Von Heide Oestreich und Simone Schmollack
Müssen Frauen heute noch darum kämpfen, aus der Unsichtbarkeit zu treten? Nicht die Schönen und Reichen, die mussten es nie. Neuerdings sind auch die Aufstiegswilligen mit ihren Quotenforderungen auf den Plan getreten. Und die junge Mittelschicht mit neuem Feminismus und einer ersten eigenen Sexismusdebatte. Wir wollten in der taz zum Internationalen Frauentag nicht mehr vom Gleichen präsentieren. Wir fragten uns: Welche Frauen übersehen wir gerade?
Diese Frauen machen wir in dieser Ausgabe sichtbar. Sie sprechen selbst, wir protokollieren. Sie kommen aus allen möglichen Lebensbereichen. Geeint sind sie nur in einem: ihrer Unsichtbarkeit.
Die Unsichtbaren: Die Freundin eines katholischen Priesters, die um Sichtbarkeit in seinem Umfeld ringt. Die Reinigungskraft, die aus dem Blickfeld gerät, kaum dass sie ihren Kittel übergezogen hat. Die isolierte Gefangene, die keinen Besuch bekommt. Die Iranerin, die so sichtbar wurde, dass sie fliehen musste. Eine Prostituierte, deren Beruf um jeden Preis für ihre Kinder unsichtbar bleiben soll. Die Kranke, die ihr sichtbares Leben aufgeben musste. Die Arbeitsmigrantin aus Rumänien. Und was denkt eigentlich die Frau, die im Theater am Bühnenrand souffliert?
Sie alle erzählen etwas über ihre Unsichtbarkeit. Wie das versteckte Leben sie niederdrückt. Wie es sie aber auch schützen kann. Und was sie tun, um freier zu werden, gesehen zu werden.
Manche Frauen müssen unsichtbar bleiben. Deshalb nennen wir ihren Namen nicht vollständig oder haben ihn geändert. Auch im Foto sollten sie nicht erscheinen.
Wir haben uns für die Fotoserie einer jungen Fotografin entschieden, die wiederum mit unserem Thema verbunden ist: Philippinerinnen und Nepalesinnen arbeiten im Schatten, als Hausangestellte oder Putzfrauen im Libanon. Die Fotokünstlerin Natalie Naccache hat sie porträtiert.
Die taz vom 8. März mit zehn Seiten zum Frauentag gibt es an jedem gutsortierten Kiosk oder digital im eKiosk.
ion, Sie fragen zu Recht: Warum haben wir in der taz die Fotos von Natalie Naccache abgedruckt, obwohl sie nicht die Personen zeigen, um die es in den Texten geht? Nun, unsere Ausgabe zum Frauentag hat den Schwerpunkt „Die Unsichtbaren“ (ich führe das hier nur für die Hausblog-Kommentar-Leser aus, die die taz nicht gelesen haben). Es ging um die Freundin eines katholischen Priesters, eine lesbische Frau im Gefängnis, eine Prostituierte, eine Frau mit Müdigkeitssyndrom, eine Souffleuse, eine Putzfrau. Es ging um Frauen, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen. Die Mehrzahl dieser Frauen war nicht bereit, sich fotografieren zu lassen. Deshalb haben wir auch ihre echten Namen dann nicht genannt.
Was hieß das nun für die Bebilderung der Seiten? Wir hätten auf Fotos verzichten können, um stattdessen mehr Text auf die Seiten zu drucken. Wir halten Fotos aber für wichtige Gestaltungselemente. Ich gebe zu, das ist eine Geschmacksfrage. Aber deshalb schied auch die zweite Lösung aus: Den Platz für die Fotos weiß lassen. Unsere Fotoredaktion hat sich stattdessen entschieden, Bilder zu suchen und zu drucken, die thematisch noch einigermaßen passen. Die Hausangestellten im Libanon sind zwar jederzeit verfügbar für ihre Arbeitgeber, aber unsichtbar für die Öffentlichkeit. Insofern passte das zum Thema der Ausgabe.