Der Assistant Facility Manager (AFM) hat laut McKinsey-Report eine Riesenzukunft. Früher kannten ihn bloß die Schüler – als jemand, der in den Pausen dem Hausmeister half, ihnen Milch oder Kakao zu verkaufen und anschließend den Schulhof fegte. Später kam noch die Reinigung der Jungstoilette dazu, wobei es jedoch vor allem darum ging, das Haschischdealen dort zu unterbinden, weswegen viele den Aushilfshausmeister vor allem kniend und dabei unter die Kabinentüren lugend kannten (es durfte sich jeweils nur ein Schüler darin aufhalten).
Während die Hausmeister im Westen ähnlich wie die Bademeister durchweg als faschistisch verschrien waren, galten die Aushilfshausmeister bloß als beknackt. Im Osten waren dagegen diese beiden Berufe eine Domäne der dissidenten Hochintelligenz – und standen unter Beobachtung. Dort oblag ihnen zudem noch die Gebäudeheizung. Siehe dazu mein Porträt des Ex-und Neo-Kulaken Emil Kort aus Kampehl (taz v. 6.5.96), der nach seiner Umerziehung Hausmeister und Heizer im Kinderheim seines Dorfes wurde, wo seine Brigade ihn, nachdem die Ökologie und Ressourcenschonung auch in der DDR Einzug gehalten hatte, zum „Energiebeauftragten“ beförderte: „Von oben kam, ich sollte weniger Kohle verbrauchen und dafür eine Prämie kriegen, das paßte mir natürlich, die im Heim wollten aber, daß ich nur das Thermometer nach unten hänge, wo es bloß 18 Grad warm war.“
Die taz als letztes Stück DDR kennt natürlich auch diese scheußliche Dialektik zwischen oben und unten, die den Hausmeister (ebenso wie den Aushilfshausmeister) zunehmend zermürbt. Einerseits schleppt er z.B. diensteifrig und dutzendweise für die Mitarbeiter da unten in heißen Sommern Stehventilatoren zum Zusammenbauen aus dem Heimwerkermarkt an, andererseits gerät er dabei selbst derart in Schweiß, dass er sich mehr und mehr der Geschäftsführung da oben zugeneigt fühlt (der er eh betriebsorganisatorisch zugeordnet ist) – d.h. er beruft sich früher oder später auf die letzten Sparbeschlüsse des taz-Plenums. Anders ist es jedoch bei der Anschaffung neuer Naturholz-Schreibtische (mit Kurbeln zum Hochdrehen, um im Stehen an ihnen arbeiten zu können) sowie auch bei den quasi dazugehörigen Spezialdrehstühlen für Redakteure und Redaktionsassistenten, die mit den Jahren derart rückratlos geworden sind, dass es ihnen jetzt mitunter schon hinten weh tut – weswegen sie meinen, nun einen Anspruch auf einen TÜV-geprüften Rollstuhl mit „Permanentkontakt-Rückenlehne“ zu haben. Hier reicht, sofern das „ok“ von oben kommt, ein Anruf bei der entsprechenden Büromöbelfirma, die dieses sündhaft teure Equipment anliefert – und sogar mit dem Fahrstuhl auf die entsprechende Etage schafft. Das macht auch den zu recht bestehenen Unterschied zwischen dem altdeutschen Hausmeister/Aushilfshausmeister und dem neuamerikanisierten Facility Manager/Assistant Facility Manager aus: Ersterer war ein ver- bzw. behinderter Handwerker oder Arbeiter, der gerne reparierte und bastelte. Ich erinnere nur an den Hausmeister des Pressehauses an der Urania, der aus rostigen Eisenstangen und kleinen Ölfässern mit Hilfe von Beton laufend neue Poller für das Parkdeck konstruierte. Auch der Hausmeister des Hochhauses am Anhalter Bahnhof beschäftigte sich am Liebsten mit den Pollern an den Auffahrten, wobei seine Arbeit im wesentlichen darin bestand, die dort nur abgesetzten Hutpoller aus Fertigbeton mit Dübeln auf dem Pflaster zu fixieren und sie außerdem untereinander mit einer Nirostastahlkette zu verbinden. Drei Schlagbohrer von Bosch gingen ihm dabei drauf (Fotos). Mit den Erfindungen und Basteleien der Hausmeister/Hilfshausmeister könnte man ganze Ausstellungen bestreiten. Berühmt sind vor allem ihre harschen handgemalten Hausflur-Plakate geworden, die meist zu laute Kinder und oder gedankenlose bzw. besoffene Mieter betrafen. Diese literarische Tradition hat sich in der taz teilweise noch erhalten (siehe Foto).
Obwohl man jetzt den Hausmeister/Hilfshausmeister fast nur noch als FM bzw. AFM bezeichnet, weil er das meiste telefonisch regelt (managed), da seine früheren (temporären) Hilfskräfte bis hin zu den Putzbrigaden inzwischen alle outgesourct sind (auch in der taz), hat sich der Hang zum Handwerklichen bei vielen noch gehalten – und sei es zu Hause, wo sie eigentlich nur glücklich sind, wenn der WC-Spüler mal wieder geflickt oder das Schrebergartentor neu geschweißt werden muß. Dirk Kowalski, der Hausmeister des Zehlendorfer Kunstfaserwerks Spinne, war so einer. Auch der ehemalige Narva-Betriebsratsvorsitzende Michael Müller, der jetzt als Facility Manager in der „Oberbaum City“ arbeitet, gehört noch dazu. Andere Hausmeister schaffen sich ihre eigenen Reiche: So erklärte sich der des ÖTV-Wannseeschulungsheimes z.B. für die Pflege und Ausgestaltung des riesigen Gartens verantwortlich und der des DGB für die Poststelle und den Frankierautomaten, wo bald alle Kollegen vor ihm zitterten. Solche und ähnliche Hausmeisterpfründe (einschließlich einer eigenen Werkstatt mit einem Schild „Bin im Haus unterwegs“ an der Tür) gehören jedoch bald der Vergangenheit an, insofern die heutigen FM und AFM meistens eher geisteswissenschaftlich orientiert sind – und mithin zwei linke Hände haben.
In der taz wurden die Hausmeister/Hilfshausmeister-Pflichten anfangs noch kollektiv geregelt, d.h. jeder fühlte sich dafür mehr oder weniger abstrakt verantwortlich – am meisten der damals noch nicht grüne Abgeordnete Christian Ströbele, der regelmäßig die Aschenbecher leerte, Papier besorgte und aufräumte. Dann mietete der Bremer Architekt Peter Welter einen Teil des Kellers in der Wattstraße – für seine Tischlerei – und übernahm immer mehr Hausmeisterarbeiten in der taz – zumeist handwerklicher Art. Für den Rest fühlte sich Bernd Thalhammer verantwortlich, den man heute, obwohl im Vertrieb tätig, noch immer auf viele kaputte Einbaugeräte und ihre einstigen Bezugsquellen ansprechen kann, zumal er nebenbei noch immer ganze Sonder-Bauvorhaben mit den entsprechenden Handwerkern leitet. Peter Welter half nach der Wende etlichen Ex-tazlern beim Ausbau ihrer frisch erworbenen Ost-Landhäuser. Er starb 2001 in Griechenland.
Mit dem Umzug der taz von der Fabriketage Wattstraße in das sechstöckige Gebäude Kochstraße ging ein Paradigmenwechsel einher – von der unterkomplexen (flachen) Selbstorganisation zur immer sitzungsintensiveren Hierarchie. Als erstes wurde ein fester Hausmeister angestellt – Jens Heymer. Er hatte Mathematik studiert und stets Werkzeug in seiner Latzhose mit dabei. Als sieben taz-Autoren nach dem Rausschmiß der Redakteur Sabine Vogel und Regine Walter-Lehmann den beiden freiwillig folgten, woraufhin ihnen das Künstlerhaus Bethanien ein Atelier zur Verfügung stellte, fühlte sich Jens auch dort noch als Hausmeister für die tazler verantwortlich und stattete ihr Exil mit taz-Büromöbeln gemütlich aus. Jens starb 1993 überraschend an Krebs. Ebenso dann 2006 seine Nachfolgerin, die gleichfalls handwerklich begabte Karin Hackbarth. Sie schied schon 1999 als Hausmeisterin aus, um neben ihrer Chemotherapie noch eine Umschulung zu machen. Ihren Job übernahm Wolf Vetter. Den gelernten Klempner zog es daneben jedoch in den Betriebsrat, wo er nun schon zum wiederholten Male als Vorsitzender fungiert – und gerne mit dem Betriebsverfassungsgesetz argumentiert (grad wurden ihm weitere neun Exemplare dieser Kampfschrift von der Geschäftsführung bewilligt). Nicht zuletzt deswegen wurde darüberhinaus 2000 – für den Ferien-, Krankheits- und Todesfall – die zusätzliche Funktion eines Aushilfshausmeisters eingerichtet. Quasi automatisch kam ich dafür in betracht: 1. weil ich schon mal Aushilfsredakteur war (im Feuilleton) und 2. weil ich zu viele Schulden bei der taz hatte, um dankend ablehnen zu können. Zu dem Aushilfshausmeisterjob gehört darüberhinaus nun auch noch das vorweihnachtliche Paketepacken im taz-shop – denn das Leben ist nicht billiger geworden und das Zeilenhonorar nicht mehr.
Dafür wird der Beruf des Aushilfshausmeisters langsam aber sicher salonfähig: Im Internet wurden bereits einige Romane und Erzählungen, die von Aushilfshausmeistern handeln, annonciert. Und jüngst hat sogar der US-Schriftsteller und Erfinder des „New Journalism“ Tom Wolfe den Vater der Hauptperson in seinem neuen Roman „Ich bin Charlotte Simmons“ zum Aushilfshausmeister (auf einem Campingplatz in Sparta) erklärt: „Daddy hätte das im Handumdrehen repariert“. Überhaupt tummeln sich die meisten Aushilfshausmeister auf Feriencamps, Kasernenanlagen, Kulturzentren, Asylbewerberheimen, Gesamtschularealen, Golfplätzen und ähnlichen Einrichtungen, wenn man den diesbezüglichen Interneteintragungen Glauben darf. Es kursieren auch bereits die ersten Aushilfshausmeister-Witze. Einer geht so: „Zwei Aushilfshausmeisterinnen sitzen in der Nichtraucherkantine und unterhalten sich über Privates. Fragt die eine: ‚Sag mal, rauchst du auch immer nach dem Vögeln?‘ ‚Mensch, ich hab noch nie nachgekuckt!'“ gesteht ihr die andere.
Schön, dass der Beruf hier so viel Beachtung findet.
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