vonBlogwart 27.08.2013

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

Mehr über diesen Blog
VON MARKUS VÖLKER

“Kabaretteinlage”, lästern die einen. “Tolle Sache”, sagen die anderen. Fakt ist: Die neueste Aktion der Leibesübungen-Redaktion der taz spaltet das Lager der Sportfreunde in Zweifler und Befürworter, wobei letztere Fraktion zahlenmäßig dann doch erheblich stärker ist. Sogar das Urgestein des kritischen Sportjournalismus, Jens Weinreich, twittert: “Coole Idee”. Wenn das Ganze funktioniert, dann “hätte der taz-Sport übrigens die Zauberformel für die Rettung des Printjournalismus gefunden”, schreibt er. Auch wenn sich die Rettung des Papierjournalismus noch etwas hinziehen könnte, hat die “Pixel-Pause” (Süddeutsche Zeitung) der Sportredaktion für Aufsehen gesorgt; Spiegel, Stern, Focus und ein paar andere Onlinemedien berichteten. Was ist geschehen?

Normalerweise verpixeln wir Trikot- und Bandenwerbung oder suchen Fotos aus, die frei von Firmenlogos sind. Das machen wir seit August 2011 so. Nach erheblichem Widerstand in Teilen der taz-Redaktion hat sich die Verpixelung von Werbeinhalten zumindest auf der Sportseite im Printbereich durchgesetzt (leider nur da). Die Pixel sind neben dem Verzicht auf Motorsport zu einem Markenzeichen der Leibesübungen geworden: Wir waren schlichtweg angeödet von der Omnipräsenz der Sportwerbung, zudem wollten wir nicht mehr einsehen, warum wir Fremdwerbung, die sich wie ein Parasit am Wirtstier Zeitung nährt, zulassen sollen – noch dazu kostenlos. So kam’s, dass wir in der vorigen Woche die Verpixelung ausgesetzt und Sportfotos wie Werbeanzeigen behandelt haben. Alle Reklamefotos bekamen die Kennung: “Anzeige”. Den Profiteuren, die ihre Werbung auf dem Trikot des FC Bayern oder einer Bande in die taz einschleusten, wurden Rechnungen gestellt.

In der Vorwoche haben wir 15 Sportanzeigen gedruckt. Zwölf Firmen wurden zur Kasse gebeten – Coca-Cola (2), Red Bull und TDK, Evonik (2), Areva, Deutsche Bahn AG und Daimler, Gazprom, Toyota, Tipico Sportwetten, die Telekom (2) und IBM: Zumeist also Global Player, die in der Lage sind, für ihre Werbung in der taz zu zahlen. 72.332,13 Euro summierten sich für diverse Textteil- und Eckfeldanzeigen.

Noch haben wir keine Antwort von den Unternehmen erhalten, bleiben aber dran. Notfalls gibt’s Mahnungen. Bis jetzt dürfen Unternehmen in fast allen deutschen Zeitungen via Sportfoto kostenlos inserieren. Es wird von den Redaktionen und Verlegern geduldet. Was sich hier eingebürgert hat, ist Werbepiraterie von Firmen, die sich das leisten können. Seit Montag wird im Übrigen wieder verpixelt.

Markus Völker, 42, taz-Sportredakteur seit 2005, sehnt sich manchmal nach der Zeit, in der Werbung noch Reklame hieß.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausblog/sportwerbung-pixel-und-parasiten/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Die TAZ die sich selber “kostenlos” mit der Berichterstattung über Sport finanziert, klaut selber bei den Vereinen und zahlt keinen Cent für die Berichte der Werbetreibenden Vereine. Gleichzeitig werden die Vereine (auch kleinste) geschädigt, die sich teilweise über Werbung finanzieren.
    Informationspflicht sieht anders aus.
    Wenn ein Geschäft und eine Bank überfallen wird werden wohl bald auch Rechnungen verschickt, wenn deren Firmengebäude gezeigt wird?

    Die TAZ schleicht sich bei den Sportvereinen ein, nicht die werbenden Firmen, die mit den Vereinen einen Vertrag haben!

    • Richtig, wir bezahlen keinem Sportler oder Veranstalter auch nur einen Cent dafür, dass wir über Sport berichten. Wir bezahlen auch keinen Politiker und keine Partei dafür, dass wir über Politik berichten. Wir bezahlen kein Unternehmen und keinen Vorstandsvorsitzenden dafür, dass wir über Wirtschaft berichten. Wir bezahlen keinen ausländischen Staat und kein Staatsoberhaupt dafür, dass wir über die Vorgänge in seinem Land berichten. Wir bezahlen keinen TV-Sender und keinen Moderator dafür, dass wir über das Fernsehprogramm berichten. Wir bezahlen keinen Musiker und kein Plattenlabel dafür, dass wir über Musik berichten.

      Wir schleichen uns nicht bei den Sportvereinen ein, sondern die werbenden Unternehmen schleichen sich über die Sportvereine bei uns ein. Wir freuen uns im Prinzip über Werbung von Unternehmen bei uns, deshalb verkaufen wir auch entsprechende Werbeplätze. In diesem Fall scheint es uns aber, dass Unternehmen und Sportvereine eine Vereinbarung zu Lasten eines unbeteiligten Dritten geschlossen haben, nämlich der Medien. Die Vereinbarung lautet: Die Vereine bringen die Werbung der Unternehmen schleichend in den Medien unter und die Unternehmen zahlen für diesen Werbewert Geld – aber nicht an die Medien, die die Werbung abdrucken und ausstrahlen und durch die der Werbewert erst entsteht, sondern an die Vereine. Das machen wir nicht länger mit.

  • Ein vielleicht besonderer Grenzfall über den ich aber am Wochenende nachdachte: Die Fußballmannschaft von Bayer Leverkusen trug am Samstag statt der Werbung des Sponsors das Emblem der DKMS auf der Brust. Wird das auch verpixelt? Wenn nein, wo zieht ihr denn die Grenze?

  • Starke Aktion, eigentlich hielt ich die TAZ ja für verloren (und erwartete schon das der nächste BILD-abgeworbene nicht beim Spiegel sondern hier landet und Kommentare für einen Krieg gegen Syrien schreibt) aber das kann sich blicken lassen.

  • Ich muss schon sagen liebe taz was zahlt ihr denn dafür das ihr jeden Tag über den Sport berichten dürft? Ihr zahlt keinem Sportler, Veranstalter, oder sonstigem Beteiligten nur einen Cent für eure Berichterstattung mit der Ihr ja auch Geld verdient. Warum also die Werbung die für viele Sportveranstaltungen vor allem in Randsporarten existentiell sind verpixeln wozu führt das eurer Logik nach nur dazu das sich Sponsoren würden dies alle Medien euch nach machen aus dem SPortsponsoring zurückziehen würden und wir Sportbegeisterten dann in die Röhre schauen. Oder will die taz dann in die Bresche springen um den in Finanzielle Schwierigkeiten geratenen Veranstaltungen und Sportlern zu helfen? Nein würdet ihr auch nicht! Diese Forderungen sind nichts als populistische Effekthascherei.

    • @Frank: Das Argument ist vollkommen richtig – Sport finanziert sich ab einem bestimmten Punkt nur noch über Werbung. Und dann gibt es einen Punkt darüber hinaus, wo es knallhartes SportGESCHÄFT wird (siehe die bekannten Fußballvereine mit Wurst-Spitze) und wo eine Überfinanzierung stattfindet und der Sport lediglich zum WerbeTRÄGER verkommt.

      Und natürlich wäre es keine wünschenswerte Entwicklung, wenn mehr Medien eine solche “Verpixelung” vornehmen würden. Aber zum Einen ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert so hoch wie die Kanzlerschaft Steinbrück und zum Anderen ist die taz Aktion eine reine Marketing-Aktion. Nicht mehr und nicht weniger. Eine wirklich clevere, originelle und nachahmenswerte! Wäre doch mal ein Spaß, wenn bei Fernsehübertragungen (immerhin bezahlen wir bei den öffentlich-rechtlichen eine nicht unerhebliche Gebühr dafür, dass die bei Fußballübertragungen diese nervigen Bannerwechsel und seltsamen Torseitenwerbungen mit übertragen) dieses ganze Werbegedöns drum herum und auf den Spielern verpixelt wäre. Sähe bestimmt lustig aus. :-)

    • Richtig, wir bezahlen keinem Sportler oder Veranstalter auch nur einen Cent dafür, dass wir über Sport berichten. Wir bezahlen auch keinen Politiker und keine Partei dafür, dass wir über Politik berichten. Wir bezahlen kein Unternehmen und keinen Vorstandsvorsitzenden dafür, dass wir über Wirtschaft berichten. Wir bezahlen keinen ausländischen Staat und kein Staatsoberhaupt dafür, dass wir über die Vorgänge in seinem Land berichten. Wir bezahlen keinen TV-Sender und keinen Moderator dafür, dass wir über das Fernsehprogramm berichten. Wir bezahlen keinen Musiker und kein Plattenlabel dafür, dass wir über Musik berichten. Sogar dann, wenn diese Personen oder Institutionen in die finanzielle Schieflage geraten, helfen wir keinem von ihnen mit Geld aus.

      Wir haben übrigens nichts dagegen, dass Unternehmen den Sport sponsorn. Die Unternehmen können gerne so viel Geld an die Sportler und die Vereine zahlen, wie sie möchten. Uns scheint es aber, dass es den Unternehmen dabei gar nicht um das Wohl des Sports geht, sondern darum, ihre Werbung in unserer Zeitung unterzubringen. Wir freuen uns immer, wenn Unternehmen ihre Werbung in unserer Zeitung unterbringen, hier ist unsere Preisliste. Uns scheint, dass Unternehmen und Sportvereine eine Vereinbarung zu Lasten eines unbeteiligten Dritten geschlossen haben, nämlich der Medien. Die Vereinbarung lautet: Die Vereine bringen die Werbung der Unternehmen in den Medien unter und die Unternehmen zahlen für diesen Werbewert Geld – aber nicht an die Medien, die die Werbung abdrucken und ausstrahlen und durch die der Werbewert erst entsteht, sondern an die Vereine. Das machen wir nicht länger mit.

      Unabhängig davon verdient die taz übrigens mit ihrer Berichterstattung kein Geld. Im vergangenen Jahr haben wir einen Verlust von 616.766 Euro gemacht. Die taz gehört einer Genossenschaft von derzeit 13.000 Lesern, die mit ihren finanziellen Einlagen die Verluste der taz decken.

        • Die taz ist kein profitorientiertes Unternehmen, sondern sie gehört einer Genossenschaft von rund 13.000 Lesern und Unterstützern. Die taz wurde nicht gegründet, um mit ihr möglichst viel Geld zu scheffeln, sondern um möglichst gute Berichterstattung zu leisten.

  • Rechtlich:
    Kein Auftrag seitens der Werbenden, daher auch kein Anspruch auf Vergütung bei den Veröffentlichenden, so einfach dürfte das sein. Nebenbei: haben zum Fußballteil auch die Vereine Rechnungen für die Vereinswerbung erhalten? Bei einer Berichterstattung handelt sich schließlich auch um kostenlose Werbung für Wirtschaftsunternehmen wie Bayern München, Borussia Dortmund und Co.

    Publizistisch: Glückwunsch für diese publizitätswirksame Umsetzung einer cleveren Idee! Einfallsreich!

  • Angesichts eines sehr kompetenten Medienanwalts im Hintergrund könnte man hoffen, dass diese Aktion tatsächlich eine rechtlich durchsetzbare Grundlage hat.
    Ich fürchte jedoch: Das klappt im Hinblick auf die 72.000,- nicht. Nicht nur deshalb, weil ja die Entscheidung, ob die “Anzeige” (das Foto über das Sportereignis) veröffentlicht wird, ausschließlich im Ermessen der Redaktion liegt (und – so dürfte der/die zuständige HandelsrichterIn vielleicht argumentieren) es ja auch andere Mittel zu “Vermeidung der kostenlosen Werbung” gibt (eben z.B. die Verpixelung).
    In der Sache würde ich das eher düster sehen.
    Aber der Marketing Effekt für die taz ist richtig gut. Und DAFÜR! meine Hochachtung und den größten Respekt.

    Die anderen Redaktionen sollten sich dieser Aktion im nächsten Schritt anschliessen. Was wieder einen frischen Öffentlichkeitseffekt haben dürfte und es vielleicht sogar in die Fernsehredaktionen schaffen könnte. :-)

Schreibe einen Kommentar zu adama Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert