von 20.04.2013

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von Jonas Weyrosta

Harald Welzer, Peter Unfried, Foto: Wolfgang Borrs

Eigentlich ist Wachstumskritik doch relativ einfach. Es wird festgestellt, es müsse sich etwas ändern, schließlich kann es so nicht weitergehen. Der Kapitalismus in seiner heutigen Form müsse überwunden oder zumindest nach ökologisch-nachhaltigen Gesichtspunkten umgestaltet werden: Weniger Ressourcenverbrauch bei gleichbleibendem Wirtschaftswachstum. Und dann werden die Probleme meist auf institutioneller Ebene verortet oder der engen Verflechtung von Politik und Wirtschaft angelastet.

Harald Welzer, Sozialpsychologe, Bestsellerautor und Gast der Veranstaltung „Für eine Revolution des Denkens“, macht es sich nicht so einfach. Vielmehr, so seine These, seien die Probleme bei jedem von uns zu finden – dank unserer Unfähigkeit, den eigenen Verstand kritisch zu benutzen.

Welzer zufolge ist uns die Fähigkeit, selbst zu denken, abhandengekommen, stattdessen folgten wir blind dem Mainstream und verlierten selbst bei Antwortsuche auf die Frage „Wie wollen wir leben?“ unsere eigentlichen Interessen aus den Augen. Es sei einfacher, sich den Deutungsweisen unseres Umfelds zu fügen, als vermeintlich konstruierte Bedürfnisse in Frage zu stellen. Wir würden uns irrwitzigen Wünschen nach neuen Smartphones und großen Autos widmen.

Diese Unmündigkeitserfahrung werde durch politische Theaterinszenierungen in TV-Talkshows und Printmedien weiter bestärkt. Dabei sei es Welzer doch „scheißegal“, ob Peer Steinbrück denn nun zur SPD passe oder die Grünen „doof“ seien. Die anderen Parteien seien keine bessere Alternative. Welzer meint, es würden politische Nebenschauplätze in den Mittelpunkt gerückt, um zumindest den Eindruck des Kümmerns zu erwecken.

Das Betriebssystem „Weltzerstörung“ könne ungestört seiner Dinge walten, während parallel dazu die Besorgnisindustrie den kritischen Überbau dieser Entwicklung liefere, ohne wirkliche Handlungsalternativen zu liefern. Zahlreiche Ansätze der Besorgnisautoren scheitern laut Welzer an dem Versuch, wirksame Alternativen zu entwickeln. Die scheinbare Ausweglosigkeit werde dann mit Argumenten wie dem nachholenden Wachstum für Schwellenländer begründet, wohingegen Welzer betont, dass die „Chinesen nicht wie wir sein wollen, da auch wir selbst nicht mehr so sein wollen.“

Welzer scheint mit seinen Diagnosen einen Nerv getroffen zu haben. Als das Podiumsgespräch mit Peter Unfried regelmäßig durch Freudenklatscher unterbrochen wird, weist Welzer daraufhin, dass Zuschauer oft klatschen, wenn sie sich peinlich berührt fühlen.

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kommentare

  • This was a good meeting. I liked the terms „Weltzerstörungsindustrie“ and „Besorgnisindustrie“. We are all part of it…

    But „verlierten“ instead of „verlören“ in this article should be corrected, because it is just wrong.

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