von 18.07.2011

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Von Johannes Kopp und Markus Völker

Saskia Bartusiak beantwortet die brisante Frage, wie viele Fußballschuhe sie besitzt. Foto: Frank Bauer/SZ-Magazin
Saskia Bartusiak beantwortet die brisante Frage, wie viele Fußballschuhe sie besitzt. Foto: Frank Bauer/SZ-Magazin
Die Kollegen vom SZ-Magazin hatten eine gute Idee. Sie wollten einigen deutschen Nationalspielerinnen witzige Fragen stellen und deren mimische Antworten in der Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ abdrucken. So weit, so gut. Umsetzen ließ sich das meiste davon aber nicht. „Lieber ein Abend mit Löw oder Guardiola? Zeigen Sie uns Ihren Oberschenkelmuskel? Wie viel verdient man als Fußballerin? Sex vor dem Spiel: ja oder nein?“ – all diese Fragen wurden von den Benimmonkeln und -tanten der Spielerinnen zensiert. Auch nicht zulässig: Vergleiche zum Männerfußball, politische Fragen und allzu Persönliches wie Kochen. Saskia Bartusiak beantwortet dann also die extrem spannende Frage, wie viele Fußballschuhe bei ihr zu Hause stünden mit einem Fingerzeig. Es sind – potz Blitz! – acht Stück. Na wollte man das nicht schon immer wissen?

Dieses Dokument der Pressegängelung ist typisch für diese Weltmeisterschaft gewesen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und etliche Manager von Spielerinnen waren der Meinung, man könne der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild oktroyieren, die Presse führen und bevormunden. Das war zu einem Teil Strategie, zum anderen auch der Übervorsichtigkeit von DFB-Mitarbeitern geschuldet, die sich in der Welle der Aufmerksamkeit freischwimmen mussten. Lieber nichts falsch machen!, war die Devise. Also wurden meist alle interessanten und irgendwie knackigen Stellen in Interviews umgeschrieben oder gar gestrichen.

Manchmal wurde in den Manuskripten so wild herumgefuhrwerkt, dass sich manche Zeitungen entschieden, diese Interviews lieber gar nicht zu drucken. Die taz hat im Vorfeld der WM in einem Interview mit Fatmire Bajramaj gegen diese Praxis protestiert und nicht autorisierte Stellen trotzdem abgedruckt. Auch während der WM erschien ein Interview mit dem DFB-Vorstandsmitglied Hannelore Ratzeburg in der taz-Version.

Beim DFB ist es Usus, dass Gespräche mit Spielern und Spielerinnen, ob in großer oder kleiner Runde aufgezeichnet, vorgelegt werden müssen. Bei den Männern erledigt das der Stab von Pressesprecher Harald Stenger. Die Gesprächsmöglichkeiten mit Nationalspielern sind begrenzt, doch die Autorisierungspraxis ist in den meisten Fällen okay. Anders bei den Frauen: Hier kommt man zwar leichter an Gesprächstermine heran, aber autorisiert wird nach Steinzeitmethoden. Das gesprochene Wort wird hier nicht nur nicht respektiert, sondern verfälscht.

Es klingt doch wirklich zu salopp und lebendig, wenn die Verteidigerin Babett Peter ihrer Mitspielerin Birgit Prinz attestiert, sie habe etwas im Kopf. Nein, Peter soll in der DFB-Version gesagt haben: „Birgit Prinz ist intelligent.“ Der DFB sorgt aber nicht nur für die Entmenschlichung von Interviews. Zuweilen werden Aussagen auch mutwillig entstellt. „Irgendwie berühmt“ darf sich Peter nicht fühlen. Klingt doch viel zu abgehoben. Besser, also braver und bescheidener ist: „Ich fühle mich ein bisschen berühmt.“ Und Kritik hat in Interviews sowieso gar nichts zu suchen. Also raus mit den Vorwürfen von Assistenztrainerin Ulrike Ballweg an Dietmar Ness, den Berater von Fatmire Bajramaj, der dieser zu viele Werbetermine aufgebrummt habe. Und es mag ja stimmen, dass die U19 neulich in Italien unter Ausschluss der TV-Öffentlichkeit gespielt und den EM-Titel errungen hat, aber Frau Ratzeburg darf so etwas doch nicht in der Öffentlichkeit monieren. Wo soll das denn hinführen, wenn jede sagt, worüber sie sich zu Recht mokiert?

Auch bei der Weltmeisterschaft 2007 in China war der Unmut über die DFB-Presseabteilung groß. Obwohl nur ein paar Reporter vor Ort waren, schottete DFB-Pressesprecher Niels Barnhofer die deutschen Spielerinnen ab, als drohe Geheimnisverrat, wenn sie den Mund aufmachen. Einzeltermine waren nur nach härtesten Verhandlungen möglich. Allein die Bild-Zeitung und Spiegel genossen einen exklusiveren Zugang. Das war jetzt immerhin anders, wenngleich das Ausmaß der Gängelung kaum kleiner war.

Andere Teams haben gezeigt, wie es besser geht. Zum Beispiel die US-Amerikanerinnen. Ihre Medientage sahen so aus: Locker schlendernd nahmen Spielerinnen an verschiedenen Tischen Platz, plauderten über dies und das. Sie waren sich im Klaren, dass sie die Verantwortung für ihre Aussagen übernehmen müssen, entsprechend selbstbewusst und reflektiert äußerten sie sich. Hier war klar: Eine Zensur, sprich Autorisierung gibt es nicht. Warum auch? Das öffentliche Bild lässt sich in einem Land mit freier Presse ohnehin nicht steuern. Da kann man sich noch so sehr anstrengen. Die Versuche des DFB, die Inszenierung zu lenken, zeigen doch vor allem eines auf: Da traut jemand den eigenen Spielerinnen nicht.

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https://blogs.taz.de/hausblog/wie_der_dfb_interviews_mit_spielerinnen_verfaelscht/

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kommentare

  • Hallo Herr Heiser.

    Den Begriff „Schleichwerbung“ habe ich im juristischen Sinne sicherlich nicht korrekt verwendet.
    Umgangssprachlich scheint es mir jedoch durchaus üblich, von „Schleichwerbung“ zu sprechen, wenn Produkte ausdrücklich (lobend) erwähnt werden, obwohl dies für ein besseres Verständnis eines Textes nicht notwendig gewesen wäre.

    Meine Kernaussage war/ist: Die private Begeisterung eines Journalisten für Apple- (und natürlich andere kommerzielle) Produkte sollte in seriösen Beiträgen nichts zu suchen haben.

  • Sehr geehrter Herr Heiser,

    die fünf von Ihnen erwähnten Artikel waren mir bereits bekannt, das Umfrageergebnis, dass zwei Drittel der taz.de-Besucher gegen einen Apple-Boykott sind nicht. Alle Artikel, in denen Kritik an Apple geübt wurde, beziehen sich ausschließlich auf die Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten von Apple und anderen IT-Konzernen. Deutlich häufiger wurde aber vor allem das iPad in der taz angepriesen, sogar die Entdeckung der Redaktion, dass sich die geladenen Apps sich aus löschen lassen, war der taz einen mehrspaltigen Artikel wert. Ansonsten fällt neben der Erwähnung von iPhone und iPad an jeder passenden und unpassenden Stelle (das hat in letzter Zeit allerdings nachgelassen) fallen vor allem die Informationen auf, die in der taz fehlen. Kein Wort über die Kartellverfahren, die sowohl die amerikanischen Behörden als auch die EU gegen Apple eingeleitet haben, kein Wort über das Verhalten von Apple gegenüber den Entwicklern der Apps, kein Wort über die Warnung des BSI vor einer Sicherheitslücke in iPhone und iPad, kein Wort zu der neu aufgetauchten Bedrohung von Apple-Produkten durch Akku-Viren… Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber durchaus die tendenziell taz-Berichterstattung im Bezug auf Apple. Aber lassen wir das, der Artikel ging um ein anderes Thema und Apple war nur ein Beispiel für eine nicht ausgewogene Berichterstattung durch die taz.

  • @Alles iDioten: In meiner Schleichwerbe-Reportage hatte ich beschrieben, wie Zeitungen sich von Unternehmen dafür bezahlen lassen, dass sie die gewünschten redaktionellen Inhalte abdrucken. Einen Anhaltspunkt dafür, dass Apple taz-Redakteure für die Erwähnung von Apple-Produkten bezahlt hat, gibt es nicht.

  • Trotz der belehrenden Ausführungen v. Herrn Heiser habe ich in Bezug auf Apple denselben Eindruck wie Maddes.

    Sicher wird in der taz kritisch berichtet, aber es ist offenbar nicht nur mir aufgefallen, dass taz-Autoren (sogar Angehörige der Chefredaktion) immer mal wieder auf ihre iPhones, iPads oder iSonstwas hinweisen.
    Die Begeisterung über ihre feinen, teuren Spielzeuge sei ihnen gegönnt.
    Nur halte ich es für wenig klug und fast schon an der Grenze zur Schleichwerbung, wenn diese Begeisterung direkt in taz-Artikel einfließt.

    Gerade von der taz, die vor nicht allzu langer Zeit mit einer aufwändigen Reportage die Schleichwerbungsgepflogenheiten der Konkurrenz angeprangert hat, erwarte ich einen etwas umsichtigeren und seriöseren Umgang mit derlei Dingen.

  • @Maddes: Begeisterung der taz für einzelne Unternehmen? Ich habe mal im Archiv versucht, den Vorwurf am Beispiel Apple zu verifizieren, was mir nicht gelungen ist. Tatsächlich hat die taz allein seit Anfang vergangenen Jahres in vielen Artikeln differenziert und kritisch über das Unternehmen berichtet. Am 28. Mai 2010 haben wir etwa unter der Überschrift „Die dunkle Seite des iPads“ über die schlechten Arbeitsbedingungen bei einem Zulieferer berichtet. Am gleichen Tag erschien dazu ein Kommentar mit der Überschrift „Apple ist in der Verantwortung“, in dem sich der Satz findet: „Kunden müssen von Apple soziale Gerechtigkeit einfordern – notfalls auch mit Boykott“. Dazu starteten wir auch eine Abstimmung auf taz.de, in der 35 Prozent der Abstimmenden einen Apple-Boykott befürworteten. Eine taz-Reporterin machte sich nach Shenzhen auf und berichtete am 6. Juli 2010, dass Arbeiter wie die Apple-Zulieferer kaum mehr als 100 Euro pro Monat verdienen und sich ihren Schlafraum mit fünf bis sieben Arbeitern teilen müssen und es dabei oft sogar an Ventilatoren fehlt, gar nicht zu reden von Klimaanlagen. Am 24. Januar 2011 berichteten wir, dass in mehreren Zulieferfirmen dutzende Arbeiter vergiftet wurden und dass Apple selbst zugibt, dass knapp 20 Prozent seiner Lieferanten die Richtlinie zum Schutz vor giftigen Chemikalien nicht einhalten. Am 17. Februar 2011 berichteten wir, das die Arbeiter bei mehr als zwei Drittel der Lieferanten länger als 60 Wochenstunden arbeiten müssen, dass es dutzende Fälle von Kinderarbeit gibt, dass 137 Mitarbeiter vergiftet wurden und dass einige Arbeiter eine Provision von einem Monatslohn zahlen mussten, um eine Anstellung zu erhalten.

  • Dass die gesamte Frauenfußball-WM eine Werbeveranstaltung der Sponsoren war, wird wohl kaum jemand bezweifeln. Auf Marketingevents hat nun mal nicht jeder die Erlaubnis der Veranstalter, mit der Presse zu sprechen. Ich persönlich fand ja bereits die extensive Berichterstattung der taz peinlich. Sich jetzt zu wundern, dass diese Veranstaltund nach den gleichen Regeln abläuft wie jede Werbeveranstaltung setzt dem Ganzen die Krone auf. Gerade die Begeisterung der taz für einige Unternehmen, sei es Adidas, Apple oder manch anderes, hält mich davon ab, mich in der taz-Genossenschaft einzubringen.

  • Zu kritisieren ist die dumme deutsche Praxis der Autorisierung von Interviews. Das kann man als Journalist und Presseorgan auch einfach ablehnen. Warum diese devote Haltung gegenüber dem DFB? Es gilt das gesprochene Wort!
    Im Musikbereich wird sowas auch zunehmend versucht, doch bei einem kategorischen Nein zu solchem Procedere kommt man als Journalist auch so davon. Also werte taz, macht das Spiel einfach nicht mit, und der, der das Interview gibt, hat meist ein eben so großes Interesse daran, dass es erscheint, wie der, der es führt. Oder eben bewusst die Autorisierung verweigern: Die Angst vor Sanktionen ist doch unbegründet, wenn sauber gearbeitet wird und das Originalgespräch für den Fall einer Auseinandersetzung archiviert ist.

  • “Lieber ein Abend mit Löw oder Guardiola? Zeigen Sie uns Ihren Oberschenkelmuskel? Wie viel verdient man als Fußballerin? Sex vor dem Spiel: ja oder nein?”

    Zugegeben, wieviele Fußballschuhe sie besitzt ist jetzt nicht weltbewegend, die anderen angesprochenen Fragen sind aber auch nicht gerade spannend, außer vllt. für den einen oder anderen voyeristisch geprägten Leser.

    Und eine Frau danach zu fragen, wieviele Schuhe sie hat, wird nicht weniger ein Anwenden von Vorurteilen wenn man, wie originell, eine Fußballspielerin nach Fußballschuhen fragt.

  • Beim Lesen dieses Artikels fühlte ich mich plötzlich wieder richtig jung. Das mit der Pressefreiheit war früher in der DDR genau so. Vielen Dank dafür an den DFB (und für die Info natürlich an die taz).

  • Ich möchte dem DFB mal gutwillig unterstellen, dass hinter dieser Gängelung vielleicht auch die Befürchtung steht, weibliche Podolskis zu produzieren, deren möglicherweise fehlerhaften Interviews zu Zielscheiben bei Youtube und in Comedyshows werden. Und wer nicht 8 Millionen im Jahr verdient, den knickt so etwas leichter als das Original.

    Also wird „geschützt“ und so lange geglättet und umformuliert, bis die Antwort einfach keine Sau mehr interessiert.

  • Kontrollverlust i.e. Machtverlust mag sicher eine Angst beim DFB sein. Ich glaube hier aber eher an ganz simplen Sexismus und Diskriminierung vonFfrauen. Wieso soll´s denn ganz oben anders aussehen, als immer noch weitverbreitet an der Basis?

  • Ich erinnere mich noch an den langen Zwist zwischen Zwanziger und Weinreich.

    Das Zitat ist zwar auf ein anderes Thema gemünzt, …

    “Wenn sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind sie immer Verlierer”

    Wer die Kommunikation beherrscht, der hat so ziemlich die totale Kontrolle.

    Denn wer dagegen verstößt, muß wohl fürchten, das er/sie bald nicht mehr im Team ist.

  • Ja, die Jennifer ist bestimmt frauenfeindlich.
    Einen Erwachsenen der Dummes sagt (Siehe Zitate), als Bub/Mädl zu bezeichnen, den man davor hätte bewahren sollen, ist natürlich Männer-/Frauenfeindlich. Keine Frage.

  • Dass Sie erwachsene Frauen als „Mädls“ bezeichnen, die vor „Dummheiten bewahrt“ werden müssen, ist schon irgendwie frauenfeindlich, oder?

  • Aber Hauptsache der DFB findet es ganz dufte, wenn sich die Spielerinnen für eine saublöde Propaganda der BILD-Zeitung zum Affen machen und sich selbst als ahnungslose Mädchen ohne Verstand darstellen.

    http://www.youtube.com/user/Andrea1411966#p/a/u/0/MkciVg6MdhA

    Zitat:
    „BILD die BESTE Zeitung, die wir in Deutschland haben“
    „BILD ist einfach nur GEIL!“
    „BILD ist so STARK, so MÄCHTIG, so CLEVER!“

    Hier hätten die Mädls wirklich jemand gebraucht, der sie vor einer großen Dummheit bewahrt! Denn nach solchen Spots brauchen sich die Spielerinnen wirklich nicht wundern, wenn sie niemand ernst nimmt, oder sie als dämliche Tussis hingestellt werden.

  • Glaube eher, dass da ein Apparat Angst hat, ihm könnte die totale Kontrolle entgleiten. Nichts wäre doch anstrengender, als selbstständig denkende Sportler. Das eigentlich Schlimme: Die sehen es heute offensichtlich selbst so. Die Breitners (dessen Fan ich trotzdem nie war) sind ausgestorben. Es zählt – wie in der Politik – bestenfalls tromlinienförmige Anpassung ohne Kanten.

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