IN JEDER IMBISSBUDE EIN SPION!!!
(Transparent über dem großen Redaktionskonferenztisch der taz – noch in der Weddinger Wattstraße 1986. Damals gab es zwar noch keinen Hausmeister im strengen Sinne, jeder war angehalten, für Ordnung zu sorgen, aber dafür gab es schon einige Spione – sowohl welche, die dem Ost- als auch welche, die dem Westgeheimdienst tätig waren. Erst mit der Wende verschwanden sie. Im Nachhinein muß man sagen, dass das zu bedauern ist, denn jeder Spitzel ist ja auch ein Indiz für die potentielle Staatsfeindlichkeit seines Objekts, mindestens nach Meinung seiner Auftraggeber. Genau darum drehten sich denn auch die Stasi-Berichte z.B. der taz-Redakteurin Brigitte Heinrich damals. Zu der Zeit hat man im übrigen – auch in der taz – neben der Zeitungsproduktion noch gerne Wandzeitungen und Transparente gemacht – eine besonders in der chinesischen Kulturrevolution ernst genommene Form von Nachrichtenpräsentation, wobei in dem Wort Information immer schon die Form – meistens von den herrschenden geprägt – enthalten ist, heute spricht man auch gerne von „Format“. Dieses Wort hat sich derart durchgesetzt, dass neulich in der „interim“ sogar schon die militante Gruppe „mg“ in einer längeren „Aufarbeitung“ der Geschichte des Guerillakampfes und den in Zeit und Raum unterschiedlichen Formationen von „Formaten“ sprachen. )
Ihre Tour durch die einschlägige Literatur sei hier kurz rekapituliert:
In einer Besprechung der Berliner RAF-Ausstellung für die „konkret“ kam Peter O. Chotjewitz zu dem Schluß: Keiner der Künstler habe sich die Mühe gemacht, „der RAF zuliebe seine eingefahrenen Gleise zu verlassen, trotzdem solle man sich das Event – „auf der Höhe der Medientheorie,“ mit Peter Weibel zu reden – anschauen. „Es hält das Thema bewaffneter Kampf in den Metropolen offen, was immer wichtig ist“. Das dachte sich wohl auch die „militante gruppe“ (mg), als sie im „interim“, dem vierzehntägigen Info der Berliner Autonomen, und im Anschluß an den Trierer Kongreß über „Stadtguerilla und bewaffneten Kampf in der BRD“ anläßlich des 30. Todestages von Holger Meins eine zweiteilige Serie über „(Stadt-) Guerilla oder Miliz?“ veröffentlichte. Bei den jüngeren „interim“-Lesern stieß dieses „Theoriepapier“ auf großes Interesse, nicht zuletzt, weil die „Stadtguerilla“-Aktivitäten – vor allem im Irak und in Lateinamerika – (wieder) stark zugenommen haben.
Die Kreuzberger „Kiezmiliz“ zog 1991 aufs Land, die „mg“ gibt es seit 2001. Aber noch immer sind „Defizite militanter Politik in der BRD“ zu beklagen, schreiben die Autoren. Ihre Gruppe legt deswegen „großen Wert auf die inhaltliche Begründung von klandestiner Praxis“, und eine „plausible Alternative dazu“ hat sie bisher noch nirgendwo vernommen. Auch warnt sie davor, dass man trotz oder gerade wegen ihrer „relativ hohen Aktionsfähigkeit“ sagt: „Die Leute von der mg werden’s schon machen…“ Und dann hat die „Militanzdebatte“ seit Jahresbeginn auch „neuen Auftrieb bekommen“, wobei die mg vor allem „die Genossinnen der Autonomen Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof vor Augen hat“ – nicht jedoch die RAF-Ausstellung, die von den Autoren als schnöde „Abrechnungsshow“ begriffen wird, der „Roten Hilfe Berlin“ aber immerhin Gelegenheit bot, an die noch immer – teilweise seit 23 Jahren – inhaftierten RAF-Mitglieder Brigitte Mohnhaupt, Eva Haule, Christian Klar und Birgit Hogefeld zu erinnern – bis die „Kunst-Werke“ ihnen Hausverbot erteilte.
Die 20seitige „mg“-Aufarbeitung der (Stadt-)Guerilla-Erfahrungen beginnt mit Mao Tse Tungs Partisanenkriegslehre, um dann die Guerillakonzeptionen von Che Guevara und Régis Debray zu rekapitulieren, wobei für diese militanten Theoretiker vor allem der „ländliche Raum“ zur Entfaltung einer Widerstandsbewegung wichtig war, die mit „bewaffneter Propaganda“ ihren Anfang nahm. Das spätere Scheitern von Chés „Fokus-Theorie“ in Bolivien sei natürlich kein „nachahmenswertes Beispiel“, aber „Kuba“ habe nach wie vor „Modellcharakter“. Im Gegensatz zu Mao Tse Tung hält Débray jedoch nichts von (befreiten) „Stützpunktgebieten“, weil die Guerilla dadurch ihre „territoriale Beweglichkeit“ verliert, außerdem kritisiert er die Konzeption des „bewaffneten Arms“ einer politischen Befreiungsfront: Militärische Pläne sollten nur von denen erstellt werden, „die sie auch auszuführen haben“ – also erst militärische Foci bilden und nicht politische. Die „städtische Guerilla“ lehnt Débray ab, da sie nur auf einem begrenzten Gebiet operieren kann und „in der Tat weder die Wahl des Zeitpunktes noch des Ortes hat“.
Die brasilianische MIR operierte dann aber sowohl auf dem Land als auch in den Städten, und die MLN-Tupamaros in Uruguay führten sogar fast ausschließlich einen „städtischen Kampf“ – die ländlichen Regionen hatten „nur eine geringe Bedeutung“ für sie. Die Dialektik zwischen Militärischem und Politischem wurden dabei von den MLN-Tupamaros fast poetisch dargestellt: „Jede Guerilla, die praktisch im Herzen der Bevölkerung kämpft, führt in direktem Kontakt mit den Massen einen politischen Krieg“.
Im Gegensatz dazu bestand die brasilianische ALN auf einer von der „politischen“ nicht getrennten „militärischen Linie“, was für Carlos Marighelas Stadtguerilleros bedeutete, sich „ständig mit der Sache des Volkes (zu) identifizieren“, denn ihre „Einflusszone“ reiche nur so weit „wie die Unterstützung des Volkes“.
Bei der Diskussion der „Miliz als bewaffnete Formation“ holen die Autoren noch weiter aus – bis auf Marx, Engels, Rosa Luxemburg und die „bürgerliche Milizauffassung von Clausewitz“, wobei es „grundsätzlich“ immer um „eine Form der ‚Volksbewaffnung‘ geht, die der regulären Armee der herrschenden Klasse entgegen gestellt wird“. Von Marx und Engels werden dazu von der „mg“ jene Passagen zitiert, in denen sie sich für eine eigenständige politische und militärische Organisation der Arbeiterklasse aussprechen, damit diese nicht „zum bloßen Anhängsel der offiziellen bürgerlichen Demokratie“ werde. Aus dem amerikanischen Bürgerkrieg zogen Marx und Engels dann jedoch einen ähnlichen Schluß wie später Lenin aus dem russischen Bürgerkrieg: Eine Freiwilligen-Armee kann eine reguläre Armee in keiner Weise ersetzen. In Deutschland wollte dagegen Rosa Luxemburg das stehende Herr durch eine Miliz ablösen, was sich dann in der Forderung des „Spartakusbundes“ niederschlug, eine „proletarische Rote Garde“ zu formieren – „zum Schutz der Revolution vor gegenrevolutionären Anschlägen“. Für Clausewitz hatte sich – über 100 Jahre zuvor – das Problem noch so dargestellt: „Die Landwehr vermehrt die Gefahr der Revolution; die Entwaffnung der Landwehr vermehrt die Gefahr einer Invasion“.
Nach dem Bürgerkrieg und der Reorganisierung der russischen Armee durch Trotzki bestand Frunse auf den Aufbau einer „Roten Arbeiter- und Bauern-Miliz“, die auch im Kampf der Werktätigen gegen den Imperialismus in anderen Ländern „eine schlagkräftige Waffe“ sein sollte. Trotzki sah darin (mit Lenin) den verderblichen Versuch, den Guerillakampf zu einem „dauernden und universellen System“ zu erheben, dennoch machte auch er sich für eine „Arbeitermiliz“ stark, was dann später – in der DDR etwa – auf „Betriebskampfgruppen“ hinauslief und davor – in der Komintern – auf die internationale Organisierung z.B. von Seeleuten, damit diese dann u.a. Schiffe in die Luft sprengten, die im Auftrag der (faschistischen) Achsenmächte unterwegs waren.
Zurück zur Frage „(Stadt-)Guerilla oder Militanz?“ Die Autoren nehmen es „gleich vorweg: eine Beantwortung ist an dieser Stelle nicht beabsichtigt“, aber als militante Gruppe sehen sie im bewaffneten Kampf eine „objektive Notwendigkeit“ – und befinden sich damit „in keiner allzu schlechten Gesellschaft“. Die ländlichen Gebiete der BRD, genannt werden Uckermark, Emsland und Alpen, kämen dafür jedoch nicht mehr in Frage, ebensowenig ein temporäres Ausweichen etwa der Berliner Militanten in den Grunewald. Dennoch bestehen sie darauf, dass die Guerilla oder Miliz als „Keimzelle“ einer „Volks- oder Roten Armee“ gesehen werden muß: Und „daraus resultiert die strategische Relevanz einer Guerillapolitik“, wobei deren Differenz zur Miliz eher „semantisch als organisatorisch“ sei: „Beide ‚Formate‘ des bewaffneten (Abwehr-) Kampfes resultieren aus der eigenen militärischen Schwäche gegenüber stehenden Heeren“. Die „bewaffneten Arbeiterwehren“ z.B. von Max Hoelz Anfang der Zwanzigerjahre bieten deswegen ebenso „(historische) Orientierungspunkte“ wie das aus Lateinamerika auf die hiesigen Verhältnisse übertragene „Konzept Stadtguerilla“ der RAF. Allerdings, so fügen die Autoren hinzu, hätten sich die Guerillas in Lateinamerika aus „einem Aufschwung der (revolutionären) Massen-Bewegung“ entwickelt, während die deutsche RAF aus der „Konkursmasse des studentischen 68er-Aufbruchs“ hervorgegangen sei. Und was die „mg“ nun von der RAF unterscheidet, ist, dass sie nicht „die gesamte Struktur, die bisher eine militante Praxis verfolgte, in ein ‚bewaffnetes Format‘ überführen“ will: Dies „würde unseren Vorstellungen eines widerstandsebenenübergreifenden Netzwerks völlig zuwiderlaufen“. Stattdessen soll ihr Text dem gerecht werden, was die „mg“ seit ihrem „Plattformpapier“ 2002 als „komplexen revolutionären Aufbauprozeß“ bezeichnet.
Wie kann aber eine Aufarbeitung der Ideen von zumeist Gescheiterten – Clausewitz, Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Frunse, Hoelz, Mao, Ché, Débray, die RAF, die weder die (unterschiedlichen) Gründe für ihr Scheitern benennt, noch daraus Schlüsse für eine militante Praxis hier und jetzt zieht, einem „komplexen revolutionären Aufbauprozeß“ gerecht werden? Ihr Text über „Stadtguerilla oder Miliz?“ verdankt sich dem vorübergehenden Rückzug einer kleinen kommunistischen Gruppe, die sich dabei in die „Klassiker“ (wozu Stalin nicht mehr gehört) eingelesen hat – und dabei so ins Schwärmen geriet, dass sie sich ungeachtet aller Alltagsprobleme an eine historische Aufarbeitung machte. Mit einem „Aufbauprozeß“ hat das jedoch noch nichts zu tun, sonst gehörte auch die RAF-Ausstellung dazu. Die „mg“ hat sich mit diesem Text eher einen revolutionären Abstammungsnachweis verschafft, der ihre punktuellen Aktionen in den historischen Kontext des bewaffneten Widerstands stellt, der einst mit der spanischen Guerilla gegen Napoleon und ihre Aufarbeitung durch die preußischen „Reformer“ seinen Anfang nahm. Das ist ziemlich geschichtsbewußt, jedenfalls für westdeutsche Verhältnisse (in der DDR lernte jedes Kind diesen Kontext), aber das reicht nicht: Noch eine Anstrengung, Genossen! möchte man den Autoren zurufen.
Sonst unterscheidet ihr euch in euren Analysen von dem eines deutschen Professors und Politikberaters, wie etwa Herfried Münkler, nur dadurch, dass ihr den „Gegenstand“ nicht in denunziatorischer Absicht, sondern mit einigem genealogischen Stolz behandelt – und das ist zu wenig! Insofern hat die Redaktion der „interim“ (von Heft 608 und 609) recht gehabt, als die den „mg“-Text auf die Hälfte der Seitenzahl runterverkleinerte, um mehr Platz für Berichte – vom „antirassistischen Grenzcamp“, von Anti-Hartz-IV-Aktionen („Agenturschluss“), vom Castor-Transport 2004, vom Borchardt-Go-In usw. – zu haben. Denn diese Aktivitäten sind es, die sich – bestenfalls – zu einem „komplexen revolutionären Aufbauprozess“ entwickeln, wobei noch gut und gerne eine Reihe weiterer Widerstandsaktionen hinzukommt, die nicht ihren Niederschlag in der „interim“ findet. Erwähnt seien die Obstbauern im Alten Land bei Hamburg, die eine Erweiterung der Start- und Landebahn des Airbuskonzerns verhindern wollen, die Proteste gegen die erneute Startbahnerweiterung des Frankfurter Flughafens, der letzte Widerständler gegen den Bau des neuen Flughafens Berlin-Schönefeld, ferner die letzten Kämpfer gegen die Abbaggerung ihrer Dörfer durch Braunkohlekonzerne – in der Lausitz und in Nordrhein-Westfalen, die schleswig-holsteinischen Marschbauern, die sich gegen eine Zerstörung ihrer Existenz durch Ausweitung der Natur- und Naherholungsflächen wehren sowie all die Prostituiertenorganisationen, die gegen das rotgrüne Gesetz gegen Menschenhandel kämpfen, weil es der Willkür der Polizei gegenüber Illegalen Tür und Tor öffnet…Ich habe bestimmt noch einige hundert weitere ähnliche Initiativen vergessen zu erwähnen, aber deutlich wird dabei schon, dass es sich bei der „interim“ und erst recht bei dem „mg“-Papier um eine Szene-Info handelt, ähnlich dem „telegraph“, dem „gegner“ u.a., die sich ebenfalls immer wieder gerne mit Aktionen und Geschichten wie den o.e. befassen.
Wie kann daraus ein (gemeinsamer) „Aufbauprozeß“ werden? Und ist das überhaupt wunschenswert? Nehmen wir nur die auch in der „interim“ oft thematisierte „Berliner Bankeninitiative“: Da gibt es die publizistischen Mudracker Mathew Rose und Michael Sontheimer, die ebenso betroffenen wie engagierten Sammelkläger um Jürgen Lindemann, den prominenten Widerstandsorganisierer Peter Grottian, die anonymen Luxusauto-Abfackler in Zehlendorf, die rumänische Villenknackerbande von Nikolai, die auf Banker spezialisierten Trickprostituierten Jana und Helena usw….Müssen oder sollen die sich alle praktisch und theoretisch vereinen – oder sich gar um ein „widerstandsebenenübergreifendes Netzwerk“ bemühen? Nein, denn sie sind es in gewisser Weise bereits! Und ob sich dieses „Netzwerk“, auf das im übrigen auch die „indymedia“-Redakteurin schwört, ausweitet, stabilisiert, militarisiert usw., ist eine Frage der „Konjunktur“, die man jedoch weder herbeianalysieren noch sich wünschen sollte, denn dann haben zwar alle linken Gruppen regen Zulauf – und radikalisieren sich rapide, aber gleichzeitig wird man dadurch auch mit einem anschwellenden Haufen Gesindel konfrontiert. Damit meine ich Wichtigtuer, Führernaturen, Konjunkturritter, Abstauber, Parasiten, Spitzel etc. „Am Anfang waren wir im SDS zwölf Leute, und jetzt sind wir in etwa wieder genau so viel,“ so sagte es der Widerstandsforscher H.D. Heilmann vor ein paar Jahren, selber erstaunt über diese Tatsache. Und dass diese zwölf einer ganzen Partei zur Regierungsmacht verholfen hat sowie etwa 8000 Linke zu einer Professorenstelle, davon haben weder die Protagonisten etwas gehabt, noch sind dadurch ihre revolutionären Ideen der Verwirklichung näher gekommen. Im Gegenteil – die ganzen zeitweilig „Bewegten“ setzten vielmehr alles daran, um ihre „Vergangenheit“ als Jugendirrtum und sich als nunmehr geläutert darzustellen, wobei für sie jetzt Rechts gleich Links faschistisch ist und sie bestenfalls noch „Abrechnungsshows“ zu inszenieren in der Lage sind. Also ein Klein-Werden Schaffen! Mit dieser französischen Formel war einmal zweierlei gemeint: Zum einen sollten die Aktivistengruppen nicht ständig danach trachten, größer zu werden und zum anderen sich bemühen, ihre sozialen Zusammenhänge dergestalt zu erweitern, dass sie darin aufgehen, um tendenziell sogar zu „verschwinden“.
eine auswahl der bekennerschreiben der militanten gruppe [mg]
haben wir auf der seite
http://poland.indymedia.org/pl/2007/08/30885.shtml?comments=true
gefunden