenen Experten hat der Investigativjournalist Horacio Verbitsky Erkenntnisse darüber, dass Jorge Bergoglio, der aktuelle Papst, in den 70er Jahren der letzten Perón-Regierung intensiv verbunden war und Jesuiten bei der Junta angeschwärzt hat. Davon hat er unter anderem auch in einem taz-Interview berichtet. Die Schlagzeile ist unter dem Eindruck dieses Interviews und weiterer Recherchen entstanden. Im Nachhinein ist die Zuspitzung in dieser Form nicht gelungen, da die Vorwürfe gegen Bergoglio letztlich nicht eindeutig belegt sind und es auch andere, durchaus glaubwürdige Darstellungen über sein Verhalten während der Diktatur gibt. Damit sind wir in diesem Fall übers Ziel hinaus geschossen.
Für die taz gilt gleichwohl grundsätzlich, dass wir in unserer Kritik immer wieder ganz bewusst an Grenzen gehen. Und so anfragen wollen, ob vermeintliche gesellschaftliche Vereinbarungen – auch was die Benennung oder eben Tabuisierung von Konflikten anbelangt – richtig oder falsch sind. Manchmal gelingt uns dadurch eine Zuspitzung, die in einer besonderen Klarheit Missstände aufzeigt. Es muss immer um einen Erkenntnisgewinn gehen, nicht aber um eine Respektlosigkeit an sich. Ich kann Ihnen garantieren, dass es weder den Machern der Überschrift noch dem Autor des Kommentars darum ging, Verachtung für die Katholiken und ihrer Kirche zum Ausdruck zu bringen. Wir freuen uns, dass der Presserat in seiner Bewertung des Kommentars keine Verletzung von religiösen Gefühlen festgestellt hat.
Jesuiten haben Geschichte und Tradition: Der Zweck heiligt die Mittel. Der neue Papst wird hier zunächst als Jesuit/südamerikanischer katholischer Würdenträger angesprochen. So wie Benedikt als Vertreter des NS-Systems, obwohl er persönlich mit Sicherheit keine Schuld an den Verbrechen des 3. Reiches trägt.
Eine Kollaboration der kath. Kirche – insbesondere des Klerus – mit Militärdiktatoren war eher die Regel als die Ausnahme. Insofern geschieht dem Papst mit der Überschrift mglw. persönlich unrecht, als Vertreter eines Ordens, der in der Vergangenheit nicht sehr zimperlich vorging, und als Vertreter des lateinamerikanischen Klerus wohl kaum.
Im Übrigen überwiegt im Taz-Titel eindeutig die provozierend-satirische Geste.