Diese Forderung stellt sich immer dringender – angesichts der zunehmeden Privatisierung von Infrastruktur-Einrichtungen und Sozialbauwohnungen.
Vor kurzem fand in der TU der von Attac, BUKO, AG bäuerliche Landwirtschaft und mehreren Selbsthilfe-Netzwerken lange geplante erste Kongreß über „Solidarische Ökonomie“ statt. Zugrunde lag ihm der antidarwinistische Gedanke, dass es nicht der Kampf jeder gegen jeden ist, die eine Art (hier der Mensch) vorantreibt, sondern die vom Lamarckisten Kropotkin so genannte „Gegenseitige Hilfe“ bzw. Kooperation. Seit der neoliberalen „Wende“ haben sich dazu hierzulande die Genossenschaften als marktwirtschaftlich gerade noch mögliche Unternehmensform vermehrt. Inzwischen greifen aber nicht nur – seltsam genug – soziale Einrichtungen und Vereine auf dieses „Modell“ zurück, sondern ganze Städte entscheiden sich, das von den Staatserwaltungen zur Verschleuderung vorgesehene Volkseigentum – wie Wohnungsbau, Gas- Elektrizitäts- und und Wasserwerke – nicht zur Privatisierung frei zu geben, sondern mit einer Genossenschaft zu vergesellschaften.
Hierzu lagen dem Kongreß etliche Projektapiere, aber auch Erfahrungsberichte zugrunde. So referierte der taz-Geschäftsführer sowie die Leiterin der taz-Geno-Abteilung ausgehend vom einstigen Kampf der Belegschaft um die „kleine Lösung: Genossenschaft“ über die bisherige Entwicklung dieser alternativen Wirtschaftsorganisation gegenüber ihrem ehemaligen „Vorbild Libération“ in Paris, wo man sich für die „große Lösung: Monsieur le Capital“ entschied. Dies kam kürzlich zu einem unrühmlichen, jedoch kapitallogischen Ende, indem die Libé nun endgültig privatisiert wurde – und zwar ausgerechnet vom deutschen Springerkonzern!
In der Vergangenheit endete auch so manche Genossenschaftsgründung derart – elendig. In der Mongolei fanden gerade militante Demonstrationen statt von geprellten Mitgliedern mehrerer Genossenschaftsbanken, die zu hohe Zinsen versprochen hatten und dann „zusammengebrochen“ waren – wobei alle Ersparnisse verloren gingen. In diesem Zusammenhang wurde der Leiter der mongolischen Bankenaufsicht erschossen. Desungeachtet findet auch in der Mongolei gerade eine wahre Genossenschaftsgründungswelle statt – vor allem in der Form von Produktions- und Einkaufs- bzw. Verkaufs-Genossenschaften. In Ostdeutschland haben dagegen viele Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, so sie überlebten, die Wirtschaftsform „GmbH“ bzw. „AG“ angenommen, die ihnen mehr „Spielraum“ versprach als eine West-„Genossenschaft“.
Dies wurde auf dem Kongreß in einem Attac-Beitrag noch einmal bestätigt: Anders als in den romanischen und lateinamerikanischen Ländern fehle es dafür hierzulande an „politischer Unterstützung“. Mehr noch: Genossenschaften werden hier gegenüber anderen „Rechtsformen“ sogar benachteiligt. Die Arbeitsagenturen und Existenzgründerberater pushen nur Ich- statt Wir-AGs. Auch fehle es an staatlicher bzw. kommunaler Hilfe bei Betriebsübernahmen durch Belegschaften. Desungeachtet wollen In Bad Iburg und in Bremen die Bürger jetzt das städtische Gasnetz selbst „vergenossenschaften“, damit es nicht privaten Investoren in die Hände fällt. Der Freiburger Bürgervotum, das selbe mit dem kommunalen Wohnungsbestand zu tun, wurde ebenfalls diskutiert.
Für Berlin stellte Wolfgang Fabricius vom Gesundheitsladen“ die von ihm so genannten „Hartz IV-Genossenschaften“ vor. Dazu erklärte er: „Der Berliner Senat hat 2004 für 2 Milliarden Euro 65.000 GSW-Wohnungen an den amerikanischen Rentenfonds Cerberus verkauft. Das sind etwa 30.000 Euro pro Wohneinheit. Wenn diese Wohnungen den Mietern zum Kauf angeboten worden wären, hätte selbst ein Harz IV-Empfänger mit seinen 360 Euro Wohngeld pro Monat (2/3 Schuldendienst, 1/3 Betriebskosten, Renovierung, Instandhaltung) diese Summe bei 5%-iger Verzinsung nach spätestens 15 Jahren getilgt. Nach dieser Zeit hätte der Senat dann die Wohngeldzahlungen um 2/3 reduzieren und damit Steuergelder sparen können. So aber fließt dieses Geld jetzt in amerikanische Rentenkassen und ist für Bürger und „ihre“ Stadt für immer verloren.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über finanzielle Nothilfen für Berlin ist wohl trotz aller Proteste der Verkauf der restlichen 277.000 Wohnungen vorgesehen und zwar zu 5 Milliarden Euro, das sind pro Einheit nur 18.000 Euro. Damit die betroffenen Mieter ihre Wohnungen selbst kaufen können, wäre es erforderlich, entsprechende Genossenschaften zu gründen.“
Für die ebenfalls anstehende Vergesellschaftung der Berliner Wasserwerke wurden Formulare an potentielle Mitglieder einer „Wasser in Bürgerhand Berlin eG“ verteilt. Diese Genossenschaft will erst einmal die Wasserwerke gemeinsam mit dem Berliner Senat betreiben, „ist jedoch auch bereit, „den Senatsanteil kostenneutral zu übernehmen.“ Da es diesbezüglich aber einen „Geheimvertrag“ gibt – mit den „Profiteuren“, die 1999 die Werke zur Hälfte übernahmen und denen der Senat eine achtprozentige Rendite garantierte – muß die Wasserwerks-Genossenschaft i.G. erst einmal die juristischen und politischen Möglichkeiten für einen Ausstieg aus dem Vertrag „prüfen“, wobei sie als Druckmittel auch „außerparlamentarische Aktionen“ nicht ausschließt.
Kritisiert wurden in diesem Zusammenhang die vom Europa-Büro Saran Wagenknechts gerade veröffentlichten Papiere über die Berliner Sparkasse und die Wasserbetriebe, die der Attac-Theoretiker Alexis Passadakis bzw. der Diplompolitologe Benedict Ugarte Chacón erstellten. Die beiden plädieren nicht für ihre Vergenossenschaftung sondern für eine „Rekommunalisierung“. Einer von beiden schrieb mir später jedoch, das stimme gar nicht.
Auf alle Fälle stimmt aber:
„Das Ich ist nicht nur hassenswert, es hat nicht einmal Platz zwischen Uns und dem Nichts.“ (Claude Lévy-Strauss)
„Das Privateigentum hat uns so dumm und einseitig gemacht, dass ein Gegenstand erst der unsrige ist, wenn wir ihn haben – besitzen.“ (Karl Marx)
Über sahra.wagenknecht@europarl.europa.eu sind zwei Broschüren zu beziehen, die sich mit Alternativen zu Privatisierungen befassen:
1. „Die Berliner Wasserbetriebe – Von Kommerzialisierung und Teilprivatisierung zu einem öffentlich-demokratischen Wasserunternehmen“ -. von Alexis Passadakis (FU-Politologe und Attac-Kader)
2. „Der Verkauf der Berliner Sparkasse. Kritik und Alternativen“ – von Benedict Ugarte Chacón (FU-Politologe und Aktivist in der Initiative Berliner Bankenskandal)