vonHelmut Höge 17.03.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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“Every prize has its prize!” (Thomas Kapielski)

Aber über den “Wächterpreis der Tagespresse” schreibt das Hamburger Abendblatt desungeachtet: Der Henri-Nannen-Preis ist nach dem Gründer der Hamburger Zeitschrift “Stern”, “Henri Nannen, benannt und gilt als eine der renommiertesten Journalisten-Ehrungen in Deutschland.” Konkret geht es dabei um die diesjährigen Nominierungen:
“Marion Girke, die als Reporterin in der “Pinneberger Zeitung” arbeitet, und Christian Denso aus der Lokalredaktion des Abendblatts sind in der Kategorie Investigative Leistung nominiert. Mit ihnen hoffen Markus Balser, Hans Leyendecker und Klaus Ott für ihre Recherchen zum Siemens-Schmiergeld-Skandal in der “Süddeutschen Zeitung” auf den Henri-Nannen-Preis, sowie Markus Grill für “Das Pharma-Duell” (“Stern”).

Eher auf den großen “Siemens-Mitdenkpreis” hofft dagegen der Chefredakteur der europolitan.de – der International Businessmaster Marc Sondermann – mit seiner Siemens-Analyse, in der es heißt:

“Kleinfeld versucht den großen Wurf

Immer deutlicher häufen sich die Anzeichen, dass dem traditionsbewussten Münchner Technologiekonzern eine Schicksalsstunde bevorsteht. Historische Firmenbestandteile fliegen wie Ballast von Bord, feindliche Übernahmegerüchte werden vom eigenen Management geschürt, die konsensorientierte Unternehmenskultur steht zur Disposition. Mit dem Herumreißen des Firmenruders signalisiert Kleinfeld: Ein neuer, harscher Wind hält Einkehr.

Ob der große Plan hinter dem Aktionismus der letzten Monate derweil der richtige ist, vermag keiner so richtig zu beurteilen. Deutlich ist zumindest, dass Kleinfeld aus der Erkenntnis, seinem Hause lägen konsumentennahe, von Marktinnovationen getriebene Technologiesprünge nicht, die radikalste aller Konsequenzen geschlossen hat: vollständiger und totaler Abschied aus dem Konsumentenmarkt.

Mission: Abschied vom Markenwert

Unter Endkunden schien sich der Elektro-Multi zuletzt ohnehin nur noch am Krückstock starker Partner wohl zu fühlen. Sei es bei den Hausgeräten im Joint Venture mit Bosch, bei dem mit Fujitsu betriebenen PC-Geschäft, oder zuletzt als Know-How-Schlachtobjekt bei BenQ Mobile. Oft waren es vormalige ‚No Names’, die dem alten Platzhirsch das Geldmachen neu beibringen mussten.

Ein überdimensioniertes, wertvolles Kind schüttete der neue Siemens-Chef jedoch gleich mit dem Badewasser aus: Die über eineinhalb Jahrhunderte als Inbegriff für Solidität, Verlässlichkeit und Qualität stehende Marke. Diese wird nun nicht mehr zu Geld gemacht. Auf eine Kapitalisierung aus eigener Kraft will man wohl verzichten.

Im Gegenzug belasten neuerdings PR-Skandälchen, Imagepleiten und Marketing-Peinlichkeiten das nach wie vor güldene, aber ungenutzte Markenschild. Als Anekdote mit Schlüsselcharakter darf dabei das Hin und Her rund um die offiziellen Pressebilder von Vorstandschef Kleinfeld herhalten. Weil eine direkt vor die Kamera lugende Rolex-Uhr den PR-Beratern im Nachhinein zu protzig erschien, retuschierte man sie flugs hinweg.

Der Haken an der Sache: Der versammelten Presse lagen die Originalbilder bereits vor. Unwillkürlich karikatural schmücken daher nun ‚Vorher/Nachher’-Paarungen die Bilderstrecken der Wirtschaftsmagazine.

Mit Megatrends ins nächste Millennium 

Statt sich also unter dem Schutzschild einer Marke von Weltrang, von denen es vergleichbar nur sehr wenige, vielleicht nur zehn, gibt, an die neuen dynamischen Kommunikations- und IT-Technologien zu wagen, hat sich Kleinfeld einer Hirngeburt verschrieben: Angeblich global wirkende ‚Megatrends’ bestimmen ab sofort die Ausrichtung des Konzerns. Verstädterung, Rohstoffverknappung und Überalterung sollen den übrig gebliebenen Arbeitsbereichen Automatisierung, Energie, Verkehr, und Medizintechnik ein Wachstum bescheren, das doppelt so hoch ist wie der jährliche Anstieg des Weltbruttosozialprodukts.

Dass dies allerdings ohne ‚Hands On’ Restrukturierungs-Know-how gewiß nicht geht, sollte dem ehemaligen Unternehmensberater Kleinfeld klar sein. Schweiß-und-Tränen-Kuren vermied der ehemalige Strategiechef bislang durch gnadenloses Auslagern oder kompromissloses Schließen. Um der eigenen Belegschaft von rund 465.000 Mitarbeitern jedoch neuen Mut zu machen bedarf es des Bewusstseins, dass der neue Chef notfalls auch gewillt ist, sich mit ihnen in die Schützengräben zu legen, und darüber hinaus bereit ist, die motivatorische Zerreißprobe erfolgreicher Sanierungen durchzustehen.

SBS als Lackmustest

Und um dafür das ideale Exerzierobjekt zu finden bedarf es keines Nachtsichtgeräts. Bereits seit Anfang 2004 verantwortet Kleinfeld indirekt die IT-Tochter Siemens Business Services, zwei Chefwechsel musste die krisengeplagte Servicesparte seitdem über sich ergehen lassen. Auch ihrer wollte Kleinfeld sich rasch und schmerzlos entledigen, sollte sie bis zum Frühjahr die gewünschten Renditeziele nicht erfüllen – was utopisch erschien und erscheint.

Seit kurzem ist die Gangart nun jedoch eine andere. Um das ‚Herkules’-Projekt der Bundeswehr gemeinsam mit IBM abwickeln zu können, haben von Pierer und Kleinfeld SBS kurzerhand zum zentralen Kompetenzträger bei Siemens umdefiniert. Um dennoch bei den eigenen Restrukturierungsbemühungen dem erbarmungslosen Auge des Finanzmarktes nicht ausgeliefert zu sein, soll SBS nun aufgespaltet werden, und „näher am Siemens-Geschäft“ geführt werden. Soll heißen: In der Bilanz erscheint der Geschäftsbereich nicht mehr als eigenständige Größe, der durch ihn entstehende Verlust verteilt sich auf die anderen, profitablen Bereiche. Das Vorgehen hätte bei Siemens Tradition, und dies zumindest spekuliert das ‚Manager Magazin’, und nennt die Lösung „elegant“, da sie das Analystenauge von weiteren Zumutungen verschont.

Dieser kosmetischen Versuchung sollte Klaus Kleinfeld widerstehen. Seine durch die emotionale Achterbahnfahrt der vergangenen Wochen arg ramponierte Glaubwürdigkeit kann Kleinfeld nur dadurch wiederherstellen, dass er aus Siemens SBS einen voll marktfähigen Player macht, der ‚State of the Art’ IT-Kompetenz beherrscht, und dafür auch außerhalb von Konzern und Staat Abnehmer findet.

Die Zeiten von Polit-Klüngel und monopolistischem Beliefern von Staatsmonopolisten müssen endgültig vorbei sein. Herr Kleinfeld sollte anhand des Beispiels Siemens SBS zeigen, dass er voll imstande ist, marktfähige Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen zu erhalten, statt sie in einem undurchsichtigen Konzern-Kuddelmuddel zu verwässern. Dazu ist durchaus mehr Mut vonnöten, als es die Abtretung etwa an die Taiwanesen abverlangt.

Der Kapitalmarkt jedenfalls wird Klaus Kleinfeld und Siemens an dieser Aufgabe messen.”

So weit Sondermann. Mir hat man dagegen den begehrten “Jan-Hus-Hausmeisterpreis in Bronze“, der alljährlich von “Der General”-Sparte bei Procter & Gamble verliehen wird, fast schon versprochen – wegen meiner Bemühungen, die Siemens-Hausmeister und -Aushilfshausmeister zu organisieren, um das Siemens-Management zu stürzen und schlußendlich abzuschaffen.

Von “Der General” gibt es jetzt übrigens folgende Produkte:

Der General Bergfrühling

Der General mit natürlicher Seife

Der General Antibakteriell

Der General Frische Wildkirsche

Der General Minze

Der General Bergfrühling Universal-Spray

Der General Frische Orange

Der General Duo-Aktiv

Der General Orange & Sandelholz

Der General Frische Brise

Der General Frische Limone

Der General Winterrose & Schneeglöckchen

Der General Frische Zitrone

Der General Sommerbrise

(Wenn man alle zusammenmixt kommt dabei ein alkoholhaltiges Erfrischungsgetränkt mit leicht sämiger Konstanz raus. Es hat eine leicht berauschende Wirkung – bei gleichbleibend frischen Atem. Das Schönste aber ist: Diese beliebte Hausmeisterdroge – “FM-Cocktail” auch genannt – fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, bei unsachgemässer Handhabung kann man jedoch u.U. mit dem Sprengstoffgesetz in Konflikt geraten.)

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/03/17/siemens-watch-prize/

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kommentare

  • Neben der Fertigstellung des ersten theoretischen Überbaus
    und der bereitstellung des zweiten theoretischen Überbaus,
    ist natürlich auch noch weiteres Know-How zu sammeln.

  • Was dem Hands-On angeht, aber, so ist es zumindest einige Monaten zu früh um die theoretische Planung abzuschließen. Der Presse ist es u.a. zu verdanken, das einige der Projekten der Vergangenheit gescheitert und ich glaube nicht, dass ein Forcieren des Zeitplans etwas Gutes bewirken kann.
    So sollte dann dem theoretischen Überbau Stufe Eins noch einen kleinen Theoretischen Überbau für die Stufe Zwei folgen, bevor tatsächlich Modelle hergestellt werden, die standfest sind und zur Marktreife gebracht werden können. Alles andere würde einen Reinfall sein.

    Ohne Fleiß kein Preis.

  • Das ist ein vernünftiger Kommentar.
    Und ehrlich.

    Der Kleinfeld wird aber sich trotzdem daran halten,
    zumindest Tagsüber nicht mit Uhren zu hantieren.
    So einfach zur Würdigung der Aufmerksamkeit der Presse.

    Gute Nacht.

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