vonHelmut Höge 02.12.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Zusammenfassung des kürzlich vom Weimaraner Markus Krajewski in der Akademie Schloß Solitude  veranstalteten Symposiums über Theorie und Praxis von “Projekten”: Diese  entstanden in der Renaissance – indem das Handwerk sich aufspaltete: ein Großteil sank zu Lohnabhängigen ab, einige wenige schafften den Aufstieg als Künstler und Wissenschaftler (Mathematiker) – und machten sich mit ihrem Können selbständig, d.h. sie verkauften ihre Projekte fürderhin – die Künstler an die Fürsten, die Wissenschaftler an die (Festungsbau-) Arbeiter.

Als Wort taucht das Projekt erst bei Shakespeare auf: die Ermordung Hamlets  wird von ihm – wahrscheinlich bereits ironisch – als ein “Projekt” bezeichnet. Berühmte “Projektemacher” des 17.Jhds. waren Gottfried Wilhelm Leibniz und Johann Joachim Becher. Sie führten schon eine “nomadische Existenz”. Praxis und Theorie von Projekten loteten zuerst Gottlieb von Justi und dann Daniel Defoe aus. Letzterer landete mehrmals im Gefängnis und schrieb 1697 einen “Essay upon Projects”. Der Wiener Kunstprofessor Reder, der auch in Stuttgart dabei war, hat ihn gerade neu herausgegeben, dazu noch ein dickes “Lesebuch über Projekte und Projektemacher” – mit Beiträgen von Alexander Kluge, Peter Sellars, Christoph Schlingensief u.a..

Im 18.Jhd. wird die Sicht auf die Projektemacher immer kritischer: Sie versprechen den Fürsten das Blaue vom Himmel, um an Geld ran zu kommen. Noch die heutigen Begutachter von “Projektanträgen”  können davon ein Lied singen. Auf dem Symposium wurde jedoch auch über einen Projektemacher referiert, der umgekehrt sein ganzes Geld für den Ruhm ausgab: der Schöpfer der Welteislehre Hanns Hörbiger. Ende des 19. Jahrhunderte wimmelte es von solchen Welterklärungs-Projekten – in denen es  stets um die “Restlosigkeit” ging. Während es in Goethes “Faust II” das Volk war, das sich über das “Papiergeld-Projekt” von Faust lustig machte, ist es bei den Welterklärern die Wissenschaft, die sie verlächerlicht. Der Veranstalter Markus Krajewski veröffentlichte gerade ein Buch über “Weltprojekte um 1900” (Esperanto, Weltzeit, Weltstandard usw.), davor einen Sammelband über “Projektemacher”. Darin findet sich u.a. ein Aufsatz des Luhmann-Assistenten Georg Stanitzek, der bereits 1987 das Comeback des opportunistischen  Projektemachers ahnte – als “Ich-AGs”, wie sie seit 2005/Hartz IV heißen. Hintergrund dafür war und ist die “Freisetzung” von Zigmillionen Werktätigen durch die Dritte Industrielle Revolution.

1994 legte der Politologe Wilhelm Hennis eine Neuinterpretation von Goyas “Traum der Vernunft (Capricho 43) vor: “es sind die Träume der Projekte schmiedenden Vernunft, die Ungeheuer produzieren”. Nicht geheuer schienen mir auch die auf Schloß Solitude vorgestellten zwei aktuellen Kunstprojekte: Einmal neuartige Labors für die Arktis und Antarktis, um Innuit, Wissenschaftler und Künstler aus den beiden Polregionen “kommunikativ” zusammen zu bringen. Zum anderen Interviews mit Leuten aus Kambodscha, Angola, Bosnien etc.., die von einer Mine zerfetzt wurden.

Praktisch begann der allgemeine Projektschwurbel 1974 noch relativ harmlos: z.B. mit dem “Projektstudium” (an der Uni Bremen), inzwischen gibt es jedoch schon im Kindergarten “Projektwochen” und Autoren sprechen selbst bei der Lektüre eines albernen Bestsellers von ihrem “Rezensionsprojekt”, ja sogar die Ehe und Familie ist inzwischen ein Projekt. Hintergrund dafür ist eine neue Freiheit: der Sohn eines Stahlarbeiters, der Stahlarbeiter wird, würde dabei noch nicht von einem “Projekt” gesprochen haben. Wir leben dagegen bereits “in nach-gesellschaftlichen Projektwelten” – ob uns das gefällt oder nicht.

Selbst auf Dauer angelegte Unternehmen wandeln sich zunehmend in temporäre Projekte, und seien es “Langzeitprojekte” – beide sind jedoch noch auf “Entsorgung” (von was auch immer) aus. Der aristotelische Gegenbegriff dazu wäre die Sorge. Immerhin dominieren uns heute statt Großprojekte eher Mikro- bzw. Nanoprojekte – und während die Planung noch deduktiv war, gehen Projekte induktiv vor, das ist schon mal ein demokratischer Fortschritt. Leider traktiert uns der parasitär gewordene Nationalstaat heute ebenfalls laufend mit neuen “Projekten”. Den linken Projektemachern rät Slawoj Zizek deswegen: Erst mal “‘nichts zu tun’ – und auf diese Weise den Raum für eine andere Form von Aktivität zu eröffnen.” Das scheint mir aber kein gutes Projekt zu sein.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/12/02/der-laecherliche-projectant/

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kommentare

  • Jörg (Gießen):

    lächerliche Projectanten sind wir doch jetzt alle – zwangsläufig – geworden, und gründen “kleine geile Firmen”, wie Funny van Dannen das nennt.

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