von 07.09.2011

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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taz-Chefredakteurin Ines Pohl
taz-Chefredakteurin Ines Pohl

Stellt sich jetzt ein, wovor deutsche Zeitungshäuser seit Jahren Angst haben? Seit April, seit dem furchtbaren Reaktorunglück in Fukushima, brechen namhaften Titeln die Auflagen weg, die Einzelverkäufe von Magazinen, Tages- und Wochenzeitungen sind im Sinkflug. Über die Gründe wird hinreichend spekuliert. Ist es, weil die Leute kurzfristig einfach erschöpft sind, ständig und immerzu neue Riesenereignisse zu verdauen? Oder tritt nun ein, was in den USA schon vor einigen Jahren passiert ist, dass die Menschen vielleicht auch durch Fukushima und sicher auch die Ereignisse rund um die arabische Revolution ihr Medienverhalten nachhaltig verändern und immer mehr Menschen ihre Informationen über das kostenfreie Netz abrufen? Vielleicht liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte, und an jeder Erklärung ist ein bisschen was dran.

Was bedeutet all das nun für die taz? Wir haben enormen Erfolg im Internet. Mit 1,5 Millionen Besuchern im Monat stehen wir unter den Top 20 der deutschen Nachrichtenwebsites. Die Zahl der LeserInnen, die wir mit den taz-Themen erreichen, hat sich damit in den vergangenen Jahren verdoppelt. Das ist ein großer Erfolg. Problematisch bleibt, dass die Online-Sparte taz.de noch nicht profitabel ist.

Als Chefredaktion sind wir daher gehalten, gemeinsam mit der Verlagsleitung über den Tag, letztlich über die kommenden zwei, drei Jahre hinauszudenken. Entsprechend versuchen wir, uns dem veränderten Nutzerverhalten vor allem der jüngeren Generation anzunähern. Dabei wollen und müssen wir behutsam sein, um nicht, wie viele Verlage, überhastet und getrieben von dem Wunsch, unbedingt Erste sein zu müssen, viel Geld für einen schnell verglühenden Hype auszugeben.

Glücklicherweise erleben wir derzeit aber das Gegenteil. Seit dem Frühjahr versuchen wir über ein sogenanntes Satellitenmodell die beiden Distributionswege, eben der gedruckten Zeitung und des Online-Auftritts, besser zu verzahnen. In den einzelnen Fachredaktionen sitzen KollegInnen von taz.de, die die spezifischen Online-Ansprüche erfüllen und dafür sorgen, dass die unterschiedlichen „Kulturen“ sich besser verzahnen. Allein durch die Abgabezeiten für die Druckereien, die sich sehr von den Hochzeiten der Onlinenutzung unterscheiden, erwachsen große, alltägliche Probleme.

Wir denken, dass wir dabei gerade im ersten Halbjahr dieses Jahres einiges zustande gebracht haben, das sich durchaus sehen lassen kann. In verschiedenen Themenfeldern haben wir dabei die unterschiedlichen Möglichkeiten von Print und Online genutzt. Ein paar Beispiele:

Die geheimen Wasserverträge. Unserem Kollegen Sebastian Heiser gelang es, an die Berliner Wasserverträge zu kommen, die der Senat der Öffentlichkeit vorenthalten wollte. Ganz klassisch berichtete die sonntaz auf insgesamt drei Seiten über die Ergebnisse, ordnete ein, zeigte die Konfliktlinien auf, zog Vergleiche zu Verträgen anderer Städte. Genau terminiert veröffentlichten wir zu einer bestimmten Stunde zusätzlich die gesamten Verträge im Netz. So war es allen Interessierten möglich, sich einen sehr genauen Einblick zu verschaffen, in toto wichtig sicherlich nur für Spezialisten, aber gleichwohl eine tolle Möglichkeit, große Mengen an Daten zu veröffentlichen, die man nie in der Zeitung abdrucken könnte.

Ein zweites Beispiel, wie wir uns die Zukunft unseres Journalismus vorstellen, ist unser Angebot zum Thema Parteispenden. Gemeinsam mit den Datengestaltern von OpenDataCity bieten wir seit dem Frühsommer das Instrument parteispendenwatch.de an. Damit kann jeder Nutzer und jede Nutzerin durch einige wenige Klicks selber recherchieren, wer welcher Partei wie viel spendet. Und das Ganze über 15 Jahre hinweg. Zehntausende haben seitdem die Spendenberichte durchsucht. Die verschleiernde Gesetzgebung ist dadurch und durch konkrete Fallbeispiele viel mehr Wählern bekannt als bisher.

Und noch ein Beispiel, wie wir die Trennung von Print und Online hinter uns lassen, sind die Live-Ticker auf taz.de. Schon seit zwei Jahren berichtet die taz regelmäßig mit Hilfe von Live-Tickern von Ereignissen, die uns publizistisch sehr am Herzen liegen. Ob das Castor-Transporte oder Großdemos sind. Konkret heißt das, dass mehrere KollegInnen vor Ort sehr kleinteilig, teilweise minütlich von den Ereignissen berichten und diese Informationen dann von unseren Online-KollegInnen in der Berliner Zentrale rund um die Uhr ins Netz gestellt werden. So geschehen auch im Februar 2011, als die KollegInnen sehr ausführlich über die Nazi-Demo in Dresden berichtet haben. Mit dieser Aufklärungsarbeit im besten journalistischen Sinne war die Basis geschaffen für die folgende Berichterstattung. Die Leute vor Ort wussten, dass die taz hinschaut und berichtet. Dieses Wissen schafft Vertrauen bei Tippgebern. Besonders dem engagierten Kollegen Paul Wrusch war es dann zu verdanken, dass wir die Information bekamen, dass die Polizei in großem Maße Handys überwacht hat. Letztlich führte unsere Berichterstattung dazu, dass die Politik sich sehr genau mit der Abgrenzung zwischen Polizeiansprüchen sowie der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit befasst. Auch der verantwortliche Polizeipräsident musste aufgrund unserer Berichterstattung seinen Hut nehmen, weil seine Abhörmethoden in hohem Maße problematisch waren. Auch hier also eine Verbindung von hyperaktuellen Onlinemöglichkeiten bis hin zu hervorragendem Enthüllungsjournalismus.

Durch diese Erfahrungen gestärkt werden wir unseren, wie wir meinen, erfolgreichen und richtigen Weg weiter gehen. Klar ist dabei, dass für uns immer im Vordergrund steht, guten, unabhängigen, mutigen Journalismus zu machen. Im In- wie im Ausland. Dabei sind wir eben mit der Tatsache konfrontiert, dass es nunmehr unterschiedliche Geschwindigkeiten in unserer Arbeit zu berücksichtigen gilt: Die ganz schnelle Eilmeldung, das gut aufbereitete Nachrichtenstück und die ausrecherchierte, entschleunigte Hintergrundgeschichte, die man besonders gerne am Wochenende in der sonntaz liest.

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https://blogs.taz.de/hausblog/wie_wir_print_und_online_verzahnen/

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kommentare

  • Liebe Leute,
    befasst Euch bitte mit der Forderung des SPD-Unterbezirks Frankfurt-Main
    Telefon 069 29988800,auf Abzug der bei Cochem gelagerten US-Atombomben,
    die Narren, Verrückte, Terroriste oder die Amis selbst per Fernzündung dank neuester IT-Technologie zur Explosion in unserem schönen Land brin-
    gen können. Dann ist es kein schönes Land mehr.
    Gruß auch an Euren Taz-Genossenschaftler Ströbele, der sicher die besten
    Möglichkeiten zur Hilfe in dieser Angelegenheit hat. Ich kann Euch auf
    Anforderung den besagten Antrag des SPD-Unterbezirks zumailen,da es mir
    gelang, ihn im ZEILSHEIMER ANZEIGER am 30.4.14 abzudrucken.
    Mit lieben antiatomaren und Pro-Leben Grüssen
    Joachim Franz
    65830 Kriftel
    In den Unterwiesen 26 b

  • Ich lerne immer sehr viel aus den Leserkommentaren zu den Online Artikeln.

    Bei den ‘Offline’ Artikeln geht das nicht.

    Würde es Sinn machen, die Offline Artikel zu nummerieren oder anderweitig zu kennzeichnen (z.B. für alle Artikel immer die Überschriften zu veröffentlichen) und dann online Kommentare und Bewertungen zu sammeln. Den kompletten Artikel könnt Ihr ja zwei Monate später veröffentlichen.

  • @Herr Heiser

    Ach dass lässt sich ganz einfach und effizient durch verschiedene Farben, Symbolgrössen, Zoomfaktoren und Filter lösen, die vom Nutzer je nach Interessengebiet, Zeitraum, Territorium etc. aktiviert werden.

  • @Johannes: Eine Karte mit alternativen Orten, Läden, Veranstaltungsräume, Cafés, Werkstätten etc steht unter http://bewegung.taz.de/orte – wie gefällt Ihnen das?

    Wenn wir eine Karte mit allen Nachrichten aufstellen, wird es sehr schnell unübersichtlich und ungeordnet. Innerhalb weniger Wochen wären so viele Punkte auf der Karte, dass es unübersichtlich wäre und kaum nutzbar. Zudem kann man bei Punkten auf einer Karte nicht so gut gewichten: Man kann nicht erkennen, welche Nachrichten wichtiger sind und welche weniger wichtig, welche von heute sind und welche schon seit ein paar Tagen auf der Karte sind, welche zum Thema Wirtschaft oder Umwelt oder Rechtsextremismus gehören. Wenn Sie sich gezielt für Nachrichten aus einer bestimmten Region interessieren, haben wir ein alternatives Angebot: Den Themenalarm, mit dem wir Sie kostenlos informieren, wenn eine Nachricht aus einem bestimmten Gebiet erscheint. Sie können das hier einrichten: http://www.taz.de/6/hilfe/themenalarm/

  • Man könnte dieses digitale Kartenprojekt sogar global aufstellen, so dass auch internationale TAZ-Artikel dort ihre Verortung fänden. Denkbar sind dann noch verschiedene wählbare Masken mit Zusatzfunktionen, etwa die oben angesprochenen Parteispendeneinträge oder Protestaktionen/ Demonstrationen, so dass man nach Bedarf weitere interessenspezifische Informationen angezeigt bekommt. Das wäre wirklich ein zukunftsweisendes Projekt für die TAZ, was zu sehr starker Rezeption auch älterer Artikel und hoher Interaktion und Vernetzung führen dürfte, und zugleich dann hoffentlch weiter steigendem freiwilligem Zahlungsaufkommen aufgrund erstklassiger und effizienter Recherchergebnisse der Nutzer.

  • Ergänzung zu den Karten: Da könnte man auch die Adressen und Höhe von Parteispenden (Firmen) eintragen.
    Mit einem Schieberegler sieht man dann, wer wo wieviel gespendet hat (Firmenlogo+Parteilogo+Regionsflagge für Bund/Land/Kreis/…-Spende) und kann hoch/runter-schieben um z.b. nur die Spenden über 100.000 anzuzeigen. Natürlich für alle Parteien. Eine nett nutzbare und graphisch korrekte wie wirksame graphische Darstellung wäre der Enabler (Durchbruch) dafür. Natürlich Opensource damit es weltweit genutzt werden kann.

    Wenn die Grünen den Internetausbau nicht vermasselt hätten und eine Basis-App hätten, wäre Demokratie schon viel viel weiter.
    Die Konservativen Engländer hatten großartig Crowd angekündigt aber als sie gewählt waren ist es wohl eingeschlafen bzw. wird ignoriert.
    Man kann auch legal vorbildlich Macht verüben ohne gewählt zu sein. Anstand und Intelligenz und Organisationsvermögen(per Internet) reichen.

  • Ihr denkt in die richtige Richtung, Kompliment!

    Der nächste Schritt ist noch mehr Interaktion, Partizipation und Bürgerbeteiligung! Die Grünen machen es, leider vorerst nur im Berliner Wahlkampf, vor http://gruene-berlin.de/da-muessen-wir-ran . Diese Karte, bei der man bis hinunter ans einzelne Haus, Probleme und Aufgaben für die Politik eintragen und mit den verantwortlichen Politikern diskutieren kann, wäre auch bundesweit hochinteressant und eine weitere Idee für de TAZ. Dabei könnten sogar die Beiträge der TAZ, sofern bundesland- oder ortsbezogen, ebenfalls in der Karte markiert werden, so dass man sehr schnell per Kartenüberblick Probleme und Beiträge findet, etwa zur Förderung erneuerbarer Energien in der Nordsee oder auf dem Land, sozialen Themen, Bildungsthemen, Demonstrationen etc.

  • Interessant wäre vielleicht, einzelne Artikel zum Testlesen Genossen oder Abonnenten zur Verfügung zu stellen.
    Man sollte Wasserzeichen (und den Abonnenten-Namen usw.) einbauen um Leaks zu verhindern bzw. zu erkennen und nicht jeder muss alles kriegen, aber die Möglichkeit des kostenlosen Gegenlesens sollte man sich nicht entgehen lassen.
    Nach kurzer Zeit verbessert man seine Qualität vermutlich. Und das ist gegenüber dem Agentur-Journalismus nicht schwer. Vieles könnte deutlich besser erklärt werden als von Basta-Helfers-Helfer-Steigbügel-Halter-Presse.

    Ein Online-Vote-System für Abonnenten wie ++,+,-,– für die Print-Artikel wäre vielleicht auch interessant. Ellenlange Kommentier-“Wars” sind eher Zeit-Diebe. Mehr als eine Zeile (wie bei Twitter) sollte keiner kommentieren oder kann sich mit einem + oder – an einen Kurz-Kommentar dranhängen. Das schrumpft die Argumente auf das wesentliche und die problematischen Artikel erkennt man schnell.
    Das Essen muss dem Leser schmecken. Aber es sollte ruhig Vitamine enthalten, gesund, sozial und nachhaltig sein. Aber der Bezahl-Leser will vielleicht keine zu einseitig simplen Artikel die auch aus Kommunisten-Zeitungen abgetippt sein könnten. Eine breitere Feedback-Möglichkeit wäre also vielleicht aufschlussreich. Einzelne gute Artikel kann man vielleicht (natürlich markiert) wiederverwenden wenn Käufergruppen unterschiedlich sind.

    Solange Mikro-Zahlungssysteme unwesentlich und z.b. Apple-“NewsStand” oder Post-Presse noch nicht existieren, ist die online-Monetarisierung leider schwer, so als ob böse Ausdrucker alle beliebten Zahlungsdienstleister absichtlich verhindern würden.

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