vonHelmut Höge 06.07.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Das Schöne am Beruf des Aushilfshausmeisters ist, dass man es dabei in der taz mehr mit den Hand- als mit den Kopfarbeitern zu tun hat. Letztere prägen zwar den „Charakter“ der Zeitung, denken dabei jedoch eher an ihren eigenen „guten Namen“ als an das Gesamtprojekt und seine Perspektive. Auch arbeiten sie glaube ich nie so lange im Haus wie die anderen, die eher anonym bleiben und auch weniger autistisch sind, d.h. nicht so auf ihre jeweilige Arbeit (am Computer) fixiert und ebenso nicht auf ihre jeweiligen Lieblingsvorbilder – Ideengeber (des öffentlichen Lebens), kurzum: der Kunst der Meinungsbildung eher abhold.

Das Schlechte am Beruf des Aushilfshausmeisters ist, dass er einen wie der Name schon sagt, nur in den Sommerferien, im Krankheits- und im Fortbildungsfall des Hausmeisters ernährt. Dafür hat man als Aushilfshausmeister außerhalb dieser Arbeitszeiten die Möglichkeit, Hand- und Kopfarbeit zu verbinden, u.a. dadurch, dass man selbstfinanzierte taz-beilagen herausgibt (wenn auch mit Verlust). Dies waren bisher die Betriebszeitungen bei Narva und bei Belfa, einige Infos der ostdeutschen Betriebsräteinitiative, eine deutsch-polnische sowie eine Steglitzer Schülerzeitung und eine für und von „Modernen Nomaden“, die sich mit der Mongolei befaßte. Dann gab es da noch kurz eine georgische Zeitung (auf georgisch) und jetzt eine deutsch-mongolische namens „Super-Nomad“. Hand- und Kopf meint hierbei: Texte schreiben, anleiern, korrigieren, Anzeigen acquirieren, Photos besorgen, zum Layouter gehen, zum Drucker bringen, die fertig gedruckten Exemplare mit dem Auto abholen, paketweise ausliefern – und irgendwann die verkauften abkassieren. – Damit wieder Geld reinkommt – für eine neue Ausgabe.

Diese tendenzielle Aufhebung der Trennung von Kopf- und Handarbeit, die in der Landwirtschaft noch quasi natürlich ist, funktioniert nach dem altbewährten linken Prinzip: „Wer schreibt – der zahlt!“ Es ist dies gewissermaßen ein Gegengift für journalistische Anwandlungen. Nach dem selben Prinzip will Blogwart Mathias Broeckers demnächst auch eine Online-Kolumne auf taz.de eröffnen. Zwar gibt es schon einige (zahlungskräftige) Interessenten als Autoren dafür, aber zum Beispiel meine mongolischen Kollegen, Batjargal, Tuvshin und Zude sowie dessen Freund Michael, votierten dann doch eher für eine farbig gedruckte Zeitung im Selbstverlag, d.h. nicht einmal mehr als taz-beilage wie die „Modern Nomads“-Ausgabe noch. Dennoch ist ihre „Super-Nomad“ im neuen taz-café zu kaufen und es gibt einen Anzeigenaustausch mit der „größten Schülerzeitung der Welt“ (taz-Eigenwerbung 1984).

Vor allem aus finanziellen Gründen mußte ich mich bei der Mitarbeit an der „Super-Nomad“ zurückhalten. Kam noch hinzu, dass ich zur Hauptproduktionszeit, die Zeitung sollte noch vor dem mongolischen Nationalfeiertag Naadam am 11. Juli fertig werden, verreist war – und zwar mit einer Journalistengruppe in die Wüste Gobi. Anfänglich war es dort nachts noch so kalt, dass in den Camps, wo wir übernachteten, die Jurten noch geheizt wurden. Das erledigten fast überall Aushilfshausmeister, kein Witz!. Sie waren nebenbei auch noch für den Camp-Wachdienst verantwortlich. Obwohl, es gab eigentlich nichts zu bewachen. Mit einem dieser Aushilfshausmeister, Mjagmar, kam ich eines Nachts ins Gespräch. Unsere Reisegruppe hatte noch bis spät in die Nacht zusammen mit einigen Förstern des deutschen Entwicklungshilfedienstes (GTZ) sowie mit deren Dolmetschern und Fahrern zusammen gesessen und Mjagmar war dazu gekommen, als einer nach dem anderen sich verabschiedete, um müde in seine Jurte zu wanken – so dass er und ich irgendwann übrig blieben.

Ich muß unsere Unterhaltung hier nicht groß wiedergeben, es war mehr das übliche Fachgespräch unter Aushilfshausmeistern. So fragte ich ihn z.B. wie oft er die Öfen in den etwa 25 Jurten nachts warten würde. Und er fragte mich, wie oft z.B. die Neonröhren in den acht Etagen der taz (einschließlich Keller und Archiv) gewechselt werden müßten. Mjagmar, der in Leipzig Deutsch studierte und dann bei der mongolischen Post arbeitete, hatte nach der Wende in Südkorea gearbeitet, wo er im Seouler Flughafen einer Brigade zugeteilt war, die nichts anderes tat als Neonröhren auszuwechseln: Wenn sie hinten angekommen waren, fingen sie vorne wieder an – egal, ob die Röhren kaputt waren oder nicht.

Besonders interessierte ihn aber mein allmorgendliches Briefe einsortieren, obwohl er seinerzeit bei der Post für den Zeitungsvertrieb zuständig gewesen war. In einem Land – viereinhalb mal so groß wie die BRD, aber mit nur 2,5 Mio Einwohnern (so viel wie Westberlin) gesegnet – die zudem auch noch gerne herumnomadisieren (einmal jährlich wird sogar der „staatsbeste Nomade“ ausgezeichnet), ist die Zeitungszustellung natürlich ein großes Problem, das durch den Zusammenbruch des Sozialismus nicht kleiner geworden ist – im Gegenteil: Die Viehherden wurden privatisiert – d.h. jeder bekam soundsoviele Schafe, Ziegen, Pferde, Kamele, Rinder oder Yaks. Egal, ob er Traktorist gewesen war oder Krankenschwester. Auf diese Weise kann man von „People on the Move“ reden, so wie der Titel eines Investorenvideos aus Manila lautet, das der philipinische Übersetzer für deutsche Unternehmer sofort mit „Ein Volk ist auf Trab“ übersetzte. Mjagmar bekam nur die Anfänge dieser Entstaatlichungsbewegung mit, in der die Zeitungszustellung auf dem Land fast zusammenbrach, obwohl gerade damals die Leute besonders nachrichteninteressiert waren. Zu sozialistischen Zeiten war der Besitz eines Radios Pflicht gewesen und Zeitungsabonnements wurden gerne zu Hochzeiten und ähnlichen Ereignissen verschenkt. Zum Glück behalfen sich die meisten Viehzüchter sofort mit billigen chinesischen Solarpanels, die sie an ihre Jurte stellten, um damit u.a. einen Fernseher zu betreiben. Die ärmeren unter den Viehzüchtern und dabei vor allem die Frauen, haben sich inzwischen in „Communities“ organisiert, wobei 88 dieser Kollektive die so genannten „Community News“ der Region Gobi herausgeben – zusammen mit deutschen Entwicklungshelfern und holländischem Geld. Das heißt, eine der jungen Dolmetscherinnen der GTZ sammelt ihre Beiträge in Ulaanbaatar korrigiert und layoutet sie – und läßt die taz-ähnliche Zeitung dann in der dortigen dänischen Druckerei herstellen. Die fertigen Exemplare gehen teilweise mit Flugzeug zurück in die Gobi zu den 88 Communities, von wo aus sie dann weiter an die einzelnen Familien verteilt werden. In den Community-Jurten weiß man natürlich, wo die Mitglieder sich gerade aufhalten. In einer Bezirks-Hauptstadt haben sich außerdem etwa 24 Frauen mit GTZ-Unterstützung eine genossenschaftlich organisierte Molkerei sowie eine Filzfabrik aufgebaut – und damit selbständig und seßhaft gemacht.

Die GTZ geht dabei von der „Graswurzel“ aus und nennt ihr Prinzip „2+2=5“. Ersteres ist sozialökologisch gemeint und zielt auf den Erhalt der bisher fast nur auf dem Papier existierenden Nationalparks, die einmal ein Drittel der Fläche der Mongolei umfassen sollen. Im Gobi-Nationalpark geht es darum, die Flächen vor Überweidung und damit Verwüstung zu schützen – indem die Nomaden mit ihren Herden wieder mehr wandern. Dazu müssen ihre Herden gesund sein und die Familien bzw. Communities gute Preise für ihre Produkte (Fleisch, Kaschmir, Wolle) bekommen. Man bot mir an, einen Text für die „Community News“ zu schreiben, aber sie ist auf mongolisch – und es gibt dabei ein Übersetzungsproblem. Außerdem ist mir noch immer nicht eingefallen, was diese ganzen wunderbaren Viehzüchterinnen, die uns dort von ihrer Arbeit berichteten, von hier interessieren könnte. Auch darüber sprach ich mit Mjagmar. Er meinte, dass diese Nomaden-Kollektive bestimmt gerne mehr über das seßhafte taz-Kollektiv wüßten.

Ich stürzte mich – wieder aus der Gobi zurück – erst einmal in die Redaktionsarbeit der ersten Ausgabe der „Super-Nomad“, die kurz vor der Fertigstellung war. Sie ist auf Deutsch – und „zielt“ vor allem auf hier studierende bzw. arbeitende Mongolen sowie an der Mongolei interessierte Deutsche. Dafür dass ich als Deutschkundiger die Texte korrigiere, durfte ich eine Kolumne dazu beisteuern – über „Neue Nomaden“, die erste hatte ich „…braucht das Land“ genannt. Dann klärte mich aber der in Ulaanbaatar lehrende FU-Nomadenforscher Professor Janzen auf, dass mit den „Neuen Nomaden“ jene Nachwende-Viehzüchter wider Willen bezeichnet werden, die eben gerade nicht richtig, d.h. ressourcenschonend, nomadisieren – noch nicht, denn darauf läuft die ganze GTZ-Entwicklungshilfe in der Mongolei, in die er quasi eingebunden ist, hinaus: Dass sie den Viehzüchtern hilft, ihre Produkte weiter zu verarbeiten und besser zu vermarkten, wobei sie von Naturschutz- und Tourismus-Behörden sowie von der Genossenschaftsbewegung gefördert werden (sollen). Das könnte zur Folge haben, dass die „Neuen Nomaden“ sich zu einer ähnlichen Spezies mausern wie die „Neuen Russen“, „Neuen Armenier“ etc – wenn auch durchweg unter umsichtiger weiblicher Vorherrschaft.

Zu diesen Neuen Nomaden zählen sich denn auch bereits viele der jungen im Ausland studierenden Mongolen, deren neue Begeisterung für Dschingis Khan mich allerdings immer befremdete. Bis ich mir vom Bildungsmanager der Asian Development-Bank sagen lassen mußte, dass ich schon die Aufführung der neuen mongolischen Oper „Dschigis Khan“ in der mongolischen Staatsoper nicht verstanden hätte: Es seien darin bewußt nicht die Eroberungen des späten Khan thematisiert worden, sondern seine Einigung der Stämme – als junger Herrscher noch, der dabei bewußt keinen Stamm benachteiligte. Die Oper reihe sich damit quasi in die öffentlichen Proteste gegen korrupte Politiker und Geschäftsleute ein, die das Volkseigentum an sich rissen – und nun höchstens zum Wohle ihrer Familie einsetzen, wenn sie es nicht an die noch weitaus gewiefteren Geschäftsleute im Westen verschleudern. Die jungen mongolischen Politologen in Westberlin sind sich noch nicht sicher, ob bei diesem derzeitigen öffentlichen Ringen um eine „demokratische Vision“ das Pendel mehr „zur Freiheit oder zur Gerechtigkeit“ ausschlagen wird. Die Weltbank weiß demgegenüber schon, dass die Mongolei derart in die Welt-Politik und -Wirtschaft eingebettet ist, dass ihre Regierungen kaum noch einen „Spielraum“ haben. „Neue Nomaden“ meint aber auch die infolge der 3. Industriellen Revolution zu immer wieder neuem Orts- und Arbeitsplatzwechsel gezwungenen Massen hier.

Aber das „…braucht das Land“ mußte den mongolischen Redaktionskollegen erklärt werden. Das beziehe sich auf einen bekannten Neue-Deutsche-Welle-Song, meinte ich. Er hieß: „Neue Sowieso brauche das Land“. Um genau zu sein, gab ich diesen Satz bei Google ein – und fand dort genau 5.200.000 Eintragungen. Kurz gesagt wird inzwischen alles damit besungen bzw. beworben: Neue Schulen, Lehrer, Kinder, Väter, Männer, Buttons, Waffen, Helden, Ingenieure… usw.! Grauenhaft. Ansonsten reicht den Anbietern oft schon ein ihrem Produkt vorangestelltes „Neu“ (120 Mio Eintragungen) oder „Neo“ (71 Mio) aus. Aber ändern ließ sich das nun nicht mehr. Die erste Nummer der „Super-Nomad“ war bereits auf dem Markt. In einigen Buchläden lag sie neben dem Neuen Buch des Viadrina-Slawisten Karl Schlögel „Planet der Nomaden“, in dem der Autor jedoch noch schwankt, ob er auch diese Entwicklung begrüßen soll: Seitenlang lobt er die immer ausgetüftelter werdenden Grenzbefestigungen. Mit dem Philosophen Vilem Flusser ist er sich aber zuletzt einig: „Wir dürfen also von einer gegenwärtig hereinbrechenden Katastrophe sprechen, die die Welt unbewohnbar macht, uns aus der Wohnung herausreisst und in Gefahren stürzt. Dasselbe lässt sich aber auch optimistischer sagen: Wir haben zehntausend Jahre lang gesessen, aber jetzt haben wir die Strafe abgesessen und werden ins Freie entlassen. Das ist die Katastrophe: dass wir jetzt frei sein müssen. Und das ist auch die Erklärung für das aufkommende Interesse am Nomadentum…“ –

Und damit auch für die Schriften des auf Deutsch schreibenden tuwinischen Autors und Gründers des mongolischen Reisebüros „Modern Nomads“ Galsan Tschinag. Die Münchner Journalistin Gundula Englisch nahm kürzlich bereits dessen altnomadische Weisheiten, um sie mit den noch vereinzelten neuen Erfahrungen der hier in Bewegung geratenen Profiteure der elektronischen Revolution zu verknüpfen. Ihr Buch heißt „Jobnomaden“ und entwirft das „Szenario“ einer zukünftig allumfassenden Mobilität und Flexibilität im Westen. Das Cover zeigt Kamelnomaden im Staub der Wüste Gobi. Das Cover der „Super-Nomad“ ziert dagegen ein junger mongolischer Viehhirt in der Steppe, der gedankenverloren auf ein im Sonnenuntergang grasendes Pferd blickt. Dieses Bild – „Der Traum“ genannt – hängt in der Mongolischen Staatsgalerie und stammt von dem vielgeehrten mongolischen Maler Amgalan. Es könnte sich dabei glatt um die Visualisierung einer Liedzeile aus einem Cowboy-Song von Bob Dylan handeln: „Look all the tired horses in the sun/ How I’m s’pposed to get any ridin‘ done?!“ Der Cowboy, das ist der Jobnomade der agrarindustriellen Revolution in Marlboro-Country. Wenn es nach dem Willen vieler mongolischer Politiker sowie von Weltbank und amerikanischer Entwicklungshilfe geht, dann blüht auch den seit 1989 wieder umherziehenden Viehzüchtern in der Mongolei ein solches Schicksal – als Jobnomaden. Der Künstler als Visionär hat dies bereits lange vor der Wende kommen sehen.
Die Zwei- bis Dreimonats-Zeitschrift „Super-Nomad“ hat einen Umfang von 16 Seiten, kostet 2 Euro und ist in ausgesuchten Buchläden erhältlich. Man kann sie auch direkt bestellen – über „super_nomad2006@yahoo.de“ oder 0173 – 13 14 841. Noch Fragen?

Aus aktuellem Anlaß noch ein P.S.:

Im August finden in der Mongolei internationale Militärmanöver unter der Regie der USA statt, an der Infrastruktur dafür wird schon seit längerem gearbeitet, u.a. werden riesige Abhöranlagen installiert. Bisher hat noch kein Schwein darüber berichtet. Russland und China sind als Beobachter zugelassen.

Mongolische Politiker bezeichnen ihr Land gerne als „Ei zwischen zwei Steinen“. Es hat mit die meisten Bodenschätze – und nur 2,5 Mio Einwohner auf einem Territorium viereinhalb mal so groß wie die BRD. US-Ölmanager versprachen der Mongolei deswegen nach der Wende, es werde bald das Kuwait Asiens sein: Das heißt kein Mongole muß mehr arbeiten, die ganze Dreckarbeit werden andere (Russen, Chinesen, Koreaner, Mexikaner,  etc.) für sie tun. In Wirklichkeit ist es bald jedoch genau umgekehrt, wie ein Mitarbeiter der Asian Development Bank meint: Aus den selbstbewußten Nomaden werden nach und nach Bauhilfsarbeiter, Bergarbeiter, Kellner, Zimmermädchen und Go-Go-Dancer. Sie wehren sich natürlich: Im April fanden allwöchentlich große Demonstrationen gegen die Korruption und den Ausverkauf des Landes in Ulaanbataar statt. Nahezu die gesamte Industrie und über 600 Bergbau-Konzessionen gelangten bei der Privatisierung in die Hände der kommunistischen Kader, deren reformierte Partei heute rechter (neoliberaler) als alle anderen ist. Zusammen mit den ebenfalls nicht zartbesaiteten Frontschweinen der internationalen Bergbau- und Ölkonzerne leiten sie nun den  Reichtum der Monglei außer Landes. Demonstranten gelang es kürzlich, die „Boro-Gold“-Mine im Norden zu schließen, dabei wurde ein Demonstrant von Polizisten getötet. Die Ausbeute war hier auf 15 Jahre terminiert worden, der Konzern durfte die ersten fünf Jahre steuerfrei  schürfen, dabei gelang es ihm, die gesamte Lagerstätte bereits in dieser Zeit auszubeuten. Während der Streit um Boro-Gold noch andauert, demonstrierten vor dem Parlament etwa 200 Leute, die ihre gesamten Ersparnisse beim Zusammenbruch von 15 Genossenschaftsbanken verloren hatten. Sie warfen dem Leiter der Bankenaufsicht mangelnde Kontrolle vor. Wenig später wurde er erschossen. Umstritten ist auch das Kupfer-Gold-Projekt des kanadischen Konzerns Ivanhoe in der Wüste Gobi. Hierzu wurde hastig ein Gesetz der Opposition im Parlament eingebracht, das eine drastische Besteuerung der Gewinne vorsah im Falle einer Steigerung der Edelmetallpreise auf dem Weltmarkt. Sofort nach Verabschiedung des mongolischen Gesetzes sanken die Aktien von Ivanhoe auf fast die Hälfte. Neben dem Kupfer-Gold-Vorkommen gibt es noch eines des größten Kohlevorkommen der Welt. Dieses möchte Russland ausbeuten: Die Mongolei schuldete Russland 250 Mio Dollar, die sie über eine tschechische Bank überwies. Dabei verschwanden jedoch 50 Mio – wahrscheinlich in die Taschen einiger Regierungsmitglieder und ihrer Frauen, die daraufhin jedenfalls größere Summen auf einige US-Banken transferierten. Als Ausgleich für die fehlenden 50 Mio will Russland sich nun mit dem Kohlevorkommen in der Gobi zufrieden geben. Kein Land der Welt bekommt prozentual mehr Entwicklungshilfe als die Mongolei, inklusive der Militärberater kommt bald auf jede mongolische Familie  ein Entwicklungshelfer. Aber während z.B. die deutsche und holländische Entwicklungshilfe sich vor allem um arme Viehzüchter kümmert, die sie bei der Bildung von Kollektiven unterstützt und zu häufigeren Wanderungen mit ihren Herden motiviert, um Überweidung und damit Verwüstung zu verhindern, pickt sich die „US Aid“ genau umgekehrt nur die reichsten Viehzüchter heraus, um sie gemäß ihrer neoliberalen Trickle-Down-Theorie zu fördern, auf dass sie seßhafte Farmer  werden, die immer mehr (für sie rumziehende) Cowboys beschäftigen. Im übrigen errichten die amerikanischen, japanischen und koreanischen „Helfer“ gerade superteure „Gated Communities“ in der  Hauptstadt für sich, mit eigener Strom- und Wasserversorgung, Schulen, Kitas, Supermärkten usw. – die man nur mit „genetischem Fingerabdruck“ betreten kann. Ähnliches gilt für die mongolischen Kriegsgewinnler, die ihre schicken Eigenheime zu allem Überfluß auch noch verbotenerweise direkt am Fluß errichten lassen. Forstfachleute beklagen darüberhinaus, dass diese Neureichen auch noch ständig die vom Aussterben bedrohten Tierarten bejagen. Die Mongolei hat bereits ihr 6. Truppenkontigent zur Unterstützung der USA in den Irak geschickt – und verhandelt derzeit über das siebte. Es wird böse enden – an der Anti-Terrorfront wie auch daheim!

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/07/06/aushilfshausmeister-in-zentralasien/

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kommentare

  • Schade, daß Sie „als Deutschkundiger“, wie leider die meisten schreibenden „taz“-Frauen und -Männer, auch zu den öffentlichen Schreibern gehören, die die ‚alte‘ Rechtschreibung anscheinend nicht mehr wollen, aber auch die ’neue‘ Schlechtschreibung nicht wirklich beherrschen (können).
    Siehe nur „bewußt“, „dem selben“ oder „seßhaft“ oder „müßten“ oder (das zitierte) „herausreisst“ in diesem Artikel sowie die durch alle Beiträge ungerecht verteilten „das“, „daß“ und „dass“, bei denen es augenscheinlich inzwischen egal ist, ob es Artikel, Konjunktion oder Relativpronomen darstellen soll.
    Daß man „Viehzüchtern hilft, ihre Produkte weiter zu verarbeiten“ oder „Viehzüchtern hilft, ihre Produkte weiterzuverarbeiten“, war vor der ‚Reform‘ (und ist auch 2006) ein markanter Bedeutungsunterschied – oder etwa nicht?
    Die teilweise unbefriedigende Lösung des Ratespiels ‚Zeichensetzung‘ sollte Ihnen doch auch irgendwie ein wenig Kopfschmerzen bereiten.
    Mir jedenfalls ist das alles richtig unangenehm, auch wenn ich (anderswo) lese, daß heute pro Gymnasiast durchschnittlich 27 Fehler in einem Abitur-Aufsatz verzapft werden (Anfang der 60er: NEUN!).
    Um noch was Lobendes loszuwerden: Dieser Blog ist diesbezüglich immerhin noch etwas besser als die gedruckte taz und um Lichtjahre besser als z.B. Tagesspiegel oder Berliner Zeitung, aber alles in allem kann man im Interesse unserer Nachkommen nur eine weitgehende ECHTE REFORM zu einer modernen ‚alten‘ Rechtschreibung wünschen, die nicht diese jeglicher Logik entbehrende, verwirrte ‚Heimkehr‘ ins 19. Jahrhundert vor Duden darstellt.
    Jürgen S. C., Redakteur, Lektor, Korrektor, Leser, Schreiber, Lehrer, Sohn, Vater …

  • Wenn ich das richtig verstanden habe, dann läßt sich die GTZ bei ihren Gobi-Projekten von Buddhas letzten Worten an seine Schüler leiten: „Geht weiter!“ Dies galt auch schon für die Projekte des Feuerwehrmanns und Mongolisten Fred Forkert im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Weiter so!
    S.Sh.vom Meri-Center, dem mongolischen Verband ruraler Medien.

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