vonHelmut Höge 07.08.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Neben der Hausmeisterprosa bekommt man es auch immer mal wieder mit Behördenprosa zu tun, sowie auch mit Managerpoesie und Kanak Sprak. Außerdem gibt es da noch die Klogedichte und die Werbepoesie, wobei in öffentlichen Berliner Toiletten neuerdings auf bezahlten Flächen eine Synthese zwischen beiden stattfindet – was besonders unappetitlich ist.

In Bangkok, wo man mit dem Auto ständig im Stau steht, gibt es nicht nur kleine Urinale zu kaufen, in die man hinterm Steuer sitzend reinpinkeln kann (Frauen brauchen jedoch zusätzlich einen Adapter), es gibt dort auch einen Stausender, dem man per SMS oder Handy seine Staugedichte schicken kann, die dann sofort gesendet werden. Wiewohl das die Autoren durchaus erleichtert und sogar erheitern mag, sind sie doch für den Radiohörer schwer erträglich, denn sie thematisieren zumeist verpaßte Termine, versäumte Verabredungen, Chancen, Gelegenheiten usw. – also all das, was sowieso jeden bedrückt, der im Stau steckt. Es sind also vorwiegend schlechte Staugedichte. Aber diese Information – von einer thailändischen Filmproduzentin (1) – ist schon etwas her. Angeblich sollen die thailändischen Staugedichte sich in letzter Zeit „rasant entwickelt haben“. Ich kann das nicht nachprüfen. Auf alle Fälle gibt es kaum einen thailändischen Film, in dem kein Stau vorkommt, dafür jedoch ganze Spielfilme, die ausschließlich im Stau spielen.
In China geht es dagegen mit der Netzpoesie aufwärts, diesen Eindruck vermittelt jedenfalls Jörg Becker, Leiter der Solinger Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung mbH, in einem FAZ-Artikel. Es gibt schon mindestens 250 Websites – ausschließlich für Gedichte, auf ihnen findet man Foren z.B. für „Puzzle-Gedichte, Meerespoesie, poetische Experimente und Frühlingsgedichte“. Becker unterscheidet drei Typen von Gedichten: „alte klassische Gedichte, Gedichte im klassischen Stil und moderne Poesie“. Bei den letzeren findet man u.a. auch „Spottgedichte“. Becker zitiert eins – über den taiwanesischen Präsidenten. Es ist nicht besonders spöttisch. Das mag jedoch an der Übersetzung liegen. Vor Jahren bereits unkte der chinesische Lyriker Du Guoquing, der traditionellen Dichtkunst werde langsam aber sicher der Garaus gemacht durch die Netzpoesie, die er als „aufsässig“ begriff – ein „Qualitätsmerkmal“, das sich allein auf ihre Form bezieht, wie Jörg Becker hinzufügt.

In Deutschland entwickelt sich derart stürmisch nur die Wetterprosa, d.h. die Wetterberichte in Funk und Fernsehen. Sie nehmen immer mehr Raum ein, ihre Moderatoren werden immer berühmter, man sieht sie schon auf Senatsempfängen, Straßenparaden, Adlon-Events, Promi-Diskos und Bambi-Verleihungen. Auch die Dramaturgie der Wetterberichte wird immer verbumfidelter.

Einmal stieß mir in diesem aufbrausenden Wetterwortschwall das immer wiederkehrende Wort „Zwischenhoch“ derart auf, dass ich – an einem Sonntag – beim meteoreologischen Institut der FU anrief, wo viele Medien ihre Wetterberichte herbekommen, wahrscheinlich kann man sie dort abonnieren. „Ich habe nur eine kleine Frage ,“ meinte ich zu dem diensthabenden Meteorologen, „was ist eigentlich ein Zwischenhoch, das meine ich jetzt nicht zotig. Das Wort verwendet inzwischen sogar die taz in ihrer Politik-, Kultur, Sport- und Wirtschafts-Berichterstattung…“

„Oh, da sind Sie ja bei mir genau richtig,“ erwiderte der Meteorologe freudig erregt, „denn ich gebrauche das Wort Zwischenhoch gerne, andere dagegen kaum und manche lehnen es sogar ab. Das ist wahrscheinlich vom Typ des Meteorologen abhängig. Ich zum Beispiel bin optimistischer als meine Kollegen und verwende deswegen öfter diesen Begriff – wenn zwischen einem und dem nächsten Tief eine gewisse Lücke klafft – wenn zwei Tiefs also nicht unmittelbar aufeinanderfolgen.“ Ich bedankte mich und legte auf. Der Meteorologe hatte meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Diese ganze Wetterprosa ist die reinste Stimmungsmache!

Im Gegensatz zu der immer mehr ausufernden Wetterprosa ist die Kontaktanzeigenprosa gehalten, sich immer kürzer zu fassen – man könnte schon fast von Kontaktanzeigenpoesie sprechen – das gilt für professionelle ebenso wie für Hobby-Ficker. Beginnen wir mit den ersteren, wobei ich mich auf postsowjetische „Selbstdarstellungen“ konzentriert habe – jeweils einmal als Anzeige und einmal am Telefon:

„Netter russ. Ex-Matrose 25/177/68 sportlich, Body unbehaart, aktiv, realisiert tabulos & phantasievoll. Tel.:…“

Manchmal kann ich nicht schlafen. Dann vermisse ich den Wellengang. Oder die Geräusche vom nahen Rangierbahnhof sind zu laut. Mein Fenster ist immer auf, auch im Winter. Einmal kam eine Taube ins Zimmer – und fegte mehrere Gläser vom Regal. Übrigens war ich bei der Flußschiffahrt. Das ist mein erster Auslandsaufenthalt. Anfangs war ich über die vielen SS- und SA-Schwulen hier entsetzt – bis ich dahinter kam, daß es bloß „Safer Sex“ und „Sado-Anal“ bedeutet.

„Russo: groß, behaart, tätowiert, Tel.:…“

Den kleinen Doppeldolch am Arm habe ich mir hier machen lassen. Is keine gute Arbeit. Aber der das gemacht hat, war in Ordnung. Im Prenzlauer Berg – im Tattoo-Laden der Rockergruppe „Born to be Wild“ war das. Die haben dann irgendwelche Probleme mit der Polizei gekriegt. Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich da nicht mehr hingehe.

„Ehem. Offizier der Roten Armee 29/181/75, Tel.:… (mehrmals versuchen)“

Vorgestern lief die Waschmaschine des Mieters über mir aus, wir kennen uns, ich lief sofort hoch, als es anfing, immer stärker zu tropfen. Statt sofort alles aufzuwischen, setzte er sich an sein Klavier und spielte Chopin. Ich setzte mich daneben und hörte zu. Anschließend tranken wir noch Tee. Leider sind meine Tapeten jetzt völlig versaut.

„Neu: 2 geile attraktive Jungs aus dem Herzen Rußlands 24/187/74 und 25/18/75 mit trainiertem Körper und Waschbrettbauch, Tel.:…“

Nach Feierabend gehen wir in verschiedene Fitness-Clubs. Ich mag die türkischen ganz gerne, er nicht so. Das liegt aber daran, daß ich die Sprache ein bißchen kenne. Das meiste habe ich jedoch vergessen. „Yeni solo“ so hieß mal eine türkische Zeitung, nun ein neues Toilettenpapier. Auf Deutsch heißt das „Jetzt jeder für sich!“ Hier gibt es dafür auch noch den schönen Ausdruck „Auf eigene Faust“. In Rußland hat man eine neue Zeitschrift ebenfalls „Solo“ genannt, und in Berlin eine Schwulenzeitung „Sergej“ – so heißt mein Partner.

„Made in Russia! Ex-Soldat 25/184/75 blond, blaue Augen, sportl. Trainierter Körper, dominant 0.00 – 24.00/ Tel.:…“

Das ist genaugenommen gar nicht meine Profession. Eigentlich bin ich nämlich Tierdresseur, und das habe ich auch beim Militär gemacht: Da habe ich Hunde dressiert, versucht zumindestens. Es gab da einen Armeezirkus, da war ich angegliedert. Aber „Ex-Soldat“ klingt knapper – und stimmt auch insofern, als ich es immer noch ein bißchen leidig finde, mich so viel um mein eigenes Wohlbefinden kümmern zu müssen – obwohl das nun schon eine ganze Weile so geht – gehen muß.

„Bauarbeiter aus dem Ural, durchtrainiert und belastbar. Ruf an, Tel.:…“

Ich habe so eine zupackende Art, hat mal jemand gesagt. Dabei war ich die letzten zehn Jahre Bauingenieur und habe fast nur am Computer gesessen. Der das gesagt hat, war selbst ein Ingenieur, wahrscheinlich wollte er das so haben. In meinem nächsten Leben werde ich ein Sportler aus Samara sein – wenn alles gut geht. Damit will ich sagen, daß ich noch am Experimentieren bin. Ich führe Tagebuch.

„Immer geiler Boy aus Sibirien 22/185/75 a/p gut bestückt, verwöhnt Ihn mit Niveau. Tel.:…“

Das erste Gay Filmfestival in Tomsk 1996 war wie ein Rausch. Im Nachhinein. Man kann ja nicht glücklich sein und es gleichzeitig registrieren. Ein amerikanischer Atomphysiker dort war mein erster Liebhaber. Eigentlich wollte ich ihm nachreisen. Zur Zeit lasse ich mich treiben. Vielleicht sollte ich mir die Haare kurz schneiden. Neulich habe ich meine Zähne machen lassen. Ich esse zu viel Zucker. Manchmal fahre ich nachts auf den Berliner Ring und setz mich in eine Raststätte. Mit Handy kann man das machen. Schön ist es auch, bei Regen die Frankfurter- und Karl-Marx-Allee hoch zu fahren. Und dabei laut Radiomusik zu hören. Wenn man das Gefühl hat, in den ganzen anderen Autos hören sie jetzt den selben Sender, dann empfindet man sich auf geheimnisvolle Weise mit allen in der Stadt verbunden.

Bei den nicht-professionellen Kontaktanzeigen besteht das Kunststück darin, sich selbst und den Wunschpartner auf drei Zeilen zu bringen. Einige Frauen (in Zitty oder Tip) wollen z.B. jemanden „mit großem Schwanz“ bzw. „XXL“ kennenlernen, andere unterschreiben mit „schluckerin@jahoo.com“ oder „annanass@web.de“. Vor einiger Zeit beschwerte sich der Autor von „Herr Lehmann“ Sven Regner über solche Wunschanzeigen, weil, so sagte er, es doch voll verwerflich sei, wenn man sich und den gesuchten Partner mit solchen Ansinnen traktiere und so auf Äußerlichkeiten bedacht wäre.

Dem Erfolgsautor war jedoch entgangen, dass immer mehr Frauen in den Kontaktanzeigen gerade einen „Herrn Lehmann“ suchen, wobei sie sich als „Frau Lehmann“ bezeichnen – und umgekehrt. Regners Bemerkung stimmt aber auch insofern nicht, als die erfolgreichsten Anzeigen, d.h. solche, die die meisten Antworten „auslösen“, nicht „technisch“ oder obszön direkt („mit Motorrad“, „Sternzeichen Skorpion“, „junger Schwarzafrikaner“, „Eagles-Fan“ etc. gesucht) formuliert sind, sondern meist ganz schlicht, geradezu klassisch: „Gebundene Frau (46) sucht ebensolchen M. für gelegentliche Treffs“ z.B.. Auf diese Anzeige hin bekam die betreffende Frau über 400 Mails. Manche Frauen machen es sich zur Aufgabe, sie alle mindestens schriftlich abzuarbeiten. Bei einigen fängt der Spaß da schon an, aber auch das Erstaunen über die Vielfältigkeit bzw. Abartigkeit der männlichen Wünsche.

Eine selbständige Logopädin aus Cottbus ließ sich von fast allen „Antwortern“ zum Essen einladen. In den Gesprächen mit ihnen erzählte sie nur von ihren vorangegangenen Treffen, wobei sie vor allem auf „das Komische“ an den Männern abhob: Der eine hatte sofort ihren „dicken PKW“ kritisiert, ein anderer hatte ihr ein Photo geschickt, auf dem er viel jünger war als in Wirklichkeit, wieder ein anderer hatte die ganze Zeit am Nebentisch so getan, als wäre er mit einer anderen Frau verabredet, schließlich war er hastig aufgestanden und hatte ihr im Vorübergehen zugeflüstert: ‚Entschuldigung, aber Sie sind die falsche‘, noch ein anderer wollte die ganze Zeit bloß eins – mit ihr ins Hotel gehen. Von einer Frau, die explizit nur „geleckt“ werden wollte, wissen umgekehrt zwei ihrer Kontakt-Männer zu berichten, dass sie ihr erst einmal alle Maße mailen mußten – obwohl doch das eine mit dem anderen eigentlich nichts zu tun hatte: „26/5“ oder „28/6“ etwa. Der Mailaustausch darüber gestaltete sich zunehmend pornographischer, so dass er, obwohl am Ende erfolglos, die für zu klein oder verklemmt befundenen Männer dennoch tagelang maßlos erregte. Es handelte sich dabei aber auch um „Akademiker“, mit einem gewissen Hang zu (litererischem) Ersatzhandeln. Deswegen sollte man ihre Erfahrung nicht überbewerten, in Berlin sind sowieso auf diesem Kurztext-Markt fast nur „Studierte“ zugange.

Wenn nicht, dann steht dort manchmal extra „HSA“ – Hauptschulabschluß. Mit seinen telegrammatischen Abkürzungen tendiert dieser wiewohl in der sich vereinzelnden Gesellschaft expandierende Kontaktbereich zur SMS-Cliquensprache von Schülern: „NR“ heißt Nichtraucher, „NO ONS“ „kein One-Night-Stand“, „AEG“ – „Aus Erfahrung gewitzt“ usw.. Einige Frauen bitten ausdrücklich darum, ihnen „keine Nacktphotos“ zu schicken. Und manche Frauen suchen sogar einen Vater für ihr zukünftiges Kind über eine Kontaktanzeige, während andere darin betonen, „keine gewöhnliche Frau, sondern eher ein Model“ zu sein. Im Gros der „W sucht M“-Annoncen werden Liebhaber gesucht, mit denen das vielfältige Kultur- und Natur-Angebot in Berlin und Umgebung nach Feierabend und an den Wochenenden noch mal so viel Spaß machen soll. Einige Frauen suchen auch nach einem sie zum Sport begleitenden bzw. antreibenden Mann, wenn nicht sogar explizit nach einem „Ruderer“ z.B.. Viele Männer suchen Ähnliches oder geben jedenfalls Sportinteressen vor.

Diese Kontaktanzeigen sind gleichzeitig auch eine Art Übung im Bewerbungsschreiben.

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(1) Sie heißt Dhiranan Sukwibul, genannt Tong, und war in Berlin, um ihren Film „Fun Bar Karaoke“ vorzustellen, den der Graphik-Designer Pen-Ek Retanaruang gedreht hatte. „Tom Pannek“ nennen ihn kurz und schmerzlos seine ausländischen Kollegen in den Werbefilm-Studios von Bangkok. Toms Freundin, die Cutterin des Films, arbeitet ebenfalls in der Werbefilmbranche: Pattamanada Yukol (34), sie wird Nui genannt. Von Werbefilmen lebt auch seine Kamerafrau Niramon Ross: Ying (32), sowie auch seine Produzentin Tong (33).

Tong studierte in den achtziger Jahren Film am Art Department der Universität von Bangkok. Als mit den privaten TV-Kanälen ab 1986 die Werbung boomte, nahm sie in den Semesterferien einen Job in der TV-Werbefirma „Siam Studios“ an: zunächst als Regieassistentin für einen Clip über „Mädchen-Gesichtscreme“. Nachdem man dort das Casting-Team gefeuert hatte, übernahm sie auch noch dessen Arbeit. „Das war nicht so leicht: In unserer Tradition sind Schauspieler, Polizisten, Eisenbahnangestellte und Seeleute nicht sehr gut angesehen, d.h. man vermeidet es z.B., Leute aus diesen vier Berufen zu heiraten. Ihr Gehalt und ihr sozialer Rang sind sehr niedrig. Erst seit 30 Jahren ist mit dem Art Department an der Universität das Studium von Drama und Theater möglich. Auch das Filmgeschäft ist schlecht reputiert. Und dann sind Thailänder sowieso sehr schüchtern. Es gibt aus diesen Gründen kaum professionelle Schauspieler. Das ändert sich aber gerade. Casting bedeutet unter diesen Umständen: durch die Straßen zu gehen und mit Leuten zu reden, wobei die meisten dann ‚Nein!‘ sagen, obwohl ich ihnen gutes Geld anbiete. Einmal fragte ich etliche gutaussehende Geschäftsfrauen, ob sie in einem Clip für Damenbinden mitspielen würden, aber keine wollte, so daß wir schließlich Models nahmen, die jedoch zu wenig Wissen über die Umgangsformen von Geschäftsfrauen hatten.“

Die Filmgeschichte Thailands begann vor etwa 100 Jahren mit König Rama V., der viele junge Gebildete nach Europa schickte, aus Frankreich brachten sie die Filmkunst mit. Sein Sohn, König Rama VI., interessierte sich vor allem fürs Theater und schrieb etliche Dramen, bei einigen führte er selbst Regie. Seit den Dreißiger Jahren gibt es eine eigenständige thailändische Filmtradition. Wobei einige Mitglieder der königlichen Familie lange Zeit fast die einzigen waren, die Filme drehten, drei wurden später auch auf Berlinalen gezeigt: der 36 Jahre alte Spielfilm „Black Satin“ lief einmal im Wettbewerb, und das Forum zeigte 1989 „Elephant Keeper“.

Nui, die Cutterin von „Fun Bar Karaoke“, ist die Tochter von Prinz Chatree Chalorm, sie erzählt: Drei ihrer Großväter hätten Filme gedreht, der Vater ihres Vaters habe sich damit finanziell fast ruiniert, deswegen könne ihr Vater heute aus Geldmangel kaum noch etwas drehen. Immerhin bekam sein neuester Film „Sia Dai 1“ (Wie schade 1) unlängst die Silberne Apsara auf dem südostasiatischen Filmfestival in Phnom Penh. Der Film thematisiert das Aids-Problem.
Die „Casting“-Frau Tong kündigte irgendwann bei „Siam Studios“ und machte erst einmal Urlaub am Meer. Dabei traf sie einen Freund wieder, der inzwischen in einem Musik-Verlag arbeitete, für den er einen Video-Clip machen sollte. Die beiden drehten ihn dann zusammen (er als Kameramann): Es war der erste thailändische Video- Clip, der auch gesendet wurde. Mehrere Fernsehgesellschaften verliehen ihm später Preise. „Es war ein Love-Song, aber wir interpretierten ihn anders, als man es erwartet hatte. Wir drehten am selben Ort, wo der Film ‚Killing Fields‘ gemacht worden war, in der Nähe von Bangkok, und es gab z.B. Jagdszenen darin. Danach folgten weitere Musik-Clips -ebenfalls meist zu Love-Songs: von 5 Clips fielen mindestens zwei der Zensur zum Opfer. Zu viel Gewalt, sagten sie, das hat nichts mehr mit Liebe zu tun! Manchmal waren die Zensoren zu langsam und kamen bei einer TV-Station erst in dem Moment an, als der Clip bereits gesendet war. Zwei Jahre arbeiteten wir für den Musikverlag. Sie mochten unsere Arbeit und wie die Presse regelmäßig darüber berichtete, so daß wir machen konnten, was wir wollten.“

Dann eröffnete die US-Werbefirma Leo Burnett eine Niederlassung in Bangkok und bot den beiden „für viel Geld“ an, einen TV- Werbeclip über das „Central Department Store“ zu drehen: „Wir hatten sehr viel Freiheit – und viel Spaß dabei! Anschließend waren wir auf zwei Jahre ausgebucht, arbeiteten dafür jedoch sehr hart, so daß ich z.B. lange Zeit im Schneideraum schlief, weil ich nicht mehr nach Hause kam. Sie gaben uns einfach einen Haufen Geld und ließen uns den Rest erledigen. Wir beauftragten dann für dies und das Subfirmen. Wir gingen einfach zu ihnen hin und sagten: Wir wissen nicht weiter, könnt ihr uns helfen?“ Es klappte wunderbar und unsere Budgets wurden von Mal zu Mal größer. Weil wir keine Freizeit hatten, gaben wir so gut wie nichts aus.“

1989 war Tom Pannet aus New York zurückgekehrt, wo er Kunstgeschichte und Philosophie studiert hatte. Er fing als Art Director bei Leo Burnett Bangkok an und drehte als erstes einen Clip für eine thailändische Jeans-Firma, der sehr gut ankam. Tong und ihr damaliger Freund machten es dann umgekehrt – sie gingen nach New York: Dort wollten sie ein Jahr pausieren, um ihre „Batterien wieder aufzuladen“. Dazu belegten sie einige Kurse an der „School of Visual Arts“.

Wieder zurück in Bangkok wollten sie die Sache diesmal anders angehen: „Wir waren den täglichen Kleinkram mit Rechnungen und allem leid und gründeten 1990 eine eigene Firma.“

Sie nannten sie „HUB HO HJN“: „Wir dachten anfangs, es hieße nichts, es ist chinesisch und stand auf einem Schild, das wir bei einer Fahrt über Land gefunden hatten. Später erfuhren wir, HUB HO HYN heißt ‚Ein Platz, der den Fluß berührt und guten Geist versprüht‘. Das gefiel uns. Wir waren bald 16 Leute und hatten jede Menge Aufträge: ‚Commercials‘ fürs Fernsehen und fürs Kino, immer mit 35mm-Kamera. Wir hatten einen Art-Director, der sehr graphisch orientiert war, einen anderen, der sehr gut darin war, die Thai-Kultur einzufangen. Und wir gewannen viele Preise mit unseren Ads in Thailand und Asien. Das ging drei Jahre so. Dann betrog mich mein Freund mit seiner Assistentin und ich fühlte mich nicht mehr in der Lage, so weiter zu machen: burned-out und depressiv. Ich verkaufte mein Auto, mein Haus und alles, und wollte reisen. Wir hatten viel im Ausland gedreht, in Paris z.B., so daß sich bei der amerikanischen North-West- Airline und ihrer Partner-Linie KLM ein großer Meilen-Bonus angesammelt hatte. Ich besorgte mir ein Ticket nach Paris – über Amsterdam.“

Im Frühjahr 1993 kam Tong dort an: „Aber in mir war es Winter. Ich saß im Vondelpark und weinte den ganzen Tag. Irgendwann beschloß ich, mein Leben selbst zu managen, und zwar anders als bisher. In Bangkok hatte ich wie ein Idiot gearbeitet und nichts anderes gemacht, nicht einmal mehr meine Freunde besucht: sie bedauerten mich nur noch. In Amsterdam wohnte ich in einer Jugendherberge. Dort besuchte mich ein französischer Freund und er verliebte sich in mich. Er wollte mich heiraten. Wir gingen in ein Thai-Restaurant, wo wir sehr lange auf das Essen warteten, die Bedienung lächelte mir immer wieder freundlich zu. Als ich meinem Freund sagte, ich wolle nicht heiraten, fing er an zu weinen. Die Serviererin war entsetzt, sie sah schon ihr Trinkgeld schmilzen. Dann kam auch noch der Koch an unseren Tisch, um sich zu entschuldigen, weil wir so lange warten mußten. Er fragte mich, warum ich in Amsterdam sei usw. Das Gespräch endete damit, daß ich am nächsten Tag anfing, bei ihm in der Küche zu arbeiten. Das Kochen machte mir Spaß. Ich hatte eine tolle Performance. Die Gäste applaudierten manchmal sogar. Die Küche war nämlich zum Restaurant hin offen. Und der Koch war so lustig, daß ich meine Depressionen vergaß. Die Kellnerin, Yung Ke, kam aus Korea: sie war 18 und wir gingen abends manchmal zusammen aus. Sie änderte mein Leben! Sie war von einer holländischen Familie adoptiert worden, ihr Vater war in Korea ein berühmter Schriftsteller gewesen. Sie wollte eigentlich auf die Universität, war aber beim Art Department mit ihrer Mappe durchgefallen. Während wir zusammen waren, fing sie wieder an zu malen, wir nähten zusammen Kleider und ich half ihr, erneut eine Mappe zusammenzustellen, leider fiel sie wieder durch. Nach einigen Tagen zog ich in das Haus ihrer holländischen Familie, die Mutter nahm mich auf“.

Tong hatte nur ein 10-Tage- Visa in der holländischen Botschaft von Bangkok bekommen: „Die Beamtin dort dachte, ich wäre eine Prostituierte. Und in Amsterdam konnte ich es nicht verlängern. Die Adoptivmutter von Yung Ke, sie ist eine bekannte Persönlichkeit in Amsterdam, schrieb daraufhin einen simplen kleinen Brief an den Bürgermeister und ich bekam sofort ein 3-Monats-Visum. Die Stadt gefiel mir außerordentlich.

Und in den Gesprächen mit der Mutter geschah es, daß ich das erste Mal über mich selbst sprach. Ich hatte nie eine Mutter gehabt, weil meine Eltern sich nach meiner Geburt getrennt hatten und meine an sich starke Mutter der Meinung gewesen war, daß es besser wäre, wenn mein Vater mich großzog, weil er eine Universitätsausbildung hatte und mich sorgloser durchbringen konnte. Die holländische Familie wollte mich dann ebenfalls adoptieren. Yung Ke hatte jedoch auch manchmal Probleme mit ihnen. Nach einiger Zeit verbrannte ich mich beim Kochen im Restaurant und hörte auf zu arbeiten. Ich mußte meinen verbundenen Arm in einer Schlinge tragen. Eines Tages lernte ich einen chinesischen Bekannten von Yung Ke kennen: Er klingelte und als ich die Tür aufmachte, stand er vor mir und hatte ebenfalls seinen Arm in einer Schlinge. Wir mußten lachen. Er bot mir später seine Wohnung an und ich zog dort ein für zwei Monate – dafür kochte ich einmal in der Woche für ihn. Er war 35 und hatte noch nie eine Freundin gehabt, überhaupt noch nie mit einer Frau geschlafen. Er arbeitete ununterbrochen – in einer Druckerei, die sein Vater ihm überschrieben hatte. Wenn er nach Hause kam, setzte er sich, ohne die Jacke abzulegen, sofort an seinen Computer. Wir redeten miteinander. Ich vermutete, er würde nur so tun, als wäre er derart überbeschäftigt. Und er gab mir recht. Wir weinten zusammen und liebten uns. Über die Sexualität zu reden, war für mich zuerst schwer. Er und ich waren schüchtern. Er fing dann aber langsam an, auszugehen.

Der holländischen Familie war es unterdessen gelungen, mein Visum erneut um drei Monate zu verlängern. Danach beantragte ich ein 1-Jahres-Visum. Sie fragten mich in der Behörde, ob ich Holländisch spreche. Ich bejahte und sprach ein bißchen, konnte es aber gar nicht. Vielleicht war diese kleine Notlüge ein Fehler? Während der 45tägigen Wartezeit war es mir nicht erlaubt, ins Ausland zu reisen. Ich lernte jedoch ein Thai-Mädchen kennen, das einen tschechischen Freund hatte, einen Zeichner. Mit ihnen fuhr ich nach Prag. Und von dort konnte ich plötzlich nicht mehr zurück nach Amsterdam. Ich mußte erneut 45 Tage warten und hatte nur meine Kreditkarte bei mir. Einmal stand ich auf der Karlsbrücke und dachte, es wäre gut, noch andere Länder kennenzulernen. Als Thai-Frau ist es jedoch furchtbar schwer, ins Ausland zu gelangen.“

Tong buchte dann doch einen Flug: in die USA, um dort erneut zu studieren. Sie wollte mit der Finn-Air fliegen: über Helsinki, wo sie erst einmal in eine Sauna gehen wollte. Dann erfuhr sie jedoch am Telefon, daß in Amsterdam ein Fax für sie angekommen war: ihre Firma HUB HO HYN, an der sie immer noch Anteile besaß, bat sie, an einem „Commercial“ für Fuji- Film in Zimbabwe mitzuarbeiten. Kurzentschlossen buchte sie in Prag ihren Flug um – nach Harare, wo das Team sie erwartete. Anschließend ging es mit einem Auto zu weiteren Drehorten nach Tansania und Kenya. Als die Produktion beendet war, flogen ihre Kollegen von Nairobi aus wieder nach Bangkok, Tong ging in die holländische Botschaft von Nairobi, wo man ihr das selbe Formular wie in Prag zum Ausfüllen gab. Wieder sollte sie 45 Tage warten. So lange hielt sie es aber nicht aus – und flog stattdessen mit der B.A. nach London, wo die holländische Botschaft ihr dann noch einmal das selbe Formular zum Ausfüllen gab. Aber bereits am nächsten Tag klebte man ihr dort das begehrte Visum in den Paß – dann stempelte man es jedoch sogleich wieder ungültig – mit der Begründung: ‚Sie hätten nicht zuvor in Prag und Nairobi um das Visa nachsuchen dürfen‘. Diesmal wollte Tong die vorgeschriebene 45-Tage-Bearbeitungszeit abwarten. Sie mietete sich bei einem Nepalesen ein, der mit einer Engländerin verheiratet war und nahm Englisch-Unterricht. Dann teilte man ihr jedoch auf der holländischen Botschaft endgültig mit: ‚Sie bekommen kein Visa!‘

„Ein paar Tage darauf rief mich mein chinesischer Freund aus Amsterdam mit seinem Anwalt an. Sie rieten mir, nach Deutschland zu fliegen. Auf der deutschen Botschaft bekam ich sofort ein 7-Tage- Visum. Meine Freunde aus Holland holten mich dann am Düsseldorfer Flughafen ab und wir fuhren einfach von dort mit dem Auto nach Amsterdam. Ich begann, systematisch Holländisch zu lernen. Das war schwer: Alle anderen in der Anfängerklasse sprachen bereits Holländisch, aber der Lehrer beruhigte mich: ‚Das hört sich nur so an‘!“

Tong wohnte wieder bei der holländischen Familie von Yung Ke. Im Dezember 1993 bekam sie einen Anruf von ihrer Firma aus Bangkok: „Seitdem ich weg war, hätte sich die Regie-Arbeit meines Ex-Freundes dramatisch verschlechtert. Sie wollten, daß ich ihm helfe. Das tat ich dann auch, d.h. ich war dann für die gesamte Produktion einschließlich Postproduktion verantwortlich. Aber ich mochte die Arbeit nicht mehr, weil ich den Eindruck hatte, daß wir den frischen Geist verloren hatten. Warum müssen wir z.B. unbedingt Commercials für einen schlechten, sogar gesundheitsschädlichen Energy Drink machen? Wir haben so viel Geld und können wählen, was wir machen wollen! Ich stritt mich mit meiner Partnerin, die Geschäftsführerin war, sie war 28 zu der Zeit und wollte nicht sozial denken, ich dagegen wollte am Liebsten wieder reisen. Einmal, ich war gerade draußen mitten in Dreharbeiten, rief sie mich zu einem Meeting ins Büro. Als ich gehetzt ankam, erfuhr ich den Grund: Weil wir so viel Geld verdienten, wollte sie mit der ganzen Firma, ungefähr 25 Leute, für eine Woche nach Amerika fliegen. Nun sollte entschieden werden: ‚New York oder San Francisco und Los Angeles?‘ Und dann wollte sie auch noch zur Inspiration kurz nach Las Vegas. Glücksspiel darf im thailändischen Fernsehen nicht gezeigt werden, hast du das vergessen? fragte ich sie, war aber vor allem wütend, weil sie mich wegen solcher Scheinprobleme von den Dreharbeiten weggeholt hatte. Das ganze entglitt mir schließlich zu einer schlechten Performance: ich bewarf sie mit einem Cheeseburger. Zum Glück warfen sie mich nicht als Teilhaber aus der Firma.

Erst einmal flog ich zurück nach Amsterdam und dann nach Brasilien an den Amazonas, von dort aus später auch noch nach Peru und Bolivien. Mit Ying hatte ich zuvor einige Spanisch-Kurse belegt gehabt. Nach drei Monaten bekam ich erneut Visa-Probleme. In Südamerika wohnte ich meist auf Dörfern bei irgendwelchen Familien. Ich fühlte mich dort überall, im Gegensatz zu dem, was man sonst aus diesen Ländern hört, sehr sicher. Ich kleide mich aber auch nicht sexy und dann sehe ich sehr peruanisch aus: Viele Male hatte ich Schwierigkeiten mit der Polizei, allein weil sie bei Kontrollen meinten, ich würde nur so tun, als wäre ich eine Thailänderin. Sie begrapschten mich sogar – zur Prüfung. In Südamerika hatte ich die ganze Zeit eine Videokamera dabei, einmal setzte sich leider der Sohn einer Familie, bei der ich wohnte, auf den Apparat und machte ihn kaputt: zwar konnte man damit fortan noch filmen, aber man sah nichts mehr.“

Im Sommer 1993 kehrte Tong nach Bangkok zurück. Ein Bekannter von ihr, Nang, hatte inzwischen eine Werbefirma namens „Film Factory“ gegründet, in der Tom Pannet als Regisseur arbeitete. Und Nang hatte Tong gebeten, an einem „Carlsberg Beer“- Clip, der für Hongkong in Amerika gedreht werden sollte, mitzuarbeiten. Sie übernahm dann die Produktion und fuhr für sechs Wochen zu den Aufnahmen nach New York. „Anschließend nutzte ich erneut meinen Meilenbonus und flog weiter nach Kalifornien, wo ich mich mit einem Schweizer traf, den ich in Südamerika kennengelernt hatte. Er war Bergführer und ich lernte im Naturpark ‚Yosemite‘ das Bergsteigen von ihm. Anfangs meinte er, ich würde wie ein Affe klettern, weil ich Angst hatte, nach unten zu schauen und einfach versuchte, so schnell wie möglich nach oben zu kommen, aber allmählich wurde es besser. Wir fuhren dann noch mit einem Mietwagen nach Mexiko für einige Zeit, anschließend flog ich zurück nach Holland. Nach einer Woche riefen mich Nang und Tom wieder an: ‚Wir drehen einen Spielfilm, du sollst die Produktion übernehmen‘. Ich flog nach Bangkok und las erst einmal das Drehbuch.“

Zunächst wollte Nangs „Film Factory“ Toms Film selbst produzieren, aber da sie keine eigenen Kinos besaßen, um ihn zu zeigen, wandten sie sich an die Filmfirma „Five Stars“. Diese gab ihnen dann 300.000 Dollar: zwar kein großes Budget, aber sie konnten damit drehen, was sie wollten. „Toms Freundin Nui übernahm den Schnitt. Ying, ebenfalls mit Tom befreundet, war dann eine unserer Kamerafrauen. Tom und ich übernahmen das Casting: Es wollten viele professionelle Schauspieler mitspielen, weil wir besser zahlten als andere Produktionen, aber uns gefielen sie alle nicht. Wir nahmen schließlich durchweg Laien, denen wir die Geschichte bloß erzählten, wir gaben ihnen nichts zu Lesen. Sie wurden ebenfalls gut bezahlt, dafür sparten wir am Luxus: Es gab keinen Autoabholdienst und kein Superessen und wir machten vieles selbst, bis dahin, daß ich z.B. mehrere Male verstopfte Toiletten sauber machte.“

Die Dreharbeiten zu „Fun Bar Karaoke“ begannen im September 1996. Einen Monat später landete Tongs holländischer Freund Haije Bowman in Bangkok. Er arbeitet für einen friesischen Regional- Sender. Mit Tongs in Südamerika erprobter Videokamera dokumentierte er die Dreharbeiten. Inzwischen hatte Tong trotz noch immer nicht befriedigend gelöster Visa-Probleme eine eigene Wohnung in Amsterdam, daneben noch ein Miets- Haus in Bangkok, in dem dann auch eine Szene des Films gedreht wurde: Ein Wahrsager gibt der Hauptdarstellerin Lebenshilfe, indem er ihr ein Ritual mit 51 hartgekochten Eiern anrät. „Er war der einzige Profi-Schauspieler im Team und arbeitete zu der Zeit gerade in Japan, deswegen hatte er nur einen Tag Zeit für die Dreharbeiten in Bangkok. Der Zeitplan war überhaupt ein großes Problem. Manchmal weinte ich, so fertig war ich von der ganzen Organisiererei. Mitunter stritt ich mich auch mit Tom. Unsere Hauptdarstellerin, die im Film in einer Werbeagentur arbeitet, war eine Studentin und befand sich mitten im Examen, ihre Freundin im Film, eine Supermarktverkäuferin, war ebenfalls Studentin. Der junge Body-Guard war ein Model, das erst zu Modeaufnahmen nach London mußte und dann nach Japan, um ein TV-Programm zu moderieren. Der Film-Vater der Hauptdarstellerin war im Hauptberuf Touristenbetreuer und arbeitete in Spanien, zu den Dreharbeiten kam er kurz nach Bangkok und mußte dann wieder weg nach Italien. Wenn sich an einer Stelle irgendetwas verschob, mußten wir jedesmal sämtliche Teile des Drehplans ändern, was nicht immer ging

Im September regnete es sehr stark, so daß wir z.B. die Regenszenen vorzogen, aber dann hörte es plötzlich auf – und wir mußten doch Fake- Rain nehmen. Es war kalt und alle froren. Und ich mußte um drei Uhr nachts noch ein Nudelgericht für alle zubereiten, obwohl wir in einem durchgehend geöffneten Supermarkt drehten: „Seven Eleven“ heißt die Kette. Wir zahlten ihnen 1000 DM am Tag, durften jedoch nichts Anfassen und die Kunden beim Kaufen nicht behindern. Nach dem ersten Drehtag wollten sie sogar das Ganze abblasen. Trotz dieser üblen Bedingungen brüsteten sie sich aber damit, unser Sponsor zu sein. Mir fehlte so etwas wie ein Produktionsmanager, der all die vielen kleinen Dinge an der Basis erledigte, die mich dann verrückt machten. Immerhin war dann einer der zwei Regieassistenten sehr umsichtig.

Auch der fürchterliche Verkehr in Bangkok erschwerte die Organisation. Weil man täglich stundenlang im Stau stehen muß – und dazu noch mit schlechten Stau-Gedichten im Radio bombardiert wird. Natürlich gibt es auch eine Stau- Szene im Film. Die Crew bestand aus 14 Leuten, wobei die Beleuchtung von einer Extra-Firma gemacht wurde und wir den Art-Director schon gleich nach Drehbeginn gefeuert hatten. Als Musik nahmen wir mehrere Siebziger Jahre Hits, u.a. ein Stück von der Gruppe ‚Yokee Playboy‘: sie gaben es uns umsonst. Am Schluß mußte Tom noch ein bißchen von seinem Privatgeld zuschießen, weil das Budget nicht reichte.“

Schon vor Drehbeginn hatte Tong die Idee für einen eigenen Spielfilm gefaßt – darüber, „wie eine Thai-Frau durch diese ganzen Schwierigkeiten gehen muß, um einen Ehemann zu finden! Also wie sie mit all den gesellschaftlichen Erwartungen und Zwängen fertig wird. Diese ganzen Mittelklasse- Männer haben im Ausland ihren Spaß, aber wenn sie zurückkommen, möchten sie eine Jungfrau heiraten.“ Nui, die bei „Final Cut“ arbeitet, einer Tochterfirma von „Siam Studios“, mußte bei Toms Film fünf mal einen neuen letzten Schnitt anfertigen, und nebenbei noch vier Commercials schneiden. Zum Schluß, kurz vor der Berlinale, rauchte sie nur noch – eine selbstgedrehte „Drum“ nach der anderen, und erlitt schließlich einen Nervenzusammenbruch. Sie will demnächst ihren ersten eigenen Kurzfilm drehen. Auch er wird wahrscheinlich „feministisch“ werden, wie Tongs Freund Haije Bowman vermutet. Tong trennte sich kurz nachdem ich sie interviewt hatte von ihm und heiratete ihren Schweizer Bergführer, von dem sie jetzt ein Kind erwartet.

„Fun Bar Karaoke“ basiert auf einer Geschichte, die eine Freundin dem Regisseur erzählte: Es geht darin um ein modernes junges Mädchen, das mit seinem vergnügungssüchtigen Vater zusammen lebt und bei ihren Konfliktlösungsversuchen magischen Ratschlägen folgt. Der Regisseur Tom Pannet erzählt, daß auch er in einem Kloster betete, damit der Film rechtzeitig fertig werde. Und im Flugzeug nach Berlin betete er heimlich, daß dem deutschen Publikum sein Film gefallen möge. Beides traf ein. Wie ja auch hierzulande selbst hartnäckigste Kritiker des Glaubens an Wunder nicht so weit gehen würden zu behaupten, daß die Kraft eines Gebets im Quadrat seiner Entfernung abnimmt.

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kommentare

  • wer traut sich

    würde gern mit netten männern telefonieren. hier meine nummer:
    01797700535

    freu mich auf eure anrufe vielleicht wird ja mal mehr draus.

    liebe grüße lise

  • Ich schäme mich..
    Schäme mich geküsst zu haben..
    Diese Frau.. so unsäglich böse, so Hasserfüllt und schlecht.
    Der Kuss der Musen..
    Nicht immer ist es beste Wahl.. so manchmal reine Höllenqual…
    so mancher Kuss spät in der Nacht, der trifft auf Eitelkeit und Niedertracht.
    So schäm ich mich geküsst zu haben, obwohl ich eine Muse bin.
    Doch Glück man nicht erkennen kann..
    im Glück ist man geboren.
    Glück man erstmals dann erkennt.. wenn man es hat verloren.
    Ab heute wird das alles enden..
    Dein Glück das wird sich sich von Dir wenden
    Der Muse Kuss ist eine Zier, doch Dein Bestreben nur die Gier..
    So beende ich nun was ich begonnen.. ab heute sei Dein Glück verronnen.
    Gewidmet Sigrid Dittmann
    In Liebe
    Deine Muse

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