vonBlogwartin 24.06.2013

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Karl-Heinz Ruch
Verlagsgeschäftsführer Karl-Heinz Ruch
Das Jahr 2012 war kein gutes für die Zeitungsbranche. Selbst ein Marktführer wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ, sonntags: FAS) meldet im eigenen Blatt (am 11. Juni) einen Verlust von 4,3 Millionen für jenes Jahr. Grund sind vor allem starke Rückgänge im Werbegeschäft, insbesondere bei den Stellenanzeigen.

Wörtlich heißt es im Wirtschaftsteil des Blatts: „Den sinkenden Anzeigenerlösen standen steigende Vertriebserlöse für F.A.Z. und F.A.S. gegenüber.“ Immerhin, so kann man gutgelaunt titeln: „Die F.A.Z. wird weniger abhängig vom Werbemarkt / Verhaltene Geschäftsentwicklung / Aber das neue Modemagazin nimmt der Markt sehr gut auf“. Vermutlich werden auch in der F.A.Z. die Überschriften über den Artikeln nicht von den Autoren selbst getextet.

Denn die Lesart, dass man unabhängiger von Anzeigen wird, je weniger man davon hat, gab es bisher nur in der taz. In der Verlagsbranche galt eher umgekehrt: Je mehr Anzeigen, desto weniger wird man von einzelnen Kunden abhängig. Wie dem auch sei – bei den Modemagazinen mit ihren Glamouranzeigen wird die Frage der Unabhängigkeit gar nicht erst gestellt.

Dass man auch mit viel weniger bezahlten Annoncen eine gute Zeitung machen kann, beweist die taz, seit es sie gibt. Allerdings mit Konsequenzen. Was auf der Erlösseite fehlt, kann auf der Kostenseite nicht ausgegeben werden. Für Druck, Vertrieb, Energie oder Agenturen gelten auch für die taz marktübliche Preise.

Anders bei den Gehältern. Würde die taz bei diesen marktüblich, also nach den geltenden Tarifverträgen der Gewerkschaften, zahlen, könnte sie nicht mehr so viele MitarbeiterInnen beschäftigen, müsste Stellen reduzieren und damit sicher auch ihre publizistische Qualität.

Darf man sich abfinden mit diesem Dilemma? Nur bedingt. Gut ist es, wenn materielle Werte kompensiert werden können, zum Beispiel durch Einfluss auf Unternehmensentwicklungen, aber auch durch „Räume“ zur Verwirklichung anderer Ideale.

In der taz arbeitet man sehr unabhängig. Gerade für den Journalistenberuf ist das ein hoher Wert.

Siehe auch: Die Einnahmen und Ausgaben der taz im Überblick

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https://blogs.taz.de/hausblog/ruch-report-warum-taz-mitarbeiter-so-schlecht-verdiene/

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kommentare

  • Also taz dicht machen?

    @Alle die hier meckern: Wollt Ihr das?

    Das wäre nämlich die Konsequenz aus tarif- oder mindestlohngemäßer Bezahlung. Was soll taz denn machen? Es ist ja nicht so, dass sich das Management oder die Eigentümer die Taschen voll machen.

    Niemand ist gezwungen, für taz zu arbeiten.

    Und gleiches gilt tatsächlich auch für viele Kneipen, Frisöre, Taxen, Galerien und Kreative. Es sind ja nicht die bösen Multis, die Minilöhne zahlen, sondern kleine Unternehmer, die selbst nicht reich werden.

    Aber steigende Bierpreise, Haarschnittkosten, Taxipreise etc. führen nun mal dazu, dass weniger von all dem konsumiert wird. (Zum Frisör geht man eben 2 Wochen später und lässt kürzer und/oder schwarz schneiden) Das führt zu noch weniger Umsatz und wieder steigenden Preisen. Ein Teufelskreis.

    Es ist einfach gesagt, dass sich ein Geschäftsmodell, was sich nur mit Niedriglöhnen trägt, keine Existenzberechtigung hat. Bei taz sieht man, dass die Welt nicht so einfach ist.

    Mein Vorschlag: Der Staat soll Löhne bis 1000 Euro völlig frei von (Sozial)Abgaben stellen. Natürlich werden trotzdem Rentenpunkte und Krankenversichernug gewährt.

  • Irgendwie inkonsequent. Warum macht ihr nicht das, was ihr von den bösen Kapitalisten implizit fordert?

    Die Eigentümer sollen nicht nur auf Gewinne verzichten, sondern permanent Geld nachschießen. Ich weiss, dass machen Eure Genossen schon, aber offenbar nicht genug.

    @Alle anderen, die sich hier beschweren: Klar, das „System“ ist schuld. (Auch dass ich rauche)

    Willkommen in der Realität…

  • Hallo, als freie Journalistin, sprich: selbständige Unternehmerin, finde ich dieses Gejammere unerträglich. Nicht nur von Ihnen, auch vom JALAG und vielen, vielen anderen. Wenn ein Geschäftsmodell nichts mehr abwirft, müssen Sie sich als Unternehmer eben ein Neues überlegen. Sie können doch nicht von Ihren Mitarbeitern verlangen für Null zu arbeiten! Völlig verquere Denke!
    Wer sich keine Redaktion mehr leisten kann, kann eben kein Verleger mehr sein.
    Stellen Sie sich vor, ich würde meinem Fliesenleger sagen, er muss leider umsonst arbeiten, dafür kann er sich in meinem Haus kreativ verwirklichen. Der zeigt mir – zurecht – den Vogel!

  • Ist also Arbeit mit Herzblut weniger wert als Arbeit ohne Herzblut?
    Als freiberufliche Fotografin kenne ich das Argument allzu gut. Wenn mir etwas Spaß macht, wenn es mein eigenes Ding ist, könne ich doch auch mal weniger Geld dafür nehmen.

    Eeeehm wie bitte?

    Arbeitslohn = Schmerzensgeld oder wie soll man das verstehen?

    Ich finde es schade, dass in unserer Welt so gedacht und gehandelt wird.
    Leider geht diese Schraube gerade im künstlerischen Bereich und ähnlichen immer weiter nach unten… Man braucht da inzwischen oft mehrere Tätigkeitsfelder, um sich ernähren zu können.

    Als freie Mitarbeiterin einer Tageszeitung, die sich eben nicht auf Skandale stürzt wie die BILD (die für Fotos das Vierfache zahlt als bei uns im Süden bei Tageszeitungen üblich, also das Siebenfache von dem, was man bei der taz bekäme als freie MA…) kann man kaum über die Runden kommen.
    Als feste MA der taz etwa ebensowenig?
    Wie soll das gutem Journalismus zuträglich sein, wenn man nicht den finanziellen Spielraum hat, auch mal ganz seinem Herzen zu folgen oder oder oder?

    Zudem … da immer mehr Firmen so argumentieren, sinkt die Kaufkraft… so werden wiederum NOCH WENIGER Zeitungen gekauft…
    Na? Wie man hier sagt: Schnackelt’s?

  • Reformen des Wirtschaftssystems wären dringend nötig und Berichte darüber, die dieses Problem lösen. Würden CDU/ FDP nicht ihre Klientel beschenken, hunderte Milliarden mit in Banken pumpen, Reiche aus dem Sozialstaat ausgliedern, Militär überall in die Welt schicken etc. sähe es im Inland für die Menschen finanziell und sozial weit besser aus.

  • Daß die Anzeigen, Abos und Zahlungen für einzelne Artikel so gering sind, daß Journalismus mehr und mehr zum Niedriglohnjob verkommt oder gleich in die Arbeitslosigkeit führt, hat 1 Hauptursache: Die Kaufkraft ist zu niedrig. gerade die typischen/potentiellen Leser dere taz gehören eher zur unteren Hälfte der Einkommen, deren Median lt. Einkommensteuerstatistik bei monatlich rd. 1.280 € netto pro Haushalt (!) liegt.

    Was tun?

    Man kann sich mit der Situation abfinden und auf die Symptome beschränken. Man könnte jedoch auch über ein alternatives Wirtschaftssystem berichten, das dieses Problem löst. Wäre bandbreitenmodell de/vision nicht mal einen Artilel wert?

  • Danke für die klare Stellungnahme. Sie ist in der Debatte um Mindestlöhne ausgesprochen hilfreich und dürfte sogar von „Linken“ verstanden werden.

  • Liebe TAZ,
    herzlichen Glückwunsch! Ihr habt eine Komplexität der Welt begriffen, die sich nicht einhegen lässt. Das bin ich von Euch nicht gewohnt. Ich finde es toll, dass Ihr Euren Mitarbeitern die Möglichkeit gebt, sich aus anderen Gründen als des Gehalts für Euch zu entscheiden. Aber wie ist solch ein Modell mit Mindestlöhnen zu vereinbaren? Soll der Mindestlohn gemindert werden, wenn die Mitarbeiter unabhängiger sind und abstrakte „Räume“ haben? Was sagt uns das über die Tarifkultur, über die Gewerkschaften in Deutschland? Beschneiden diese nicht solche Möglichkeiten? Vielleicht steigert sich mal Eure Auflage und Ihr könnt Eure Mitarbeiter endlich vernünftig bezahlen, diejenigen, die gerade aus Idealismus darben – wie gerecht ist dann noch ein progressiver und immer progressiverer Steuersatz? Und schlussendlich: erkennt Ihr an, dass jeder Eurer Mitarbeiter, so wie jeder Bürger dieses Landes, freiwillig arbeitet oder nicht arbeitet und die Vereinbarung über den Lohn, die Unabhängigkeit, die Mitspracherechte, die besagten ‚Räume‘ Objekt privater, autonom eingegangener Verträge emanzipierter und mündiger Individuen sind?

    Herzliche Grüße,
    Johannes Knewitz, Doktorand, auch freiwillig schlecht vergütet mit viel Raum und Mitsprache, glücklich.

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