Nicht nur im Internet und in den blogs hier, auch im Intranet der taz fragt man verwundert: Darf Wiglaf Droste wirklich nicht mehr in der taz schreiben? Der Redakteur der Wahrheitsseite zumindest will keine Texte von Wiglaf Droste mehr auf seiner Seite abdrucken.
Hintergrund ist nicht wie in der Vergangenheit ein für das taz-empfinden allzu scharfer oder polemischer oder jemand wohlmöglich persönlich verletzender Artikel von ihm, sondern fast das Gegenteil: In den letzten Jahren hatte er oft und gerne von einem Landhaus nahe Vorpommern berichtet und dabei immer mal wieder seine „Liebste“ erwähnt. Aber dann hieß es, die beiden hätten sich getrennt. Dafür sprach nicht zuletzt, dass die darauffolgenden Kolumnen von Droste plötzlich twas anderes thematisierten. Sie waren so etwas wie Ausdruck eines posttraumatisches Syndroms.
Der Wahrheitsredakteur wollte damit jedenfalls nichts zu tun haben – als Text. Als Aushilfshausmeister kann ich ihm interimsmäßig nur diesen blog hier zur Verfügung stellen.
Etwas anders liegt der Fall beim Vorwurf eines Französischübersetzers und Le-Monde-Diplomatique-Lesers, der nach Lektüre zweier LMD-Nummern – der deutschen und der französischen Ausgabe – zu der Überzeugung kam, dass die der taz assoziierte Redaktion der deutschen LMD wiederholt bei ihrer Übersetzungsarbeit zensurmäßig vorgegangen war.
Und wieder anderer „Zensurfall bei der taz“ wurde gerade von der Zeitschrift „Contraste“ in ihrem Januarheft aufgegriffen: Im Wesentlichen geht es dabei um eine taz-Anzeige des Energie-Konzerns EnBW, in dem anläßlich des 30jährigen Bestehens der AKW Neckarwestheim davon die Rede ist, dass es sich dabei um „30 Jahre Klimaschutz“ handelt. Das ist natürlich starker Tobak – als Anzeige – ausgerechnet für eine Zeitung, die wie keine andere von und für die AKW-Bewegung lebte. Ich erinnere nur an Ute Scheub, die z.B. täglich – täglich! – vom „Lesbencamp in Gorleben“, und dann auch im Zusammenhang der Friedensbewegung – aus „Mutlangen“ – berichtete.
Die taz-anzeigenabteilung reagierte auf den wegen der EnBW-Anzeige entsetzen Brief von Marianne Bäumler mit ebenfalls einem Brief, in dem insbesondere die Wichtigkeit von Werbeanzeigen, die 20-25% der Einnahmen des Alternativprojekts inzwischen ausmachen würden, betont wurde.
Die Antwort befriedigte zwar Marianne Bäumler mitnichten, aber in der Tat geht es in der taz um Arbeitsplätze (250 in etwa). Und der (freiberufliche) Ressortfinanz-Controller empfand in diesem „Projekt-Zusammenhang“ gerade gestern die Weigerung der Sportredaktion, über Formel-1-Rennen zu berichten, schier verstockt.
Am Ende stehen alle hier erwähnten „Zensur-Fälle“ in einem inneren Zusammenhang, wie man so schön sagt.
Die „Contraste“-Redaktion richtete dazu bereits einen Aufruf an ihre „Mitstreiter“, der mit der klassischen Frage beginnt:
„Was tun?“ – diese Frage stellt sich für die Zukunft, denn in einem fast lautlos schleichenden Prozess werden die Grenzen auch von Seiten der taz verschoben. Das Klima – nicht nur meteorologisch – des politisch Zumutbaren verändert sich kaum spürbar, aber folgenschwer. So, als ob – weil bei uns bisher kein größerer Störfall bekannt wurde – die Gefahr der todbringenden Strahlen sich irgendwie aufgelöst hätte, nach dem Motto „Aus dem Auge, aus dem Sinn“, werden wir allüberall medial beschwichtigt, als naive Tagträumer denunziert, die sich dem Fortschritt „immer noch“ pubertär in den Weg stellen.
Ich finde diesen Prozess des Verfalls öffentlicher Wahrnehmung von Gefahren durch eine nach wie vor totalitäre Monster-Technologie in der Tat verhängnisvoll. Robert Jungk sagte in den Achtzigern: „Es gibt keine friedliche Atomenergie.“ Warten wir nicht auf bessere Zeiten, sondern bemühen wir uns um eine souveräne Gegenöffentlichkeit! Fordern wir die taz heraus. Ihr und also unser Erfolg lag in frecher Basis-Demokratie. Also – back to the roots, der Widerstand von Unten ist wieder gefragt! Bitte schreibt uns eure Vorschläge.
P.S.: In ihrer taz-kritik erwähnte die „Contraste“ auch noch eine Unregelmäßigkeit bei der Mailing-Liste für die taz-genossenschaftler – diesen „taz-Zensurfall“ habe ich jedoch nicht zusammenfassen können, weil ich ihn nicht verstanden habe, ich bin aber auch kein Mitglied der taz-genossenschaft, die eher was für junge reiche Erben aus Süddeutschland ist als für Selbständige, die strebend sich bemühen, ständig auf Sozialhilfeniveau zu bleiben. Natürlich hätte ich die Geno-abteilung im Ersten Stock fragen können, aber das wären in diesem Fall ja die von der „Contraste“-Redaktion gerade Angegriffenen gewesen.
Ohne diesem Streitausgang vorzugreifen möchte ich jedoch zu bedenken geben, dass jede Bewegung sich ihr eigenes Medium schaffen muß, und dass dieses sich dann – ebenso wie die Grünen oder irgendeine andere Arschpartei bzw. -gewerkschaft – verselbständigt. Die tazler denken heute – wahrscheinlich mit satter Mehrheit – an Schöner Wohnen, Lieben, Kinderkriegen, Landhausleben, mit gesunden Lebensmitteln in gesunder Luft – bis in die Mountainbikereifen und und und…Dazu gehört Arbeitsplatz- und Lohnsicherheit, Inflationsausgleich und der zweimalige Jahresurlaub zum Streßabbau…Deswegen sind die „Menschenrechte“ auch so wichtig geworden.
Dazu gehört auch das Recht, etwas zu verbummfiedeln oder zu vergeigen – und sei es durch mangelnde Reife bzw. Veralberung. Die taz-arbeitsplätze sind zugleich – fast zur Hälfte – Ausbildungsplätze. Früher Durchlauferhitzer heute Praktikumsanlaufstelle – in gleich mehreren Variationen bis hin zu einem sogenannten „Creative Village“, was sich schon wie eine halbe Karriereleiter auf einmal anhört.
Heute will jeder Teenager mit Abitur in die Medien. MTV hat so viel ich weiß 14.000 Bewerbungen wegen Praktikum vom letzten Abiturausstoß bekommen. Auch die taz hat schon einjährige Wartezeiten. Wir leben nun in einer Informations- und Mediengesellschaft, so wird gesagt. Daraus folgt wahrscheinlich zwingend, dass jede ernsthafte soziale Bewegung künftig die Medien wie die Pest meiden sollte. So viel zu der Frage „Was tun?“
Lieber Herr Bauer,
Ihr anmaßender Tonfall („also noch mal langsam zum Mitdenken“)erübrigt eigentlich jeden weiteren Kommentar. Sie sind wohl einer von jenen Altvorderen, die immer noch meinen, wenn andere nur (so wie Sie) denken würden, kämen sie zu den gleichen Ergebnissen wie Sie selber. Eine Form altlinken Denkimperialismus, so was hat in der Geschichte der Menschheit schon zu üblen Folgen geführt.
Jetzt habe ich eine schlechte Nachricht für Sie: So verhält sich die Sache mit dem Denken nicht. Traurig für Sie, kann ich verstehen. Aber lernen Sie mal, dieser fundamentalen Tatasache über die Natur des Menschen und seines Verstandes ins Auge zu blicken.
Ärgern Sie sich nicht über die taz, die geht glücklicherweise andere Wege als die Contraste.
Ich bezweifle, das es Ihnen wirklich um die Sache geht, eher darum, ihrer Lust an der Empörung zu frönen. Das mag früher mal ganz witzig gewesen sein, aber heute…
Ein Tip am Schluss:
Sag ja, sag total ja zum Leben!
Osho