vontazlab 14.04.2012

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Von Florian Muarrawi

Foto: Wolfgang Borrs
Foto: Wolfgang Borrs
Permanente Geräuschkulisse, vorbeieilende BesucherInnnen, ein großer Bildschirm, der zur Ablenkung einlädt. Gekonnt werden bei den sechs Speedlabs zu je 30 Minuten in der Eingangshalle des Hauses der Kulturen der Welt gewöhnliche Anforderungen an Sprechstunden ignoriert.

„Gedankliche Anarchie, die uns frei machen soll von einer therapeutischen Gesellschaft, vom Reden und Lamentieren zum Selbstzweck“, fordert Meredith Haaf. Die Journalistin, Schriftstellerin und Bloggerin leitet die erste sogenannte Sprechstunde im Durchgangsbereich „Speakers Corner“ zum Thema Erschöpfung ein, das Publikum hört auf dem Boden sitzend zu, nicht wenige schreiben akribisch mit.

Ihre Ausführungen, die heutige Gesellschaft sei im hohen Maße befindlichkeitsfixiert sowie Erschöpfung und Stress resultiere vielfach aus unserer Angewohnheit, diesen subjektiven Empfindungen zu viel Raum zu überlassen, findet beim Publikum viel Zustimmung. Ihre propagierte Konsequenz jedoch, so wenig wie möglich über Stress zu reden, trägt den unterschiedlichen Stressbewältigungsstrategien verschiedener Charaktere keine Rechnung. Es ist schlicht zu einseitig. Die Nichtbeachtung von unwohl empfundenen Situationen drängt den Menschen in eine passive Haltung, die ihn im schlimmsten Fall nur noch zum Betrachter von Geschehnissen macht. Die Erschöpfungsvermeidungsstrategie führt in eine unnötige selbstverschuldete Erschöpfung.

Haffs Ansatz dient letztlich sicher als ein Baustein, Mimosen zu verdeutlichen, nicht jede stressige Situation verlange stundenlange Reflektion, aber als Allheilmittel taugt er nicht. Merklich wird das Publikum zum Nachdenken angeregt, als sie sagt: „Die politische Komplexität und das daraus entstandene Ohnmachtsgefühl lässt sich durch subjektive Vereinfachungen politischer Prozesse und einer vermehrten Sturheit in eigenen Ansichten aushalten.“

Das Speedlab lässt dem Publikum viel Raum für Zwischenfragen, welches zu einer abwechslungsreichen Kommunikation zwischen Moderator, Referentin und dem Publikum führt. Das Publikum erfährt zudem, wie spontan und tiefgründig die Referentin in ihrer Thematik verankert ist. Doch bleibt widersprüchlich, dass man zwei Stunden über Erschöpfung diskutiert und debattiert, ohne eine einzige Pause zu machen, ohne eine kurze Reflexionszeit. Dies wäre in Anbetracht der vielen ReferentInnen und Themen angebracht.

Schnell werden Moderatoren und ReferentInnen ausgetauscht, das Publikum blättert gestresst die vollgeschriebene Seite weiter. Das Thema Erschöpfung wird im Verlauf der sechs Sprechstunden aus politischer, psychologischer, medizinischer und ökonomischer Sicht betrachtet. Viele BesucherInnen hören sich zwei, drei Sprechstunden an und lassen sich weiter treiben. Die Sprechstunde wird kurzzeitig zu einem Nest für Menschen, die eine kurzzeitige Bleibe suchen und dann ausschwirren.

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