Es war eine lokale Nachricht – aber sie bewegte die Gemüter. Ein taz-Video über die Räumung eines Obdachlosencamps in Berlin brach Social-Media-Rekorde. Der Clip zeigt, wie PolizistInnen am 9. Januar in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs eine der BewohnerInnen fesselten, ihr ein Tuch über den Kopf zogen, es wie einen Sack zuschnürten und die Frau so abführten. Später erklärte die Polizei, die Frau habe Läuse gehabt. Die Zelte und das meiste übrige Eigentum der Bewohner wurden per Müllwagen abtransportiert.
Über 1,1 Millionen Menschen sahen den Clip auf Facebook, weitere 47.000 auf YouTube, mehr als 20.000 teilten ihn, fast 4.000 hinterließen Kommentare, insgesamt erreichte der Clip fast 2 Millionen Menschen.
Die Politik reagierte: Der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader sagte, die Bilder des Vorgehens der Polizei erinnerten ihn an das US-Gefangenenlager Guantánamo. Eva Högl, Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Kreisvorsitzende der SPD Berlin-Mitte, sagte: „Obdachlose Menschen unter Gewaltanwendung aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, hilft niemandem – schon gar nicht den Betroffenen.“
Der grüne Bürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel, hatte erst behauptet, gegen die Frau habe ein Haftbefehl vorgelegen. Nach den taz-Berichten erklärte er: „Zur Frage des Haftbefehls muss ich einräumen, dass ich hier einen großen Fehler gemacht habe.“
Nach einer Debatte im Berliner Innenausschuss kündigte die Polizei eine interne Untersuchung an, der Einsatz von Bodycams bei solchen Einsätzen wird erwogen.