In einer kleinen Kneipenrunde meinte ein schwäbischer Siemensarbeiter einmal – vor langer Zeit: „Der Willy Brandt läßt sich scheiden und mein Sohn ist arbeitslos. Denk mal drüber nach!“ In meinem Kopf war daraufhin jedoch eher Leere – völlige Leere. So etwas Ähnliches passierte mir jetzt auch nach dem Lesen des FAZ-S-Artikels vom 29.4. über den Rücktritt des Siemensvorstandsvorsitzenden Kleinfeld: „Siemens steckt im Chaos“ betitelt, zuvor hatte bereits der Spiegel seinen großen Konzern-Bericht mit dem Satz begonnen: „Siemens versinkt im Chaos (Die Aufarbeitung der Vergangenheit könnte das gesamte Unternehmen noch zerreißen.)“.
Neuerdings werden die kerndeutschen Konzernzentralen (von Telekom, DaimlerChrysler, BASF und sogar der Bundesbahn) stolz wie Oskar aber dumm wie Suppe „Headquarters“ genannt – Kopfviertel also. Das mag ja noch angehen – heute, da sich selbst Toilettenaufsteller „Global Player“ nennen. Aber wenn einige personelle Veränderungen in einem Kopfquartier anstehen gleich von „Chaos“ und „Untergang“ zu faseln – zeugt von völliger Unkenntnis der Funktionsweise einer Firma bzw. eines Konzerns (siehe dazu die Siemens-Hausmeister-Statements/Staatsdröhnungen von vor ein paar Tagen). Es ist reinste und blödeste Kapitalideologie – verbreitet von Wichtigtuern wie Cromme, Ackermann, Reitzle, Cordes und wie diese Lackaffen alle heißen, die jetzt mit ihren schwarzen Limousinen kiesspritzend zwischen Starnberg, München und Frankfurt hin und her kurven. Und breit getreten von ihnen gegenüber extrem unterbezahlt sich fühlenden Schweinejournalisten, die vor dieser „Elite“ jedesmal die Hacken zusammenschlagen un den Arsch zusammenkneifen. Ich war im vergangenen Sommer mit einem Spiegel- und einem FAZ-Journalisten in der Wüste Gobi – und weiß wovon ich rede.
Vor einiger Zeit saß die attraktive Hamburger Cheflektorin Barbara W. in einer sauteuren Hotelsauna am Starnberger See – erschöpft, weil sie gerade Schalck-Golodkowskis verlogene „Deutsch-Deutsche Erinnerungen“ lektorierte. Dem KoKo-Chef hatten schuldbewußte Kopfquartier-Männer dort eine Villa besorgt – damit er dort in Ruhe sterben konnte. Vorher wollte er aber noch für gutes Geld seine Memoiren veröffentlichten – und die mußte dann Barbara W. lektorieren, wozu sie sich alle paar Wochen in jenem Starnberger Hotel einquartierte. Erschöpft war sie, weil es eine Scheißarbeit war: Jedesmal wenn sie was kleines Interessantes auf die Reihe gebracht hatte, kamen Schalck-Golodkowskis Anwälte an und strichen es wieder raus – am Ende wurde ein völlig überflüssiges Buch daraus. Nicht einmal der Hightech-Lieferant Siemens/Osram wurde darin richtig gewürdigt. Das Geschäft lief u.a. über die Pankower HVA-Firma F.C.Gerlach Export Import Parkstraße 37 und ihren Geschäftsführer Michael Wischnewski, gelegentlich wurde auch noch dessen Westberliner Schwager Pietzsch mit einbezogen. Wischnewski entkam der Sieger-Justiz indem er – ebenso krank wie Golodkowski – nach Israel auswich. Sein Schwager sammelt heute im „Haus Pietzsch Unter den Linden“ Kunst – vornehmlich vom Nagelkünstler Uecker, der allerdings schon lange Nageln läßt.
Zurück zu Barbara W.: Sie saß also in der Starberger Hotelsauna – allein und döste vor sich hin. Plötzlich ging die Tür auf und ein kleiner dicker hässlicher nackter Mann Mitte Fünfzig kam herein, sah Barbara, nahm Haltung an, wippte kurz mit seinem Schniepel und schnarrte dann – zu ihren Titten gewandt: „Gestatten…Rumpeldipumpel…BMW-Vorstand!“ Barbara verließ fluchtartig das Lokal – und betrat die Sauna nie wieder. Diese Reaktion war vielleicht übertrieben, Tatsache ist jedoch, dass zu viele von diesen komischen Wichtigtuern (Manager – nicht Unternehmer!) einen Sprung in der Schüssel haben.
Und der größte Schwachkopf – das dürfte wohl der Bremer Cola-Light-Trinker und Rolexträger Klaus Kleinfeld gewesen sein. Zur Erinnerung: Bei dem ganzen „Siemens-Chaos“, dem „Siemens-Skandal“ ging und geht es um eine bestimmte deutsche Art von Geschäftemacherei und Arbeiterpolitik mittels Schmiergelder, die trotz veränderter Gesetzeslage im Konzern beibehalten und gepflegt wurde. In diesem Zusammenhang wurden dann einige „Topmanager“ (Bild) verhaftet und andere – wie Pierer und Kleinfeld – traten zurück.
Dazu nun O-Ton FAS: „Klaus Kleinfeld hat alles richtig gemacht. Sagt Klaus Kleinfeld. Von tollen Erfolgen in einem ‚High-Performance-Team‘ sprach er noch am vergangenen Donnerstag, einen Tag nachdem seine Karriere bei Siemens abrupt gestoppt wurde. Seine Leistung werde erst in drei bis fünf Jahren richtig gewürdigt werden, tönte der scheidende Vorstandsvorsitzende. Einen Fehler hat Klaus Kleinfeld begangen. Sagt Klaus Kleinfeld. Er hätte seine Person besser vermitteln müssen, damit in der Öffentlichkeit nicht das ‚Abziehbild Kleinfeld‘ haftenbleibt, sondern der wahre Mensch.“
Wie so ein asozialer Egomane bei Siemens auch nur die Probezeit überstehen konnte, ist mir ein völliges Rätsel. Die Zeit schreibt: „Besonders gern trägt er Weisheiten im amerikanischen O-Ton vor: »You have to earn your lunch every day« oder »Nobody is perfect but a team can be«. Und wenn er über seine Zeit in Amerika spricht, dann wird sein Siegerlächeln noch strahlender. Klaus Kleinfeld taugt perfekt als Prototyp für jene neue angelsächsisch geprägte Managergeneration, der allein der Profit als Richtschnur ihres Handelns gilt.“ Statt von einem „Prototyp“ sollte man vielleicht eher von einem „Dummy“ reden. Genug.
Es geht mir nicht um Psychologie. Das Ganze ist ein Gewerkschafts- bzw. Arbeiter bzw. Organisationsproblem: Solche Manager und wahrscheinlich alle anderen auch verdienen mehr Prügel als Butterkuchen – wenn aus ihnen noch irgendetwas Vernünftiges werden soll.
Letzte Nachrichten über Klaus Kleinfeld und die „Siemens-Affäre“ (SZ):
Die FAS vom 6.5. veröffentlichte dazu gleich zwei Artikel. Einen über Kleinfelds „Spin-Doktor“ – das sind PR-Profis, die engagiert werden, um den kommenden Schlagzeilen den richtigen Dreh (spin) zu geben. Die von Kleinfeld engagierte Agentur gehört dem Spin-Doktor Christoph Walter: Dessen Mitarbeiter gingen laut FAS „so offensiv und ungeschickt wor, dass sich die Siemens-Aufsichtsräte provooziert fühlten und dem Vorstandschef unterstellten, er wolle über öffentlichen Druck eine Vertragsverlängerung erzwingen. Das Ergebnis ist bekannt: Heute sucht der Konzern einen neuen Chef.“
Und was tut Kleinfeld stattdessen nun? Auch das beantwortet die FAS – in einem Kommkentar:
„Kaum. dass Kleinfeld seinen Abgang verkündet hat, macht er unverschämt und kräftig Kasse.“ Er verkaufte seine Siemens-Aktien für gut 6,3 Mio Euro. Gleichzeitig verkaufte auch Personalvorstand Jürgen Radomski seine – für 2,7 Mio. Ebenso der wegen Korruptionsvorwürfe suspendierte Johannes Feldmmayer – für 2,2 Mio, und der für mehrere Konzerntöchter zuständige Rudi Lamprecht – für gut 3,1 Mio, sowie der Medizintechnikchef Erich Reinhardt – für knapp 1,8 Mio Euro.
Die FAS schreibt: „Dem Unternehmen muß das alles ziemlich peinlich sein. Wie ist sonst zu erklären, dass Siemens unter der Überschrift ‚Klarstellung‘ schnell eine Pressemitteilung verbreitete mit dem Tenor: Alles halb so schlimm.“
Aber weitere Siemens-Manager werden demnächst wohl ebenfalls wütend und enttäuscht ihre Siemens-Aktien verkaufen, denn es stehen unter diesen „hochbezahlten Heinis“ weitere Kündigungen im Konzern an.
Aus den USA wird vermeldet – von der SZ: „Einem Bericht des Konzerns an die US-Börsenaufsicht SEC zufolge stoßen die eingesetzten internen Prüfer auf immer mehr dubiose Finanztransaktionen. Neben Beraterverträgen seien die Ermittler in der Kommunikationssparte (Com) auch auf verdächtige Bar- und Scheckzahlungen gestoßen, die im Zusammenhang mit Anti-Korruptionsgesetzen in Deutschland und den USA ‚Sorgen‘ auslösten.“
Was für eine dämliche Formulierung! Und statt laufend die gesamte Schmiergeldsumme von Siemens abzudaten – bis jetzt sind es etwa 500 Mio Euro, sollte man sich langsam mal grundsätzlichere Gedanken darüber machen, wie das „System Siemens“ seit den Anfängen – im Zusammenhang des von Siemens mitgegründeten Elektrokartells – militant funktionierte. Und wie es sich zwischen 1989 und 1999 konvertierte – zu einem soften Schmiergeldsysstem. Vielleicht würde aus solche einer gründlichen Analyse die Frage beantwortbar werden, wie Siemens künftig anders – legal – Geschäfte machen kann.
Der stern meldet: „Eine Woche nach den ersten Hausdurchsuchungen im November vergangenen Jahres hat die Siemens AG den Leiter ihrer Anti-Korruptionsabteilung Dr. Albrecht Schäfer zum Chef einer Compliance Task Force gemacht, obwohl er zu jenem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wurde.Schäfer war am 17. November 2006 von der Staatsanwaltschaft München I als Beschuldigter eingetragen worden, nachdem er in Vernehmungen eines verhafteten Siemens-Mitarbeiters als Mitwisser und Vertuscher belastet worden war. Trotzdem teilte Siemens am 23. November in einer Pressemitteilung seine Ernennung zum Chef der Compliance Task Force mit, die für die verschärfte Einhaltung der Anti-Korruptions-Regeln sorgen sollte.“
Der Tagesspiegel meldete: Im Darmstädter Prozeß gegen zwei ehemalige Siemens-Manager hat die Staatsanwaltschaft für einen der beiden Angeklagten eine Haftstrafe gefordert sowie 98 Mio Euro von Siemens – „als Abschöpfung des entstandenen Gewinns (so genannter «Verfall») an die Staatskasse“.
Unterdessen gerät der Weltkonzern laut europolitan.de „auch mit dem Abgang des Siemens-Kommunikationschefs in die Schlagzeilen. Der Leiter der Kommunikationsabteilung, Janos Gönczöl, scheidet Ende Mai aus dem Unternehmen aus.“
Und der Aufsichtsrat Cromme beschwerte sich, dass die Presse immer haltloser irgendwelche Managernamen nennt, die angeblich als Nachfolger von Kleinfeld in Frage kommen.
Beschweren kann man sich über die bundesdeutsche Presse aber auch noch darüber, dass sie die anstehenden Massenentlassungen bei Siemens-Nokia buchstäblich nur am Rande erwähnt. Die „linke Zeitung“ schreibt:
m Freitag dem 4. Mai nachmittags, knapp vor dem Wochenende erhielten die Mitarbeiter von Nokia-Siemens Networks (Telekommunikationsnetze) in Deutschland und Finnland eine Mail des Vorstandsvorsitzenden aus Espoo bei Helsinki. Darin wird mitgeteilt, dass in Deutschland etwa 3.000 und in Finnland etwa 1.500 KollegInnen aufgrund der Zusammenlegung der beiden Konzernbereiche überflüssig geworden seien. Die 4.500 Entlassungen sind nur der Beginn einer ganzen Reihe von Entlassungswellen. Insgesamt will Nokia bis 2010 zunächst weltweit 9.000 der derzeit noch 60.000 Mitarbeiter entlassen. Nach 2010 sollen weitere Arbeitsplätze verloren gehen. Besonders betroffen von der ersten Entlassungswelle soll das Werk in Berlin mit seinen 2.000 Beschäftigten sein. Die Entscheidung wird allein von der Profitgier bestimmt. Trotz der Kosten der Zusammenlegung schreibt das Joint-Venture mit +6% Rendite schwarze Zahlen und die Auftragsbücher sind gut gefüllt.
Die Entscheidung wurde getroffen, ohne mit dem Betriebsrat zuvor gemäß den deutschen Mitbestimmungsrechten verhandelt zu haben. Zusätzlich soll das mit der IG-Metall vor dem Betriebsübergang vereinbarte Tarifabkommen zur Beschäftigungssicherung der ehemaligen Siemens-Beschäftigten eigenmächtig außer Kraft gesetzt werden. Die Konzernleitung verfährt also nach dem alten Spruch „legal – illegal – scheissegal“, wer die Macht hat, hat auch das Recht… Angesichts dieses Vorgehens ist Abwarten, gutes Zureden und Pochen auf Vereinbarungen nicht angebracht.
Der Gesamtbetriebsrat von Nokia-Siemens hat sich noch am Freitag auf eine standortübergreifende Gegenwehr geeinigt. Am Dienstag um 9 Uhr wird es an allen deutschen Standorten mit etwa 13.000 Beschäftigten Betriebsversammlungen geben. Wichtig ist, dass es dabei nicht bleibt, sondern ein transnationaler Widerstand aufgebaut wird. Massenentlassungen bei gewinnträchtigen Unternehmen sind nicht hinnehmbar und erfordern energische Gegenwehr mit langem Atem.
Neben der wichtigen Verbindung mit den finnischen KollegInnen sollte über eine gemeinsame Vorgehensweise mit den Beschäftigten bei der Telekom diskutiert werden. Diese kämpfen gerade gegen massive Stellenkürzungen und Auslagerungen von Zehntausenden in Niedriglohngesellschaften. Natürlich ist in Berlin, einer Hauptstadt der Arbeitslosigkeit, jeder Kampf gegen Entlassungen auch ein politischer Kampf gegen wachsende Verelendung in dieser Stadt. Die betroffenen Beschäftigten sollten den Schulterschluss mit der Bevölkerung und vor allem den Erwerbslosen suchen.
Edith Bartelmus-Scholich, 7.5.07