Mit dieser Umdrehung auf Amerikanisch ist gemeint, dass es bei jedem der ans Licht gekommenen zig Siemens-Korruptionsfälle in den letzten Jahrzehnten so war, dass damit in irgendeiner Weise befaßte Siemens-Mitarbeiter zuvor versucht hatten, diese von oben durchgesetzte und seit fast 100 Jahren über die IEA institutionalisierte „Praxis“ anzuprangern, sich ihr zu widersetzen oder mindestens im Nachhinein zu stoppen (zuletzt z.B. beim Moskauer Medizintechnik-Deal und in Norwegen) – immer vergeblich. Von der Konzernleitung aus wurde dagegen versucht, all diese Fälle als Fehlverhalten einiger weniger Untergebener hinzustellen, wobei man versicherte, man werde gegen diese „schwarzen Schafe“ hart vorgehen – und es werde nicht wieder vorkommen. Diese Strategie war bisher immer erfolgreich gewesen, wobei die ganzen deutschen Kopflanger in Politik und Medien nur allzu gern mitgespielt hatten. Und das ist auch im jetzigen 420-Millionen-Euro-Korruptionsskandal der Fall. So kann der Siemenschef Kleinfeld z.B. heute – rechtzeitig vor dem Aktionärstreffen – im Spiegel nahezu unwidersprochen behaupten – (laut Spiegel-online-Zusammenfassung):
Kleinfeld sagte in einem SPIEGEL-Interview mit Blick auf die Korruptionsaffäre, er wisse gegenwärtig „weder, wie tief dieser Sumpf ist, noch wie weit er reicht“, doch werde er auf vollständige Aufklärung dringen. Die anstehenden internen Prüfungen sehe er auch als Chance, „aus diesem Prozess als Unternehmen hervorzugehen, das in spätestens drei bis fünf Jahren für weltweit mustergültige Transparenz und Kontrolle stehen wird“. Bei der Hauptversammlung des Konzerns erhoffe er sich einen „fairen“ Empfang. Man werde „über viel Licht und leider auch viel Schatten“ reden müssen.
Laut „Focus“ ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen 60 Beschuldigte – d.h. auch der Staat ist daran interessiert, die fortdauernde Existenz eines „Siemens-Systems“ zu leugnen und stattdessen das „Fehlverhalten“ einzelner (leitender) Mitarbeiter dingfest zu machen und aus dem Konzern gewissermaßen herauszupräparieren. Nicht um „Aufklärung“ geht es also dabei, sondern um „chirurgische Feinarbeit“ mit polizeilichen Mitteln im Interesse der deutschen Wirtschaft.
Noch mehr von Antiaufklärung beseelt ist nur noch der interne „Prüfungsausschuß, der bei Siemens die Buchführung unter die Lupe nehmen soll“ (FAS) – zu seinem „Leiter“ wurde der Multimanager Gerhard Cromme berufen.
Cromme ist Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate-Governance-Kodex und damit aktuell maßgeblich am Umbau des deutschen Gesellschafts– und Kapitalmarktrechts beteiligt.
Unter der Überschrift „Die Gespräche mit den Politikern fangen an, Früchte zu zeigen“, druckte die taz am 9.4.88 Auszüge aus Protokollen von Telefonaten, die Krupp-Stahl-Chef Gerhard Cromme mit Thyssen-Stahl-Chef H. Kriwet und Krupp-Stahl-Arbeitsdirektor K. Meyerwisch führte:
Gespräch zwischen Gerhard Cromme (Krupp) und Heinz Kriwet (Thyssen) am Nachmittag des 8.1.1988. Cromme schildert die Situation in Rheinhausen und sagt dann wörtlich: „Die Presse trifft das, wie das wirklich im Kern abläuft, schon nicht mehr richtig. Das bröckelt jetzt doch massiv ab. …Also, die Leute wollen arbeiten, vor allem, nachdem wir jetzt ganz knochenhart die Gefahren – also wer nicht da ist, kriegt nichts, was das auch immer für Gründe waren. Und zum zweiten haben wir den Bochumern offiziell zugesagt, ihr kriegt die Brammen (Rohstahlblöcke,d.R.), ganz egal wo sie herkommen – und das führt jetzt alles doch dazu, daß die Dinge jetzt weiterlaufen…. Letztlich – und damit sind wir bei dem Grund, weshalb ich Sie anrufe – weil Sie sehen, daß die Gespräche, die auch höheren Orts mit den Politikern, Beispiel Jochimsen (NRW-Wirtschaftsminister, d.R.) und so, im Grunde anfangen, Früchte zu zeigen, selbst wenn sie im Detail manchmal dann nicht richtig wiedergegeben werden. Jetzt diese Sache Massenentlassungen, da war bei uns die Überlegung, das ist ja mal wieder absoluter Unsinn, sollten wir zu dritt (Mannesmann, Krupp, Thyssen, d.R.) noch mal aktiv werden und einfach noch mal wieder sagen, daß so etwas nie gewollt worden ist. Kriwet: Herr Cromme, das Interview von Jochimsen (Der hatte gegenüber der Rheinischen Post den geplanten Versuch als „in der Sache vernünftig“ dargestellt d.R.) hat ja zwei Seiten. Die eine Seite ist, er hat am Anfang gesagt, diese Zusammenarbeit ist vernünftig. Cromme: Ja, wofür er tüchtig Prügel zur Zeit kriegt. Kriwet: Ja, ja, und dann hat er den Unsinn mit den Massenentlassungen gesagt (laut Rheinischer Post sprach Jochimsen von „plötzlicher Ankündigung von Massenentlassungen“, d.R.), und ich frage mich – wir könnten ihn ja nur frontal angehen, dann müßten wir allerdings auch Herrn Vogel frontal angehen, der das ja auch erklärt hat; dazu sind wir im Prinzip selbstverständlich bereit – und ich frage mich, nachdem Herr Jochimsen so weit gegangen ist und gesagt hat, ich betrachte das als vernünftig, ob wir ihn jetzt wegen der Massenentlassungen angehen. Cromme: …Ja gut, ich neige fast dazu, nachdem er jetzt ja doch viel goodwill gezeigt hat und letztlich ja auch uns was auf die Finger geben mußte, damit er überhaupt noch das andere sagen konnte…Der ist heute nachmittag in Rheinhausen, und die IG-Metall und die Betriebsräte laufen schon Sturm… Kriwet: … in der Situation neige ich eher dazu, ihn zu schonen. Cromme: Ja, einverstanden. Völlig klar. Gut, dann ist es so. Wir waren gestern abend im Kabinett, also der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister mit seinem Staatssekretär, der Fraktionsvorsitzende Farthmann und Heinemann und… Kriwet: Sie als Krupp-Vorstand? Cromme: Und Mannesmann. Wir waren zusammen da und haben das alles noch mal episch dargelegt und gesagt, das muß gemacht werden und das wird gemacht, und die Meinung war dort – aber so können wir es natürlich nicht bringen – ja macht es möglichst schnell, denn dann ist das Thema gelöst usw., und der Krach ist weg. Auf der anderen Seite – einverstanden – es gibt ja gewisse Ablaufschemen, und da haben wir auch drüber gesprochen, und die muß man auch berücksichtigen, und außerdem, wenn es denn hinterher schief geht, und es alles wieder hochgespült wird, den Schaden haben wir und nicht an dere. Und wir müssen natürlich höllisch aufpassen, daß wir da nicht jetzt unter die Räder kommen. Das tun wir auch und haben da auch ganz gute Ideen und Ansätze. „Den Krings auch noch bearbeiten“ Gespräch zwischen Gerhard Cromme und dem Arbeitsdirektor der Krupp-Stahl AG, Karl Meyerwisch, ebenfalls am Nachmittag des 8.Januar. Cromme: Herr Meyerwisch, wie sieht es in Rheinhausen aus? Wie beurteilen Sie die Situation, was heute da alles gelaufen ist? Wie schätzen Sie das ein, was sagen Ihre Leute? Meyerwisch: Auf der Mittagsschicht ist die Produktion wieder aufgenommen worden….Bei dem Besuch von Heinemann und Jochimsen sind lediglich 80-100 Leute unten vor der Verwaltung gewesen, es war auch nichts Größeres geplant… Cromme: … Ganz egal wer, wir müssen Tag und Nacht für Gespräche – gerade wir beide – zur Verfügung stehen… Nach jedem Gespräch bleibt was hängen. Und ich sag Ihnen, das, was der Jochimsen in der Rheinischen Post gesagt hat, hätte er nicht gesagt, wenn ich nicht gestern morgen mit ihm zusammen gesessen hätte. Meyerwisch: Ja, ja, genau. Cromme: Insofern, das hilft, das wird uns weiterbringen. Wir müssen das praktisch institutionalisieren geradezu. …..Den Krings (SPD-Oberbürgermeister von Duisburg, d.R.) müssen wir auch noch bearbeiten, der ist auch noch nicht ganz über den Berg. Aber eins nach dem anderen… Meyerwisch:… Heute war da eine relativ große Diskrepanz im Hinblick auf die Zeitschiene. Während ich also bei 90 (gemeint ist die Schließung 1990, d.R) schon zuckte, haben die gesagt, ich sollte da mal nicht so ängstlich sein, es gebe auch Meinungen, daß da 91 oder 92 möglich wäre. Cromme: Mit Sicherheit nicht von mir. Meyerwisch: So wurde das aber ausgedrückt. Cromme: Absoluter Unsinn. Kommt überhaupt nicht in Frage. Das müssen wir kurzfristig ausräumen. Für mich wäre Ende 90 das absolute letzte Ende der Fahnenstange. Meyerwisch: Dann wollen wir mal sehen, wie es weitergeht… Cromme: Mein Gesprächspartner von heute nachmittag sagte mir, wir müßten jetzt regelmäßig AR-Sitzungen (Aufsichtsratssitzungen, d.R.) machen, daß der ganze Informationsprozeß und der Gedankenprozeß, daß da jetzt ne Dynamik reinkäme, der sich hinterher keiner mehr entziehen kann. Meyerwisch: Gucken wir mal. Cromme: Das Wochenende sieht etwas besser aus, als es zwischendurch mal aussah. Meyerwisch: Ich hatte in der Tat heute nachmittag Kummer, ob das wohl ging. Es ging da nochmal um das Thema, ob da nun die eine Schicht bezahlt würde oder nicht. Ich hab gesagt, wir wollten erst mal sehen, wie die Produktion läuft… Cromme:… die Leute müssen spüren, daß es jetzt was kostet… Die müssen wissen, daß sie diese zweihundert Mark nicht in der Tasche haben, wenn sie eine Schicht ausfallen lassen…Wie beurteilen Sie das mit den Informationen aus Rheinhausen, Tore zu… Meyerwisch: Das mit den Toren zu (die Sperrung der Tore durch Streikposten, d.R.), kann man wohl so werten, daß das gemacht worden ist, um möglichst viele mit nach Bochum zu kriegen (zu dem vom Betriebsrat organisierten „Besuch“ der Kollegen im dortigen Krupp-Werk, d.R.), sonst wäre die Zahl sicher kleiner gewesen…. Cromme: Das wird ja auch intern, ich will mal sagen, den Gedankenfluß beschleunigen. Meyerwisch: Da ist vielleicht noch folgendes zu zu sagen. P. (Name im Protokoll unvollständig, d.R.) neigt jetzt doch dazu, eventuell der Belegschaft einen Brief zu schreiben (gemeint ist ein Brief mit dem Tenor, keiner wird entlassen, für alle ist gesorgt. Ein Brief gleichen Inhalts wurde noch am selben Tag an Politiker und Journalisten gestreut, die auch brav über die „sozialverträgliche Lösung“ berichteten, d.R.). .. Er sagt, daß eine solche Geschichte doch ein bißchen die Sorgen rausnehmen könnte. Cromme: Völlig richtig. Meyerwisch: Ich werde das mal andeuten (gegenüber den Betriebsräten, d. R.). Die werden zwar nicht begeistert sein, wenn wir da die Kampfkraft brechen, aber wenn sie daran interessiert sind, daß sie überhaupt irgendwann mal die Kurve kriegen, dann muß natürlich ein bißchen die Angst rausgenommen werden, denn sonst kriegen die die Kurve auch nicht… Cromme: … ich habe mit F. (Name im Protokoll unvollständig, d.R.)verabredet, daß gerade die Zwischenmodelle, diese Auslaufmodelle, daß die jetzt echt der Prüfung unterzogen werden, daß wir die Gründe angeben können, weshalb es nicht geht…Was mich beunruhigt ist, daß ich so verstanden werde, 91, 92. 3 Jahre wäre für mich die absolute Obergrenze. Da würde ich bei unserem AR-Vorsitzenden (Dr. Scheider, zugleich Chef der Krupp-Obergesellschaft und nach Berthold Beitz zweiter Mann im Krupp-Imperium, d.R.) allergrößte Schwierigkeiten haben, denn der sagt, das muß schnell über die Bühne. Auslassungen sind durch … gekennzeichnet.
Am 12.4. berichtete die taz:
Das Wichtigste geschah zum Schluß. Ministerpräsident Johannes Rau, von einem Journalistenpulk so umzingelt, als habe er soeben eine Wahl gewonnen, verließ gestern vormittag das Düsseldorfer Landtagsgebäude und sprach zu denen, die von ihm nur eines wollten: ein glasklares Dementi der in der taz dokumentierten Cromme-Äußerungen. Und Rau, der in der Regel ohne jede Schärfe und Direktheit formuliert, lieferte jetzt, was er am Wochenende seinen Sprechern nicht gestattet hatte. Die Aussage von Cromme, die Landesregierung habe am 7.1. den Stahlmanagern nahegelegt, die Schließung „möglichst schnell“ durchzuziehen, sei „völlig falsch“. Das Gespräch habe „einen gegenteiligen Charakter gehabt“. Ein paar Dutzend der etwa 1.000 Stahlarbeiter applaudierten schon hier, und als Rau dann von den „verleumderischen Äüßerungen“ des Krupp-Chefs Gerhard Cromme „vom vergangenen Samstag“ sprach, rührten sich noch ein Paar Hände mehr. Richtig überzeugt schienen die Stahlkocher nicht. „Ich habe“, so Rau weiter, „am 7.1. gesagt: Wenn Sie glauben, daß der Bundeskanzler oder ich am 24. Februar (bei der „Ruhrkonferenz“, d. Red.) ein O.k geben dazu, zu ihren Unternehmensentscheidungen, dann irren Sie sich.“ Er sei bitter enttäuscht, aber dennoch will er jenem Krupp- Chef, von dem er sich „verleumdet“ fühlt, nun auffordern, mit dem Betriebsrat in ein neues Gespräch über Rheinhausen einzusteigen. Er will seine „guten Dienste“ zur Vermitlung anbieten, denn „für die Arbeitnehmer in Duisburg werde ich mich mit jedem an einen Tisch setzen“, obwohl er „überhaupt nicht weiß, ob beide gesprächsfähig sind“. Dann ist die kurze Rede beendet, die Männer gucken skeptisch, aber nicht unzufrieden. Da Cromme sie schon mehrmals belogen und unterschriebene Vereinbarungen gebrochen hat, kaum daß die Tinte trocken war, trauen sie dem eh jedes Schurkenstück zu.
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Zurück zu Siemens – Die FAS von gestern meinte: „Ungemütlich bleibt Kleinfelds Lage in jedem Fall“. Deswegen sagte er im Spiegel (von heute) auch, dass sein fettes Jahresgehalt zu „100% Schmerzensgeld“ sei. Es gab bei Spiegel-online ein ausufernde leser-diskussion darüber, sie wurde jedoch um 18 uhr samt text ausgelöscht.
Das FAZ.Net meldet dafür heute ganz groß: Siemens-Skandal: Chefs fordern „kompromißlose“ Aufklärung.
Es sei bereits „Fünf vor Zwölf bei Siemens“. Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer sieht das Unternehmen durch die Korruptionsaffäre in seinen Grundlagen gefährdet und hat deshalb eine kompromißlose Aufklärung der Vorwürfe angekündigt. Zusammen mit Vorstandschef Klaus Kleinfeld schrieb Pierer am Freitag in einem Brief an die Mitarbeiter: „Kein Mitarbeiter, kein Manager kann sich darauf berufen, er habe nicht gewußt, was in unserem Hause in Sachen Verhaltensethik erwartet wird.“
Das ist nun wirklich der Gipfel an managerialer Dummdreistigkeit – im Sinne einer Verdrehung von Tatsachen.
Weiter heißt es:
Die Glaubwürdigkeit von Siemens‘ gesellschaftlicher Verantwortung sei bedroht. „Da kann es keine Kompromisse geben“, betonten Pierer und Kleinfeld. Sie wollten jede Art von Aufklärung unterstützen und „alles daran setzen, daß die Dinge in Ordnung kommen“. Die schlimmen Nachrichten über immer neue Einzelheiten aus den Ermittlungen richteten großen Schaden an.
Nicht die Vorgänge, sondern die Nachrichten darüber, die immer wieder irgendwie und irgendwo durchsickern!
So teilte die Liechtensteiner Justiz z.B. der Presseagentur AP mit:
Sie ermittle seit Ende November 2004 gegen zwei ehemalige Siemens-Mitarbeiter und zwei weitere Personen wegen Verdachts der Untreue, Geldwäsche und Bestechung. „Beim Vorwurf der Bestechung, geht es um Zahlungen im Zusammenhang mit Geschäften der Siemens AG im Bereich Telekommunikation in Asien, Afrika und Europa“, erklärte der Leitende Staatsanwalt Robert Wallner. Siemens habe erklärt, nicht geschädigt zu sein, und die Einstellung des Strafverfahrens gegen die vier Verdächtigen verlangt. Nach heutigem Erkenntnisstand seien in diesem Zusammenhang 7,6 Millionen Euro über Konten in Liechtenstein transferiert worden.
Die SZ
berichtete unterdessen, daß auch die Konzernspitze über die mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen informiert gewesen sein soll. Dies gehe auf eine Aussage eines langjährigen Mitarbeiters zurück, der in Untersuchungshaft sitzt. Demnach kannte ein früheres Vorstandsmitglied die schwarzen Kassen und die weltweiten Korruptionspraktiken des Konzerns.
Der laut dem Bericht auf diese Weise Beschuldigte wechselte vor wenigen Monaten an die Spitze eines anderen Unternehmens. Laut „Süddeutscher Zeitung“ wollte er keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben.
Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, stellte sich dagegen auf die Seite des Siemens-Vorstandschefs Kleinfeld:
Huber sagte dem Tagesspiegel, die Struktur des Siemens-Konzerns sei so komplex, dass „der Vorstandsvorsitzende nicht alles überschauen kann“. Ferner habe die Staatsanwaltschaft von einer „Bande“ gesprochen, was Huber zufolge auf einen kriminellen Kreis schließen lässt, dessen Machenschaften derzeit in der gesamten Dimension noch nicht zu überblicken seien.
In anderen Worten: Es haben sich Siemensfeindliche Kräfte eingeschlichen, die mit ihren Machenschaften dem Konzern Schaden zufügen wollten. Aber die Konzernleitung schlägt jetzt zurück und säubert die gesamte Belegschaft – bestehend aus 460.800 Mitarbeitern weltweit – von Verbrechern, die gegen die internen Ethik-Leitlinien verstießen!
Dazu gehören auch solche, die z.B. in Wikipedia-Eintragungen ihrem Chef Kleinfeld was ans Zeug flicken wollen:
Der Eintrag über den seit gut einem Jahr amtierenden neuen Siemens-Lenker enthält kritische Anmerkungen zu Kleinfelds Geschäftspolitik. „Da es Siemens nicht gelang“, seine Handy-Sparte „erfolgreich zu sanieren“, heißt es darin etwa, „verkaufte Siemens unter Führung von Kleinfeld diesen Bereich zu einem negativen Preis an das taiwanesische Unternehmen BenQ“.
Daraufhin begannen Konzernmitarbeiter, einzelne Formulierungen zu entschräfen, komplette Absätze und Verweise zu streichen oder zu ergänzen, um ihren Chef in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. In der Siemens-Variante fiel so einfach der erste Halbsatz über die misslungene Sanierung des Handy-Geschäfts weg, auch von dem Aufgeld für BenQ war zeitweise nicht mehr die Rede. Parallel dazu gelang es Siemens, lobende Passagen über Kleinfelds Verdienste als US-Chef einzustreuen und die Behauptung zu tilgen, ihr Boss sei „neoliberal“.
Seit wachsame Wikipedianer die PR-Aktion Mitte Mai entdeckten, tobt auf den Diskussionsseiten des Laienforums ein erbitterter Kleinkrieg um die kosmetischen Eingriffe. Inzwischen wird der Kleinfeld-Beitrag sogar auf der internen Watch-List für besonders umstrittene Artikel geführt.
Der 48-jährige Kindskopf Klaus Kleinfeld (K4) war schon einmal wegen peinlicher PR in die Schlagzeilen geraten. Vor gut einem Jahr wurde bekannt, dass sein PR-Stab auf einem offiziellen Foto seine Rolex vom Handgelenk wegretuschieren ließ.
t-online.de berichtet:
Klaus Kleinfeld ist auf der Höhe der Zeit: Der Siemens-Chef hat ein elektronisches Tagebuch, ein Blog, im Intranet eingerichtet. Darin lässt er seine Belegschaft an seinen neuesten Einsichten teilhaben und ermuntert sie zu Kommentaren. Dieser Aufforderungen kommen die Mitglieder der Siemens-Familie derzeit eifrig nach – allerdings interessiert das vom Chef vorgegebene Thema „Kundenzufriedenheit“ dabei niemanden mehr. Hauptthema stattdessen: die Erhöhung der Vorstandsbezüge um durchschnittlich 30 Prozent.
„Obszön“, nannte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse die saftige Gehaltserhöhung schon, „maßlos“, fand sie der Bischof von Trier, Reinhard Marx. Doch das ist noch harmlos gegen die Empörung der Mitarbeiter, die sich in Kleinfelds CEO- Blog entlädt. Ein Beispiel: „Gerade Sie, Herr Kleinfeld haben mit guten Ideen angefangen. Leider scheint die Maßlosigkeit auch in der Vorstandsetage rasch um sich zu greifen“, schreibt eine Frau an den obersten Chef. „Ich frage mich schon lange, wohin Leute wie Sie unsere Gesellschaft treiben“, kommentiert ein anderer.
Das Argument der Siemens-Oberen, auch nach der Erhöhung lägen ihre Bezüge im Vergleich zu anderen Konzernen noch im Mittelfeld, wollen die Mitarbeiter nicht gelten lassen: „Ich habe von unserer eigenen Siemens-Personalabteilung stets gelernt, dass nur Verweise auf eigene Leistungen das Gehalt rechtfertigen“, heißt es im Intranet. „Während Mitarbeiter sich mit Dritte-Welt-Gehältern messen lassen müssen, lässt sich der Vorstand mit denen ‚vergleichbarer Unternehmen‘ messen.“
Der Siemens-Gesamtbetriebsrat erklärt, diese Menge an wütenden Zuschriften sei ausgesprochen ungewöhnlich. „Die Mitarbeiter müssen sich zur Teilnahme an dem Blog persönlich identifizieren, da ist die Hemmschwelle, sich kritisch zu äußern, sehr hoch“, sagt ein Sprecher. Die explosiven Äußerungen seien repräsentativ: „Die Empörung zieht sich durch die ganze Belegschaft, das bekommen auch unsere Betriebsräte vor Ort mit.“
Kein Wunder, denn viele Mitarbeiter müssen gerade ein rigides Umbauprogramm über sich ergehen lassen, das Kleinfeld nach seinem Amtsantritt Anfang 2005 startete. Bis 2007 will er die Kosten um rund 1,5 Milliarden Euro drücken. Letztes Jahr schob der Konzernchef das verlustreiche Handygeschäft an BenQ ab, das Sorgenkind Com geht nun teilweise in einem Joint Venture mit Nokia auf. Rund 5400 Jobs werden gestrichen, ein Großteil bei der tief in der Krise steckenden IT-Sparte SBS. Bereiche wie die Medizintechnik oder die Energie werden dagegen mit Milliardenzukäufen ausgebaut.
„Schon sehr lange habe ich von keinem einzigen Kollegen gehört, dass er mit Motivation hier arbeitet“, mailt etwa eine Frau an Kleinfeld, die bald dem neuen Siemens-Nokia-Joint-Venture NSN angehören wird. „Es mag Sie persönlich nicht berühren, dass das, was hier abläuft, regelrecht krank macht. Es ist Ihnen aber sicher bewusst, dass Mitarbeiter, die in ständiger Angst um ihren Arbeitsplatz leben, keine Höchstleistungen vollbringen können.“
Vor allem über eine interne Mail von Kleinfeld mokieren sie sich die Mitarbeiter in dem Forum: „Mein persönlicher Anspruch an meine Arbeit ist ‚work hard, win big, have fun'“, habe der Siemens-Chef da an seine Belegschaft geschrieben. „Sehr geehrter Herr Kleinfeld, Ihr Motto klingt in den Ohren Vieler bei SBS eher so: ‚Live hard, never rest, die young‘.“ „Früher habe ich mich in der ‚Siemens-Familie‘ immer wohl gefühlt. Aber von diesem Gefühl ist nichts mehr übrig geblieben, da wir uns hier abrackern, Überstunden ohne Ende machen, und dafür in der Gewissheit leben, dass dieses Engagement nicht belohnt wird. Viele Kollegen und Kolleginnen aus anderen Bereichen wissen nicht, wie es mit ihnen weitergeht“, fasst ein Mitarbeiter seine Gefühle zusammen.
Nächstes Jahr im April wird bei Siemens ein neues Tarifsystem eingeführt – das mit der IG Metall ausgehandelte Entgeltrahmenabkommen (ERA). Dabei werden die Mitarbeiter ganz neu eingestuft. Dieser Tage flatterten bei vielen erste Berechnungen ein, was sie dann noch erwarten dürfen. Dabei kam es offenbar zu einigen bösen Überraschungen: Von zehn bis 20 Prozent Einbußen berichten einige Debattenteilnehmer. Dieser Schock sitzt tief – auch wenn der Konzern zu Recht darauf verweist, dass es für solche Fälle Ausgleichszahlungen geben wird. „Die Neueinordnung wird nicht zu individuellen Gehaltseinbußen führen“, sagt der Siemens-Sprecher. Ganz stimme das nicht, entgegnet der Betriebsrat. Je nachdem wie viel schlechter ein Mitarbeiter wegkomme, habe er bei späteren Gehaltserhöhungen sehr wohl Nachteile, schränkt er ein.
Für die SZ ging die Siemens-Bestechung so vor sich, wobei sie sich auf den leitenden Siemensangestellten Reinhard S. beruft, der aussagte, Siemens habe in den 90er Jahren 500 Millionen Mark jährlich für Durchstechereien eingesetzt. Allerdings ist Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr erst seit 1999 strafbar, bis 1998 durfte Schmiergeld sogar von der Steuer abgesetzt werden.
Erst einmal sei, wie bei ordentlichen Kaufleuten, der Bedarf an Schmiergeld analysiert worden, erfuhren die Fahnder. Alles sei geregelt gewesen. Der kaufmännische Leiter und der Regionschef hätten ein Papier unterschrieben, in dem Land, Projekt, Auftragsvolumen und zu zahlenden Beträge vermerkt gewesen seien: fünf bis 30 Prozent der Projektsumme. Die Vertriebsabteilungen hätten dann Überweisungen ausgestellt.
In einem Münchener Panzerschrank habe manchmal bis zu eine Million Euro gelagert. Das Geld sei bei Bedarf an Siemens-Mitarbeiter im Ausland gereicht worden. Auch sei Geld bar von einer Bank zur anderen getragen worden. Mit den Einzahlungsbelegen sei es auf österreichischen Konten gutgeschrieben worden. Von dort erfolgten Überweisungen in alle Welt. Manchmal gelangte nach Aussage eines Boten Bargeld im Koffer nach Österreich.
Lange Zeit sei das gut gegangen, doch Anfang des Jahrzehnts habe Siemens das System geändert und die schwarzen Kassen verlegt, berichteten Mitarbeiter. Einer der Gründe: Nach den Terroranschlägen in den USA seien die Kontrollen zur Verhinderung von Geldwäsche verschärft worden. Die Konten in Österreich wurden geschlossen, ein neues System mit Tarnfirmen und Scheinverträgen entstand, die Millionen flossen fortan per Überweisung über Liechtenstein, die Schweiz und Dubai.
Die Zahl der Länder, die nach Angaben er beiden Schlüsselfiguren in dem Schmiergeldkrimi eine Rolle spielen, liegt inzwischen bei 25 Staaten – Tendenz steigend. Die Spur führt von Südeuropa über den Balkan, Russland, den Mittleren Osten und Asien bis nach Afrika und Südamerika. Vielerorts seien Behörden und andere staatliche Stellen geschmiert worden, darunter sogar russische Geheimdienste.
Der frühere Finanzvorstand von Siemens, Heinz-Joachim Neubürger, gegen den ebenfalls ermittelt wird, nachdem mehrere Beschuldigte ihn schwer belastet hatten sagte bei seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft:
,,Wir im Vorstand sind offenbar hinters Licht geführt worden.‘‘
Peter Sipos, von 1996 bis 1998 einer der drei Geschäftsführer bei Siemens-Nixdorf Osteuropa (SNO) in Dresden, erhob ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Siemens wegen Bestechung.
Siemens habe „Millionen von Bestechungsgeldern für hohe russische Beamte“ über Drittländer überwiesen, sagte Sipos dem stern Anfang Juni. Als er sich Anfang 1998 nach eigenem Bekunden sicher fühlte, dass es um Bestechung ging, habe er das Thema intern angesprochen. Wenig später habe man ihn dazu gedrängt zu kündigen. Schließlich erhob er seine Vorwürfe öffentlich. Im Januar 2005 demonstrierte er sogar vor der Firmenzentrale in München gegen „Betrug und Bestechung bei der Siemens AG“.
Da ging also mal ein Siemensmanager vor der Konzernzentrale mit einem Protestplakat auf und ab.
Man hätte eine scharfe Reaktion von Siemens erwartet, etwa eine Klage wegen Verleumdung. Stattdessen geschah dies: Im Juli einigte sich der Konzern mit ihm, ihn künftig als „Berater“ zu bezahlen – Stillschweigen über seine bisherigen Vorwürfe inbegriffen. „Aus menschlichen Gründen“ habe man sich so entschieden, sagt Siemens-Sprecher Posner, und „damit sich das ganze Thema nicht so weiterdreht“.
Sipos war auf weitere Ungereimtheiten bei Siemens-Geschäften in Russland gestoßen. So schloss die Finanzabteilung des Milliardenkonzerns am 20. Februar 1997 ein „Marketing Services Agreement“ mit der irischen Firma Tricast Invest-ments Limited. Darin verpflichtete sich Siemens, bis Dezember 1999 Kommissionszahlungen an Tricast zu leisten – für angebliche „Markterkundungen“ in Russland, etwa für Projekte mit dem staatseigenen Energieriesen Gazprom.