vonHelmut Höge 01.04.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Die Süddeutsche Zeitung mußte – so verlangte es Siemens – einen intellectual guess zurücknehmen, wonach der Konzern, wenn eine Korruption aufflog, den verantwortlichen Manager jedesmal gut dotiert entließ. Sie sprach dabei, wenn ich mich richtig erinnere von Mafia – und meinte damit wohl die Verbrecherehre bzw. -treue. Eine ähnliche Geschichte bringt heute auch der Spiegel – dabei soll ein “Siemens-Manager bei seinem Ausscheiden aus dem Konzern statt einer Strafanzeige eine Abfindung von 1,7 Mio Euro kassiert haben”. Zuvor hatte der Spiegel von einem ähnlich Fall berichtet, dabei bekam der Ex-Siemens-Manager einen gutdotierten Job in einem Firma, an der Siemens beteiligt ist.

Das muß auch so sein, denn die Aufgeflogenen sind – für die Öffentlichkeit – Sündenböcke, nach innen muß jedoch Solidarität mit ihnen geübt werden, sonst würde niemand das Risiko eingehen, das sich augenscheinlich fast alltäglich stellt. Es ist sozusagen Siemens-Tradition – die SZ nannte es “Siemens-Kultur”. Hier einige Gedanken über ihre  Entstehung:
Max Weber verdanken wir die Analyse der Militarisierung der Zivilgesellschaft Ende des 19.Jhds. “In Bismarcks Deutschland begann man, das preußisch-militärische Modell auch auf Unternehmen und Institutionen der Zivilgesellschaft zu übertragen, in Bismarcks Augen vor allem, um den inneren Frieden zu sichern,” schreibt Richard Sennett in “Die Kultur des neuen Kapitalismus”. “Ende des 19, Jhds hielt erstmals ein militärischer Umgangston Einzug in die Sprache der Investitionsentscheidungen. Damals tauchten Begriffe wie ‘Investitionskampagne’, ‘strategisches Denken’ oder auch ‘Ergebnisanalyse’ (ein Lieblingswort des Generals Clausewitz) in diesem Bereich auf” (nicht selten, wenn es dabei gegen die Arbeiterschaft ging – Stichwort AUB und “Strategie-Chef” Feldmayer mit seiner “Strategie”-Professur an der TU). Und nicht zu vergessen das Wort “Kartell”, das aus dem Duellwesen der (adligen) Offiziere stammt.
Max Weber war der Meinung, “die Armee sei ein konsequenteres Vorbild für die Moderne als der Markt…Außerhalb Deutschlands sah Weber Beispiele für diese These: Die mächtigen vertikal aufgebauten Trusts und Monopole in den USA unterdrückten den Wettbewerb, und ihre Besitzer, z.B. Andrew Carnegie und John D. Rockefeller, benahmen sich wie Generäle.” (R.S.)

“Auf dem Schlachtfeld werden einige Soldaten alles verlieren. Dennoch müssen die Soldaten bereit sein zu gehorchen, obwohl sie wissen, dass sie sterben müssen.” (Mindestens ihren Job verlieren). “In einer Armee muss der soziale Zusammenhalt zwischen den Soldaten absolut sein. Um den Zusammenhalt zu sichern, muss die Funktion jedes Dienstgrades klar und präzise definiert sein, ganz gleich, wer noch lebt und die Funktion übernimmt oder ob die Armee vor einem Sieg oder einer Niederlage steht. Diese militärische Notwendigkeit prägte Webers Analyse des bürokratischen ‘Amtes’ (des ‘Beamten’) im zivilen Leben, wobei er den Ausdruck ‘Amt’ für jede Funktion – vom Hausmeister bis zum Leiter einer bürokratischen Großorganisation – verwandte.”

Für die Beschäftigten in einer solchen Organisation bedeutete das “Planungssicherheit” für ihr Leben. Jetzt, “da die Militarisierung der sozialen Zeit zerfallen ist”, geht diese verloren – wir bewegen uns von den “geschlossenen” zu den “offenen Systemen” – alles bricht auf, uns steht “Lifelong-Learning” bevor. Sennett erwähnt Louis Gerster von IBM: “Er übernahm 1993 ein Unternehmen, dessen Bürokratien als ‘stahlhartes Gehäuse’ der rigidesten Art gelten konnten. Und 1996 war das meiste davon zerschlagen.” Aber dass ein Konzern sich nicht mehr um seine der Korruption überführten Manager kümmern darf, das geht zu weit. Im Gegenteil sollte der Vorstand wenigstens dieses letzte bißchen soziale Verantwortung – als Comrads in Crime – noch kultivieren.

Von Landowsky weiß ich, dass sich seit seiner Anklage im Bankenskandal z.B. die Parteifreunde in der Konrad-Adenauer-Stiftung verhalten, als hätte er Lepra. Auch in seinem Tennisverein, den er jahrelang mit Lottogeldern unterstützte, ist er seitdem nicht mehr gern gesehen, und sogar in seinem Lebensmittelladen legte man ihm laut Peter Grottian nahe, fürderhin nicht mehr einzukaufen. Das ist doch schrecklich! Was sind das für verrohte Sitten – seiner angeblichen Freunde. Was in der bürgerlichen Politik vielleicht noch hingehen mag, ist jedoch für ein Großunternehmen untragbar.

Deswegen reden auch immer mehr Journalisten davon, dass der Siemens-Konzern nun wohlmöglich “kollabiert”, “zerfällt”, “auseinanderbricht” etc. – Siemens wird sozusagen gezwungen, sich von seinen verbrecherisch verhaltenden Leitungsbeamten unfein zu trennen. Mit der SZ zu reden: Die Mafia soll sich fürderhin auch nach innen so verhalten, wie sie es nach außen hin tut. Was ist dadurch gewonnen?

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/04/01/siemens-suendenboecke/

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kommentare

  • Nachtrag aus Heise.de über interne Bestechungscodes:

    Unter Berufung auf Anwälte und juristische Dokumente berichtet das Wall Street Journal, der im November verhaftete, inzwischen aber wieder auf freiem Fuß befindliche ehemalige Bereichsvorstand Michael Kutschenreuter habe ausgesagt, Kleinfeld und der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer hätten nicht nur von Bestechungsgeldern gewusst, wie die Süddeutsche Zeitung bereits im Dezember schrieb – sie hätten Zahlungen zumindest in einem konkreten Fall sogar selbst zugestimmt. Es habe sich dabei um “Schweigegeld” für die saudische Beratungsfirma Beit Al Etisalat gehandelt, mit der Siemens früher zusammengearbeitet hatte.

    Ein Repräsentant der Firma, der Saudi Abdul Wahab Al-Akeel, habe Kutschenreuter Anfang 2004 angerufen und mehr als 900 Millionen US-Dollar gefordert. Ansonsten würde er Unterlagen, die Bestechungen für die Vergabe von Telekommunikationsaufträgen in Saudi-Arabien belegen, an die US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) übermitteln. Ein Kollege Kutschenreuters sei nach London geflogen und habe bei einem Treffen mit Al-Akeel Papiere erhalten, die Schmiergeldzahlungen in Saudi-Arabien sowohl im Festnetz- als auch Mobilfunkbereich über einen Zeitraum von mehreren Jahren belegen.

    Kutschenreuter gab laut Wall Street Journal in den Vernehmungen an, anschließend seine Vorgesetzten, darunter Kleinfeld und von Pierer, von den Vorgängen informiert zu haben. Der damalige CEO von Pierer habe ihn später angerufen und nach seiner Meinung gefragt. Kutschenreuter habe gesagt, dass man die Sache gegen eine Zahlung von rund 50 Millionen US-Dollar regeln könne. Mit Einwilligung des Siemens-Managements seien im Januar 2005 schließlich 50 Millionen US-Dollar gezahlt worden – 17 Millionen für ausstehende Zahlungen, 33 Millionen, die Kutschenreuter heute als Schweigegeld bezeichnet.

    Kleinfeld und von Pierer halten in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Wall Street Journal jedoch fest, es habe sich bei der Einigung mit der saudischen Beratungsfirma nicht um Bestechungsvorgänge gehandelt. Vielmehr habe Beit Al Etisalat Schadenersatz wegen vorzeitiger Auflösung der Geschäftsbeziehung von Siemens verlangt: 875 Millionen US-Dollar Gewinnausfall bis zum Jahr 2024, 14 Millionen US-Dollar Schadenersatz wegen Rufschädigung sowie 19 Millionen US-Dollar an ausstehenden Provisionen. Im Januar 2005 sei es dann zu einem Vergleich gekommen, den ein saudisches Gericht auch beurkundet habe. Von Schweigegeld sei nie die Rede gewesen.

    Der gegenüber der Staatsanwaltschaft offenbar sehr auskunftsfreudige Kutschenreuter gab weiter an, dass er Kenntnis von Bestechungsvorgängen unter anderem in Griechenland, Argentinien, Russland und der Slowakei gehabt habe. Auch Kasachstan und Kamerun sollen zu den Ländern gehören, in denen Siemens mit Schmiergeldzahlungen Aufträge ergatterte. Kutschenreuter gab auch Einblicke in die Geheimsprache der Siemens-Manager. So stünden die Buchstaben des Ausdrucks “Make Profit” der Reihenfolge nach für die Zahlen eins bis neun, das “t” für die 0. Hieß es nun, man könne einem Verhandlungsvorgang den Vermerk “APP” anfügen, habe dies bedeutet, dass 2,55 Prozent der Erlöse als Bestechungsgelder genehmigt waren.

  • Nachtrag:

    FAZ: “Die Beschuldigten von Siemens belasten sich gegenseitig” lautet die Überschrift über einen Text über den inhaftierten Siemens-Strategiechef Feldmayer und seine Nachfolger, die für die Zahlungen an die Siemens-Gewerkschaft AUB verantwortlich waren. So zerfällt die “Siemens-Kultur” (SZ). Feldmayers Anwalt erklärte: Sein Mandant sei nur als Bereichsvorstand von “Automatisierung und Antriebstechnik” und anschließend noch für eine kurze Übergangszeit für die “Geschäftsbeziehungen mit Schelsky” verantwortlich gewesen. Und “bis zu diesem Zeitpunkt seien Leistungen und Vergütungen korrekt gewesen.” Was soll das heißen? Dass Schelsky mit seiner “Anti-Gewerkschaft” (IG Metall) bis dahin – also so lange der Strategiechef ihn anleitete – gute Arbeit leistete? Das ist doch alles völliger Blödsinn, was dieser Anwalt von Feldmayer sich da ausgedacht hat. “Feldmayer wird Veruntreuung von 15,5 Mio Euro vorgeworfen.” Auch das ist Schwachsinn: Jeder Arbeiterpolitiker weiß: Beim Aufbau einer Gewerkschaft und erst recht einer Anti-Gewerkschaft braucht man einen langen Atem – d.h. es kommen immer wieder Zeiten, da die Berufsrevolutionäre bzw. – reaktionäre für ihr Geld “keine entsprechenden Leistung” liefern. Für die Aufklärung sollte es egal sein, was für die Staatsanwaltschaft gilt: “dass weder Schelsky noch Siemens die Zahlungen steuerlich hätten geltend machen dürfen” (focus).

    Der IG-Metall-Vizechef Huber argumentierte dagegen so: Dem Konzern selbst traue er die Aufklärung nicht zu. «Nur die Staatsanwaltschaft verfügt über die Mittel, eine der Tragweite dieses Vorganges angemessene Aufklärung zu leisten», erläuterte er.

    Gleichzeitig stellte Huber klar, dass es sich bei der Arbeitnehmervertretung AUB nicht um eine Gewerkschaft handele. «Die AUB hat weder Tarifverträge abgeschlossen, noch ist sie in der Lage, einen Streik zu führen», sagte Huber. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg wegen möglicher Zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe an den ehemaligen AUB-Vorsitzenden Wilhelm Schelsky. Der Nürnberger Unternehmer und frühere Siemens-Betriebsrat, der von seinem AUB-Amt zurückgetreten ist, soll seit 2001 fast 34 Millionen Euro Beraterhonorare von Siemens erhalten haben, ohne angemessene Gegenleistungen erbracht zu haben. Er sitzt ebenso in Untersuchungshaft wie Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer, der die Zahlungen veranlasst haben soll. Feldmayer wurde inzwischen von seiner Arbeit freigestellt. (ddp)

    Das manager-magazin, die FAS und auch der spiegel drehen den Spieß jetzt sozusagen um – indem sie absurderweise fordern “Die IG Metall muss für Sauberkeit sorgen” – wobei sie die Siemens-Schelsky- und die VW-Hartz-Affäre in einen Topf werfen, um daraufhin sogleich die ihrer Meinung nach immer unseliger werdende “Mitbestimmung” aufs Korn zu nehmen.Auch andere Zeitungen mutmaßen: Ist die IG Metall vielleicht so zurückhaltend in dieser Siemens-Sache, weil auch noch andere Betriebsräte von ihr – wie bei VW – bestechlich waren und sind? Mit mit der Siemens-Gegengewerkschaft AUB hat das nun gar nichts mehr zu tun – ist also mindestens in bezug auf diesen “Fall” antiaufklärerischer Quark.

    Aber abgesehen davon haben die Gewerkschaftsfunktionäre immer wieder damit zu kämpfen, dass “ihre” Betriebsräte sich von Geschäftsführern wenn auch nicht kaufen, so doch oft einwickeln lassen. Z.B. bei Opel in Eisenach (siehe blog vom 11.8.)

  • Hier noch mal die eingangs erwähnte SZ-Meldung – aus “media reloaded” (12.1.07):

    “Siemens gewinnt gegen Süddeutsche Zeitung” – Der Technologiekonzern Siemens kann in einem Streit mit der Süddeutschen Zeitung über deren Kommentierung der Schwarzgeld-Affäre einen juristischen Erfolg verbuchen.

    Das Blatt hatte in einem Kommentar zu den Schmiergeldvorwürfen gegen Siemens-Mitarbeiter geschrieben:

    “Es war Teil der Siemens-Kultur. Wer beim Schmieren aufflog, wurde den Strafverfolgern geopfert und mit einer hohen Sonderzahlung ruhiggestellt. Es war ein zynisches Geschäft: Lebenslange Versorgung für die ganze Familie gegen Stillschweigen; die Mafia lässt grüßen.”

    Das Landgericht München urteilte am Mittwoch, das Blatt dürfe die Behauptung nicht mehr wiederholen. Ein Verstoß gegen das Verbot werde mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro belegt, hieß es. Eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor.

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