vonHelmut Höge 22.12.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Was machen gemeinhin ein Unternehmen, ein Staat, ein Verbrecherorganisation – wenn  jemand irgendwas Unerfreuliches ans Licht zerrt? Ihn kaufen (den Gärtner zum Bock machen), umbringen oder – noch besser – sich selbst umbringen lassen!

1. Laut „Financial Times Deutschland“ hält der zukünftige Chef der Siemens-internen Antikorruptionsabteilung, Daniel Noa, eine so weit reichende Untersuchung für „betriebswirtschaftlich und unternehmenspolitisch sinnvoll“. Strafrechtlich relevant seien allerdings nur die vergangenen zehn Jahre. Daniel Noa ist zurzeit noch Oberstaatsanwalt in Stuttgart, soll aber im Januar als Koordinator der konzern-internen Antikorruptionsarbeit zu Siemens wechseln. Er wird damit zu einer Schlüsselfigur in der Aufklärung des Korruptionsskandals, bei dem der Verbleib von mindestens 420 Millionen Euro in den vergangenen Jahren untersucht werden soll.

Wie er der Zeitung sagte, wurde Noa bereits vor acht Jahren von Headhuntern für die Aufgabe angesprochen. Damals sei allerdings nichts daraus geworden. „Siemens hat sich wohl gefürchtet vor jemandem, der im Dreck rumwühlt und nicht kontrollierbar ist“, sagte er.
Schon allein das Wort „Verbleib“ der Gelder aufklären – man weiß doch längst, wo sie hin sind, nur wer bzw. welche Organisation das veranlaßt hat bei Siemens ist angeblich noch unklar.
Einer entzog sich diesem Problem bereits:
2. Ein langjähriger Siemens-Vertriebsmitarbeiter der Kommunikationssparte in Russland kam am 21. November bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Der dreifache Familienvater aus München, den sowohl ein Zeuge als auch Unterlagen im Verfahren um schwarze Kassen unlängst belastet hatten, fuhr in München mit 120 Kilometern pro Stunde unangeschnallt gegen einen Baum und starb noch am Unfallort.

Die Kriminalpolizei fand bei der Untersuchung des Unfallwagens keinerlei Manipulationen am Fahrzeug. Einen Abschiedsbrief hatte der Diplomkaufmann nicht hinterlassen. Die Kripo sieht nach FOCUS-Informationen Anhaltspunkte für einen Selbstmord.

Indymedia Germany nimmt sich eines anderes Gärtnerbocks vor – wenn auch nur mit einem einzigen Wörtchen „vorgeblich“:
3. Während der vorgebliche Antikorruptionsverein Transparency International Deutschland – in der NETZEITUNG – behauptet, der langjährige ehemalige Vorstandschef und derzeitige Aufsichtsrat v Pierer wußte in der derzeit laufenden Siemens-Korruptions- & Schmiergeldaffaire „von gar nichts“, wachsen die Beweise, daß der langjährige Siemensboss und finanzielle Förderer von Transparacy International v. Pierer doch über firmeneigenen schwarzen Kassen Bescheid wusste.
Der Vorsitzende von Transparency Deutschland Hansjörg Elshorst und sein super-elitärer NGO Transparency stehen nun selbst im Zwielicht.

Man konnte sich schon bei Beginn vorstellen, daß das nicht lange gut gehen würde,
als vor Jahren ehemalige Spitzenbeamte aus der Weltbank, Weltwährungsfond, UN und WTO und Personen aus aus den elitären Zirkeln anfingen, sich als „Korruptionsbekämpfer“ gegen das Krebsgeschwürz „Korruption in der 3. Welt“ zusammen zu schließen.

In der BRD war es ausgerechnet ein ehemalige Weltbank-Spitzenbürokrat, Peter Eigen, der dieses elitäre NGO-Projekt anleierte – mit reichlich Geld aus der Staatskasse und Wirtschaft. Eine mächtige Medienunterstützung aus den Häusern der deutschen Medienoligharchen und des Staatsfernsehens sorgte zusätzlich dafür, daß das blitzeblanke Image von TI rein blieb, keine frechen Fragen gestellt wurden, und das die Kassen bei TI klingelten.
Offenbar wollten Eigen & Co beweisen, daß die radikallinke Stamokap-Theorie, „Der Staatsapparat ist nur noch eine Marionette der monopolisierten kapitalistischen Wirtschaft“ auch positiv funktionieren kann.

Bei TI-Germany tummelten sich – als korporative Mitglieder – Global Players wie der Versichungsriese Allianz AG, weltweit operierende Industrieunternehmen wie die BASF AG, Daimler-Chrysler AG, Robert Bosch AG, Stuttgart, Baukonzerne wie Hochtief AG, Fluglinien wie die Lufthansa AG und Banken & Sparkassen wie Berliner Volksbank eG.
Große Anwaltskanzleien und Consalting-Firmen waren natürlich auch mit bei.
Dazu kamen staatliche Stellen wie die Bundesanstalt für Arbeit, die Stadt Halle an der Saale, die Stadt Hilden, die Stadtwerke Bonn und GEZ, die staatliche „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“, die demnächst 3,5 km Autobahn im umkämpften Süd-Afghanistan bauen möchte, um mit Autobahnen die Herzen und Köpfe der von der NATO-terrorisierten Afghanen zu gewinnen.
Die Weltfirma SIEMENS AG unter dem langjährigen Vorstandsboss Heinrich von Pierer und jetzigem Aufsichtsratschef war natürlich auch dabei – beim Kampf der Eliten gegen die Korruption!

In Vorstand und Beirat von TI tummeln sich abgehalfterte Manager, Politiker, Bürokraten, Journaile, Gewerkschaftsbonzen – und überraschend viel Kleinadel:
Dr. Peter v. Blomberg (Ex-Allianz), Sylvia Schenk (SPD), Ex-Präsidentin des Bundes deutscher Radfahrer und somt Vorgängerin des ehemaligen SPD-Vertedigungsministers Rudi Scharping, der selbst über Korruption (50.000,- Klamottengeld und anderes von Moritz Hunzinger) stolperte, Caspar von Hauenschild, Ex-Banker & Consaltant, Anke Martiny, Ex-Senatorin SPD, Arne Schäffler, Consaltant, Karena Schröder, Consaltant.
Dazu:
Michael Wiehen, Ex-Weltbank & Ex-Anwalt, Jürgen Zerull, Ex-DDRler & undefinierbarer Freiberufler, Helga von Wedel, internationale Spitzenbürokratin, Ulrich von Alemann, Professor, Konrad von Bonin, evangelischer Spitzenbürokrat, Georg Cremer katholischer Caritas-Bonze, Graf von Strachwitz, Ex-Verwalter des Herzogs von Bayern, Ludolf-Georg von Wartenburg Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutshen Industrie (BDI).
Dazu kommen:
Margret Mönig-Raane (VERDI-Bonze), Ralf Fücks (Heinrich-Böll-Stiftung der GRÜNEN), Freimut Duve Ex-SPD-Abgeordneter, Marianne Birther, Ex-DDRlerIn & Stasi-Beauftragte, Gerhard Baum FDP, Ex-Innenminister & Anwalt, Elmar Altvater, Ex-Professor, Michaela Scheyer, Professor und Ex-EU-Kommissar, die Journaile Laydendecker Süddeutsche Zeitung, Joachim Bäumel Ex-ARD, Thomas Leif Ex-SWR, Edda Müller, Professorin und Vortstand der Verbracherzentrale usw, usw.
Und natürlich Peter Eigen und Hansjörg Elshorst.

Unternehmer und Staatsapparat arbeiteten Hand in Hand für das große Ziel – mit den hohen ethischen Standards – und unterschrieben auch eine großartige Selbstverpflichtung in der es heißt:

„Wir treten Transparency International – Deutschland e.V. bei, weil wir Korruption in jeder Form ablehnen.
Wir unterstützen alle Bestrebungen um hohe ethische Standards im Geschäftsverkehr und wollen korruptives Verhalten weder in unserem Unternehmen tolerieren noch bei unseren Geschäftspartnern hinnehmen.
Unser Unternehmen hat eine für alle Beschäftigten verbindliche Geschäftspolitik eingeführt, nach der Bestechung und andere Formen der Korruption weder eingesetzt noch toleriert werden dürfen. Wir haben auch ein Umsetzungsprogramm zur Schulung unserer Beschäftigten für eine aktive Korruptionsprävention.
Wir setzen uns in unseren Interessenverbänden dafür ein, dass branchenspezifische Problembereiche erkannt und angemessene Maßnahmen ergriffen werden.“

Große Worte der vereinigten Manager aus Wirtschaft, Staat, Wissenschaft und Forschung und der globalen Bürokratie. TI-Leute verantstalteten Seminare, vertrieben Broschüren und Traktate und gaben eifrig Kommentare – am liebsten über die „Korruption in der 3. Welt“.
Über Korruption in Wirtschaft und Politik in der BRD schwiegen die NGOs mit den hohen ethischen Standards von TI lieber: Kein Wort zu VW, VW-Vorstand Peter Hartz SPD und den Betriebsratsvorsitzenden Volkert SPD, kein Wort zu dem Prinzip „Geld & Nutten“ bei VW.
Kein Wort des Elitezirkels TI – mit den hohen ethischen Standards – über den Mannesmann-Skandal, über Esser, Zwickel & Ackermann.

Doch jetzt ist endgültig der Lack ab beim elitären NGO Transparacy International der Bosse, Bonzen und Politiker, beim Club der Großunternehmen und des Staatsapparates. Jetzt wurde ausgerechntet auch das „korporative Mitglied“ bei Transparecy, die Siemens AG mit Korruption, Bestechung und mit schwarzen Kassen von mehreren hundert Millionen erwischt.
Zuerst tauchte Transparacy wieder – wieder üblich – ab, stellte dann demonstrativ seinem NGO-Mitglied Siemens AG ein Ultimatum und schloß dann sein Mitglied aus dem NGO TI aus. Daraufhin lud das Ex-Mitglied Siemens AG – medienwirksam – TI-Aufklärer zu einem aufklärerischen Kurzbesuch bei Kaffee & Kuchen in die Firmenzentrale ein, und TI kam natürlich auch um aufzuklären, klärte aber nichts auf.
Statt dessen erklären die TI-Aufklärer vor laufenden Kameras, sie seinen überzeugt der Siemens-Konzern werde alles tun, um die kriminellen Machenschaften einzelnder aufzuklären.

Inzwischen aber fingen immer mehr Siemens-Manager an davon zu reden, daß nicht nur Spartenmanager der einzelnen Konzernsparten von den schwarzen Kassen für Bestechungen gewusst hatten, sondern auch der Gesamt-Vorstand – unter dem ehemaligen und langjährigen Vorstandboss Heinrich v. Pierer.
Und was tut der TI-Geschäftsführer Hansjörg Elshorst:
Er behauptet frech, Pierer sei eine so integre Persönlichkeit mit hohen ethischen Standards, die gegen die weltweite Korruption gekämpft hätte, daß er keine Zeit mehr gehabt hätte, sich um die Korruption in der eigenen Firma zu kümmern. Er hätte auch deshalb von nichts gewußt, weil Pierers Manager vermutlich ihre kriminellen Machenschaften vor der integren Persönlichkeit v Pierer bewußt verheimlicht hätten.

Der angebliche Korruptionsaufklärer Hansjörg Elshorst von Transparacy versucht ausgerechnet dem Haupt des kriminellen Netzwerkes im Siemens Konzern, Heimrich v. Pierer, öffentlich einen Persilschein auszustellen. Das Heinrich von Pierer auch nur ein frecher elitärer Heuchler wie Hansjörg Elshorst ist, daß kann sich der NGO Elshorst – mit hohen ethischen Standards – sich einfach nicht vorstellen.
Aber wer das Geld für seinen vorgeblichen Kampf gegen die Korruption von Großunternehmen und vom Staatsapparat bekommt, der muß vermutlich seinen Kampf nach dem Prinzip – mit dem hohen ethischen Standards – führen:

Die Kleinen darf man hängen, aber die Großen haben natürlich von nichts gewußt!

4. Die Süddeutsche Zeitung vermeldet heute: In der Siemens-Schmiergeldaffäre können alle bisland Beschuldigten die Weihnachtsage zu Hause verbringen, auch der Ex-Zentralvorständler Thomas Ganswindt, der am Mittwoch ausgesagt hatte.
Im SZ-Interview kommt gleichzeitig der Siemens-Aufsichtsrat Berthold Huber – als IG-Metall-Vizechef – zu Wort (er hatte zuvor Pierer und Kleinfeld in Schutz genommen): „Die Siemens-Affäre macht mich wütend. Ich sehe das auch als Ergebnis eines rücksichtlosen Kapitalmarktes. Wir sprechen hier von einem Fehler des Systems. Man hat sich des Risikos ausgesetzt, bei der Kontrolle teilweise den Bock zum Gärtner zu machen.“
Die SZ-Interviewer meinen: „In nur drei Wochen entdeckte Siemens [nicht etwa die Staatsanwaltschaft] zuletzt fast eine halbe Milliarde Euro dubioser Zahlungen, die zuvor jahrelang nicht aufgefallen waren. Haben Wirtschaftsprüfer zu lax kontrolliert?“ An dieser Frage stimmt nicht ein Wort!
Huber: „Diese Frage stellen wir uns tatsächlich.“ Auch diese Antwort ist eine Lüge, denn man fragt sich bei Siemens nur: Wo war die undichte Stelle? Und speziell im IG-Metallvorstand weiß man seit mindestens 1974 vom Elektrokartell IEA und der führenden Rolle von Siemens/Osram darin. Von 1991 bis 1994 fanden fast regelmäßig – zumindestens mit der Berliner IG-Metallspitze – Diskussionen über die Verquickung von Treuhand, Siemens und IEA bei verschiedenen angeblich schief gelaufenen Privatisierungen ostdeutscher Elektrogroßbetriebe statt.
Wissenschaftler wie Peter Arnold (Bremen) und Markus Krajewski (Humboldt-Uni) schrieben ihre Doktor- bzw. Magisterarbeit über Kartelle – ersterer über das Wiener Kalikartell und letzterer über das Elektrokartell. Während Arnolds Arbeit in ein Flugblatt gipfelte, das er in Bischofferode vor dem Werkstor verteilte, wo es dann quasi sofort den berühmten Hungerstreik der Kalikumpel auslöste – sie fuhren nach Schichtende gar nicht mehr nach oben!  Floss Krajewskis  Arbeit in das von ihm mit herausgegebene  „Glühbirnenbuch“ ein, edition selene, Wien  2001.  Zuvor hatte Freimut Duve bereits bei Rowohlt-Aktuell ein ganzes Buch über „Die Diktatur der Kartelle“ veröffentlicht.
Im Zusammenhang mit dem Kalikartell und Bischofferode hat die bürgerliche deutsche Presse im übrigen auch schon völlig versagt: Den einzigen (wirklich einzigen) Artikel, der in diesem Zusammenhang Hand und Fuß hatte, schrieb Gregor Gysi im Neuen Deutschland! Sollte und das nicht zu denken geben? Ich denke, nein.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/12/22/siemens-neuigkeiten/

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