vonHelmut Höge 08.08.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Heute brachte ich sechs Euro-Paletten mit neuem Werbematerial (für die taz-Genossenschaft) in den Keller, danach sollte ich 70 Zeilen über ein demnächst am Fundort des Neandertalers (bei Düsseldorf) sattfindendes gemeinsames Gebet von Katholiken und Protestanten schreiben, denen es dabei um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Glaube, Evolution und biblische Schöpfungsgeschichte, geht. Den Schreibauftrag bekam ich nicht als Aushilfshausmeister, sondern als Hobbybiologe. Dass die sich am Neandertaler-Museum versammelnden Christen in diesem Streit zwischen US-Genetik, US-Intelligent Design und US-Kreationismus an Gott wenden, fand ich a) unfair und b) einen Pseudostreit zwischen drei Dumpf-Fundamentalismen. Leider konnte ich auf den 70 Zeilen nicht einmal ansatzweise meine letzte Beschäftigung mit vier etwas intelligenter designten Religiositäten unterbringen – obzwar es sich dabei um die Bücher von vier erleuchteten Frauen handelt. Das hole ich jetzt hier nach, muß dazu jedoch etwas ausholen:

Vor dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 und noch einige Zeit danach sah es hier, grob gesagt rund ums Mittelmeer, in religiöser Hinsicht so ähnlich aus wie heute in Indien: Es wimmelte von komischen Heiligen: bärtigen Anachoreten, halbnackten Propheten, asketischen Apokalyptikern, hysterischen Heilern und Vollweisen mit bohrendem Blick. Die Wunder waren damals so häufig wie heute Versicherungsbetrügereien und der Wege zur ewigen Seligkeit gab es so viele wie Guinessrekorde. Allerdings mußte man sich dabei noch meist auf mündliche Überlieferungen verlassen: Hier wurde ein Eremit, auf einem Nagelbett in einer Höhle sitzend, jahrzehntelang von einem Raben täglich mit frischem Brot versorgt; dort hatte ein Säulenheiliger sein halbes Leben in sengender Sonne auf einem Steinhaufen verbracht. Sein Sitzfleisch war ihm darüber verfault; die Würmer aber, die wie Tautropfen von ihm abfielen, verwandelten sich im Wüstersand augenblicklich in silberglänzende Perlen. Ein ununterbrochener Strom von Gläubigen, die zu ihm pilgerten, konnte das bezeugen; nicht wenige steckten sogar die eine oder andere Perle ein: zum Beweis. Noch Jahrhunderte danach fiel so eine dem Gottsucher Hugo Ball quasi in den Schoß. Und noch später bezeugte sie Luis Bunuel – mit seinem Film über Simeon den Styliten.

Die urchristlichen Kommunen zerfielen mehr und mehr in selige Besessenheit; mit Massenselbstmorden gar stürmten die Ungeduldigsten und Verzücktesten das Himmelreich. Andere – aus irdischer Bedrängnis Hilfe und Heil suchend – belagerten Tag und Nacht die Klöster, mochten diese noch so weltabgewandt und unzugänglich sein. Wieder andere geißelten oder kastrierten sich – um auch den subtilsten dämonischen Versuchungen zu widerstehen.

Auf den Konzilen beeilten sich andererseits die Kirchenführer, eine ketzerische Irrlehre nach der anderen auszumerzen. Langsam und unaufhaltsam gewannen dabei die im Logos Gemäßigten und mit ihm Maßregelnden, die im Alltag der Menschen, in ihren Siedlungen und Städten wirkenden Priester, Diakone und Bischöfe an Einfluß – gegenüber den Wanderaposteln und eschatologischen Propheten. Aus der christlichen Bewegung und ihrer Ausbreitung in der Horizontalen wurde eine Organisation, die sich in der Vertikalen konsolidierte, wobei die ehrenamtlichen Gemeindebetreuer sich zu professionellen Seelenverwaltern wandelten.

Und endlich kommt der Zeitpunkt, da sie sich für das gesamte Wohl und Wehe der Christenheit verantwortlich erklären. Den Klöstern werden fest umrissene Aufgaben zugewiesen. Die braven Mönche, wie Benedikt in Montecassino, predigen fortan diszipliniertes Ora et Labora und schwören ab von jedweder schwärmerischen Verzückung, umherschweifenden Gottsuche und mystischen Verschmelzung mit dem Alleinen. Die verstockten Glaubenseiferer und selbsternannten Erlöser aber werden nach und nach aus dem Verkehr gezogen. Als Heiliger gilt ab da nur noch, wer schon lange tot ist. Nicht selten müssen dabei engagierte Laienbrüder nachhelfen, dafür dürfen sie hernach deren Ohren und Organe an reiche Gemeinden verteilen, wo man sie zum höheren Ruhm der Gotteshäuser einschreint. Das Herz der Heiligen Theresa wird auf diese Weise zwölf Mal verscherbelt, vom Ringfinger des Heiligen Bernhard zirkulierten am Ende 96. Ansonsten gelang es jedoch der geballten Priestermacht mit ihrem demokratischen Zentralismus – bis hoch zum Bischof von Rom, dem späteren Papst mit Richtlinienkompetenz, die Gemeinden auf nahezu friedlichem Wege dahin zu bringen, dass der Glaubenseifer eines jeden sich fürderhin vor allem in der pünktlichen Überweisung des kirchlichen Zehnten zeigte. Von da ab lief alles sozusagen wie am Schnürchen.

Selbst die Protestanten und alle Sektierer vor und nach ihnen rüttelten nicht wirklich mehr an diesem Organisationsgenie oder besannen sich jedenfalls nach kurzem taumelnden Wüten, das durchaus wieder mönchsmystische Züge annehmen konnte, eines Besseren: Sie beugten sich gewissermaßen dem Realitätsprinzip des Allmächtigen selbst. Dennoch konnten sie allesamt nicht verhindern, daß sich die Bibel in einen Buchladen und selbst die frömmste Exegese in Lesewut verwandelte. Bis Forscherdrang, Humanismus, Aufklärung und Revolutionen sich daran machten, das Reich Gottes gewissermaßen zu erden, also hinieden zu verwirklichen. Bei den ersten Umstürzen ging es noch gegen die Kirche und ihre Klöster, bei den letzten im orthodoxen Russland schon wieder um deren säkulare Wiedergeburt – auf wissenschaftlicher Basis, wobei die sowjetischen Tempel und Mausoleen nun als Räume des Jubels der Lobpreisung des ‘Neuen Lebens’ dienen, “das all seine Religiosität in die Verneinung eines transzendenten Prinzips legt,” wie Michail Ryklin schreibt, der sich mit ihrer “ganz und gar immanenten Sakralität” beschäftigte. Der Dissident Abram Terz (Andrej Sinawskij) meinte demgegenüber: “Wie unsere ganze Kultur und unser ganzes System ist die Kunst, der sozialistische Realismus, durch und durch teleologisch. Sie ist dem höchsten Ziel unterworfen und dadurch geadelt. Letzten Endes leben wir nur, um das Kommen des Kommunismus zu beschleunigen.”

Von Luther und Müntzer zu Sozialdemokratie und Bolschewismus, von der Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung zum Gothaer Programm, vom Gottesstaat zum Sowjetimperium und vom Nadelöhr für die Reichen bis zur Kulakenvernichtung – ist es also nur ein Quantensprung im Dogma: “Ubi Lenin – ibi Jerusalem!” schwärmte der mystische Kommunist Ernst Bloch. Und der allerfrömmste Diener seiner Partei, Erich Mielke, dessen Dominikaner (die scharfen Hunde des Herrn) sich für so unfehlbar wie die Heilige Inquisition hielten, beteuerte zuletzt: “Ich liebe euch doch alle!” Das war beileibe kein Zynismus. Nicht leichtfertig hatte man stets Urchristentum mit Urkommunismus, Gemeinde mit Kommune und die Priesterherrschaft mit der Intellektuellenmacht identifiziert. Das war keine Analogienbildung, sondern eine Verwandlung – auf Basis der Produktivkräfteentwicklung. Die einen wie die anderen hatten dabei keine Opfer gescheut – und beide waren bisweilen gezwungen gewesen, vor ihren Verfolgern in Katakomben sich zu flüchten – in Rom, Paris, Warschau, Odessa…Was den ersteren die Märtyrer im Glauben, waren den letzteren die im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit gefallenen Helden.

Obwohl es seitdem nur noch ein Jenseits des Kommunismus geben kann, besteht nun aber die halbe Welt darauf, daß nach dem gottgefälligen “Zerfall” desselben auch wieder ein Diesseits davon möglich ist: Die zerstörten Kirchen werden wiederaufgebaut, Klöster neueröffnet, es wird gebetet wie verrückt, und der Muff unter den bußfertigen Kutten und Talaren duftet erneut nach Weihrauch, Myrrhe usw.. Und wieder stürzen sich jugendliche Schwärmer für ihren Glauben in den Tod – sie wähnen sich wieder des Himmelreichs sicher. “Marx ist tot – Jesus aber lebt!” jubelte der allerchristlichste Minister Norbert Blüm 1990. In dieser Not nähern wir uns auch schon wieder dem alten Kampf zwischen Priestern und Mönchen – zwischen disziplinierter Mission und mystischer Verzückung. Die an sich sehr fortschrittlichen – aus den Hussiten einst hervorgegangenen Brüdergemeinen haben sich darüber in Prag bereits gespalten. Noch ist nichts entschieden.

Vier aktuelle Publikationen – von Frauen – können, und sollen wohl auch, Zeugnis dafür ablegen:

Da ist einmal die ebenso junge wie strahlend-schöne Tochter eines amerikanischen Wanderpredigers: Julia Hill, die es zwei volle Jahre als Säulenheilige aushielt, indem sie sich in 60 Meter Höhe (zehn Mal höher als der Heilige Simeon) auf einen kalifornischen Redwood-Baum hockte, um diesen vor dem Gefälltwerden durch eine gewissenlose Nutzholz-Mafia zu schützen – wobei sie schließlich zu einem “höheren Selbst” gelangte. Seitdem nennt sie sich “Butterfly”. Die Schilderung ihres Weges zur individuellen Erleuchtung (Satori) erschien in nahezu allen Kultursprachen, auf Deutsch im Verlag Bertelsmann-Riemann – unter dem Titel “Die Botschaft der Baumfrau”. Die Autorin ist eine Öko-Mystikerin von Rang und mittlerweile einiger Prominenz – und ihr Werk, abgesehen von der gelungenen Rettung des Mammutbaums, ein Erlebnisbericht, der nichts zu wünschen übrig läßt, außer daß ihre Extremerfahrung nicht leicht Nachahmer finden wird – obwohl: So wie sich derzeit die Selbstmordattentäter im Islam vermehren, könnten bald auch die Säulenheiligen unter den Ökoaktivisten epidemisch werden – die Schlauchboot-Ninjas von Greenpeace sind bereits auf dem Weg dahin. Julia Butterfly Hill jedenfalls ist weiterhin in diesem oberen Bereich aktiv.

Beim nächsten Buch handelt es sich um ein autobiographisches Werk – des wunderschönen Sohnes einer holländischen Schuhverkäuferin namens Edouard Franz Verba, das aber ebenfalls die Spur einer “Suche nach Spiritualität” nachzeichnet. Auch hierbei geht es um Extremerfahrungen – mit hohen Hormondosen und Drogen, bis hin zu mehreren gefährlichen Operationen: eine Brustvergrößerung und eine -verkleinerung sowie eine komplette Geschlechtsumwandlung. Als dies geschah, hatte der Autor aber schon lange einen anderen Namen angenommen: Romy Haag. Ihre im Ullstein-Verlag erschienenen Memoiren tragen deswegen den Titel “Eine Frau und mehr”. Zuletzt nahm sie nach einem “Vipassana-Retreat” in einem indischen Kloster noch einen weiteren Namen an: “Karma Sonam Lhamo”, was “Göttin der geistigen Verdienste” heißt. Danach erreichte auch sie eine höhere Stufe: “Heute bin ich anders”. Ihr “Lebenswerk” als wohl derzeit schönste aller Transvestiten, deren “Jagdgründe die Welt der Heteros” sind, wurde 1997 mit der Verleihung des “Teddys” auf der Berlinale gekrönt. Aber so wie Julia Butterfly Hill ist auch Romy Haag noch lange nicht am Ende: “Auf ein neues!” lautet der letzte Satz ihres Buches.

Die dritte Autorin in diesem neomystischen Zusammenhang ist die 1961 in Vilnius geborene Journalistin Jurga Ivanauskaite. Sie ließ sich ähnlich wie Romy Haag vom tibetischen Buddhismus leiten – und schrieb sogar drei Bücher über ihre Tibet-Erfahrungen. Darüberhinaus ist ihr Schreiben, wie der deutsche Verlag dtv mitteilt, von “Feminismus, östlicher Philosophie und den gnostischen Schriften inspiriert”. Hier soll uns vor allem ihr Roman “Die Regenhexe” interessieren, bei dem sie sich u.a. vom apokryphen “Evangelium der Maria Magdalena” anregen ließ. Er handelt von drei Frauen, die in drei verschiedenen Zeiten leben: Beginnend mit einer modernen litauischen “Hexe” namens Vika. (Seit dem Ende des Kommunismus erlebt auch das Baltikum eine gruselige Rückkehr zu Katholizismus, Abtreibungsverbot, frömmelnde Bigotterie, Raffgier und demnächst wohl auch wieder Hexenverbrennung). Vorerst existieren aber noch die Beichtväter und ihr aufklärerisches Pendant – die Psychoanalytiker – fast friedlich nebeneinander. Zu so einem geht Vika – und dialogisiert munter drauflos. Dann ist da 2. noch Marija Viktorija, die sich ständig bekreuzigt und mit Jesus monologisiert: “Ich habe schwer und unzählige Male gesündigt”. Sie ist ebenfalls eine “Hexe” – eine, die Unzucht mit dem Teufel getrieben hat und deswegen gefoltert werden muß – und es auch wird. Schließlich als dritte Hure Maria Magdalena selbst – die Urhexe sozusagen, nicht mehr in Litauen, sondern vor Ort: in Palästina, mittenmang der Jünger des Gottessohnes. Diese drei Hexen stehen schwere Prüfungen durch, ihre Schicksale sind miteinander verwoben, am Schluß des Buches stirbt auch die jüngste von ihnen – Vika: an der Seite ihres Malerfreundes Paulius bei einem Verkehrsunfall, der eher ein Selbstmord ist. Die Erfolgsautorin Jurga Ivanauskaite “hat irgendwo tief in der litauischen Seele einen Ton zum Klingen gebracht,” urteilt die “Baltic Times” enthusiastisch.

Eher umgekehrt verhält es sich bei der Bielefelder Historikerin Sabine Gebhardt-Herzberg, deren kürzlich erschienenes Buch “Das Lied ist geschrieben mit Blut und nicht mit Blei” sich mit dem einstigen Kommandanten des Warschauer Ghetto-Aufstands – Mordechai Anielewicz – befaßt. Dabei hat die Autorin einige “Legenden” über ihn aufgegriffen und sich u.a. mit den Ghettoerinnerungen von Marek Edelman und Marcel Reich-Ranicki auseinandergesetzt. Diese beiden Männer werden ihr das wahrscheinlich nicht danken. Mir geht es jedoch um den postkommunistischen Approach der Autorin, der insofern in diese Literaturreihung gehört, als er aus einer geradezu existentiell-mystischen Annäherung – in diesem Fall an die jüdischen Ghettokämpfer – besteht: “Ich hatte das Gefühl (darüber) schreiben zu müssen…Als ich das erste Mal mit meinem damals noch sehr kleinen Sohn in Warschau war, habe ich darum gebetet, zu erfahren, ob ich hier in Warschau ‘am richtigen Platz’ sei. Das Gebet sprach ich vor dem Einschlafen in jener ersten Nacht.” Schon einige Stunden später hat die Autorin einen Alptraum: Sie befindet sich inmitten brennender Häuser – wohl im umkämpften Ghetto 1943 – und versucht zu fliehen. Ihre Mutter sagt: “Es hat keinen Sinn…Wir werden alle untergehen”. Die Autorin erklärt dazu: “Das war und blieb nicht mein einziger Traum, es folgten mehrere weitere. Aber es bleibt für mich mein Schlüsseltraum. Am Tag nach dem Traum ging ich dann in den ehemaligen Ghettobezirk, später nach Powisle, wo Mordechai und seine Familie vor dem Krieg gelebt hatten.” Danach interviewte sie auch noch einige Überlebende des Ghettoaufstands in Israel und besuchte einen Kibbuz, der den Namen “Yad Mordechai” trägt und in dem eine Statue von Mordechai steht.

Hier steht jedoch weniger der Forschungsgegenstand von ihr im Mittelpunkt, sondern das Forschungs-Design ihres Buches, das sie im Selbstverlag herausbrachte – was den persönlichen Ansatz, d.h. ihren Einsatz, noch einmal unterstreicht. Wobei es jedoch nicht mehr – dies hat ihr Werk mit den anderen dreien gemeinsam – um ein soziales bzw. sozialistisches oder postsozialistisches Engagement geht, sondern um die Rückkehr zu einer präkommunistischen Praxis. Dabei wird die neue Recherche gleichsam befeuert von einer Hinwendung zu uralten christlich-mystischen Glaubensformen und -formeln.

Genaugenommen sind alle vier Autorinnen Säulenheilige, die nach Schlüsselträumen oder auch Turm- bzw. Schlüsselerlebnissen lechzen. Der Rede vom “höheren Selbst”, das sie dadurch erreichen, kommt damit die Bedeutung einer Ego-Anreicherung durch Erleuchtung und bekenntnishafte Autorenschaft zu. Insofern ähneln die vier Frauen weniger den alten Säulenheiligen, wie etwa Hugo Ball sie sah, sondern eher den neuen, denen Mark Twains Schmied als “Yankee an König Artus’ Hof” begegnete – und die er sich sogleich profitabel machte, indem er ihre biorhythmischen Gebetsbewegungen pragmatisch-technisch gewitzt als kostenfreien Antrieb für Webmaschinen nutzte. Wir sind jedoch inzwischen von der 1. zur 3. industriellen Revolution fortgeschritten. Heute geht es eher um das Antreiben von Webpages, also um elektronische Kommunikation statt maschineller Produktion.

Diese vier feministisch-alternativen Säulenheiligen (ver)senken sich nicht nur meditativ (ins Abseits), sie heben dabei zugleich wahre Schätze (für die Allgemeinheit oder Öffentlichkeit) auf. Auch wenn sie dabei vielleicht bloß Perlen vor die Säue werfen – sind ihre Werke doch äußerst zeitgeistig. Trotzdem oder gerade deswegen sind sie auf dem Holzweg. Die Theologin Dorothee Sölle hat in ihrem Buch “Mystik und Widerstand” bereits vor diesem feministisch-subjektiven Spürsinn gewarnt: “Es gibt eine ästhetisierende Sehnsucht nach ‘Religion pur’, die mystische Elemente aufnimmt und sie individuell aneignet. Das Innere Licht macht dabei nicht die Realität durchlässiger, sondern nur das sich in ihm genießende Ich.”

Auch der “Widerstand” scheint nicht davor schützen. Zumal er in individualisierter Form geradezu angesagt ist. So schreibt der Bremer Gewerkschafts-Soziologe Rainer Zoll in seiner Suhrkampstudie “Was ist Solidarität heute?”: Die alte proletarische internationale Solidarität war immer ein “Schwachpunkt” gewesen, nun gäbe es jedoch einige hervorragende Beispiele von “gewissermaßen individueller” Solidarität. In ein ähnliches Horn scheint mir auch der taz-Pantherpreis zu tuten, der an Individuen verliehen wird, die sich politisch, sozial, umweltschützerisch oder sonstwie engagieren.

Das Problem dabei hat bereits der Heilige Hieronymus angesprochen: “Ein Mönch ist außerhalb seiner Zelle wie ein Fisch ohne Wasser.”

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