vonHelmut Höge 28.01.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

Mehr über diesen Blog

Die antiislamistische und antigewerkschaftliche Potsdamer Neocon-Postille “Cicero” freut sich:

” Der Sozialdarwinismus ist in den Managementetagen angekommen, Turbo-Sozialdarwinismus. Schlechte Zeiten für Seilschaften und Hierarchien, in denen sich die Verantwortung gegenseitig zugeschoben wird.”

Zu den herausragenden Vertretern sozialdarwinistischer Topmanager, die in Amerika “groß geworden” sind, zählt “Cicero” den Siemenschef:

“Kleinfeld hat sich ungewöhnlich konkret auf Ziele verpflichtet. „Ich stehe persönlich dafür ein, dass alle Unternehmensteile innerhalb der nächsten 18 bis 24 Monate auf Linie sind“, verkündete der Siemens-Chef bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen Ende April 2005 in Lissabon – da war Kleinfeld gerade mal vier Monate im Amt. Konkrete Ziele und Ergebnisse zählen für die neuen Herrn der deutschen Wirtschaft und dazu gehört eine schonungslose Bestandsaufnahme.”

Der Cicero-Autor betitelte seinen Text mit “Generation Kleinfeld“:

“Ehrfurcht gebietend die Stabilität an der Spitze von Siemens. Seit Gründung des Unternehmens am 12. Oktober 1847 führten erst zehn Männer den Konzern. Selbst auf dem Heiligen Stuhl ist die Fluktuation höher. Im Vatikan regierten in der gleichen Zeit elf Päpste.

Der aktuelle Primus von Siemens heißt Klaus-Christian Kleinfeld, 48 Jahre alt, promovierter Kaufmann, ein Mann aus einfachen Verhältnissen. Der Ein-Meter-neunzig-Riese passt nicht in das Klischee des grau melierten Industriekapitäns. Er ist zugänglich, verschickt E-Mails direkt an die Mitarbeiter und trinkt am liebsten Cola light. Wenn Kleinfeld grundsätzlich wird – obwohl er dazu eigentlich nicht neigt – bevorzugt der Siemens-Chef ein fremdes Idiom.

Dann sagt er Sätze wie „Nobody is perfect but a team can be“ oder „You have to earn your lunch every day“. Das ist eine unverhohlene Drohung: Niemand im Konzern soll erwarten, dass er auf Dauer von den anderen durchgefüttert wird. „Fix, close or sell“ ist noch so ein Satz aus Amerika, den Kleinfeld gern zitiert – und in die Praxis umsetzt. Das Handygeschäft hat er nach Asien verkauft, die Telefonnetzsparte mit Nokia fusioniert. Von dem einstigen Hoffnungsträger Telekommunikation bleibt im Kleinfeld-Konzern nur noch wenig übrig.”

Laut Spiegel von morgen wird wohl auch von Kleinfeld bald nur noch wenig übrig bleiben, von Pierers Emissäre hätten schon verschiedene Manager angesprochen, die seine Nachfolge antreten könnten. Ist das auch noch Sozialdarwinismus?

Die taz schrieb gestern über den Enron-Film von Alex Gibney:

“Was Gibney zusammengetragen hat, ist daher umso bemerkenswerter, besonders entlarvend ist das Bild- und Tonmaterial aus der Firma selber, deren Quelle ungenannt bleibt. “Enron: The Smartest Guys in the Room” hat einen Vorteil gegenüber dem gleichnamigen Sachbuchbestseller der Fortune-Reporter Bethany McLean und Peter Elkind, der Gibney als Vorlage diente: Der Regisseur kann anhand der von ihm zusammengetragenen Firmenvideos und Fernsehausschnitte zeigen, dass der kometenhafte Aufstieg der Firma in den Neunzigerjahren auch dem schauspielerischen und inszenatorischen Talent seiner Führungsgarde zu verdanken war. “Sie waren so geschickt darin, die Erfolgsgeschichte von Enron überzeugend erscheinen zu lassen, dass jeder daran glauben wollte. Skilling war ein Experte darin, öffentliche Zweifel zu beseitigen”, notiert Gibney.

Die Science-Fiction-Geschichte, die Enronchef Skilling verkaufte, hieß grenzenloses Wachstum. Aus dem texanischen Gaslieferanten sollte ein weltweit führendes Unternehmen der Energiewirtschaft werden. Skilling erfand sich dafür neu. Aus dem nerdigen Berater wurde ein Macho-Geschäftsmann, der zur Motivation seine Topleute in Stripbars und auf Abenteuertrips durch Mexiko mitnahm. Aus Richard Dawkins Buch “Das egoistische Gen” leitete er seine radikaldarwinistische Geschäftsideologie ab. In regelmäßigen Säuberungswellen ließ er 15 Prozent der nach Einschätzung ihrer Kollegen uneffektivsten Mitarbeiter des Konzerns entlassen.”

Die Junge Welt widmete kürzlich dem WamS-Politikredakteur Richard Herzinger eine ganze Doppelseite. Auch dieser Sozialdarwinist ist ein geharnischter Dawkins-Anhänger:

” Auf der einen Seite läßt er keine Gelegenheit aus, in der BRD für einen radikalen Abbau der sozialen Sicherungssysteme nach US-amerikanischem Vorbild zu plädieren. Auf der anderen Seite versucht er, den Lesern seines Buches »Die Tyrannei des Gemeinsinns« (1997) weiszumachen, daß eine »entscheidende Schwächung des Sozialstaates« im »Rahmen der modernen liberalen Zivilisation des Westens undenkbar« (ebd., S. 47) sei.

Die USA erscheinen in Herzingers Darstellung als das reinste Arbeiterparadies, in dem die »sozial- und arbeitsrechtliche Gesetzgebung« die arbeitenden Menschen auf effektive Weise »vor menschenunwürdiger Behandlung und vor rücksichtsloser Ausbeutung im Produktionsprozeß« schütze (ebd., S. 55). Den American Way of Life mit seinen bürgerlichen Freiheiten, der von Herzinger so genannten Konsumentendemokratie und dem vermeintlich natürlichen Konkurrenz- und Ausleseprinzip sieht Herzinger in der Theorie des weltbekannten Biologen Richard Dawkins als einzig menschengemäße Lebensweise quasi anthropologisch verankert.

Die Theorie vom »egoistischen Gen« sehe die Menschen von einer selbstsüchtigen Kraft getrieben und betrachte den Altruismus nur als ein strategisches Element im Überlebenskampf der Gene: »Die Evolution folgt keinem höheren Plan, sie ist nicht Schauplatz eines Kampfes kollektiver Subjekte wie der ›Arten‹, deren Erhalt die Existenz der Individuen funktional untergeordnet ist, ja nicht einmal der Konflikt zwischen Individuum und Gemeinschaft ist das wahre Sujet des evolutionären Dramas. Die Evolution wird von der Selbstsucht angetrieben, und Individuen und Arten sind gleichermaßen nur Schachfiguren im strategischen Spiel der durch und durch egoistischen Gene.« (ebd., S. 155 f.) Im Kern enthält Dawkins sozialdarwinistische Populärtheorie die Forderung eines altbekannten Sprichworts: Jeder sei seines Glückes Schmied.”

Die Spiegel-Siemens-Geschichte von morgen meint, “gewaltigen Sprengstoff” aufgedeckt zu haben – mit dem der Redaktion zugespielten KPMG-Prüfungsbericht über “dubiose Zahlungen” des Konzerns an noch dubiosere “Berater”. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang:

Hassabu For Trading & Transport sowie “Zhang Kangming und die IBF Business Service Ltd, eine Briefkastenfirma auf Zypern – an sie sollen von Siemens insgesamt fast 100 Mio Euro überwiesen worden sein.

Weitere Siemens-Millionen wurden auf Konten in den Arabischen Emiraten, Indonesien und dem Sudan transferiert. Die Zahlungen kamen aus dem ehemaligen Konzernbereich Festnetz sowie aus der Mobilfunksparte (ICM). Letztere überwies zwischen 2005 und 2006 außerdem insgesamt 1,7 Mio Euro an die Schweizer Siemenstochter “Intercom Telecommunication Systems”, die – zwei Monate nachdem Schweizer Fahnder ihre Räume durchsucht hatten – “still und leise liquidiert wurde”.

Für “Business-Beraterverträge” gingen ferner mehrere Millionen Euro an chinesische Firmen wie “Shaanxi Sanhuan Everloyal” (ein wunderbarer Name für diesen Zweck) sowie an ICC. Die KPMG-Prüfer konnten nur vermuten, dass es sich dabei ebenfalls um Schmiergeldzahlungen handelte.

Weitere Zahlungen für “Geschäftsanbahner” gingen an Moheden Al Shatta in Damaskus (9,44 Mio), an den in Hongkong lebenden Schweden Max R., dessen Holding auf den British Virgin Islands registriert ist, und an einen “Marketingberater” in Monaco, der bei Siemens als “Monaco-Franze” bekannt ist: Er kassierte fast 15 Mio Euro vom Konzern, u.a. um Siemensmanagern in der Türkei Termine mit wichtigwichtigen Politikern zu verschaffen.

Und dann sollen schließlich zwei Siemens-Manager aus der “Kraftwerkssparte” Geschäftsführern des italienischen Energiekonzerns Enel 6 Mio Euro “gespendet” haben, um sich einen Auftrag zur Lieferung von Gasturbinen zu sichern. Das Geld soll aus einer “schwarzen Kasse” stammen – und zur Tarnung über Liechtenstein, Abu Dhabi und Dubai auf Empfängerkonten in Monaco und Lugano geflossen sein. Dieser Fall wird demnächst vor der großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Darmstadt verhandelt werden.

Im selben Spiegel (von morgen) findet sich auch noch ein Artikel über den grünen Erfinder der Gaia-Hypothese James Lovelock, der gegen den gefährlichen “Klimawandel” nur ein Mittel sieht: den Ausbau der Kernenergie. Auch immer mehr Politiker fordern immer mehr AKWs. Da man es dabei vor allem mit vielen Staatsbediensteten zu tun bekommt – als Anbieter, dürfte die Siemens-Korruption – in diesem Geschäftsbereich wenigstens – noch einmal einen enormen Schub bekommen.

Und der Sozialdarwinismus äußert sich hierbei u.a. darin, dass die Befürworter, Profiteure und andere Reiche sich gleichzeitig – wie z.B. der Philosoph von Weizsäcker – einen privaten Atomschutzbunker in den Garten stellen (getarnt als “Ich bin zwei Öltanks”) bzw. dass sie selbigen hinter ihrem Haus verbuddeln – listig unter einem Koi-Teich verborgen. Theoretisch wird der Sozialdarwinismus schon seit langem auf Konferenzen und in Publikationen der Siemens-Stiftung vorbereitet (Näheres dazu steht bereits in einer früheren blog-eintragung hier).

Nachtrag zur Siemens-Hauptversammlung:

Mit einem Kurssprung just am Tag der HV wurde Siemens wieder zum teuersten deutschen Unternehmen, die Aktie legte dabei um 6 % zu. Kleinfeld will, so er nicht zurücktreten muß, den Kurs weiter nach oben treiben, um Siemens vor Finanzinvestoren zu schützen. Diese könnten den Konzern in seine Einzelteile zerlegen. Die SZ schrieb dazu gestern:

“Die Siemens-Manager machen dies lieber selber: Infineon, Epcos, BenQ sind verkauft, die Kommunikationssparte wird ausgelagert – und nun folgt auch die Automobiltechnik.”

Ein ehemaliger Siemensianer, der sich zur Zeit in Berlin aufhält, gibt Pierer die ganze Schuld an der Zerschlagung der “Siemens-Unternehmenskultur” – sieht ihn jedoch nur als willfähriges Werkzeug in den Händen von mächtigen “Freimaurern” (wer immer das sein mag, Näheres wußte der Siemensianer dazu auch nicht zu sagen).  Ich erwähne es hier nur aus einem gewissen Volständigkeitswahn heraus.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/01/28/sozialdarwinismus/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Sir Drepting,

    Wenig bekannt ist, dass Siemens auch – beizeiten bereits – für die Klimaveränderung mitverantwortlich war. Dazu heißt es in dem globalisierungskritischen Buch “Die Globalisierungsfalle” der Spiegel-Redakteure Harald Schumann und Hans-Peter Martin, letzterer wurde bei der Buchvorstellung vom Ex-Umweltminister Töpfer vor allem wegen seiner exquisiten Partys in seinem Spiegel-Loft in Rio de Janeiro gelobt:

    “Gewinner wie Heinrich von Pierer triumphieren: ‘Der Wettbewerbswind ist zum Sturm geworden, und der richtige Orkan steht uns noch bevor’.” Die Spiegelautoren meinen: Das muß nicht so sein – “Das ist Unsinn”.

  • Hier spricht doch nur wieder der gewöhnliche arische Neid heraus. Während der Amerikaner das Geldmachen als sein Hobby entdeckt hat, kann der Deutsche halt nur irgendwelche Türken in Guantanamo einsperren laSSen. So seid Ihr nun mal.

    —————————
    Hendryk Don M. Broder
    größter Hobbyist der Welt
    http://donbroder.twoday.net

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert