vonHelmut Höge 18.02.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

Mehr über diesen Blog

Der Nazisoziologe Helmut Schelsky – er habilitierte sich 1939 an der Universität Königsberg (über den präfaschistischen Wolfstheoretiker Hobbes), und wurde dann als NSDAP-Mitglied Assistent bei Arnold Gehlen – auch so ein rechtes Dreckschwein! und ging dann an die Universität Budapest zu Hans Freyer, noch einer!, der dort frecherweise über “Führerstaat und Volksgemeinschaft” dozierte. Die Studentenbewegung hat diesen ganzen armseligen Nazivordenkern dann die Karriere geknickt, indem sie mit Marxismus, Psychoanalyse und Frankfurter Schule dafür sorgte, dass sich einfach kein Schwein mehr für dieses idiotische Gedankengut interessierte. Über die Studentenbewegung urteilte Helmut Schelsky: „Aber was sich auch ereignen mag, diese Generation wird nie revolutionär, in flammender kollektiver Leidenschaft auf die Dinge reagieren. Sie trägt kein Bedürfnis in sich, elitäre Gemeinschaften zu stiften…”

Revolutionär sein hieß für ihn, elitäre Gemeinschaften zu stiften – und das sagt er über eine bzw. die  “antiautoritäre Bewegung”! Was für ein Schwachsinn (und schon lange vor ihm von den postfaschistischen Partisanentheoretikern Carl Schmitt, Ernst Jünger und Rolf Schroers vorgekaut)…

Aber sein Sohn Wilhelm Schelsky hat es dann geschafft – indem er dem elitär-konservativen Siemenskonzern eine der deutschen Arbeitsfront nachempfundene Betriebsgewerkschaft – und dann sogar eine branchenübergreifende – auf den Leib schneiderte: die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger” (AUB). “Skandal” titelte der Berliner Kurier heute zu dieser neuerlichen Siemenssauerei: “Gewerkschaft mit Millionen bestochen!”  Nein, sie wurde quasi von Siemens gegründet und dann mit Millionen ausgestattet.

Die SZ schreibt: Die Gegner dieses nicht weit vom Stamm gefallenen Schelsky-Früchtchens sitzen nicht in den Konzernzentralen, sondern “eher beim DGB”, die er gerne als “Blockierer” bezeichnet.

Noch im Oktober 2006 verkündete AUB-Chef Wilhelm Schelsky stolz:

“Das vom Institut der deutschen Wirtschaft veröffentlichte Ergebnis der diesjährigen Betriebsratswahlen zeigt
deutlich, dass die Belegschaften in den Betrieben sich immer mehr vom ideologischen, arbeitsplatzvernichtenden Verhalten des DGB  distanzieren”, stellte Wilhelm Schelsky, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) e.V. fest. Das Ergebnis zeige auch deutlich, dass die Arbeitnehmer auf betriebliche Bündnisse für Arbeit setzten, obwohl die Regierung dies
scheinbar nicht mehr für wichtig halte. “Leider wurde das Legalisieren `betrieblicher Bündnisse für Arbeit` der Einflussnahme des DGB geopfert, da dessen Mitglieder zahlreich im Bundestag vertreten sind. “Dass beim DGB nicht mal mehr zwanzig Prozent der Arbeitnehmer organisiert sind, wird dabei geflissentlich übersehen”.
“Die Zunahme der AUB-Mandate auf nunmehr zehn Prozent aller Betriebsräte ist mehr als erfreulich und ist in der Vergangenheit keiner Gewerkschaft außerhalb des DGB-Verbundes gelungen. Dies bestätigt unsere ideologiefreie und rein betriebsbezogene Arbeit als Dienstleistungsverband für unsere Betriebsräte”, freute sich Wilhelm Schelsky.”

Der Merkur schreibt:  “Pikant – Die Vereinigung (AUB) geriert sich als Anti-Gewerkschaft und vertritt in Betriebsräten arbeitgeberfreundliche Positionen…Schelsky, der früher Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Erlangen war, hat schon 1986 in einer Rede vor dem CDU-Parteitag ein klares Bekenntnis zu Arbeitgeber-Interessen abgelegt: „Stärken Sie bitte den Unternehmern den Rücken”, sagte er dort.”

Wie das praktisch aussieht, berichtet “internet.com” am Beispiel von Infineon Dresden, wo die Geschäftsleitung nichts unversucht ließ, willfährige Betriebsräte zu bekommen:

“Zur BR-Wahl trat dort auch die AUB mit ihrer Liste “Wir für Euch” an,  sowie die beiden Zusammenschlüsse ,,Eine Für Alle” und ,,Dresden 500″. Gemeinsam wurde ein Flugblatt herausgegeben, in denen die Gewerkschaft für die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch den Elektrolux-Konzern verantwortlich gemacht wird. ,,Überzogene Forderungen und unflexibles Verhalten von Betriebsräten können viele Arbeitsplätze vernichten, wie z.B. aktuell bei AEG/Elektrolux in Nürnberg”, heißt es darin.

Die IG Metall wies die Anschuldigungen zurück. ,,Elektrolux wollte den Standort schließen – und wird dies auch tun. Dies hat nichts mit den (und schon gar nichts mit überzogenen) Forderungen der Betriebsräte zu tun, sondern schlicht mit einem Wirtschaftsdenken, bei dem Profitmaximierung oberste Priorität besitzt”, so eine Stellungnahme. Der Streik der Belegschaft bei AEG sei eine Reaktion auf die Ankündigung der Werksschließung gewesen und nicht umgekehrt.

Den Angaben zufolge wurde den einzelnen Listen jeweils 1500 Euro Wahlkampfunterstützung offeriert. Die Liste der Gewerkschaft IG Metall wies das Angebot zurück, ebenso soll sich die arbeitgebernahe Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) verhalten haben. Andere Listen nahmen das Geld hingegen an.”

Da Schelskys AUB angeblich zwischen 2001 und 2004 30-40 Millionen von Siemens bekommen haben soll, hatte sie diese “Peanuts” (1500 Euro Wahlkampfhilfe) auch wohl nicht nötig. Die DGB-Gewerkschaften haben sich im übrigen schon lange gewundert, wieso die AUB mit ihren niedrigen Mitgliedsbeiträgen sich stets so kostspielige BR-Wahlkämpfe leisten konnte.

“Andere Zeiten brauchen andere Gewerkschaften,” lautet diesbezüglich der verschwiemelte  AUB-Werbeslogan. Die SZ schreibt:

“Die IG Metall vertrete bereits seit längerem den Standpunkt, die AUB sei weder unabhängig noch eine Gewerkschaft, sagt Dieter Scheitor, Siemens-Aufsichtsrat und bei der IG Metall Beauftragter für den Konzern zuständig. Er spricht von einem Etikettenschwindel. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, dass zu Unrecht Geld an den AUB-Chef oder eine Firma von ihm geflossen sei, müsse jeder in der AUB überlegen, ob er noch in der richtigen Organisation sei.

Entstanden war die von Nürnberg aus bundesweit tätige Vereinigung Ende der 70-er Jahre aus einem Zusammenschluss von Siemens-Mitarbeitern. Beschäftigte des Konzerns in Erlangen hatten die Organisation gegründet – darunter Mitinitiator Schelsky. Insgesamt acht Jahre war er selbst Betriebsratsvorsitzender im Siemens-Werk Erlangen (1500 Mitarbeiter), 1986 übernahm er den AUB-Vorsitz. Im gleichen Jahr war die Organisation offiziell als Arbeitnehmervertretung anerkannt worden und macht seither der IG Metall, der noch immer einflussreichsten Gewerkschaft bei Siemens, heftig Konkurrenz.”
Über Schelsky selbst weiß die SZ:

“Schelsky hat Siemens als Arbeitnehmer längst verlassen und sich selbständig gemacht; unter anderem mit seiner Unternehmensberatung in Nürnberg. Vor einigen Jahren berichtete die Presse außerdem von einem IT-Werk in Greifswald in Ostdeutschland, bei dem der AUB-Vorsitzende eingestiegen sei – als Partner von Siemens.”

Und was sagt Siemens?

Als der Beratervertrag bei der internen Überprüfung aufgefallen war, wollte Siemens laut Daniel Noa Ende 2006 von Schelsky wissen, worin denn dessen Gegenleistung bestanden habe. ,,Dieser Nachweis kam nicht in der von uns gesetzten Frist‘‘, sagt Noa. ,,Daraufhin haben wir das Abkommen fristlos gekündigt, selbst auf die Gefahr hin, dass wir einen völlig korrekten Vertrag beenden.‘‘

Sollte die AUB gestärkt werden, die anders als DGB und IG Metall auf Kooperation und nicht auf Konfrontation setzt? ,,Wir weisen ganz klar von uns, dass wir die Betriebsratsarbeit unzulässig beeinflusst haben‘‘, sagt Daniel Noa, der neue Anti-Korruptionsbeauftragte bei Siemens. Vorsichtshalber fügt Noa hinzu: ,,Aber wir gehen jedem Hinweis nach.”

Das hört sich so an, als sei Noa schon nach wenigen Wochen von Siemens restlos gekauft worden und redet nur noch diplomatischen Quatsch: “,,Wir weisen ganz klar von uns, dass wir die Betriebsratsarbeit unzulässig beeinflusst haben‘‘. Was ist es denn anders als eine “unzulässige Beeinflussung”, wenn ein Konzern sich seine eigene Gewerkschaft aufbaut – und finanziert, um andere – freie – Gewerkschaften mittelfristig aus den Betrieben und Betriebsräten rauszudrängen?

Man hat es hier die ganze Zeit – bei all diesen Siemens-Koruptionsfällen – mit derartig dämlichen Stellungnahmen von Konzern-Managern zu tun, dass man schier ausrasten möchte. Jedem verdammten Grbrauchtwagenhändler würde man solche “Stotter-Statements” um die Ohren hauen, aber weil es Siemens ist…

Eingefädelt hat diesen Gewerkschaftsdeal im übrigen der “Siemensianer durch und durch” Johannes Feldmayer, der nebenbei noch an der TU-Berlin “Strategisches Management” lehrt. Sieh an! Er sitzt im Siemens-Zentralvorstand,  arbeitet aber laut SZ “lieber im Verborgenen, ohne viel Aufhebens zu machen. Jetzt taucht aber auch sein Name im Zusammenhang mit den vielen Siemens-Affären auf”. U.a. hat er die Verträge mit Schelsky 2001 unterzeichnet. Deswegen wurde der 50jährige Augsburger nun auch als Zeuge im AUB-Skandal vernommen.

Die SZ weiß: “Er hatte die Sache nach all den Jahren aus den Augen verloren und war deshalb überrascht.” Er war zuvor bereits “Chef der Strategieabteilung bei Siemens und damit sozusagen Chefdenker des Konzerns”. Heute hat er Deutschland und Europa sowie den Bereich Information “unter sich”.  Und laut SZ “trauen ihm manche noch mehr als seinen bisherigen Posten zu,” d.h. er könnte den angeswchlagenen Bremer Cola-Light-Trinker Kleinfeld ablösen – zumal auch er in New York (o lala) war und wahrscheinlich ebenfalls gerne Cola-Light-trinkend superdynamisch Amerikanisch parliert, wenn jemand parieren soll.
Eine weitere Hiobsbotschaft für Siemens – aus der Wirtschaftswoche:

“Bei Korruption fallen Hermes-Bürgschaften weg. Sollte sich der aktuelle Bestechungsverdacht erhärten, würde die Absicherung von Exporten durch staatliche Kreditgarantien bei den betroffenen Projekten entfallen. Dies sehen die Antikorruptionsbestimmungen des Bundes bei der Absicherung von Auslandsgeschäften vor.

Bei Siemens-Projekten wie der Lieferung von Generatoren in den Iran, einem Kraftwerksbau in Aserbaidschan oder beim Ausbau des Mobilfunknetzes in Russland könnten so jeweils Risiken von mehrere hundert Millionen Euro entstehen.”

Und noch eine schlechte Nachricht für Siemens:

Es wird weiter über die dicke Siemens-Connection bei der Bank aller Banken “Clearstream” in Luxemburg geforscht: Der Konzern hat zwar nicht, wie hier zuvor fälschlicherweise behauptet, “Clearstream” mitgegründet, aber 1995 besaß der Konzern dort vier “unveröffentlichte Konten”, man könnte sie auch als Geheimkonten bezeichnen, 3 in der BRD und 1 in Österreich. Sein “veröffentlichtes Konto” bei Clearstream war 2000 der Deutschen Bank zugeordnet. “Siemens taucht ferner im Zusammenhang mit Banken wie der Nomura oder Paribas auf oder mit Brokerfirmen wie Merrill Lynch oder Lehman Brothers, so im Fall von 7 weiteren unveröffentlichten Konten in München”. (Denis Robert). Wie der ehemalige Clearstream-Manager Ernest Backes meint, können solche “unveröffentlichten Konten” leicht für “schwarze Kassen” bzw. zur “Geldwäsche”  und zur Zahlung von “Schmiergeldern” genutzt werden.  Über den “Clearstream”-Fall gibt es inzwischen auch einen Film. Ich will versuchen, ihn zusammen mit einer französischen Journalistin, die darüber gerade arbeitet, im taz-café zu zeigen, zusammen mit dem Enron-Dokumentarfilm.
Und hier noch ein neuer Kartellverstoß – aus einer anderen Branche, die jedoch eng  mit Siemens zusammenarbeitet: Den vier weltweit größten Aufzugherstellern droht laut Spiegel ein Bußgeld in Milliardenhöhe – wegen Preisabsprachen. Ihnen wird von der EU-Kommission “kartellartiges Verhalten” vorgeworfen.

Ein Sprecher von ThyssenKrupp sagte am Sonntag, die Höhe des Bußgeldes stehe noch nicht fest. Eine Entscheidung der EU-Kommission werde am Mittwoch erwartet.

Die EU-Kommission hatte Mitte Oktober 2005 ein offizielles Verfahren gegen die vier Unternehmen eingeleitet. Vorausgegangen waren gut eineinhalbjährige Ermittlungen. Den Konzernen wird vorgeworfen, auf lokaler Ebene sowohl bei Neuanlagen als auch im Wartungs- und Ersatzteilgeschäft gegen europäisches Kartellrecht verstoßen zu haben.

Die Kommission könnte Bußgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes der Unternehmen verhängen, hieß es seinerzeit. ThyssenKrupp Elevator hatte im Geschäftsjahr 2003/04 einen Umsatz von knapp 3,6 Milliarden Euro verbucht.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/02/18/siemens-schelsky-und-sohn/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Die seinerzeitige Hetzkampagne gegen Heribert Fieber hatte auch sein positives – ich war damals Mitglied der AUB, habe aus diesem Anlass die Mitgliedschaft aufgekündigt und bin der IG Metall beigetreten.

  • Till Bossmann (Bregenz):

    Ich ergänze – Die Summe der Schmiergeldzahlungen von Siemens soll sich derweil erhöht haben und außerdem wird jetzt auch in Richtung Russland ermittelt, wie “silicon.de” meldet, wobei es sich auf einen Bericht des Wall Street Journal beruft:

    Der russische Telekommunikationsminister Leonid Reiman soll ebenfalls in Schmiergeldzahlungen verwickelt sein. Es liegt, einem Bericht des Wall Street Journal zufolge, mindestens eine Zeugenaussage vor, die die Strafverfolgungsbehörden in Gang setzte. Demnach sei das Geld über zwei Firmen geflossen, an denen der Minister Anteile haben soll.
    Wie es heißt, sind die Strafverfolger in München derzeit mit der Untersuchung von Transaktionen beschäftigt. Diese betreffen ebenso den Telekommunikationsbereich. In diesem Bereich erhärten sich auch mehr und mehr die Untersuchungen in die internationalen, mittlerweile 545 Millionen Dollar schweren Schmiergeldskandale, die bis zu sieben Jahre zurückreichen sollen. Ob die Verbindung nach Russland dort hineingehört, muss erst noch untersucht werden. Es geht aber bei der Siemens-Reiman-Affäre auch um Politik: Der Minister gilt als enger Freund Vladimir Putins, der sich auf dem politischen Parkett in letzter Zeit häufiger mit dem Westen angelegt hatte, sei es nun mit der EU oder den USA.

    Leonid Reiman wird national und international Korruption vorgeworfen. Siemens soll die zugehörige Bestechung für millionenschwere Aufträge ausbezahlt haben, möglicherweise geht von München sogar die Initiative aus. Reiman hatte den TK-Sektor Russlands seit 1999 reguliert. Die Zahlungen sollen an seine Behörde und sein Umfeld gegangen sein, heißt es dem Bericht zufolge aus der Münchner Justiz. Neben der Korruption wird bei Siemens nun auch Steuerhinterziehung untersucht, da die Zahlungen natürlich an der Steuer vorbei außer Landes gegangen waren.

    Das Szenario sieht demnach so aus, dass zwei TK-Firmen, die als wichtige Siemens-Kunden in Russland gelten, in den Schmiergeldzahlungs-Akten auftauchen. Hierin soll auch die Commerzbank verstrickt sein, die die Zahlungen augenscheinlich ermöglicht haben soll. Dies dadurch, dass sie mithilfe von Scheinkonten und Scheinbesitzansprüchen dafür gesorgt habe, dass die Miteigentümerschaft des Chefregulierers Russlands an den großen Marktspielern nicht auffiel.

    Aus der Münchner Siemens-Zentrale hieß es zu den Vorwürfen bisher nur, man kenne Reiman lediglich in seiner Rolle als TK-Minister. Und man sei sich der nach Russland führenden Ermittlungen in die eigenen Geschäftsbücher nicht bewusst. Allerdings gilt dies als einer der ganz zentralen Märkte für die gesamte Siemens AG, denn dort liegt nicht nur TK-Geschäft vor: Projekte gibt es mit Firmen wie Kirishi (Siemens erstellt hier ein Raffinerietechnik-Projekt), Cargill (Strom- und Robotikausrüstung für die Lebensmittelindustrie), mit Rosneft (Auf- und Ausbau einer Rohstoffplattform), Gazprom (Gaspumpanlagen), Svyazinvest (Verkauf von mehr als einer Million Switch Ports und andere Aufträge über Beteiligungen des Konzerns in verschiedene Branchen) oder Russian Railways (Zugtechnik im Wert von knapp einer Milliarde Dollar über 30 Jahre hinweg). Und Siemens hatte die landesweiten Festnetz-Telefonleitungen auf Vordermann gebracht.

    Die Ermittler interessiert jedoch erst einmal nur die TK-Branche und hier besonders, inwiefern der Mischkonzern Ipoc und seine umstrittenen Anteile an der drittgrößten russischen Mobilfunkfirma MegaFon eine Verbindung nach München aufweisen. Der Löwenanteil der russischen Geschäfte für Siemens mag schließlich bei anderen Projekten liegen – doch der Verkauf von Ausrüstung an MegaFon schlägt diese Geschäfte in Fragen des Umsatzwachstums bei weitem. Allein in den Jahren 2002 bis 2005 sollen Werte für 200 Millionen Dollar verkauft worden sein. So steht es in den Büchern.

    Seitens des Zeugen ist von sprunghaftem Wachstum die Rede. MegaFon soll von Reimans Geschäftspartnern erst 2001 gegründet worden sein. Die Firma erhielt kurz darauf vom Ministerium die lukrative Lizenz zugesprochen, die den globalen UMTS-Aufbau ermöglichte. Sie dürfte aber nicht die einzige Firma sein, wegen der ein Russe in München die Hand aufgehalten haben soll: Der Bericht erwähnt mittlerweile drei Personen, die unterschiedliche Schmiergeld- und Bestechungszahlungen bezeugen wollen. Als eine der Schlüsselfiguren der russischen Siemens-Skandale gilt Ex-Manager Michael Kutschenreuther neben dem Ex-TK-Chef Thomas Ganswindt. Jener sprach bei Unterzeichnung eines 150 Millionen Dollar schweren Switching-Vertrages davon, dass Siemens “der führende Ausrüster für Switching-Systeme in der gesamten Russischen Föderation” sei. Warum, das untersuchen jetzt die Münchner Behörden.(Kathrin Schmitt)

  • Noch mal zur IG Metall…

    Nachdem sich auch das “compliance-magazin” schon über die Zurückhaltung der Gewerkschaft gewundert hat, wollte die Junge Welt es nun genau wissen. Morgen druckt sie ein Interview mit dem politischen Sekretär der IG Metall Michael Leppek ab:

    Hat es Sie überrascht, daß gegen den ehemaligen Siemens-Manager und heutigen Vorsitzenden einer Spaltergewerkschaft – sie nennt sich »Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebs­angehöriger« – jetzt ebenfalls Ermittlungen wegen Korruption laufen?

    Nein, überrascht hat es uns nicht. Unsere Betriebsräte vor Ort hatten sich schon immer über die finanziel­le Ausstattung der AUB gewundert. Für uns lag der Verdacht nahe, daß sie von Siemens direkt oder indirekt gesponsert wird. Unserer Schätzung nach hat sie nicht einmal 10000 Mitglieder, die jeweils sieben Euro Beitrag zahlen. Bei einer solchen Finanzausstattung kann man sich nicht das erlauben, was sich die AUB erlaubt hat.

    Als da wäre?

    Die AUB hat Gewinnspiele veranstaltet, hochwertigste Werbegeschenke verteilt und ist immer mit sehr hohem Materialeinsatz in den Betriebsratswahlkampf gezogen. Gut ausgestattete Infostände, Poster, Kandidatenflyer – ein CSU-Stand in der Fußgängerzone ist dagegen unterstes Niveau.

    Nach eigenen Angaben hat die AUB 32 000 Mitglieder und – branchenübergreifend – zehn Prozent aller Betriebsratsmandate.

    Nette Idee. Allerdings erscheint mir die Zahl der Betriebsratsmandate noch etwas realistischer als die angebliche Mitgliederzahl. Zumindest in dem Bereich, den ich überblicken kann. In der Metall- und Elektroindustrie spielt die AUB hauptsächlich bei Siemens und ehemaligen Siemens-Unternehmen wie Infineon eine Rolle. In der Automobilwelt und anderen Bereichen der Metall- und Elektroindustrie ist sie weitgehend unbekannt. Natürlich gibt es auch unabhängige Listen, die zu Betriebsratswahlen antreten Damit haben wir auch gar kein Problem – aber die AUB ist nicht unabhängig. Sie ist abhängig, wie jetzt jeder sehen kann, vom Geld von Siemens – und absolut zentral gesteuert. Es gibt kaum eine demokratische Willensbildung innerhalb der AUB. Die Anweisungen kommen von der Hauptgeschäftsstelle in Nürnberg und werden von den Verantwortlichen auf die Betriebe heruntergebrochen. Die AUB ist auch nicht ideologiefrei – das beweist ihre Hetze gegen gewerkschaftliche Betriebsräte.

    Die Pressesprecherin der AUB betont laufend, daß sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nur gegen ihren Vorsitzenden Wilhelm Schelsky als Privatperson richten.

    Wir wissen, daß AUB-Büros in Nürnberg und Erlangen durchsucht worden sind sowie in der Münchner Konzernzentrale ermittelt wurde. Es wurden auch AUB-Betriebsräte an anderen Standorten vernommen. In Forchheim war ein Handballverein im Visier und das Büro des Vereinsvorsitzenden wurde durchsucht, ebenso das Siemens-Sportzentrum in Erlangen. Siemens-Betriebssportmannschaften wurden übrigens mit Trikots ausgestattet, die den AUB-Schriftzug tragen. Es gibt unzählige Beispiele, mit denen man zumindest indirekt nachweisen kann, daß Siemens die AUB sponsert. Während einer Auseinandersetzung am Münchner Standort Hoffmannstraße wurde auf großflächigen Plakaten gegen den Betriebsratsvorsitzenden gehetzt – die Plakate hat eine ehemalige Siemens-Werbeagentur hergestellt. Diese Beispiele kannten wir bereits. Überrascht hat uns nur das Ausmaß der Zahlungen von Siemens an Schelsky. Sicher, der Mann kann auch 14,4 Millionen privat ausgeben – aber der Verdacht liegt nun mal nahe, daß dieses Geld auch in die AUB geflossen ist. Das wird jetzt zu beweisen sein.

    Hoffen Sie das nicht auch deswegen, weil die AUB fast immer das Gegenteil von dem sagt, was die Gewerkschaften wollen? Egal ob es um Mindestlöhne geht oder um Streik.

    Man könnte dem vielleicht etwas abgewinnen, wenn sie glaubhaft machen könnten, daß sie damit mehr für die Beschäftigten tun. Aber wenn man auf der AUB-Home­page die »Leipziger Thesen zur Tarifreform« liest, dann steht da unmißverständlich, man wolle das »Lohndiktat« der IG Metall, der Gewerkschaften, durchbrechen. Das ist ein Angriff auf die Arbeitnehmerrechte durch die Hintertür.

  • Die IG Metall, immer noch stark in Siemens-Betrieben vertreten, hält sich merkwürdigerweise zurück – und freut sich wahrscheinlich nur im Stillen. Öffentlich äußern sie dagegen – laut Berliner Tagesspitzel:

    “Der zweite Vorsitzende der IG Metall und Siemens-Aufsichtsrat Berthold Huber sagte dem Tagesspiegel, die Struktur des Konzerns sei so komplex, dass „der Vorstandsvorsitzende nicht alles überschauen kann“. Ferner habe die Staatsanwaltschaft von einer „Bande“ gesprochen, was Huber zufolge auf einen kriminellen Kreis schließen lässt, dessen Machenschaften derzeit in der gesamten Dimension noch nicht zu überblicken seien. Schließlich, sagte Huber, habe er bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung vergangenen Montag den Eindruck gewonnen, dass der Vorstand alles unternehme, um die Affäre aufzuklären. Weder für Vorstandschef Kleinfeld noch für Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer sehe er deshalb Gründe zum Rücktritt, sagte Huber.”

    Es gibt den “Koordinationskreise Siemens-Kampagne”, der sich vornehmlich mit dem AKW-Geschäft des Konzerns befaßt, und nun soll es auch noch eine den Grünen nahestehende Gruppe “Siemens-Watch” geben.Das ist glaube ich keine so gute Idee. Bei diesen ganzen halblinken US-Flankenmaßnahmen der “Wallstreet”-Globalisierung – namens “Indonesia Watch”, “Baikal Watch”, “Swiss Watch”, “Berlin-Watch” (“Die Stadt bleibt Päderasten-Hochburg”) und vor allem “World Watch” – ist noch viel zu wenig Watch und Much-to-much-Interpretation drin: “Es gibt nie genug Fakten und immer zuviel Deutung, die Akte durch Deutung sind am gefährlichsten für die Freiheit”, so Foucault-Assistent François Ewald – lange vor dieser ganzen Watch-Scheiße.

    Was tut sie? Sie wertet Statistiken, Bilanzen und Hochrechnungen aus, die mit dem wirklichen Leben nichts zu tun haben! (Um die Dialektik mal auf der anderen Seite auszuhebeln.) Die Watcher sollten von daher ruhig einmal vom CSU-Lokalpolitiker und Ex-Siemens-Konzernchef Pierer lernen: Um einen Überblick über das weltweite Firmenimperium zu bekommen, verläßt er sich nicht auf die Berichtszahlen seiner Geschäftsführer, sondern “verbringt fast jede Nacht in einem anderen Hotel” und “redet auch viel mit Betriebsräten, da erfahre ich eine ganze Menge”, verriet er seinerzeit dem manager-magazin.

    Auch die Siemens-Aktionäre sind anscheinend schwer am Watchen:

    Henning Gebhard, Leiter des Fondsmanagements für deutsche Aktien bei Deutschlands größter Fondsgesellschaft, der Deutsche-Bank-Tochter DWS, sieht die Gefahr, „dass Siemens in der Zukunft bei Aufträgen nicht berücksichtigt wird. Das wird man dann gegebenenfalls in den Büchern nachlesen können.“ Die DWS setze sich mit dem Thema sehr intensiv auseinander. „Wir verstehen uns dabei als aktive Fondsmanager. Wir müssen in einem Unternehmen nicht investiert sein.“, sagte Gebhard. Die DWS ist mit einer Milliarde Euro bei Siemens investiert und hält 1,5 Prozent der Aktien.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert