vonHelmut Höge 05.01.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Zur Erinnerung: Heiligabend vor zwei Jahren starb Bodo Saggel – “der letzte authentische Haschrebell”, wie die taz einen Nachruf betitelte. Weiter hieß es darin:

“Kam’n rin, hoben die Fäuste und schrien: ,Free Bommi Now!’ ” – Damit war der eingeknastete Bommi Baumann gemeint. “Det war der Blues!”, erklärte Peter Paul Zahl, der zuletzt in Berlin die Anarchozeitung Fizz herausgab.

Der Blues gründete Ende der 60er einen “Zentralrat” – “der umherschweifenden Haschrebellen” genannt -, zu dem Bodo Saggel gehörte: “Mit unserer vom Dope erhellten Intelligenz heckten wir so manche Streiche aus”, schrieb der 1998 in einer Neuauflage seines Buchs “Der Antijurist” über seine Haschrebellenzeit.

Damals propagierten sie unter anderem das “kostenlose Leben” in Berlin – durch Ladendiebstähle etc. – und riefen in Flugblättern alle ähnlich Gesinnten Europas dazu auf, aus der Frontstadt eine einzige “Subkultur” zu machen: “Alle Berliner werden Berlin verlassen! Von uns abgeschreckt in die Provinzen ziehen und letztlich uns Berlin überlassen!” Es kam dann jedoch genau andersrum: Längst haben die letzten Langhaarigen die Stadt verlassen.

Heiligabend 2004 raffte es auch den Unbeugsamen Bodo Saggel hinweg. Er wurde 65 Jahre alt. Sein Freund Günter Langer berichtet im “Partisan.Net”, dass es Saggel in der Kneipe Puttchen plötzlich vom Barhocker gerissen habe.

Bodo Saggel stammte aus Essen, wo er bereits als Jugendlicher Zugang zur kriminellen Szene gefunden und insgesamt 10 Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Wieder draußen, besorgte er sich 1968 erst mal den damals noch linksliberalen Spiegel mit einem Foto von Rudi Dutschke auf dem Cover. Innen drin stand dessen Adresse: das SDS-Haus am Kurfürstendamm in Berlin.

Saggel fuhr sofort hin und wurde der “Ersatzproletarier des SDS”. Und dieser Proletarier bei den sozialistischen Studenten war nicht von Pappe: Erst mal verarbeitete er seine langjährigen Justiz- und Knasterfahrungen zu dem bereits erwähnten Buch “Der Antijurist – oder die Kriminalität der schwarzen Roben”, das er dann mit SDS-Hilfe druckte und selbst verkaufte: meist vor Hochschulen, was jedes Mal mit Agitation und “Hasch-ins” verbunden war. Klaus Eschen vom sozialistischen Anwaltskollektiv hatte ein Vorwort dazu beigesteuert.

1969 warb Saggel für seine Antijuristenkampagne gar mit einem Teach-in im Audimax der TU – und zwar ganz allein. Das war ziemlich beeindruckend. Erst 1996, als er mich bat, wegen des 25 Jahre zuvor von Polizisten erschossenen Georg von Rauch in der taz noch einmal an die Haschrebellen zu erinnern, erfuhr ich, dass er das Teach-in eigentlich zusammen mit Bommi Baumann und Manfred Grashoff bestreiten wollte: “Aber beide erschienen dann nicht, so dass ich alleine über die ,Hure Justiz’ sprechen musste”. Überhaupt hätte der gesamte “Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen” in ein Auto reingepasst. Und das gehörte damals dem Vater von Günter Langer.

Dieser wiederum berichtete zusammen mit Bommi Baumann auf der “SDS-Website” über Bobo Saggel: Er habe damals Freundschaft mit dem alten Genossen Erich Langer geschlossen, “der einen Ein-Mann-Fuhrbetrieb besaß und Hilfe brauchte. Das ungleiche Paar arbeitete jahrelang zusammen: Erich organisierte die Fuhren und Bodo schippte die Kohlen, die Schlacke oder was es sonst gab. Irgendwann hatte Bodo jedoch genug von Berlin. Er zog sich zurück aufs Land, kaufte sich ein Haus in Lüchow-Dannenberg. Jetzt ist er aber wieder in Berlin, in Kreuzberg, quicklebendig wie eh und je.” Das war 1999. Dazwischen bereiste Saggel auch noch – mit dem Verkaufserlös seines Wendland-Hauses – alle fünf Kontinente.

Günter Langer schrieb einen ersten Nachruf. Darin heißt es, dass Bodo Saggel am 3. Februar 2005, auf dem Alten Luisenstädtischen Friedhof am Südstern 10-12 beerdigt wurde, anschließend fand im Puttchen in der Obentrautstraße 70 noch eine kleine Trauerfeier statt. Gisela Richter, die ich dort dann traf, meinte: “Schrecklich diese ganzen Beerdigungen von Freunden, in letzter Zeit komme ich gar nicht mehr runter vom Friedhof.

1996, als Bodo Saggel wieder in Berlin lebte, bat er mich, in der taz an den 25 Jahre zuvor – am 4.12. 1971 – von der Polizei erschossenen Georg von Rauch zu erinnern, der durch seine Ermordung zum berühmtesten “Haschrebellen” geworden war . Da ich Bodo jedoch besser kannte als Georg von Rauch, geriet der Text dann auch danach – was dem bescheidenen Bodo gar nicht gefiel.

Ich schrieb: Der “Blues” franste atmosphärisch um einen “Kern von Unentwegten” aus, wie Andrew Hood, der langjährige Freund der Kommunardin Dorothea Ridder und ein Aktivist der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), die “Haschrebellen” nennt. Er selbst stieß erst nach der Wende – bei seinen Recherchen über den Weddinger Erfinder einer fast unsterblichen Glühbirne, Dieter Binninger (der 1991 während seiner Verhandlungen über den Kauf des Ostberliner Glühlampenwerks Narva mit dem Flugzeug abgestürzt war), – auf den “Blues”, an dem Binninger als Kiffer und Videofreak, aber auch als Erfinder- Unternehmer mit “dranhing”.

Seinen engsten Kontakt hatte Binninger damals wohl zum “Heiligen Steve”, dessen Verbleib im Moment noch unklar ist – er fuhr oft mit seinem VW-Bus nach Ibiza. Hoffentlich ist er nicht mit dem Irren Steve identisch, der vor sechs Jahren bei einem Autounfall in Niedersachsen starb. Näheres wüßte vielleicht “Happy Dieter”, der heute in einer Heiligenkommune am Wannsee lebt, wie Bodo Saggel meinte.

Bodo gehörte zum harten Kern der “Haschrebellen”, zusammen mit Georg von Rauch, Bommi Baumann, Hannibal und Günter Langer. Saggel kam jedoch nicht über den “Blues” in den Knast, sondern umgekehrt: aus dem Knast zum Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) am Kurfürstendamm, wo Jörg Schlotterer ihm dann 1969 sein erstes Buch “Der Antijurist” druckte. Es wurde kürzlich im Karin Kramer Verlag neu veröffentlicht. Auch das 1971er-Pamphlet “Für eine gerechte Verteilung mit der Brechstange” wird Bodo Saggel zugeschrieben. Der Autor wollte jedoch nicht als Schriftsteller enden. Einmal zerschlug er mit einem Hammer die Scheiben des Bonner Bundestages.

Bommi Baumann arbeitet lange an einem dritten Buch – nach: “Wie alles anfing” und “HiHo”, das eigentlich “Mein Herz schlägt für Angelika” heißen sollte – aber bisher noch nicht erschienen ist. Hauptberuflich war er zuletzt Bauleiter eines ABM-gestützten Therapie-Neubaus in Friedrichshain und erbte dann eine derart dicke DDR- Immobilie in Potsdam, daß er sagen konnte: “Dies ist hier jetzt nur noch eine philanthropische Tätigkeit, wegen des Gehaltes mache ich das nicht mehr.” Nun wird er wahrscheinlich in Potsdam sitzen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Bommi erzählt gerne und gut Geschichten – zuletzt schwärmte er bei Alfred Biolek von der Wirkung seiner (neuen) Rauschgiftabstinenz. Die Jungautonomen nehmen ihm bis heute insbesondere sein Spiegel-Interview von vor 20 Jahren übel, in dem er gemeint hatte, Georg von Rauch habe zuerst geschossen. In ihrem Flugblatt zur Vorbereitung von Georg-von-Rauch-Gedenkaktionen am 4. Dezember 2004 – unter dem Titel “Die Glücklichen” (!) – kamen sie noch einmal wieder darauf zurück. Der “Blues” war da weniger nachtragend – bis heute.

Bodo meinte zwar, Georg sei auf “S-Bahn-Peter” (den Spitzel Urbach) reingefallen, gönnte ihm aber seine kleine Ikonisierung. Till Meyer, der halb proletarischer Maoist war und halb im Blues mit drinsteckte, “mit Jimmy Hendrix und Dope und so”, korrigierte ihn jüngst als genauer recherchierender taz- und “Spiegel-TV”-Mitarbeiter: In seinem Buch “Staatsfeind – Erinnerungen” schreibt Meyer, daß sie wegen eines geklauten Transportwagens aufflogen, wobei dann die tödlichen Schüsse fielen.

Urbach wurde schon im Sommer 69 enttarnt, da waren Thomas Weissbecker, Georg von Rauch, Bommi Baumann und Dieter Kunzelmann im Knast, letzterer wegen eines angeblichen Bombenanschlags auf den “Juristenball”. Später schlief Lisbeth Schlotterer einmal mit ihm und verkündete danach: “Dieter ist der beste Mann von ganz Berlin!” Seitdem hat er Schwierigkeiten mit Frauen. Und weil er damals mit seinem Tagebuch verhaftet wurde, hat er auch eine “Konspi-Macke” weg.

“Alle haben Macken – das ist doch Ehrensache”, gibt Alt-SDSler Hans-Dieter Heilmann zu bedenken. Bernd Kramer etwa erzählt gerne politisch nicht korrekte Witze. Wegen eines solchen (“Warum onanieren Taubstumme mit der rechten Hand? Weil sie mit links stöhnen!”) wurde er gerade im neuesten Buch von Jutta Ditfurth zusammen mit “Anzünder- Klaus” als “rechter Anarcho” verortet. Till Meyer wiederum gilt der taz und darüber hinaus als “Stasi- Verräter” – in seinem Buch rechtfertigt er sich politisch.

Auch die wunderbare Inge Viet, die sich weigerte, die Kronzeugenregelung gegen ihre Stasi-Offiziere in Anschlag zu bringen und deswegen bis 1997 im Knast bleiben mußte, veröffentlichte einige Bücher: “Briefe” (an Freundinnen, Christa Wolf etc.), im nächsten Jahr folgen ihre “Erinnerungen”.

Georg von Rauch war ein Professorensohn aus Kiel, der immer nur las und dann Philosophie studierte: “Einmal guckten wir aus dem Fenster im SDS-Haus, da sagte er: ,Früher habe ich das Leben nur so – vom Fenster aus – gesehen. Mein Vater ist ein Arschloch.’ Beim SDS fühlte er sich auf einmal frei und lief barfuß über den Ku’damm”, erinnerte sich Bodo Saggel, der die Freiheit viele Jahre nur durch Knastfenster sah. Der gesamte “Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen” (so ihre politisch-korrekte Bezeichnung) paßte in ein Auto, es gehörte dem Vater von Günter Langer.

Günter heiratete später die einzige Vietnamesin aus dem Blues: Kim. Sie bekam ein Kind, heute leben die beiden getrennt, Günter arbeitet als Computerlehrer in Berlin. Auch Hannibal wollte irgendwann wieder in Berlin “einsteigen”, aber er kippte um – und kam in ein Therapiehaus am Wannsee. Von dort ließ er sich 1995 auf eigene Verantwortung entlassen und fuhr nach Spanien. “Sie waren alle sehr abenteuerlustig – und unbekümmert”, meint Alt-SDSler Peter Rambauseck.

Mich hat besonders beeindruckt, wie Bodo Saggel einmal alleine ein riesiges Teach-in im Audimax der TU bestritt. Jetzt, 27 Jahre später, erzählte er mir jedoch, daß eigentlich drei Leute beteiligt waren: “Manfred Grashoff wollte was über die Bundeswehr-Deserteurs-Kampagne sagen und Bommi Baumann auf der Bühne mit jemandem ficken. Aber beide erschienen nicht, so daß ich alleine – über ,Die Hure Justiz’ – sprechen mußte.”

Zuletzt – 2006 – beschäftigte sich ein Autorenkollektiv, zu dem u.a. Markus Mohr gehörte, mit dem   Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen – im Zusammenhang ihrer quasi wissenschaftlichen Forschung über die damalige Westberliner linke Zeitung “agit 883”. Das Ergebnis wurde dann im Verlag “Assoziation A” veröffentlicht.

Ihrer Meinung nach war der Name der Gruppe ein “Affront gegen die ML-Tendenz”, ich würde eher sagen, es war Ausdruck eines eher kreativen als autoritären Umgangs mit  den Ideen Mao Tse-tungs.  Er ist eine Anspielung auf  ein Kapitel  seines  langen Textes  “Über die Berichtigung falscher Ansichten in der Partei” aus dem Jahre 1929. Das Kapitel heißt:  “Über die Mentalität umherscheifender Rebellenhaufen”. Es sei hier wiedergegeben:

 Da es in der Roten Armee eine große Zahl vagabundierender Elemente gibt und im ganzen Land, besonders in den südlichen Provinzen, große Massen solcher Elemente umherziehen, ist in der Roten Armee die politische Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen entstanden.
Diese Mentalität äußert sich folgendermaßen:
(1) Man ist nicht gewillt, durch mühselige Arbeit Stützpunktgebiete zu schaffen und die politische Macht der Volksmassen zu errichten, um dadurch unseren politischen Einfluß auszudehnen, sondern gedenkt, diesen nur mit den Methoden beweglicher Partisanenoperationen zu erweitern. (2) Bei der Erweiterung der Roten Armee folgt man der Linie der “Rekrutierung von Roß und Reiter” und der “Anwerbung von Überläufern und Aufnahme von Meuterern”, anstatt sich an die Linie einer Erweiterung der regulären Roten Armee über die Erweiterung der örtlichen Roten Garde und der örtlichen Einheiten der Roten Armee zu halten. (3) Man bringt nicht die Geduld auf, gemeinsam mit den Massen den schweren Kampf zu führen,
sondern wünscht in große Städte zu kommen, um dort zu schmausen und zu zechen.
Alle diese Erscheinungsformen der Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen hindern die Rote Armee im höchsten Maße an der Durchführung ihrer richtigen Aufgaben, und deshalb ist die Ausmerzung dieser Mentalität eines der Hauptziele des ideologischen Kampfes innerhalb der Parteiorganisation der Roten Armee. Man muß begreifen, daß die Mentalität solcher aus der Geschichte bekannten im Lande umherziehenden Rebellen wie Huang Tschao [2] oder Li Tschuang [3] in der gegenwärtigen Situation unzulässig ist.
Methoden der Berichtigung:
1. Die Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen durch verstärkte Erziehungsarbeit und durch Kritik falscher Ansichten liquidieren.
2. Unter jenen Truppen, die den Stamm der Roten Armee bilden, sowie unter jenen Gefangenen, die kürzlich in die Rote Armee aufgenommen wurden, die Erziehungsarbeit zur Überwindung der Landstreichermentalität verstärken.
3. Kampferfahrene Aktivisten aus den Reihen der Arbeiter und Bauern in die Rote Armee eingliedern, um deren klassenmäßige Zusammensetzung zu ändern.
4. Aus den Massen der kämpfenden Arbeiter und Bauern neue Truppeneinheiten der Roten Armee aufstellen.

Anmerkungen:

Die vorliegende Schrift ist ein Resolutionsentwurf, den Genosse Mao Tse-tung für den 9. Parteitag des 4. Korps der Roten Armee ausgearbeitet hat. Die Armee des chinesischen Volkes hat bei ihrem Aufbau einen schwierigen Weg zurückgelegt. Die chinesische Rote Armee (in der Periode des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression Achte Route-Armee und Neue Vierte Armee, heute Volksbefreiungsarmee genannt) wurde am 1. August 1927 während des Nantschang-Aufstandes gegründet. Im Dezember 1929 waren seither mehr als zwei Jahre vergangen. Während dieser zeit hatten die Parteiorganisationen der Roten Armee im Kampf gegen verschiedene falsche Ansichten vieles gelernt und ziemlich reiche Erfahrungen gesammelt. In der von Genossen Mao Tse-tung ausgearbeiteten Resolution sind diese Erfahrungen zusammengefaßt. Diese Resolution trug dazu bei, die Rote Armee völlig auf eine marxistisch-leninistische Grundlage zu stellen und den Einfluß aller Armeen alten Typs zu beseitigen. Die Resolution wurde nicht nur in dem 4. Korps, sondern nach und nach auch in den anderen Einheiten der Roten Armee in die Tat umgesetzt; dadurch verwandelte sich die gesamte chinesische Rote Armee in jeder Hinsicht in eine wahre Volksarmee. In mehr als 20 Jahren erfuhr sowohl die Parteiarbeit als auch die politische Arbeit in den Einheiten der bewaffneten Kräfte des chinesischen Volkes eine breite Entfaltung, wobei viel Neues geschaffen wurde, so daß diese Arbeit heute ein völlig neues Gepräge hat, aber die Grundlinie bleibt dieselbe, wie sie in dieser Resolution festgelegt wurde.

2. Huang Tschao, aus Yüandjü, Bezirk Tsaodschou (heute Kreis Hodsö, Provinz Schantung), gebürtig, war Führer eines Bauernaufstands gegen Ende der Tang-Dynastie (618-907). Im Jahre 87f sammelte Huang Tschao das Volk um sich und schloß sich dem Aufstand unter Führung Wang Hsiän-dschis an. Nachdem Wang Hsiän-dschi getötet worden war, vereinigte Huang Tschao die Reste von dessen Truppen mit seinen eigenen Streitkräften und ließ sich zum “großen Feldherrn, der den Himmel stürmt”, ausrufen. Zweimal zog er mit seinen aufständischen Truppen weit über die Grenzen der Provinz Schantung hinaus. Im ersten Feldzug wandte sich Huang Tschao aus seiner Heimatprovinz erst nach Honan, dann nach Anhui und Hupeh, von wo er nach Schantung zurückkehrte. Der zweite Feldzug brachte ihn von Schantung über Honan nach Kiangsi, von wo er durch Osttschekiang in die Provinzen Fukien und Kuangtung einrückte; von da aus ging er über Kuangsi und Hunan nach der Provinz Hupeh weiter, von wo er sich dann ostwärts, nach den Provinzen Anhui, Tschekiang usw. wandte. Danach überquerte er den Huai-Fluß, rückte in Honan ein, besetzte die Stadt Loyang, erstürmte den Paß von Tungguan und nahm schließlich die Stadt Tschang-an (das heutige Sian, Provinz Schensi) ein. Nach der Eroberung der Stadt Tschang-an gründete er den Staat Tji und ließ sich zum Kaiser ausrufen. Später mußte Huang Tschao infolge innerer Zwistigkeiten (sein Feldherr Dschu Wen ergab sich dem Tang-Kaiser) und infolge der Angriffe der Truppen Li Kö-yungs, des Führers des Schatuo-Stammes, Tschang-an aufgeben; über Honan kehrte er nach Schantung zurück. Nach seiner Niederlage machte Huang Tschao seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Der Krieg, der Huang Tschao zehn Jahre lang führte, ist einer der bekanntesten Bauernkriege in der Geschichte Chinas. In den offiziellen Chroniken der alten herrschenden Klassen heißt es von Huang Tschao, daß damals “alle Menschen, die unter den drückenden Abgaben litten, ihm zuströmten”. Huang Tschao beschränkte sich jedoch auf eine bewegliche Kriegführung und schuf keine mehr oder minder festen Stützpunktgebiete. Seine Aufständischen wurden daher als “umherschweifende Rebellen” bezeichnet.

3) Li Tschuang, auch Li Dsi-tscheng genannt, der aus dem Kreis Midschi, Provinz Schensi, stammte, war Führer eines Bauernaufstands gegen Ende der Ming-Dynastie (1363-l644). Im Jahre l628 ging eine Welle von Bauernaufständen durch Nordschensi, Li Dsi-tscheng schloß sich den Aufständischen unter Gao Ying-hsiang an, zog von Schensi über Honan nach Anhui und kehrte von dort nach Schensi zurück. Gac Ying-hsiang starb 1636, und Li Dsi-tscheng wurde dann unter dem Namen Tschuang zum König ausgerufen. Eine wichtige Losung, mit der sich Li Dsi-tscheng an das Volk wandte, war: “Wer für König Tschuang ist, leistet keine Abgaben.” Li Dsi-tscheng hielt in seiner Armee eine strenge Disziplin aufrecht. Sein Motto war: “Wer einen Mann tötet, wird wie der Mörder meines eigenen Vaters behandelt. Wird eine Frau vergewaltigt, so ist, das, als hätte man meine Mutter vergewaltigt.” Li Dsi-tscheng hatte daher sehr viele Anhänger, und seine Bewegung bildete die Hauptströmung der Bauernaufstände der damaligen Zeit. Aber auch er schuf keine mehr oder minder festen Stützpunktgebiete und zog unstet von Ort zu Ort. Nachdem er zurr König ausgerufen worden war, führte er seine Truppen in die Provinz Szetschuan, wandte sich von dort nach Südschensi, durchquerte sodann Hupeh und rückte abernah in Honan ein. Bald darauf besetzte er die Stadt Hsiangyang in der Provinz Hupel und kehrte über Honan erneut nach Schensi zurück, wo er Sian einnahm. Im Jahre l644 durchzog er die Provinz Schansi und eroberte Peking, wurde aber bald darauf von den vereinten Kräften Wu San-guis, eines Feldherrn der Ming-Dynastie, und dei Tjing-Truppen geschlagen.

Bommi Baumann schreibt dazu – in “Wie alles anfing” (1976)

W’ir haben dann angefangen, diesem ganzen losen Haufen einen Namen zu geben. Das war der “Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen”. Wir haben gesagt, wir nehmen Dope, das ist eine wichtige Sache. Und Rebellen, klar, waren wir eh, und Zentralrat war einfach eine Ironie auf die damaligen Politzirkel, weil sich alle Zentralrat nannten. Es gab also schon wieder mal 1000 Zentralräte, das war einfach schwer ironisch, die Bezeichnung.

Die theoretische Grundlage war Mao “Über die Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen”; aus den sogenannten Räuberbanden hatte er zusammen mit Tschu-Te die ersten Kader der Roten Armee gebaut und wir haben die Tendenz davon aufgegriffen, indem wir unsere Agitation so ausgerichtet haben, daß bei den teilweise noch unpolitischen Turnern ein Bewußtwerden ihrer Lage entstand. Das war die Basisarbeit, die wir gemacht haben.

Für die Wielandkommune und die K I, wir haben immer zusammengearbeitet, lag da die politische Theorie drinnen, daß man über dieses sogenannte Lumpenproletariat die ersten Kader der Stadtguerilla bildet. Sich nicht in einer Gruppe in irgend’ne Wohnung zuriickzieht, sondern bewußt den Schritt nach außen macht, mit diesen ganzen Leuten lebt, die ewig kriminalisiert sind, die auch in der Protesthaltung waren, die das gleiche Bewußtsein haben, bloß von einer anderen Ebene her gewonnen. Da waren Leute bei, die hatten ihre Politerfahrungen genauso wie ich gewonnen. Da war nicht so ein Bruch zwischen Schichten und Klassen und dergleichen, das hat alles sehr gut zusammengepaßt.

Wir haben denn angefangen, daß wir nicht abstrakt gesagt haben, du mußt jetzt in der Stadtguerilla kämpfen, sondern wir müssen eine Analyse machen und die Probleme da aufgreifen und verschärfen, wo sie für die Leute konkret sind Tag für Tag, die tägliche Konfrontation mit der Polizei.

Bei der Studentenrevolte am Anfang lief ja die Geschichte über eine Imperialismus-Analyse, und hier haben wir es schon auf ganz konkrete Lebensverhältnisse von Leuten umgesetzt. Da war die Theorie, der Imperialismus muß auch gleichzeitig in den Metropolen mit bekämpft werden. Das war die ausschlaggebene Theorie, daß gekämpft wird oder überhaupt Guerilla gemacht wird, abgesehen von allen anderen Erfahrungen, die man gewonnen hat, und gleichzeitig mußt du den Kampf eben auch umsetzen auf die konkreten Verhältnisse. Man kämpft nicht, weil in Vietnam gekämpft wird, das kannst du von niemanden verlangen, ist reiner Blödsinn. Andere haben es versucht mit den Rockern und wir haben es auf die Art gemacht.

Ganz bestimmte Dealertypen haben wir nicht gerne gesehen, die einfach nur Kohle gemacht haben oder so. Aber wir haben auch selber gedealt, von il.gendetwas mußt du ja leben; wir haben zich Leute gekannt, an die wir Shit verkauft haben, das war ja das einzige, was wir überhaupt noch hatten. Du hast richtig mit und von der Droge gelebt.

Bei Wikidepida heißt es unter dem Stichwort “Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen”:

Zentralrat der umherschweifenden (zuweilen fälschlich: herumschweifenden) Haschrebellen, auch kurz: Haschrebellen oder umherschweifende Haschrebellen, war eine hauptsächlich im Jahr 1969 verwendete Eigenbezeichnung für die erste Entwicklungsphase einer Stadtguerilla-Gruppe in West-Berlin. Bekannt werden sollte diese später vor allem unter dem Namen Tupamaros West-Berlin. Die Haschrebellen profilierten sich durch ihre Unterstützung zunehmend radikaler Protest- und Aktionsformen gegen den deutschen Staat bzw. den West-Berliner Senat und seine Repräsentanten (vor allem aus Polizei und Justiz).

Zusammen mit den Tupamaros und den Schwarzen Ratten gehörten die Haschrebellen zu einer auch als Berliner Blues bezeichneten Untergrundbewegung, die aus der Hasch-Szene der Stadt hervorgegangen war. Diese war eher anarchistisch als politisch-ideologisch orientiert, ihre Proteste richteten sich ursprünglich hauptsächlich gegen die restriktive Drogenpolitik des Berliner Senats und die zahlreichen Rauschgiftrazzien in Szenekneipen. Die einzelnen, zumeist lose formierten Gruppen des “Blues” sind jedoch nicht – wie es gelegentlich geschieht [1] – streng voneinander zu unterscheiden, handelt es sich doch eher um wechselhafte Bezeichnungen für mehr oder weniger den gleichen, lockeren Kreis von Personen. Ab November 1969 setzte sich in selbigem zwar die auf eine ausgeweitete politische Programmatik und spektakulärere Aktionen hindeutende Eigenbenennung Tupamaros West-Berlin durch, dennoch war weiterhin auch von den Haschrebellen die Rede. Insbesondere durch ihre zunehmend aggressive Rhetorik, ihren Antizionismus und ihre Legitimierung und Anwendung von Gewalt bei Anschlägen mit Brand- oder Sprengsätzen oder bei Schusswaffengebrauch wurden die Gruppierungen des “Blues” dabei zu einer wichtigen Übergangserscheinung zwischen den Protesten der Außerparlamentarischen Opposition und den terroristischen Aktivitäten der Rote Armee Fraktion und der Bewegung 2. Juni.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/01/05/umherschweifende-rebellenhaufen/

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kommentare

  • Zu Dorothea Ridder schrieb ich neulich in der taz noch in einer Kolumne was, wobei die Redaktion ihren Namen jedoch abkürzte:

    “Aufheben-Fallenlassen-Zusammenkehren” (Joseph Beuys
    in Neukölln 1972)

    Am 1. Januar 2007 feierte die “Kommune I” laut dem Internetlexikon Wikipedia ihr 40-jähriges Jubiläum – das heißt nicht die Kommune selbst, sondern das deutsche Feuilleton, deren Redakteure schon seit Anfang 2006 mit den Hufen scharren. Gleich mehrere Fernseh-Sender nahmen Uschi Obermaier unter Vertrag, und die Zeitschrift Stern schaffte es, alle lebenden Kommunarden noch einmal – für 1.000 Euro pro Person – auf einem Berliner Friedhof an den Gräbern der inzwischen verstorbenen zu einem Gruppenfoto zu versammeln.

    Die taz, die immerhin einst den Kommunetisch erbte (der ihr dann zwei Mal von Autonomen geklaut und schließlich verbrannt wurde), hatte zu ihrem eigenen 20. Jubiläum einen wunderbaren Text der Kommunardin Dorothea R. in einer Sonderausgabe eingeplant – der dann jedoch im letzten Moment durch einen völlig inhaltsleeren der grünen Renegatin Antje Vollmer ausgetauscht wurde. Und nicht nur das: R.s Text ging auch für immer verloren!

    Die Ärztin Dorothea R. ist jedoch bis heute kommunardisch gestimmt. Ihr Text handelte zunächst von ihrem Job in einem Wilmersdorfer Bordell. Sie wohnte damals noch zusammen mit Rudi Dutschke im SDS-Zentrum am Kurfürstendamm. Der Frühaufsteher Dutschke saß immer schon am Frühstückstisch, wenn sie von der Arbeit kam. Gelegentlich verscheuchte er allzu anhängliche Freier, die ihr bis ins SDS-Zentrum gefolgt waren.

    Der Ausschluss der Kommunarden aus dem SDS sowie auch dessen Selbstauflösung selbst erfolgten später. Dieser ging quasi in der internationalen Bewegung auf – und unter -, die sich wie eine Epidemie globalisierte, bis in den Ostblock hinein. Aber die Ansteckung ließ irgendwann nach. Heute sind die meisten jungen Menschen immunisiert gegen antiautoritäre Erreger.

    Dafür, und damit das so bleibt, wird nun die ganze Geschichte von oben umgedeutet. Während der heutige taz-Autor Christian Semler auf die Frage des SDSlers Peter Rambauseck, wie er sich den dogmatisch-erregten Maoismus (mit anschließender Parteigründung, deren Vorsitzender er dann wurde) erklären würde, noch antwortete: “Das ist mir rätselhaft”, hauen die Renegaten des Hamburger Reemtsma-Instituts eine “Aufarbeitung” der Studentenbewegung nach der anderen raus. Allein die letzte, gerade zu Weihnachten erschienene Publikation über die RAF wiegt mit Schuber drei Kilo.

    Daneben nimmt sich die kritische Gesamtausgabe des damaligen zentralen Straßenorgans agit 883 inklusive CD mit höchstens 500 Gramm bescheiden aus. Der besonders in Berlin verehrte Autonome Markus Mohr stellte es mit einigen anderen Genossen zusammen. Zwar ist auch dieses Buch noch allzu politisch korrekt ausgefallen. Aber immerhin handelte sich Mohr während der Arbeit daran einige Monate lang ein Hausverbot im Reemtsma-Institut ein, das inzwischen einen großen Teil des “Nachlasses” der Studentenbewegung verwaltet.

    Die heutige 883, die zuletzt von den Anarchisten Bernd Kramer, Hans-Jörg Viesel und Thomas Knauf herausgegeben wurde, heißt interim. Sie versucht allerdings nicht mehr, die auseinanderdriftenden Teile der linken Bewegung zusammenzudeckeln, sondern sammelt nunmehr die letzten Reste beziehungsweise die ersten Neuanfänge ein. Aber noch immer reicht das Spektrum von Knast- und Flüchtlingsinitiativen bis hin zu militanten Gruppen (nun “mgs” genannt). Gleichfalls versucht man einen in der Bewegung aufgehenden Journalismus hinzukriegen – schon allein, um der politischen Polizei sowie dem staatsanwaltlichen Vorwurf der kriminellen Vereinigung zu entkommen. Während die taz im Rudi-Dutschke-Haus umgekehrt der Anonymisierung entgegenwirkt – durch “Professionalisierung”.

    In den 70er-Jahren ging es – nach einer von Joschka Fischer aus dem Amerikanischen übersetzten chinesischen Harvard-Dissertation – noch um die “Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit”. Die Fragmentierung des Alltags, der die Kommune 1 mit der Überwindung der Trennung von politischer Aktion und privatem Leben entgegentrat, geht heute aber noch weiter, hin zur Simulierung aller Lebensbereiche. Immerhin ist inzwischen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland der propagierte Staatssozialismus dort und der basisbewegte Terrorismus hier einer gewissen Nachgiebigkeit gewichen: Hüben wie drüben weiß man nicht mehr so recht, wie es weitergehen soll – obwohl oder gerade weil schier überall die Kacke am Dampfen ist.

  • Lieber H.Höge,
    ich hatte längst befürchtet, dass du dein Gehirn völlig verkifft hast. Sehe aber jetzt, dass es weit schlimmer
    sein muss, als befürchtet.
    Dieser Text ist mit den Spätschäden keiner Droge der Welt zu erklären. Hier muss irgendwas völlig neuartiges im Spiel
    sein.
    In schwerer Besorgnis
    B.K.

  • „Ganz bestimmte Dealertypen haben wir nicht gerne gesehen, die einfach nur Kohle gemacht haben oder so. Aber wir haben auch selber gedealt, von irgendetwas mußt du ja leben; wir haben zig Leute gekannt, an die wir Shit verkauft haben, das war ja das einzige, was wir überhaupt noch hatten. Du hast richtig mit und von der Droge gelebt.“ So Bommi Baumann, in seinem Buch „Wie alles anfing“ (S.57) über die „gute Zeit“ vom Sommer 1969 bis Anfang 1970.

    Richtig der “Zentralrat” war eine Dealerorganisation. Doch so beschönigend, wie Baumann dies darstellt: „Da hat sich dann die 883, diese Undergroundzeitung gebildet und wir sind denn sofort da mit eingestiegen und haben jede Woche mit Artikel drin veröffentlicht.“ (Baumann S. 55, Text wie im Original). verhielt es sich damals – 1969 – nicht. Der Firmenname sollte zwar ein Verächtlichmachen der überwiegend studentischen Versuche eine proletarisch-revolutionäre Politik zu entfalten darstellen, aber die 1969 als fliegende Händler durchgezogenen zwei drei spektakulären Aktionen (Smoke-In., Knastcamp Ebrach, Steine auf die Bullen), brachten den Baumann und Co. nur den Vorwurf ein, “konterrevolutionäre schwarze Ratten” zu sein. Die “Haschrebellen” konterkarierten den Vorwurf, in den sie nun als “Schwarze Ratten Tupamaros Westberlin (TW)” auftraten.

    In der Agit 883, die Baumann bewußt irreführend wie das Zentralorgan der Haschrebellen behandelt, erschienen zwischen Juli 1969 bis Dezember 1969 etliche Artikel, die aus unterschiedlichen Richtungen den “Zentralrat” als kleinbürgerliche Dealertruppe angriffen. In der Nr. 41 der 883 vom 20.11.1969 teilte schließlich die Redaktion gerade auch wegen des irren Anschlags auf das jüdische Gemeindehaus mit, sie werde keine Texte von dieser Gruppierung mehr veröffentlichen.

    Der “Zentralrat” war freilich auch mehr als nur eine Dealerorganisation. Politisch-ideologisch betrachtet war er eine anarchistische Gruppierung, die dem gewöhnlichen Terror aufklärende Wirkung (“Propaganda der Tat”) beimaß. Sie zog solche Leute an, die sich im tiefen Widerspruch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen empfanden, doch gleichzeitig verbindliche Formen der politischen Organisierung vehement ablehnten. Alles, was mit proletarischen Lebensbedingungen im Kontext von Lohnarbeit und Klassenkampf zu tun hatte, war ihnen in ihrer individuellen Eskapade zutiefst zuwider.

    Zum Weiterlesen siehe: High sein, frei sein, Terror muss dabei sein!!
    http://www.trend.infopartisan.net

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