Er kann es einfach nicht mehr hören. Diese ewigen Bedenken und diese Angst der Deutschen vor Einschränkungen wegen der Anpassung Deutschlands an den Klimawandel: „Das macht mich mürb!“, grantelte Anton Hofreiter mit zunehmend rotem Kopf. Seine Ungeduld, dass sich etwas ändern müsse, könnte natürlich auch an einem nun sechs Monate alten Säugling zu Hause liegen, gab der Fraktionschef der Grünen im Bundestag bei der Buchvorstellung im taz Café zu bedenken. Und betonte, die Sorge vieler um den Wohlstand sei „unnötig“, das „Leben wird besser, wenn wir es richtig machen“. Hofreiters einzige Einschränkung: „Vielleicht kann nicht jeder jeden Tag einen Schweinsbraten essen“.
Das sah Andreas Jung, Umweltpolitiker und Vizechef der Bundestagsfraktion der CDU, ähnlich – und redete, viel temperierter, von einer „Chancendiskussion“ durch die Energiewende. Die zwei Politgranden waren ins taz-Gebäude in der Berliner Friedrichstraße gekommen, um das neue Buch eines weiteren Klimaexperten zu präsentieren: Bernhard Pötter, Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt, hat gerade „Die Grüne Null. Der Kampf um Deutschlands Zukunft ohne Kohle, Öl und Gas“ im Piper-Verlag veröffentlicht. taz-Chefredakteurin Barbara Junge moderierte.
Megaaufgabe für Wirtschaft und Politik
Thema der „Grünen Null“: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Das heißt: Wir dürfen nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wir aus der Atmosphäre binden. Die Emissionen müssen also praktisch auf null. Klingt technisch, ist aber eine Megaaufgabe für Wirtschaft, Politik – und also für die nächste Bundesregierung.
„Was heißt Klimaneutralität? Was ist das? Wie riecht das?“, erklärte Pötter sein Buch. Bei seinen Recherchen hat er herausgefunden, dass die Probleme bei der energetischen Gebäudesanierung zum Beispiel darin liegen, dass es derzeit nicht genug Handwerker dafür gibt. Überrascht hat ihn auch, als ihm ein Unternehmensberater erzählte: „Sagen Sie es nicht weiter, aber wir wollen reguliert werden. Damit wir wissen, wo es hingeht.“ Da hörten auch Hofreiter und Jung aufmerksam zu. Inhaltlich waren der Grüne und der CDU-Politiker ohnehin bei den Maßnahmen für mehr Klimaschutz nicht weit voneinander entfernt. Ob sie ihre Pläne umsetzen können, entscheidet die Bundestagswahl am 26. September.
Von Kai Schöneberg, Co-Leiter des taz-Ressorts Wirtschaft und Umwelt.