Kann man die AfD durch Nichtbeachtung bezwingen, durch Entlarvung entzaubern, durch aktive Kommunikation konfrontieren? Sollen Medien den Rechtspopulisten Bühnen bieten oder wie weit geht der Dialog? Und wo sind eigentlich die Grenzen des Anstands?
Erstmals seit den Sechziger Jahren sitzt eine Partei rechts von der CSU, sitzen Rechtspopulisten mit einer offenen Grenze zum Rechtsextremismus im deutschen Bundestag. Und sie radikalisieren sich immer weiter. Die AfD hat bei der Bundestagswahl 12,6 Prozent und damit 94 Sitze geholt, nach dem Abgang von Frauke Petry und einem Mitstreiter sind noch 92 AfD-Abgeordnete übrig. Sie wollen möglichst viel Wirbel machen, die anderen Parteien vor sich hertreiben und das Vertrauen in die Medien weiter erschüttern. Ihr Ziel: eine andere Republik.
Wie gehen wir, die Redaktion der taz, mit ihnen um? Die Grenzen des Anstands hat die Partei in so ziemlich jeder Hinsicht längst überschritten, Provokation bringt Quote. Völkisches Gedankengut und rassistische Sprüche gehören zum Standardrepertoire der Partei, eine Prise Revisionismus ist eine beliebte Spielart. Das Muster wiederholt sich und den Medien fällt die Rolle derjenigen zu, die immer wieder und wieder entscheiden müssen, was sie berichten und wie oder ob überhaupt.
Aber was ist richtig?
Die taz hat nun einen internen Leitfaden zum Umgang mit der AfD entwickelt, an dem sich die Redaktion bei ihrer täglichen Arbeit orientieren kann.
Nach der Bundestagswahl hatte die Chefredaktion zu einem offenen Austausch eingeladen, eine Gruppe von Redakteurinnen und Redakteuren hat
sich seitdem mit den Fragen beschäftigt und eine Reihe von Vorschlägen zum Umgang mit der AfD in die Redaktion zurückgetragen. Nichts davon ist
bindend, taz-Redakteur/innen neigen dazu, sich selbst einen Kopf zu machen. Aber im Verlauf der Beratungen haben wir festgestellt, dass durch die Beschäftigung mit den penetrant wiederkehrenden Provokationen der AfD wiederkehrende Diskussionen geführt wurden. Vieles davon muss die taz nicht immer wieder neu erfinden.
Der Leitfaden ist eine interne Orientierungshilfe, die verschiedenes versucht: Wir haben Kriterien aufgestellt, die helfen sollen zu entscheiden, wann eine Provokation der AfD berichtenswert ist – und wann wir uns entscheiden sollten, das hingehaltene Stöckchen zu ignorieren. Wir bieten mit dem Leitfaden Orientierung bei der Frage, wie wir es vermeiden können, zu einer Normalisierung von Tabubrüchen und Grenzüberschreitungen beizutragen – ohne die AfD durch überproportionale Berichterstattung größer zu machen, als sie ist.
Auf diese und andere Fragen gibt es keine einfachen Antworten, und es kann sein, dass wir unseren Leitfaden im Laufe der Zeit anpassen werden. Aber gerade bei schwierigen Fragen kann es nützlich sein, für den Redaktionsalltag einen Kompass zu haben. Wir hoffen, dass der Leitfaden diese Funktion erfüllen wird.
Von BARBARA JUNGE, Stellvertretende taz-Chefredakteurin
Informationsgehalt: nullkommanull.