vonHelmut Höge 14.07.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

Mehr über diesen Blog

„Im Osten gibts doch nur noch Windkraft und Neonazis,“ befürchten allzu viele, die derzeit ihre Kurzurlaube planen. Und nicht wenige hoffen, dass letztere bald gegen die ersteren antreten werden, „damit da noch mal was Vernünftiges draus wird“ – aus den Fünf Neuen Ländern, Ostelbien früher genannt. Die taz würde in dem Falle die Windkraftanlagen (WKAs zärtlich von ihr genannt) wahrscheinlich gegen die Faschisten verteidigen. Als Aushilfshausmeister frage ich mich aber eher: Warum hat die taz noch keine alternative Energieversorgung auf ihrem Dach oder im Keller? Zwar wechselte sie irgendwann von dem miesen schwedischen Stromkonzern Vattenfall zu „Lichtblick“ – dem laut Eigenwerbung „größten unabhängigen Ökostromversorger in Deutschland“, der sich nicht nur da draußen um den ganzen  „Regenwald“ kümmert (und 3.110.762,9 Quadratmeter bisher schützte), sondern nach innen (also hier im Haus) auch mit „einfachen Rechnungen“ operiert. Aber  die volle energetische Autonomie ist das noch nicht. Um an dieser Stelle für eine WKA auf dem taz-Dach, zwei Meter höher als das dämliche Logogeflacker auf dem  Springerhochhaus, zu werben, wo bis jetzt nur die rotgrüne taz-Fahne mit -Kralle weht und rote und gelbe Moose bzw.  Flechten (die übrigens aus Algen und Pilzen bestehen, die sich zusammengetan haben) gedeihen, möchte ich kurz die WKA-Karriere des Ostlers Steffen Gäde rekapitulieren – und was daraus inzwischen geworden ist:

Steffen Gäde machte 1991 seinen „Facharbeiter für Pflanzenproduktion mit  Abitur“ in einer LPG bei Jüterbog. Kurz danach mußte er zur Bundeswehr  und anschließend war er arbeitslos. Nur jeweils im Sommer arbeitete er  als Erntehelfer bei einem Bauern in Dithmarschen.   „In der DDR war der Weg festgelegt gewesen, jetzt mußte ich mir selbst was überlegen.“ In der Prignitz gründete sich derweil ein Verein für dezentrale  Energieförderung. „Wie funktioniert das mit Windkraftanlagen in  Brandenburg?“ fragte Steffen den Vereinsmitarbeiter Gerd Großer – und  der spulte dann auch gleich sein ganzes Wissen darüber ab, obwohl er  dachte: „Dieser arbeitslose Jung-Traktorist kann ja doch nichts damit  anfangen.“ Steffen hatte bereits eine Windkraftanlage bei seinem  Dithmarscher Bauern kennengelernt, der hatte ihm jedoch entschieden abgeraten: „Das funktioniert nicht im Binnenland.“ Ende 1991 wurde in  der Prignitz die erste WKA aufgestellt, sie bewies in der Folgezeit, daß  sich auch in Brandenburg Windenergie produzieren ließ. „Es gab dann ein  Rieseninteresse an Windkraft. Ich hatte mir da schon einen Standort für  die Windmühle ausgekuckt: auf dem Bennsberg in der Nähe, wo ich wohne.“  Die inzwischen in der Prignitz gegründete Gesellschaft für  Projektmanagement Zopf GmbH fing sogleich an, die Anträge für ihn zu  stellen: Bei der Preussen-Elektra-Tochter „Märkische  Energie-Versorgungs-AG (MEVAG) einen Antrag auf Netzanschluß. Und beim  Umweltministerium in Potsdam einen Fördermittelantrag: „Das ist im  Prinzip eine Subvention des Landes.“ Ferner kümmerte sich Steffen Gäde  um eine Bauvoranfrage bei der unteren Bauaufsichtsbehörde des  Landkreises und um Bundeszuschüsse aus dem „Projekt 250 Megawatt Wind“.  Außerdem mußte noch ein Standort-Gutachten beigebracht werden, sowie ein  ornithologisches Gutachten und ein Windgutachten, das die Zopf GmbH  selbst erstellte.

„Ich hatte sehr viel Idealismus, und mit der Aussicht,  daß es vielleicht doch klappen könnte, wurden auch alle Widerstände  überwunden.“ Weil ihm keine märkische Bank einen Kredit geben wollte,  ging Steffen Gäde zu seinem Dithmarscher Bauern und mit dem zu dessen  Commerzbankfiliale in Brunsbüttel. Zwischendurch arbeitete er auch noch  zwei Wochen bei einem Bioreisbauern in den japanischen Alpen – das  Reisegeld hatte er sich zuvor bei seinem Dithmarscher Bauern verdient.  Er entschied sich dann für eine WKA der Firma Vestas – mit einem Turm  aus Stahlsegmenten, einer Naben- Höhe von 53 Metern, einem  Rotor-Durchmesser von 39 Metern, mit 500 Kilowatt Nennleistung und einem  durch das Standort-Windgutachten errechneten Jahres- Energieertrag von  720.000 Kilowattstunden (KWH). Die Anlage kostete 1994 insgesamt 1,07  Millionen DM. Die MEVAG zahlte 1996 gemäß des  Energieeinspeisungsgesetzes 17,21 Pfennig pro KWH. Die Landesförderung,  die 30% der Gesamtkosten betragen sollte, es waren dann jedoch nur 26,7%  bzw. 297.000 DM, setzte die Commerzbank anstelle des fehlenden  Eigenkapitals ein. „Als frischgebackerner Student ohne Bafög und ohne  Einkünfte sollten wenigstens meine Eltern eine 250.000 DM Bürgschaft  übernehmen, was sie dann auch taten. Hinzu kam noch zur Sicherheit die  Eintragung einer Grunddienstbarkeit ins Grundbuch des Land-Eigentümers.“  Steffen war nur Pächter.

Im März 1995 wurde die Anlage aufgebaut und  ging ans Netz. Seitdem läuft sie – „und zwar in der von Vestas  angegebenen Verfügbarkeit von 98%. Der Wassermühlenbesitzer Gerd Grosser  meinte, nachdem Steffen Gäde auf diese Weise Windmüller geworden war:  „Nie hätte ich gedacht, daß er das schaffen würde, wo selbst ich, der  ununterbrochen die Windenergie propagierte, das nicht ernsthaft in  Angriff genommen hatte“. 1999 beendete Steffen Gäde sein Studium  in Rostock „Landeskunde und Umweltschutz“ und nahm einen Job als Mess- und  Prüfingenieur bei der Firma Wind-Consult an, wo er Wind- und  Ertragsprognosen für Windenergieanlagen sowie auch Windpotentialstudien erstellte. Zwei Jahre später kündigte er und absolvierte eine Ausbildung  zum Projektmanager. Dann erwarb er ein Haus in einem Dorf bei Rostock,  machte sich selbständig und gründete eine Familie. Und fast die ganze  Zeit verlor er seine gute Laune nicht.

Dafür änderte sich jedoch das ganze Windmühlengeschäft. Das Kapital war  hellhörig geworden: In München und Stuttgart entstanden  Ökofonds-Gesellschaften, die Gelder von Zahnärzten und Anwälten  akquirierten und ganze Windparks planten – allerdings weniger in  Baden-Württemberg und Bayern, denn da wollte man diese  landschaftsverschandelnden rotierenden Türme nicht haben. Der  schwäbische Ministerpräsident Teufel schimpfte: „Hier machen damit Anleger von  Kapital das große Geld, vom Staat subventioniert, vom normalen  Arbeitnehmer mit seinen Steuern bezahlt“. Aber auch im Osten mußte man  die Bürgermeister erst einmal „überzeugen“: Die Fonds-Initiatoren argumentierten, es sei besser, die dafür ausgewiesenen Gebiete mit  ganzen WKA-Clustern „aus einer Hand“ zu bestücken, als wenn da jeder,  der will, eine Anlage hinstelle. Außerdem boten sie den Gemeinden kleine  Geschenke an: eine Kita hier, eine Dorfplatzverschönerung da. Die  Bürgermeister unterschrieben; aber dann murrten immer mehr Dorfbewohner:  Sie hatten nichts davon, außer ständig diese surrenden Riesenspargel vor  Augen. Einige Bürgermeister versuchten daraufhin, vom Vertrag  zurückzutreten. Da kannten sie aber die Fonds-Initiatoren schlecht, die  ihnen prompt eine Rechnung über 600 000 Euro schickten – für die bereits angelaufenen Planungsarbeiten. Die zumeist ehrenamtlichen Bürgermeister  bekamen darob Hitzewallungen und Panikattacken – jedesmal wenn der  Postbote kam. Schließlich erklärten sie sich einverstanden mit dem  „Windpark“ – und schimpften dafür über ihre verstockten Dörfler.

Diese Entwicklung entspricht der aller Alternativideen: Erst wird von  unten etwas durchgesetzt und wenn es profitabel gerät, springt das  Kapital drauf, das aus dem Segen einen Fluch macht. Diese scheußliche  Dialektik erzwingt es im Falle der WKAs geradezu, dass aus ihren  schwärmerischen Befürwortern wütende Kämpfer gegen Windmühlenflügel  werden. Ein „Focus“-Mitarbeiter belauschte am 4. März 2004 einen  Spiegel-Journalisten und dessen Anwalt bei einem Gespräch in einer  Berliner Kneipe – und machte daraus Anfang 2005 einen Artikel über sie,  die er als die „Herren Haudrauf und Schreibdarüber“ bezeichnete,  woraufhin der Anwalt sofort mit langen Schriftsätzen konterte, der  Journalist winkte jedoch bald ab: „Ich hab keine Lust mehr zu klagen“.  Die zwei besitzen jeder ein Landhaus in einem Dorf hinter Oranienburg.  Dort wollte die Donaueschinger Gesellschaft EnerSys mbH , „the global  leader in stored energy solutions“, eine Reihe von Windkraftanlagen  errichten: „Wir bieten schlüsselfertige Windparkplanung im In- und  Ausland“. Die beiden „alten Kämpen von der Öko-Front“, wie „Focus“ sie  nannte, um ihnen einen Widerspruch zwischen Theorie (unermüdliche  Propagierung der „Nutzung alternativer Energiequellen“) und Praxis (ein  Ferienhaus unweit des „127 Meter Rotoren-Monsters“) zu unterstellen,  befürchteten die Zerstörung ihrer ländlichen Idylle, damit einhergehend  einen Preisverfall ihrer Immobilien – und gingen in die Offensive: Mit  einem Brief an die gerade neu eingerichtete Antikorruptionsabteilung des  Landeskriminalamts, die sowieso gerade nach interessanten neuen Aufgaben  lechzte – und sofort die Ermittlungen aufnahm. Die beiden Absender  verdächtigten die Firma EnerSys der Bestechung – nämlich ihres  Bürgermeisters, damit der der Windparkplanung zustimmte.

Der  EnerSys-Geschäftsführer wiederum wandte sich, nachdem er davon erfahren hatte, erbost an die  Spiegel-Chefredaktion, um sich über den Spiegelmitarbeiter zu  beschweren, denn der hatte nicht als Landhausbesitzer, sondern als  Redakteur in seiner Strafanzeige gedroht, wir werden „sämtliche  rechtlichen, propagandistischen und politischen Möglichkeiten  ausschöpfen, um diese Planung zu Fall zu bringen. An dem nötigen know  how, wie man erfolgreich politische Kampagnen führt, wird es uns dabei  nicht fehlen“. Auf Initiative des Spiegeljournalisten und des Anwalts  hin verweigerte der Landrat dem Windpark-Cluster erst einmal die  Genehmigung. „Die Kampagne läuft weiter,“ entsetzte sich der bayrische  Focus. Dann wurden die Windkraftanlagen jedoch trotzdem errichtet und in  Betrieb genommen. Die beiden Anti-WKA-Kämpfer versuchen nun mit den  Dingern hinter ihren Landhäusern zu leben.

Der taz-Ökologieredakteur Nick Reimer tröstete sie: Es sei doch immer  noch besser, wenn Kapital in regenerative Energieprojekte fliesse – als  in fossile. Anders der Spiegel: Jahrelang hatte der Reporter Harald  Schumann an einem Pro-WKA-Artikel gearbeitet – aber dann erschien dort  plötzlich ein böser Aufmacher über den „Windmühlenwahn“, woraufhin  Schumann erbost kündigte; ihm folgte wenig später sein Kollege Gerd  Rosenkranz. Zuvor war bereits ein kritischer WKA-Artikel im Ostberliner  Umweltmagazin „telegraph“ veröffentlicht worden. Doch das stoppte alles  nicht den Bau neuer WKAs: In Niedersachsen drehen sich inzwischen 4470  Anlagen und in Brandenburg 2180. Hier sollen bald 3000 stehen. Eine  weitere „ungehemmte Zunahme“ will der CDU-Innenminister allerdings  verhindern. In Wustermark traten 2005 zwei Bewohner, die sich von den  120 dort drehenden Windmühlen geradezu umzingelt fühlen, in einen  unbefristeten Hungerstreik. Sie wollen damit den Bau von weiteren 55  Anlagen verhindern. Und hofften, dabei erfolgreicher zu sein als der  Spiegeljournalist und der Anwalt bei Oranienburg. Viele Leute aus der  Region solidarisierten sich mit ihnen: „Alle unterstützen uns, ein tolles  Gefühl,“ meinte einer der zwei Hungerstreikenden, die inzwischen eine  „Bürger gegen Wind Initiative“ gegründet haben und weitere Aktionen  planen.

In Baden-Württemberg gibt es inzwischen neben der Regierung ebenfalls Proteste von unten gegen WKAs. Um vier Anlagen auf einem Berg  bei Freiburg in Verruf zu bringen, ließen sich die Anti-WKA-Kämpfer  anscheinend etwas besonderes einfallen: Jedesmal wenn sich z.B. die  Presse dort einfand, lagen ein paar tote Fledermäuse zu Füßen der  Windräder. Die Betreibergesellschaft Regiowind, eine Tochter des  Energieversorgers Badenova und der Firma Ökostrom, konnte schließlich  ihren „ungeheuren Verdacht“ (F.R.) erhärten, dass die toten Tiere dort  jedesmal von „Windkraftgegnern“ hingelegt worden waren, um damit die  WKAs zu diskreditieren. Der Kampf geht weiter! Selbst der  Vorsitzende des Bundesverbandes Windenergie, Peter Ahmels, ein  friesischer Bauer mit zwei eigenen WKAs, gibt zu bedenken: „Man darf  solche Anlagen nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen und einfach  irgendwo hinstellen.“

Der Bundesverband Windenergie (BWE) vertritt – anders als in Dänemark, wo  WKA-Hersteller und -Betreiber getrennt organisiert sind – alle, die  irgendwie mit der Branche zu tun haben, auch Juristen, Berater etc..  Dazu gehören u.a. die beiden großen Hersteller Vestas in Husum und  Enercon in Aurich, die zusammen einen WKA-Marktanteil von 70% haben.  Auch bei den Fonds-Initiatoren sind die kleinen ebenso wie die ganz  großen Verbandsmitglieder, von den letzteren z.B. die WPD Bremen, die  WKN Husum, die GHF Leer, die auch Schiffsbeteiligungen auflegt, und das  Grüne Emissionshaus Freiburg. Die meisten Mitglieder stellen die   Kommanditisten und Betreiber. In Deutschland drehen sich zur Zeit 18.000  WKAs. Sie erzeugten 2004 insgesamt 25 Milliarden Kilowattstunden. Dazu  kommt an regenerativen Energien noch die Wasserkraft (mit 21 Mrd kWh), die Solarenergie (3,1 Mrd  kWh), und Erdwärmequellen (1,2 Mrd kWh) – jeweils in Form von Strom und Wärme. Den nach wie vor größten Brocken stellt die Biogasanlagenenergie dar, hierbei ist inzwischen eine Leistung von über 52.000 MW installiert. Die erneuerbaren Energien haben 2005 zusammen  genommen schon rund 30 Millionen Tonnen CO2 eingespart, indem sie  Energie aus fossilen Brennstoffen substituierten.

Bei der klassischen  Energieerzeugung werden mit jeder Kilowattstunde etwa 830 Gramm CO2  produziert. Diese Unternehmen wurden deswegen 1990 verpflichtet, ihren  CO2-Ausstoß bis 2008 um zunächst 12,5 % zu verringern. Das ist ihnen auch schon fast  gelungen, jedoch in der Hauptsache durch Betriebsstillegungen infolge  der vielen Privatisierungen seit der Wende. Seit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls im Februar 2005 kann CO2 auch durch den Emissionshandel reduziert werden. Um nun weitere 10 Millionen Tonnen  CO2 einzusparen, wurden diese Firmen Anfang 2005 verpflichtet bzw.  berechtigt, mit den von ihnen produzierten CO2-Emissionen zu handeln.  Dazu gab das Bundesumweltministerium kostenlos Zertifikate aus, die dem tatsächlichen CO2-Ausstoss von etwa 1800 zum Handel verpflichteten Firmen entsprach. Sie sollten durch die Neuregelung nicht schlechter gestellt werden. Allerdings sollten diese Zertifikate dann vom Staat verknappt werden und so etwa 10 Millionen Tonnen CO2 einsparen. 80% der Verschmutzungsrechte werden jedoch von den Energieversorungungsunternehmen beansprucht. Die Zertifikate werden an  der Leipziger Börse gehandelt. Dort bildete sich ein Preis dafür, der  sich Ende 2005 auf 22 Euro pro Tonne CO2 belief. Der Strom wurde dadurch  teurer – nämlich um 1 Cent pro Kilowatt für die CO2-Zertifikate, aber es  wurde dabei keine einzige Tonne CO2 eingespart!

Peter Ahmels, der  Vorsitzende des Bundesverbandes Windenergie, hat diesen „Windfallprofit“  der Energieversorgungsunternehmen ausgerechnet: „Sie haben 5 Milliarden Euro mehr von den Stromverbrauchern eingenommen – ohne eine  Gegenleistung, eben die CO2-Reduzierung, dafür zu erbringen. Hier ist also  eine gesetzgeberische Nachbesserung dringend notwendig.“   Andersherum hat die neue Koalitionsregierung für die erneuerbaren Energieformen bereits eine neue Gesetzeslage geschaffen: Bisher konnte  man Anfangs-Verluste aus WKAs mit anderen Einkommensarten verrechnen. Das ist nun nicht mehr so einfach  möglich: Jetzt kann man die Verluste nur noch mit späteren Gewinnen aus dem  selben (Energie-) Bereich verrechnen, das gilt auch für  Schiffsbeteiligungen und Medienfonds, jedoch seltsamerweise nicht für  Immobilienfonds im Ausland. „Der Bund verspricht sich davon sofortige  Mehreinnahmen in Höhe von 500 Mio Euro, aber seine Intention ist mir  dabei noch nicht klar,“ meint Peter Ahmels, „wir befürchten, dass nun Kapital außerhalb Deutschlands angelegt wird.“ Hinzu kommt noch, dass man  die WKAs hierzulande in 16 Jahren abschreiben kann, in Dänemark dagegen schon in weniger als 5: „Deswegen verkaufen viele Fond-Initiatoren ihre  Anlagen an Dänen, die damit quasi mehr anfangen können“. Dies hat im  Verband zu einer gewissen Unsicherheit geführt: „Wir wissen derzeit  nicht, was für ein Kapital jetzt noch Interesse an WKAs haben könnte“.   Die Koalitionsvereinbarung sah darüberhinaus zunächst vor, den  Bio-Kraftstoff zu besteuern, das ist jedoch wieder gestrichen worden,  denn damit wäre der Ökosprit 47 Cent pro Liter teurer geworden – und  nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. In der Presse wurden daraufhin  Stimmen laut, die vor riesigen Raps-Monokulturen warnten. Peter Ahmels,  der selber zusammen mit seinen Söhnen noch 100 Hektar bewirtschaftet  und u.a. Elefantengras anbaut, sieht das nicht so: „Raps kann man nur  alle vier Jahre anbauen und ein Wechsel mit Sonnenblumen, erst recht mit  Soja wäre höchstens im Süden Europas möglich.“ Dennoch wird sich der  Anbau von Ölfrüchten in Zukunft immer mehr lohnen. In  Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits eine Kooperation von drei  Landwirten, die – mit staatlicher Förderung – eine komplette  Produktionslinie vom Rapsanbau bis zur Biodiesel-Tankstelle aufgebaut  haben. Als kleine Nebenlinie gibt es dort ferner noch eine laktosefreie  Speiseeisproduktion auf Rapsölbasis.

In der BRD werden von der  Landwirtschaft noch 17 Millionen Hektar genutzt, 5 Mio sind Grünland und  12 Mio Acker, davon werden 6,9 Mio für den Getreideanbau genutzt und 1,4  Mio für Ölfrüchte. Weil die Getreidepreise im Gegensatz zu denen für  Ölfrüchte nicht steigen, könnte es hierbei zu einer Verschiebung kommen.   So wie es immer mehr Bauern gibt, die reine Biodieselproduzenten  werden, gibt es auch welche, die sich auf die Biogas-Gewinnung  konzentrieren, wobei von Bauern gar nicht mehr die Rede sein kann, denn  den Rohstoff liefern nicht mehr ihre eigenen Tierproduktionen in Form von  Bioabfällen, sondern Großhändler mit Transportschiffen. Daneben  schreitet auch die Solarenergiegewinnung voran. Aus der entsprechenden  Forschung an der TU Berlin hat sich eine Firma herausentwickelt, die  Solarpanels auf Schwefel- statt Siliziumbasis herstellen will – und  dabei neuerdings mit dem schwedischen Braunkohleverstromer Vattenfall  kooperiert, der sich schon mal umkucken muß, weil Schweden sich bis 2020  gänzlich von den fossilen Brennstoffen verabschieden will.

Der  Solarstrom, so will es der Gesetzgeber in der BRD, muß jedes Jahr um 5%  billiger werden – und Schwefel ist sehr viel billiger als Silizium, das  immer knapper und damit teurer wird. Seit 2004 muß auch die Windenergie jährlich um 2%  billiger werden, d.h. die WKA-Betreiber bekommen dementsprechend weniger  pro Kilowatt von den Betreibern des Netzes, in das sie ihren Strom  einspeisen. Diesen Verlust können sie zur Zeit noch mit größeren und  höheren Anlagen kompensieren, wobei die neuen WKAs jedoch schon fast  beim Maximum – 55% des Gesamtenergiegehaltes der Luft – angelangt sind.  Im Koalitionsvertrag wird sich auch hierzu geäußert: Auf dem Binnenland  will man das „Repowering“ fördern – also eine große WKA statt viele  kleine. Erstere machen allerdings mehr Lärm, so daß dabei 500 Meter Abstand zum nächsten Wohnhaus eingehalten werden muß (bei den kleinen sind es nur 300 Meter). Unterm Strich kann damit jedoch der doppelte Ertrag mit deutlich weniger Anlagen erzeugt werden. Daneben sollen vor der Küste die Off- Shore-Projekte  forciert werden. Zwar kann Peter Ahmels derzeit noch nicht einschätzen,  „wie sich das politisch entwickeln wird“, aber anzunehmen ist, dass  durch die Förderung von Repowering und Off-Shore-Anlagen die kleinen Betreiber  langsam abgekoppelt werden, d.h. „die Investorenstruktur wird sich  wahrscheinlich verändern, weil das Risiko für viele Mittelständler dabei zu groß wird“. Die  Konzentration auf wenige große Kapitalgesellschaften widerspricht jedoch den Pionieren in dieser Branche, die stets mit der „dezentralen  Energiegewinnung“ argumentierten. „Eine Akzeptanz für die WKAs kann es  nur dort geben, wo die Leute vor Ort einen Nutzen davon haben,“  meint auch Peter Ahmels, und fügt hinzu: „Wenn nur noch  Kapitalgesellschaften das Geschäft machen, geht die Akzeptanz verloren.  Höchstens, dass man das noch ein bißchen mit der Gewerbesteuer  ausgleichen kann. Aber die wird dort bezahlt, wo die Firma registriert  ist, und in Nordfriesland gibt es bereits eine Gemeinde, die Firmen eine  besonders günstige Gewerbesteuer anbietet. Damit sich die Gemeinden  zukünftig um des Standortvorteils willen nicht laufend unterbieten,  müßte man die Gewerbesteuer an den WKA-Standort binden, dann würden die  Investitionen auch vor Ort bleiben.“   Obwohl man im Verband die Tendenz zur Zentralisierung der dezentralen  Gewinnung erneuerbarer Energien sieht – auch und gerade bei den  geplanten Off-Shore-Großprojekten, gibt der Friese Peter Ahmels jedoch  zu bedenken, dass gerade sie der nach dem Werften-, Reederei- und  Fischereisterben darniederliegenden Küstenwirtschaft „neuen Schwung“  geben werden. Das habe sogar schon der Export von Windkraftanlagen  bewirkt. So verschiffen Enercon und andere Hersteller ihre WKAs für die  USA über Emden, und der im emsländischen Salzbergen WKAs produzierende  US-Konzern General Electric benutzt den dänischen Unterweserhafen Brake.  Die Stadt Emden ist darüberhinaus inzwischen führend bei der Nutzung regenerativerEnergiequellen.

Die BRD stellt ein Drittel des Weltmarktes für WKAs dar, wobei es  allerdings immer noch große Unterschiede zwischen den Bundesländern  gibt: das reiche Baden-Württemberg genehmigt wie erwähnt kaum Anlagen, während das  arme Brandenburg damit schon fast verspargelt ist. Zwei Drittel aller hier hergestellten WKAs werden inzwischen im Ausland aufgestellt – und  der Exportanteil wächst kontinuierlich. Dazu wird auch die  internationale Konferenz in Peking beitragen, die im Herbst 2005 auf die  2004 in Bonn abgehaltene Konferenz über erneuerbare Energien folgte. In  der Pekinger Abschlußerklärung hieß  es – unter Punkt 5: Aufgrund der  Kostenexplosion bei den klassischen Energien ist ein Ausbau der  erneuerbaren Energien dringend erforderlich. Peter Ahmels, der in Peking  dabei war, meint, „das bringt eine neue Qualität in die Diskussion – das  Kostenargument, das oft wichtiger ist als das Klimaschutzargument,  zumindestens bei den Bürgern. Denn die kürzlichen  Energiepreissteigerungen bedeuten für sie eine große Mehrbelastung.

Wenn die nächsten Ölrechnungen kommen, werden die Diskussionen um  erneuerbare Energien bestimmt einen neuen Schub bekommen. Diese sind um 18 Euro aufs Jahr gerechnet teurer geworden, die klassischen Energien  dagegen um 180 Euro. In einigen Teilbereichen sind die erneuerbaren  Energien jetzt sogar schon billiger: z.B. Pellets (aus Elefantengras,  Sägespäne etc.) zum Heizen – eine Kilowattstunde kostet damit 3,5 Cent,  während man bei Verwendung von ÖL, Gas etc. erst mit 5,5 Cent dabei ist.  Die Koalitionsvereinbarung trägt dem Rechnung, insofern sie den Anteil  der erneuerbaren Energie am Gesamtverbrauch von 11 auf 20% ausbauen will.“   Nach Peking besuchte Peter Ahmels die „Weltwindkonferenz“ in Melbourne,  von der er jedoch keine wesentlich neuen Ideen mitbrachte. Australien  ist in puncto Windenergie sowieso unterentwickelt, weil es dort billige Kohle im Tagebau gibt. Eine Ausnahme ist Tasmanien, wo man 90% des  Energiebedarfs aus Wasserkraftanlagen gewinnt – die restlichen zehn  Prozent sollen über kurz oder lang WKAs liefern. Ähnlich ist es in der  Karibik, wo die WKAs aufgrund der dortigen Windverhältnisse und wegen des teuer gewordenen Öls aus Venezuela schon jetzt billiger Strom produzieren als die klassischen Kraftwerke. Zudem macht auch die Verbesserung der WKA-Technologie rasche Fortschritte: Zum einen müssen  die Anlagen heute nur noch zwei Mal im Jahr gewartet werden und zum  anderen kann man nur mit ihnen inzwischen schon das Stromversorgungsnetz  aufrechterhalten.

Am 15. Februar 2006 veranstaltete der Bundesverband Windenergie eine  internationale Konferenz in Berlin, auf der es um die „Zukunft durch Sicherheit“ ging: Sicherheit dadurch, dass die Energieträger Sonne,Wasser und Wind weltweit zu haben sind – jederzeit und zum Nulltarif. Windkraftanlagen bieten also Rohstoffsicherheit, sie sind ferner aufgrund ihrer  Dezentralität attentatssicherer als andere Kraftwerke und gewährleisten zudem eine Rund-um-die-Uhr-Stromversorgung. (Die Sicherheit, das darf ich vielleicht abschließend noch hinzufügen, ist seit jeher ein hausmeisterliches Grundanliegen – quasi.)

2014 kürzt die Bundesregierung die Fördermittel für Windkraftanlagen. im selben Jahr erscheint noch ein Kriminalroman von Maxim Leo, sein erster, in dem es um die Machenschaften beim Verkauf ostdeutscher Grundstücke geht, die dann als  Windpark ausgewiesen werden. Da es sich in diesem Fall um Waldgrundstücke handelt, ist der Widerstand gegen den Bau von Windkraftanlagen am Tatort besonders groß und die Jägerschaft darüber gespalten. Leider löst Maxim Leo seinen Fall nicht in diesem Milieu auf, sondern greift auf eine Frau als Mörderin zurück, die als Jugendliche von ihren späteren Opfern vergewaltigt wurde.

Michael Sontheimer und Johannes Eisenberg haben im Dorf ihrer Sommerhäuser auch einmal gegen Windmühlenflügel gekämpft, wobei sie ebenfalls Korruption bei der Ausweisung des Geländes für die WKAs vermuteten. Leider konnten weder sie noch die Abteilung für Korruptionsfälle bei der brandenburgischen Polizei ihren Verdacht bestätigen. Dafür machte sich ein gewissenloser Focus-Klatschreporter über sie lustig. Und erst kürzlich drückte mir am Wandlitzsee die Vertreterin einer Bürgerinitiative ein Flugblatt in die Hand, in dem es darum ging, zu verhindern, dass am schönsten See Brandenburgs – dem Liepnitzsee – mitten im Liebitzwald eine Reihe von WKAs installiert wird. Auf ihrer Internetseit „pro-liebnitzwald.de“ heißt es dazu:

„Der Liepnitzwald, um den es unserer Bürgerinitiative geht, ist ein alter Buchen- und Buchenmischwald zwischen Berlin und der Schorfheide. Mittendrin befindet sich ein eiszeitlich geprägter großer Klarwasserbinnensee, der Liepnitzsee bei Wandlitz. Das für WEG vorgesehene Gebiet gehört zum Naturpark Barnim, ist Landschaftsschutz- und Erholungsgebiet. Der Teil, der ohne die Folgen zu erahnen, als Zone 3 eingestuft wurde, weil er auch eine Lärmschutz- und Feinstaubfilterfunktion wegen der ihn durchschneidenden Autobahn A11 in Richtung der Seen (Liepnitzsee, Obersee, Hellsee, Bogensee, Krumme Lanke) hat, der soll mit 422 Hektar mit dem in Aufstellung befindlichen Regionalplan Uckermark-Barnims zum Windeignungsgebiet werden. Es soll also ein Wald gefällt werden, um ökologische Windenergie erzeugen zu können. Dieser Widerspruch in sich selbst ist unser Antrieb: Wir müssen diesen Irrsinn verhindern.“

 

Eine Stellungnahme der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. (EGE):
„In Deutschland stehen 20.287 Windenergieanlagen (WEA, Stand 31.12.2008). Allein im letzten
Jahr kamen 866 Anlagen hinzu. Dabei steht der Ausbau der Windenergie auf See erst noch bevor.
Der bisherige Ausbau erfolgte ohne Inanspruchnahme von Waldflächen – allerdings weniger
wegen einer ausdrücklichen Entscheidung zum Schutz des Waldes. Der Wald schied vielmehr
bereits aus technischen Gründen als Standort für WEA weitgehend aus. WEA im Wald
blieben deshalb bundesweit Ausnahmen und überwiegend auf Freiflächen im Wald beschränkt.
Aufgrund der technischen Fortentwicklung und der Zunahme der Anlagenhöhe können WEA
zunehmend auch im Wald wirtschaftlich betrieben werden. Dies führt zu einem verstärkten Interesse
nicht nur der Windenergiewirtschaft an Anlagenstandorten im Wald, sondern auch der
staatlichen wie privaten Forstwirtschaft, welche hierfür Erwägungen des Klimaschutzes in den
Vordergrund stellt, sich in Wahrheit von Standortentscheidungen für WEA im Wald aber nicht
zuletzt finanzielle Vorteile verspricht. Damit rückt zumindest statistisch gesehen ein beträchtlicher
Flächenanteil Deutschlands, nämlich 31 % der Staatsfläche, in das Blickfeld der Windenergiewirtschaft,
der bisher vor der Errichtung von WEA weitgehend geschützt zu sein schien.
WEA sind technische Bauwerke, von denen aufgrund ihrer Größe, Gestalt, Rotorbewegung
und -reflexen, Sicherheitskennzeichnung mit Farbanstrichen und Licht großräumige Wirkungen
ausgehen, welche das Erscheinungsbild einer Landschaft verändern und bei großer Anzahl
und Verdichtung ganzen Regionen den Charakter einer Industrielandschaft geben können. Die
bauhöhenbedingte Dominanz der Anlagen mit Gesamthöhen von heute bis zu 180 m wird aufgrund
der Bevorzugung exponierter Standorte noch verstärkt. Bei weitem Sichtfeld oder exponierter
Lage sind die Anlagen in bis zu 10 km Entfernung und mehr noch sichtbar. Die negativen
Auswirkungen auf das Landschaftsbild sind umso schwerwiegender je natürlicher oder kulturhistorisch
bedeutsamer die betroffenen Gebiete sind.
Gerade in bisher technisch nicht oder wenig beeinflussten oder kaum erschlossenen Gebieten,
zu denen generell der Wald zählt, führen Bau und Betrieb von WEA zu einer Verminderung der
natürlichen oder kulturhistorischen Eigenart und zu einem Verlust an Ungestörtheit und Ruhe
von Natur und Landschaft. Hierzu tragen auch Erschließungen, Anbindungen an das Energieleitungsnetz
und Wartungsarbeiten bei, die für Bau und Betrieb von WEA erforderlich sind.
Bau und Betrieb der Anlagen können zudem die Lebensräume bestimmter wildlebender Tierarten
zerstören oder erheblich beeinträchtigen. Für zahlreiche Vogel- und Fledermausarten besteht
überdies die Gefahr, mit den Anlagen zu kollidieren. Diese Gefahr ist bei schlechten
Sichtverhältnissen und Starkwind oder Sturm besonders hoch.“

Einen weiteren Konflikt um Windkraftanlagen meldet die Welt:  „Wer es noch erleben will, muss sich beeilen. Kurt Wagenführer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Annweiler, und die Energie Südpfalz wollen auf den Kämmen des Gebirges 40 Windräder postieren. Hinzu kommen weitere 20 Windmaschinen anderer Investoren. Jede rund 200 Meter hoch, höher als der Kölner Dom.“

„Die Idee, den Pfälzerwald zu einer Energieplantage umzubauen, ist älter als zwei Jahre. Doch schon im November 2012 konnte Bernd Wallner vom Pfälzerwald-Verein vermelden, „dass sich erstmals alle zehn Umweltverbände zusammengeschlossen haben, um gemeinsam gegen die Aufstellung von Windrädern im Pfälzerwald vorzugehen“. Man rechne mit Fremdenverkehrsverlusten von bis zu 15 Prozent.“

Zu den engagierten Windkraftgegnern gehört Ernst Gerber: „Der diplomierte Kaufmann hat ausgerechnet, dass die neuen Windkraftanlagen das Wahrzeichen der ganzen Region, den Hauptturm der Barbarossaburg Trifels, um das Fünffache überragen: ‚Die Maschinen werden immer gewaltiger und immer gewalttätiger gegen Mensch und Natur.‘

Nicht nur, was die Landschaftsästhetik betrifft. Ein einziges Rotorblatt wiege 60 Tonnen und müsse auf mit Schotter befestigten Wegen quer durch die Wälder gewuchtet werden. Für jedes einzelne Windrad würden 3000 Tonnen Beton und 100 Tonnen Stahl verbaut. Um den Mastenwald der 200 Meter hohen Giganten in die unberührte Landschaft zu pflanzen, müssten 200.000 Tonnen Beton aufgewandt und 130.000 Kubikmeter Schotter herangekarrt werden – ein Materialbedarf, der nur mit 60.000 Schwerlastfuhren zu bewältigen sei.“

„Was den Geschäftsmann erbost, das ist die Vertuschung der Folgenabschätzung durch die Verwaltung. Niemand lege den Anwohnern offen, was der Preis ist, den der Biosphärenwald zu zahlen hat. Er müsse nicht nur die Verbrennungsabgase von 600.000 Liter Diesel verkraften, sondern auch noch Rodungen auf 850.000 Quadratmetern unberührter, unzerschnittener Waldfläche – für jedes einzelne Windrad 500 Quadratmeter.“

„Der Kampf gegen Windmühlenflügel ist kein Donquichottismus gegen neue Technologien, sondern in den Augen der Betroffenen Heimatwehr.“

 

ettohciuqnod

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/07/14/dialektische-windmuhlenflugel/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Die FAZ meldet heute:

    An Windrädern geplatzt

    Viele Fledermäuse aus Nordosteuropa fallen deutschen Windkraftanlagen zum Opfer/ Von Roland Knauer

    BERLIN, 9. August: Der Tod kommt im wahrsten Sinne schlagartig. „Das Innere der an Windrädern verunglückten Fledermäuse ist meist eine einzige blutige Masse“, sagt Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. Weil sich die Spitzen der Rotorblätter mit einem Tempo von bis zu 300 Kilometern in der Stunde quer zum Wind bewegen, schwankt der Luftdruck dahinter enorm und zerreißt die Lungen und andere Organe einer Fledermaus, wenn sie nur in die Nähe kommt. Mindestens 200 000 Tiere lassen an deutschen Windrädern jedes Jahr ihr Leben.

    „Die meisten verunglückten Fledermäuse kommen gar nicht aus der Nähe der Anlagen, sondern aus dem Nordosten Europas und aus Skandinavien“, fasst Christian Voigt das Ergebnis einer Untersuchung zusammen, die er vor kurzem mit seinen Kollegen in der Online-Ausgabe von „Biological Conservation“ veröffentlicht hat. Weil Fledermäuse viele Schadinsekten vertilgen, verursachen deutsche Windräder für diese Länder vermutlich enorme Schäden in der Agrar- und Forstwirtschaft.

    Unter Windkraftanlagen in der Mecklenburgischen Seenplatte, in Brandenburg, in der Lüneburger Heide und im Saarland sammelten die Forscher die Kadaver verunglückter Tiere. „Im Durchschnitt finden meine Kollegen unter einem einzigen Windrad rund zehn Fledermäuse im Jahr“, berichtet Voigt. Bei rund 20 000 Windkraftanlagen in Deutschland wären das 200 000 tote Tiere im Jahr. „Die Zahl dürfte aber deutlich höher liegen, weil viele Opfer im Maul kleiner Raubtiere oder im Schnabel von Krähen landen, bevor wir sie finden.“

    Von einigen dieser toten Fledermäuse haben die Forscher um Christian Voigt die Wasserstoff-Atome im Fell analysiert. Von diesem Element gibt es zwei Isotope. Je weiter man in Europa nach Norden kommt, umso höher liegt der Anteil des leichteren Wasserstoff-Isotops in der Natur. Fledermäuse bauen diese Isotope entsprechend den Verhältnissen im Wasser ihres Lebensraums in ihr Fell ein. Die Wasserstoff-Isotope in den Haaren verraten den Forschern ungefähr die Gegend, in der die verunglückten Fledermäuse in den vergangenen Monaten lebten.

    Nur die untersuchten Zwergfledermäuse aber kamen nach dieser Isotopenanalyse aus der weiteren Umgebung der Windräder. „Die meisten Rauhautfledermäuse dagegen hatten in den Monaten vor ihrem Tod in Weißrussland und den baltischen Staaten gelebt“, berichtet Voigt. Auch die ebenfalls untersuchten Kleinen und Großen Abendsegler stammten überwiegend aus Skandinavien und Osteuropa.

    Dort können diese Arten kaum überwintern, weil sie bei den häufigen Frösten in ihren Baumhöhlen erfrieren würden. Daher ziehen sie im August und September ähnlich wie viele Vogelarten in mildere Regionen und suchen sich im Westen Deutschlands, im Bodenseegebiet oder in Frankreich Winterquartiere. Da diese Arten gern viele Meter über dem Erdboden oder den Baumwipfeln fliegen, geraten sie dort leicht in die Druckschwankungen der Rotorblätter großer Windkraftanlagen.

    Viele Fledermäuse werden nur sieben oder acht Jahre alt, die Weibchen bekommen jedes Jahr meist nur ein oder zwei Junge. Die deutschen Windkraftanlagen dezimieren daher die Fledermausbestände im Norden und Osten Europas stark. „Es könnte viele Jahre dauern, bis sich die Populationen von diesem Aderlass erholen“, befürchtet Voigt. „Vielleicht schaffen sie das sogar gar nicht mehr.“

    Das aber bedeutet für Osteuropa und Skandinavien unter Umständen enorme wirtschaftliche Schäden in der Land- und Forstwirtschaft. „Viele Fledermäuse vertilgen große Mengen von Insekten, die sonst Maisfelder oder Wirtschaftswälder stark schädigen würden“, erklärt Voigt. In Amerika hat ein Forscher ausgerechnet, dass die Fledermäuse dort ökonomische Schäden in Höhe von vier bis 53 Milliarden Dollar verhindern. Die Energiewende in Deutschland könnte also auf Kosten der Nachbarländer gehen.

    Christian Voigt präsentiert auch gleich eine Lösung des Problems: Fledermäuse ziehen meist in der Abenddämmerung für ein oder zwei Stunden. „Wenn die Rotorblätter sich also in den Zugzeiten im August und September nur in diesen beiden Stunden nicht drehen, könnten sehr viele Fledermäuse gerettet werden.“ Weil der Wind in der Abenddämmerung meist ohnehin abflaut, würde eine solche „intelligente Energiewende“ die Gewinne der Windenergiebranche kaum verringern.

    ——————————————————————–

    „200.000 Fledermäuse“ sollen also angeblich durch WKAs jährlich ums Leben kommen, da sie haufenweise „Schadinsekten“ verzehren, wird dadurch quasi unser ganzer Nutzpflanzenanbau gefährdet – oder so.

    Wer schon früh die Studie von Donald R. Griffin über das Orientierungsvermögen von Fledermäusen – „Vom Echo zum Radar“ (1959 in der Sammlung „Natur und Wissen“ mit einem Vorwort des Zoologen Karl von Frisch erschienen)- gelesen hat, der muß diese Einschätzung der Wissenschaftler um Christian Voigt im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) Berlin bezweifeln. Schon allein um nicht völlig das Vertrauen in die „Fitness“ der Fledermäuse zu verlieren.

    Zudem gilt es in Abzug zu stellen, dass Bürgerinitiativen, Naturschützer und Ökologen sowieso zum „Alarmismus“ (Klaus Hartung) neigen. In Extremfällen zur Apokalyptik. Und dies gelegentlich sogar mit „harten Fakten“ belegen.

    Dazu wurde oben im blog-eintrag bereits folgende Zeitungsmeldung kolportiert:

    Um vier Anlagen auf einem Berg bei Freiburg in Verruf zu bringen, ließen sich die Anti-WKA-Kämpfer anscheinend etwas besonderes einfallen: Jedesmal wenn sich z.B. die Presse dort einfand, lagen ein paar tote Fledermäuse zu Füßen der Windräder. Die Betreibergesellschaft Regiowind, eine Tochter des Energieversorgers Badenova und der Firma Ökostrom, konnte schließlich ihren “ungeheuren Verdacht” (F.R.) erhärten, dass die toten Tiere dort jedesmal von “Windkraftgegnern” hingelegt worden waren, um damit die WKAs zu diskreditieren.

    Nun hat man jedoch außer ihrer Landschaftsverschandelung auch noch diesen Grund, „Windkraftgegner“ zu sein, dass diese Form der Energiegewinnung, die anfänglich von unten in Norddeutschland gegen die Stromkonzerne durchgesetzt werden mußte, inzwischen nahezu komplett in die Hände von schweinösen Anlagefonds und Konzernen in Süddeutschland geraten ist, die den Landbewohnern riesige Windkraftparks vor die Nase knallen – von denen diese nichts haben außer (ästhetischen) Ärger, Krach und einen sinkenden Wert ihrer Häuser und Grundstücke.

    ————————————————————

    In Bayern gingen die Stromkonzerne lange Zeit so weit, dass sie den Bauern die Wasserkraftanlagen in ihren Mühlbächen von Schlägertrupps zerstören ließen – weil sie das Energieversorgungsmonopol besaßen. Ähnlich eklig gingen sie dann auch gegen die ersten Windkraftbauer vor. Einer der ersten war ein Öko-Freak auf Sylt in den Siebzigerjahren. Seine Anlage war vielleicht fünf Meter hoch, und die Rotorblätter hatten 1 Meter 50 Durchmesser – jahrelang mußte er kämpfen, damit er damit seine Küche beleuchten durfte. Von Einspeisung der Windenergie in das allgemeine Stromnetz konnte und wollte er nicht einmal träumen.

    Ich will damit sagen, dass die Windkraftanlagen sich von einer tollen Idee zu einer wahren Landplage entwickelt haben. Es gibt bereits fast 100 Bürgerinitiativen in Deutschland, die gegen den ihnen nächst gelegenen oder geplanten „Windpark“ kämpfen.

    Als ich vor einiger Zeit einmal gegenüber dem für erneuerbare Energien zuständigen Ökonomie/Ökologie- Redakteur der taz ausfällig wurde – wegen seiner WKAfreundlichen Berichterstattung und in diesem Zusammenhang über die Schweinekonzerne schimpfte, die die gute WKA-Idee an sich gerissen und völlig versaut hätten, hielt er mir entgegen:

    „Es ist doch gerade gut, wenn das Kapital sich auch mal für was Vernünftiges engagiert – statt für Waffen- und U-Bootbau oder Ähnliches.“

    Es war dies ein Konflikt wie er auch schon im Haus Eigen ausgetragen wurde: Während der ehemalige Weltbank-Manager Peter Eigen für „Großprojekte“ in der Dritten Welt war, auch noch als Transparency International-Chef, setzten sich seine Frau und seine Tochter in der Entwicklungshilfe gerade für „Kleinprojekte“ ein. Es war dies ein leider nur allzu typischer Männer-Frauen- bzw. Polis-Oikos-Konflikt. Ob der Partnerwechsel von Peter Eigen zu Gesine Schwan damit zusammenhängt, vermag ich allerdings von hier aus nicht zu sagen.

    Eine ähnliche Kapital-Verschweinung läßt sich inzwischen bei der Solarenergie feststellen, ich war gerade bei der Grundsteinlegung von so einer Riesen-Solarenergieanlage in der Nähe von Chemnitz, die ein reines Spekulationsobjekt von verharvardisierten BWLern aus München, Frankfurt und Berlin ist, die sich dabei eine Riesenrendite versprechen – alles andere ist ihnen scheißegal. Sie wollen lifelong-party – die puppen tanzen lassen, dafür brauchen sie laut eigener Aussage minimum 20.000 im monat. Was mit der Anlage auf einem gigantischen „Gewächshaus“ (!) mal produziert werden soll – interessiert nicht einmal die Bauherren.

    Noch scheußlicher als auf den Dächern und auf „Gewächshäusern“, die ja eigentlich die Sonne innen drinne direkt und nicht über den Umweg der Verstromung nutzen sollen – sind die Riesen-Solaranlagen auf ehemaligen Ackerflächen.

    Zusammen mit der erneuerbaren Energie Bio-Strom – durch landwirtschaftliche Umwandlung von Nutzpflanzen, die zu Lebensmitteln veredelt werden, in „Biomasse“, die dieses verfaulte Zeug bakteriell in Methan umwandelt – das zur Erzeugung von elektrischer Energie, zum Betrieb von Fahrzeugen oder zur Einspeisung in ein Gasversorgungsnetz eingesetzt werden kann – zusammen also mit dem massenhaften Anbau von Mais z.B., um ihn zu vergasen, sind die Solarenergie-Anlagen auf Äckern eine wirklich scheußliche Landschafts-Vernichtung.

    Schlußendlich sei noch angemerkt, dass diese kapitalistische Tendenz der Verwandlung von Gold in Scheiße auch die Bio-Lebensmitteln nicht verschont. Anders gesagt: ihr Gebrauchswert wird früher oder später vom Tauschwert verschluckt werden – übrig bleibt wenig mehr als das Logo „Bio“.

    Es ist richtig, dass der gesellschaftliche Zusammenhang über den Markt hergestellt wird, aber genau da treten sich nicht „Partner“, sondern Gegner gegenüber. Als ich bei den Bauern arbeitete war jeder Abnehmer ihrer Produkte ihr natürlicher Feind. Es galt, ihn zu übervorteilen – und für ihn galt das selbe.

    Sehr gut hat diesen allgemeinen Beschiß, in dem das „Bio“ tendenziell bloß noch ein weiterer Trickbetrug ist, der taz-Redakteur Stefan Kuzmany recherchiert in seinem Buch „Gute Marken – Böse Marken“ – u.a. am Beispiel von Bio-Eiern, die mutmaßlich aus einem computerisierten Hühner-KZ stammen…

    So weit muß man aber gar nicht gehen: Für jeden sogenannten Dienstleister (Sklaven) oder Behördenangestellten ist der Kunde der natürliche Feind. Karen Duve hat das sehr überzeugend in ihrem Roman „Taxi“ beschrieben: Für Taxifahrer ist jeder Fahrgast ein Arschloch. Ähnlich sehen das auch Kellner. So sagte z.B. einer, der im taz-café mal bediente und lange Jahre als Kellner gearbeitet hatte, solche schlimmen Gäste hätte er noch nie gehabt.

    Apropos taz: Sie hat leider die Tendenz, alles aus der Sicht des Konsumenten nur noch zu sehen. Dabei sind die Produzenten und Dienstleister viel interessanter. Es gibt einen US-Reader über „Sabotage“: was allein die Pizzabäcker in ihre Produkte schmeißen, um ihren Chef und oder die Gäste zu schädigen, geht auf keine Kuhhaut.

    Bei einem Bauern haben wir z.B. mal die nach dem Drillen übriggebliebenen Zentner quecksilbergebeiztes Saatgut einfach im Haufen des für die Mühle bestimmten Weizens entsorgt. Oder an die Holländer verkauftes Stroh mit dem Wasserstrahl auf das notwendige Gewicht gebracht. Solche Sachen passieren täglich – nur meist noch viel schlimmere.

    Aber ich bin abgeschweift…

  • Helmut Höge hoege@taz.de

    Lieber Wolfgang Sabath,

    du stöhnst, wer soll das alles lesen? Ähnlich äußerte sich zuvor bereits Stefanie vom Büro Kopernikus. Aber auch mein taz-Blog-Wart, Broeckers, murmelte neulich irgendwas von „im blog muß man sich kurz fassen“. Er ist über seine Amerikiki-Begeisterung ins Internet geraten. Und im Amiland gilt: „Faß dich kurz!“ Vor allem muß es so redundant sein wie die Powerpoint-Präsentation (PPP) eines Salesmanagers vor einer Gruppe von leicht Lobotomisierten. Time is money.Und es muß entertainen wie verrückt – prägnant, bunt, witzig,etc. sein.

    Da bin ich aber ganz anderer Meinung! Für mich ist das russische Internet vorbildlich. Und dort, wo man früher ganze Romane in Zeitschriften abdruckte, stellt man heute sogar seine kompletten gesammelten Werke ins Internet. Im riesigen Leseland Sowjetunion muß das Googeln heute das Reisen ersetzen, das immer aufwendiger, teurer und mühsamer, wenn nicht sogar gefährlicher wird.Gleichzeitig haben die Leute immer weniger Geld. Zur Kompensation stellen die Unis und viele andere Einrichtungen ihnen kostenlose Internet-Zugänge zur Verfügung.Auch viele Diskussions-Foren und ähnliche „Chat-Rooms“ sind dort kostenfrei – und sie werden auch weidlich genutzt. Wladimir Kaminer meint sogar, dass Internet habe Russland gerettet.

    Das kann ich nicht beurteilen, aber ich weiß, dass meine Veröffentlichungen (in Zeitungen, Katalogen, Sammelbänden etc.) seit 1969 immer kürzer werden. Nach jedem Layout-Relaunch schrumpfen die abgedruckten Texte. Ich bin schon fast auf 120 Zeilen runter. Dafür werden die Graphiken, Photos und weißen Flecke drumherum immer größer, einschließlich Überschriften, Unterzeilen und fettgedruckte Redundanzen. Das wird stets mit Marktargumenten begründet – und ist auch eine Kostenfrage.

    Aber im Internet-Blog gibt es (endlich) keine Platzprobleme mehr, d.h. jeder Text kann so lang sein, wie der Autor es will (er kriegt eh kein Geld dafür), eine Längenbeschränkung gibt es nur bei den Kommentaren. Und da gab es kürzlich auch schon ein Problem – mit den ebenso luziden wie ausufernden Gedanken über den „Neurofaschismus“ von Frank Possekel. Sein Text paßte partout nicht in einen Kommentar, also halbierte ich ihn und machte zwei daraus. Dann stellte ich erst den ersten und dann den zweiten Teil ins Netz. Da aber das Programm so eingestellt ist, dass es den zuletzt eingestellten zuoberst führt,stand der Text sozusagen auf dem Kopf, weil der darauffolgende zweite Teil über dem ersten erschien.Eigentlich hätte ich also den zweiten Teil zuerst einstellen müssen.

    Heute diskutierten wir darüber mit dem Software-Betreuer. Normalerweise stehen in den Blogs die neuesten Texte bzw. Kommentare immer unter den vorangegangenen – er wollte es jedoch genau umgekehrt machen. Nun hat er aber doch versprochen, es in Zukunft wie alle anderen Blogs zu handhaben. Ich erwähne das so ausführlich, um damit zu sagen, dass auch Du Dir demnächst keine Längenbeschränkung bei Deinen Kommentaren an mich auferlegen mußt, d.h.sollte einer zu lang sein, dann mache ich daraus einfach mehrere – die dann quasi automatisch hintereinander weg lesbar sind. Ich hoffe, auch Du kommst mir demnächst in dieser Hinsicht etwas entgegen – was meine Beiträge in eurem „Das Blättchen“ betrifft.
    Sommerliche Grüsse

  • Hallo, Helmut,
    habe erst eben die taz-Blogs entdeckt; ist ja alles – auch bei anderen Zeitungen – oft sehr lustig, spannend, interessant, wichtig, unwichtig: Doch wann um Himmelswillen soll man denn das alles lesen?
    Ich weiß, es ist ja nicht Pflicht, aber man hat immer das Gefühl, etwas zu verpassen (und merkt oft erst hinterher, daß man nichts verpaßt hätte … ).
    Beste Grüße
    Wolfgang

  • Der kapitalistische Windmühlen-Verwertungs-Wahnsinn vor Ort (ein Bericht aus der märkischen Dorfzeitung „Ortszeit“, 6/06, die u.a. von der ehemaligen taz-Redakteurin Imma Harms redigiert wird):

    In der Nacht von Dienstag, dem 23., auf Mittwoch, den 24. Mai, kam es in Werneuchen zu einem Verkehrsstau. Ein 38 Meter langer Windmühlenflügel hatte sich im Kreisel am Ortsausgang hoffnungslos verkeilt. Nachdem einige der mitgebrachten schweren Eisenplatten als Behelfsstraße verlegt wurden, kriegte der Spezial-Lastzug schließlich doch die Kurve, und der ganze
    Konvoi mit sechs riesigen Flügeln, mit zwei Carport-großen Turbinenköpfen, Schaltschränken, Containern und Baufahrzeugen konnte seine Fahrt durch die Nacht fortsetzen – vom Windland Dänemark nach Prötzel im Oberbarnim. Der Landstrich zwischen der Märkischen Schweiz, dem Oderbruch und dem großen Sternebecker Wald ist auch eine windige Gegend, so sehr, dass die
    Straßenmeisterei in jedem Jahr viele Alleebäume vorsorglich umhauen lässt, damit sie der nächste Sturm nicht umlegt und Versicherungsfälle auslöst.Die größer werdenden Lücken geben den Blick auf die Landschaft frei.
    Östlich der Hauptstraße zwischen Prötzel und Herzhorn blüht auf einem weiten geschwungenen Feld der Raps. Im Vorbeifahren bemerkte man schon im April einige überdimensionale Maulwurfshügel, aus denen zum Ende Mai dünne
    hohe Kranarme wuchsen. Von der anderen Seite, vom Feldweg zwischen Herzhorn und Prädikow sieht man, was vorgeht. Breite, mit Schotter verdichtete Wege durchziehen den hügeligen Acker und öffnen sich zu weiten Bögen und großen
    Ausweichflächen, die Platz für die erwarteten schweren Geräte schaffen sollen.
    Auf dem Feld, das der Landwirtschafts GmbH Prötzel gehört, und vom Prädikower Bauer Andreas Behnen bewirtschaftet wird, werden in den Juni-Wochen sieben Windkraft-Anlagen errichtet. Die Fundamentringe liegen bereits im Beton, die Kabel zur Umspannstation in Möglin sind eingepflügt. Schon am Mittwoch, dem Tag der Ankunft des ersten großen Transports, bugsierten Kräne die einzelnen, 9 Tonnen schweren Flügel in die Naben. Wie
    UFOs liegen die ersten beiden rot-weißen Windräder im gelben Rapsfeld und warten darauf, in den Wind gehängt zu werden. In der Woche vor Pfingsten sollen die Stahl-Ringe eintreffen, aus denen die Türme aufgebaut werden, und dann wird ein Riesen-Kran die Turbinen und die fertig montierten Rotoren auf den Turm setzen.
    Pächter des Geländes, Bauherr und Betreiber des „Windparks Prötzel“ ist die Cuxhavener Firma „Plambeck Neue Energien“ mit ihren Tochtergesellschaften – Jahresumsatz ca. 100 Mio. Euro. Nach der Fertigstellung wird der Prötzeler Windpark an die dänische Investorengesellschaft SCE weiterverkauft, die
    dann auch die Ernte einfahren wird: Geschätzte 24 Millionen Kilowattstunden im Jahr, die nach Gesetzeslage von den Stromkonzernen aufgenommen und mit 8,7 ct. pro Kilowattstunde bezahlt werden müssen.
    Die Gemeinde Reichenow-Möglin ist umzingelt von Windriesen. Die großen weißen Vogelscheuchen findet nicht jeder schön. Von „Verspargelung“ der Landschaft war vor einigen Jahren die Rede. Andererseits ist die Windenergie nicht nur eine der saubersten Roh-Energieformen sondern auch ein Exportschlager der Region. Von Marienberg aus, auf der Höhe kurz vor Schulzendorf, kann man beim Rundblick 52 Windanlagen zählen. 29 der Anlagen
    im Oderbruch sind von hier zu sehen, und 23 stehen auf den Feldern bei Frankenfelde und Haselberg. Die neueren dieser Anlagen sind 100 Meter hoch, haben eine Flügelspannweite von 80 Metern und eine Leistung von je 2 Megawatt. Sie werden von der Hamburger Firma Repower Systems betrieben – Jahresumsatz 328 Mio. Euro.
    Seit 2001, als die Netzeinspeisung des Stroms aus erneuerbaren
    Energiequellen gesetzlich geregelt wurde, ist der Windanlagenbau und -betrieb ein lukratives Geschäft geworden. Aber wohin fließt das Geld?
    Die großen Anlagen kosten in der Errichtung ca. 1.5 bis 2 Mio Euro. Dieses Geld wird von Investoren aufgebracht, früher oft Kleinanleger aus ökologischen Gründen, heute zunehmend große internationale Fonds. Die einzelne Anlage produziert in den ersten Jahren durch die Preisgarantie durchschnittlich Strom im Wert von 280.000 Euro, danach mindestens noch für 200.000 Euro jährlich. Die Wartungskosten und die Pacht an den Grundbesitzer (im Durchschnitt 3 bis 5% des Umsatzes) abgezogen, kann die
    einzelne Windanlage nach 10 Jahren als bezahlt angenommen werden und produziert von da an in die Tasche der Eigentümer. Da die Energiepreise unter dem Öldruck weiter steigen werden, kann mit besten Umsätzen gerechnet werden.
    Die windreiche Gemeinde wird wenig davon haben. Lokale Betreiber von Einzelanlagen haben kaum noch eine Chance. Die Agrargenossenschaft Schulzendorf wollte nach Auskunft ihres Geschäftsführers Franke eine Windkraftanlage auf ihrem Gelände nahe der Schweinemastanlage Möglin bauen. Die Baugenehmigung wurde ihr verweigert aus Gründen, die mit den baulichen
    Gegebenheiten des Geländes zu tun haben. Genauer wollte Franke die Argumente nicht benennen, weil die Gesellschaft eine Klage gegen die Entscheidung angestrengt hat und das Verfahren noch läuft. Franke rechnet sich aber wenig Chancen aus. Bauer Gerd Schiele aus Reichenow hatte bereits 2003 eine eigene Anlage
    beantragt, die auf seinem Feld am Weg nach Möglin stehen sollte. Bei Einzelanlagen müssen aber inzwischen genügend lokale Abnehmer für den gewonnenen Strom nachgewiesen werden. Das ist Gerd Schiele nicht gelungen. Für Windparks aus drei und mehr Anlagen gilt diese Regelung nicht; die
    dürfen aber nur in „ausgewiesene Windgebiete“ gestellt werden. So ist das Mögliner Feld nicht eingestuft. Das Ergebnis: Bauer Schieles Acker ist zwar weit und windig, der Wind kann aber nicht von ihm selbst ausgebeutet werden.
    Andreas Behnen aus Prädikow, ein aus dem Emsland zugezogener Landwirt, hat mehr Glück. Sein Schlag liegt im ausgewiesenen Windgebiet, in dem der Prötzeler Windpark entsteht. Nach den sieben Anlagen, die jetzt errichtet werden, sollen zwei weitere auf sein Land gestellt werden. Die wird er zwar nicht selber betreiben, aber zumindest die Pacht einstreichen können.
    Für die jetzt errichteten sieben Anlagen ist die Prötzeler Landwirtschafts GmbH die Verpächterin, die inzwischen im Besitz der „Märka“ ist, des größten ostdeutschen Futtermittelunternehmens mit Hauptsitz in Eberswalde.
    Auch dieses Geld wird also kaum in der Region bleiben.
    Der Gemeinde fällt immerhin die Gewerbesteuer zu, das sind ca. 5% vom Gewinn. Karin Waskow, Gemeinderatsmitglied aus Reichenow-Möglin, findet es ungerecht, dass das Geld ausschließlich nach Prötzel fließt, „denn die Windanlagen stehen viel näher an Herzhorn als an Prötzel. Wir müssen die
    immer angucken, nicht die Prötzeler“ Die Grenze läuft knapp hinter der letzten Anlage.
    Aber die Prötzeler bekommen auch nicht alles. „Die Gewerbesteuer für Windkraftanlagen geht zur Hälfte an die Standort-Gemeinde, zur Hälfte an die Gemeinde der Betreiberfirma“, erklärt der Öko-Ingenieur Holger Löw. „Aber die Regelung ist gerade in der Diskussion; in Zukunft soll die ganze Gewerbesteuer an den Betreiber-Sitz gehen,…wenn nicht genügend politischer Druck da ist, um diese Entscheidung noch zu kippen!“, fügt er hinzu.
    Mit Arbeitsplätzen in der näheren Umgebung aufgrund der Windanlagen ist auch nicht zu rechnen, weder in der Bauphase noch im Betrieb. Die vorproduzierten Bauteile werden vor Ort nur noch zusammengesetzt – eine Angelegenheit von Tagen. Die fertige Anlage wird über einen Telefonanschluß überwacht, bei Problemen, z.B. zu hohen Windgeschwindigkeiten automatisch abgeschaltet und von herumreisenden Spezialisten gewartet. Bei der Auftragsvergabe habe man bewusst das lokale Gewerbe berücksichtigt, versichert Jens Peters, Geschäftsführer der „Plambeck Neue Energien Windpark Fond XXIII“. Das sind allerdings Peanuts im Vergleich zur Bausumme, und der Begriff „lokal“ ist großzügig ausgelegt. Die Armierung für das Fundament kommt zwar von NORO-Stahl aus Prötzel und der Beton vom Rüdersdorfer Zementwerk. Der Schotter für die Wege-Befestigung wird von der Firma Areta gmbH aus Altlandsberg herangefahren. Der Abrissunternehmer Stargardt aus Schulzendorf, dessen Schotter nach drei Minuten Autofahrt am Ziel wäre, hatte keine Chance. Er hatte sich schon beim Bau der Schulzendorfer Anlagen vergeblich um den Auftrag bemüht. Damals kam das Füllmaterial aus Müncheberg.
    Etwas bleibt bei den Gemeinden trotzdem hängen. Errichter-Firmen von Windparks müssen sogenannte Ausgleichsmaßnahmen finanzieren,
    Verschönerungsaktionen für den Eingriff in das Landschaftsbild. „Wir pflanzen in der Gemeinde Prötzel immerhin im Wert von 250.000 Euro neu an“, betont Jens Peters.
    So entstehen schöne neue Straßenbaumreihen, die die Gemeinden sich sonst wohl kaum leisten würden. Die Bäume könnten die landverliebten Touristen aus der Stadt mit dem Anblick der großen, irgendwie an Flughäfen erinnernden rot-weißen Rotorenblätter versöhnen, wenn diese, von den Straßen aus gesehen, so malerisch von den sanft bewegten Baumkronen
    umspielt werden. Wer da immer noch von „Spargel“ redet, sollte nach Ansicht von Holger Löw seine ästhetischen Maßstäbe überprüfen. Es gibt in Deutschland bisher 17.000 Windkraftanlagen. Der von ihnen produzierte Strom
    ersetzt ungefähr 3 Atomkraftwerke, deren Abfall zwar weniger spektakulär aussieht, aber dafür umso heimtückischer wirksam ist. Außerdem rät Löw gerade denen, die früher alles schöner fanden, zu einem Blick zurück:
    „Früher standen 200.000 Kornmühlen in Deutschland, also mehr als zehnmal so viel. Und die findet doch heute auch keiner hässlich.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert