taz-Leser Severin Michel aus München ärgert sich über den Katalog mit den neuen Angeboten aus dem taz-Shop. Dort gibt es etwa eine Kamindecke aus reiner Öko-Schafwolle für 249 Euro, eine Parmesanreibe aus rostfreiem Edelstahl für 30 Euro, einen Bademantel aus reiner Baumwolle in geprüfter Ökotex-Qualität für 68 Euro, einen Gürtel aus gebrauchtem Feuerwehrschlauch mit Koppelschnalle für 39 Euro oder ein Tourenrad mit 8-Gang-Schaltung für 1.599 Euro (zuzüglich 15 Euro Versandkosten). Severin Michel schreibt:
Liebe TazlerInnen,
es passt ins Bild, dass der Katalog des taz-Shops fast ausschließlich Schickeria-Produkte anbietet, die zwar p.c. sein mögen, aber doch nur die neureiche bürgerliche High-Society als Zielgruppe ansprechen. Wenn ich mich zurückerinnere als ich mit 18 Jahren die Taz abonniert habe, da hätte ich mich nicht nur nicht angesprochen gefühlt, sondern sogar abgestoßen. Womit wollt ihr Jugendliche ansprechen? Wodurch neue Leser gewinnen? Durch eine Pimmel-Fassade? Das kann die Titanic besser! Ihr seid ebenso ne Besserverdienenden-Zeitung geworden wie die Grünen ne Besserverdienenden-Partei. Schade nur, dass das eure Redakteure und freie Mitarbeiter nicht zu spüren bekommen. Deshalb mein Wunsch an euch: Mehr Jugend ansprechen, weniger Schickischicki-Reise & Shop-Teile.
Liebe Grüße
euer seit 11 Jahren treuer (aber immer frustrierterer) Abonnent
Severin Michel (München)
Ich persönlich sehe das grundsätzlich anders als Severin Michel. Für mich ist der Shop ein Teil des Solidarmodells der taz: Als kleine und chronisch unterfinanzierte Zeitung setzen wir darauf, dass gutverdienende Leser sich stärker beteiligen. Das sieht man etwa bei den Abo-Preisen: Es gibt einen ermäßigten Preis, einen Normalpreis und den höheren „Politischen Preis“, den immerhin 22 Prozent der Leser freiwillig zahlen.
Oder die Genossenschaft: Die taz hat in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten jedes Jahr einen Verlust gemacht. Diesen Verlust trägt die Genossenschaft. Die Genossenschaftsversammlung wählt außerdem einen Aufsichtsrat, der den Vorstand der taz überwacht und die taz-Verlagsgeschäftsführer mitwählt (siehe auch Organigramm der taz [PDF], Satzung der Genossenschaft [PDF]). Mitglied in der Genossenschaft kann allerdings nur werden, wer mindestens 500 Euro einzahlt. Wer sich das nicht leisten kann, darf nicht mitbestimmen. Das ist natürlich völlig undemokratisch. Aber so sind über die Jahre 8,2 Millionen Euro zur Finanzierung der taz zusammengekommen.
Das gleiche Ziel hat der taz-Shop. Wenn es Leute gibt, die bereit und finanziell in der Lage sind, 49 Euro für ein Tomatenmesser zu bezahlen oder 34 Euro für das Stiftemäppchen „Kafka“ aus dem Leder süddeutscher Rinder (inklusive echtem Grafitstift), dann freut mich das. Auch wenn diese Produkte in der Tat nur wenig geeignet sind, um damit Jugendliche anzusprechen oder sonst viele neue Leser zu gewinnen. Aber dazu haben wir auch etwas viel Besseres im Angebot: die tageszeitung. Ein Probeabo über 5 Wochen kostet übrigens nur 10 Euro (und endet automatisch). Das Abo gibt es bereits ab 23,90 Euro im Monat (das ist der ermäßigte Preis – wer ihn zahlen will, muss uns übrigens weder irgendwelche Nachweise liefern noch sich sonst irgendwie rechtfertigen). Diese Angebote rechnen sich natürlich nur, weil sie von besserverdienenden taz-Lesern mitfinanziert werden – indem diese den höheren Abo-Preis zahlen, sich an der Genossenschaft beteiligen oder die tollen Produkte aus unserem Shop kaufen.
Sebastian Heiser ist Redakteur im Berlin-Ressort der taz
Jaja, schon klar, wer viel Geld verdient ist automatisch ein verdammtes Kapitalistenschwein und kann sich gar nicht legitim für soziale Gerechtigkeit einsetzen…