vontazlab 09.04.2011

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Speedlab Zeitungssterben: Handfestes und Hoffnung

Von Alexander Kohn

„Wenn es nur eine Zeitung in der Gegend gibt, dann werden deren Redakteure faul und träge“, sagt Steffen Grimberg von der taz-Medienredaktion. In über 70 Prozent aller deutschen Städte und Kreise gebe es nur noch eine einzige Lokalzeitung. „Dort erübrigt sich der qualitätsstiftende Wettbewerb, wer die besseren Hintergrundinfos oder einen besseren Dreh auf die Geschichte bringt, da es ohnehin keine Konkurrenz gibt.“ Und mehr noch, warnt der Medienredakteur: „Wenn die Monopolzeitung über ein Ereignis nicht berichtet, dann hat es so gut wie gar nicht stattgefunden.“

„Wie im Lokaljournalismus geht die Pressevielfalt auch auf dem überregionalen Zeitungsmarkt zurück“, erläutert Grimberg in einer 20-minütigen Faktenschleuder. Im Zuge sinkender Auflagen verringere sich auch die Zahl von Redaktionsstellen überall in Deutschland seit gut 20 Jahren. Ebenso gebe es auch immer weniger Vollredaktionen, die alle Teile des Blattes selbst produzieren. Dafür immer mehr Auslagerung an externe Agenturen, die Stücke über etwa Reise oder Autos produzieren. „Dieser Trend führt dazu, dass in immer mehr Zeitungen in diesen Bereichen das gleiche steht.“ Passiert das auch bei der Berichterstattung über Politik und Wirtschaft?

Als aktuelles Beispiel dafür verweist er auf die Frankfurter Rundschau, wo massive Sparrunden nicht verhindern konnten, dass der überregionale Inhalt des Blattes künftig von der Berliner Zeitung gestellt wird. Rund 40 Mitarbeiter können aus Frankfurt in die Hauptstadt wechseln, die Hälfte der Redakteure werde entlassen. Auch die WAZ-Gruppe baue seit 2009 etwa ein Drittel der 900 Redaktionsstellen bei ihren vier Titeln im Ruhrgebiet ab: „Früher gab es hier vier lokale Berichte und Perspektiven über die Ereignisse in der Region und heute gibt es nur noch eine zentrale Sicht, gesteuert vom Newsdesk in Essen.“

Was bedeutet dieser Trend für junge NachwuchsredakteurInnen? Sinkende Einstiegsgehälter seien Realität, sagt Medienredakteur Grimberg, doch viele Junge halten einen schlechtbezahlten Einstieg für besser als das 468. unbezahlte Praktikum. „Die Medien sind trotz allem immer noch ein attraktiver Berufszweig.“ Die freie Journalisten Kristina (30) aus dem Publikum findet es nicht übertrieben, über ein Zeitungssterben zu diskutieren, weil so ein Schlagwort die Leute aufrüttele. „Es muss thematisiert werden, wie wichtig Zeitungsvielfalt und deren Erhalt ist – es darf nicht an den Journalisten gespart werden.“ Zwar werden Online-Medien immer wichtiger und bewegen vielleicht auch mehr junge Leute dazu, sich kritisch zu informieren, aber für sie steht fest: „Ich will meine Zeitung in der Hand halten.“

Medienredakteur Grimberg hält das oft prognostiziertes Zeitungssterben auf Raten für zu pessimistisch: „Deutschland ist ein Lokal- und Regionalzeitungsland, die Blätter müssen sich wieder auf ihre lokalen Stärken besinnen, damit nicht immer mehr LeserInnen von schlechter werdender Berichterstattung enttäuscht werden und abspringen.“ Taz-Genossin Astrid aus dem Publikum hat neulich ihr taz-Abo gekündigt um sich nicht lokal, sondern international zu engagieren: „Nicht nur Zeitungen müssen sparen. Mit dem freien Geld unterstütze ich eine Familie in Indien bei der Ausbildung ihrer Kinder.“

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