vonHelmut Höge 14.05.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Der Tagesspiegel meldet:

Das Netzwerk-Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens hat einen massiven Stellenabbau vor allem in Deutschland und Finnland angekündigt. In Deutschland sollen bis 2010 nach den Angaben 2800 bis 2900 der insgesamt 13.000 und in Finnland 1500 bis 1700 von 10.000 Arbeitsplätzen gestrichen werden. Weltweit will Nokia Siemens Networks 9000 von bisher 60.000 Stellen abbauen, wie das Unternehmen in Helsinki mitteilte. Vor allem Deutschland liegt damit deutlich über der vom Unternehmen schon vorab genannten Quote von zehn bis 15 Prozent des Beschäftigtenstandes.

Arbeitnehmervertreter haben schockiert auf den geplanten drastischen Stellenabbau bei Nokia Siemens reagiert. „Wir haben die Abbauzahlen mit Wut und Entsetzen zur Kenntnis genommen“, sagte Michael Leppek von der IG Metall. Die Streichung von 2900 Stellen in Deutschland sei weit mehr als man sich jemals vorgestellt habe. „Wir fühlen uns hinters Licht geführt.“

Die Leser des tsp meinten dazu:

Siemens hat einen Namen

überall wo der drauf steht, gibt es Pleiten und werden Arbeitsplätze vernichtet.

Senioro (4.5.2007 13:20 Uhr)

Immer unattraktiver als Arbeitgeber…

Ich – als derzeitiger Diplomand und angehender Akademiker mit Auslandssemester, -praktika, Berufserfahrungen und guten Noten – finde es zunehmend unattraktiver für ein Unternehmen wie (Nokia) Siemens zu arbeiten.

Gibt es denn keine Firmen mehr, in denen das Motto gilt „Der MItarbeiter ist die Quelle für unseren Erfolg“?

Ich möchte nicht in einem Unternehmen arbeiten, in dem Korruption und Missmanagement so normal sind. In denen der MItarbeiter gar nichts mehr wert ist.

Aber auch bei meinem jetzigem Arbeitgeber, einem großem Pharmaunternehmen mit Sitz in Berlin, ist zumindest das Missmanagement und die NIcht-Wertschätzung von MItarbeitern zur Zeit doch ausgeprägt.

Warum wird das gemacht? damit alle guten Mitarbeiter, die können, das Unternehmen verlassen bzw. Freunden und Bekannten abraten, sich da zu bewerben? Damit neue Arbeitsplätze so leichter (und günstiger) im Ausland geschaffen werden?

Ich versteh es nicht.

Haji Mohmaad (4.5.2007 21:57 Uhr)

Kanzlerinnenberater von Pierer…..

…hätte so etwas nicht zugelassen. Oder etwa doch?

Fritz Wilke (5.5.2007 8:20 Uhr)

aufschwung

ACHTUNG IRONIE

da ja die deutschen froh und zuversichtlich in die zukunft blicken und der arbeitsmarkt boomt, wie aus den medien zu erfahren ist, werden die paar leutchen, auch die von airbus, telekom, opel ……, doch gaaaanz schnell wieder einen neuen job finden.

also nicht jammern , sondern ranklotzen!!!!! der aufschwung ist doch da!!

spaßvogel (5.5.2007 11:07 Uhr)
Der letzte Leserbrief nimmt eine derzeit weitverbreitete Meinung (ironisch) auf – dass nämlich der Aufschwung da sei, Deutschland demnächst schuldenfrei werde, wegen unerwarteter Steuermehreinnahmen, immer mehr neue Arbeitsplätze entstehen, die Mindestlohngrenze von etwa 7 Euro 50 selbstverständlich wird und sogar – wie die FAZ meldet – die EU bald 20 Millionen Migranten braucht, weswegen die CDU hierzulande die Green Card einführen wird. Der Aufschwung habe u.a. auch bereits die Diskussion über „urbane Penner und die digitale Bohème“ überdeckt, meinte eine ihrer Wortführerinnen. Ein anderer schränkte ein: Ja, aber die breiten Massen werden nicht davon profitieren, im Gegenteil wird ihr Downsizing sich fortsetzen. Nur beim Fußball halten sich Auf- und Abstieg der „Vereine“ laut Wahrscheinlichkeitstheorie die Waage.
Elena Esposito hat dazu in „Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität“ am Beispiel der gleichzeitig entstandenen „Statistik“ und des „Romans“ Näheres ausgeführt. U.a. heißt es in ihrem auf Luhmann fußenden Suhrkamp-Essay: „Wer heute nicht in der Lage ist, sich im Bereich der Fiktion zurechtzufinden, verfügt nicht wirklich über soziale und kommunikative Kompetenz.“ Von der anderen Seite näherte sich zuvor Alenka Zupanciz bereits dem Problem – in ihrer Suhrkamp-Studie: „Das Reale einer Illusion“, über das auch Slavoi Zizek schon wiederholt schrieb. Seine diesbezüglichen Überlegungen faßte zuletzt der Kunsthistoriker Terzic Zoran zusammen – in: „Kunst des Nationalismus“.
Seltsam, diese Häufung von balkanischer Theoriebildung an diesem Punkt – zwischen realer Fiktion und fiktiver Realität, den Jean Baudrillard bereits umkreiste – wenn ihn auch nurmehr abstrakt negierend: „Der Golfkrieg hat nicht stattgefunden“, „Das Jahr 2000 findet nicht statt“…

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/05/14/berliner-siemensianer-entsetzt/

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kommentare

  • Letzte Meldung (vom 19.5. – FAZ): Jetzt auch noch Siemens-Skandal in Neuseeland

    Die neuseeländische Kartellkommission hat den Münchner Elektrokonzern Siemens und zwei andere europäische Unternehmen wegen illegaler Preisabsprachen verklagt. Siemens und die französischen Gesellschaften Alstom und Schneider Electric hätten von 1988 bis 2004 Preise bei Schaltanlagen für Stromnetze abgesprochen. Siemens war in gleicher Angelegenheit schon von den Brüsseler Wettbewerbshütern zur bis dahin höchsten je für einen einzigen Kartellverstoß verhängten Geldbuße verurteilt worden. Der Konzern soll 418,6 Millionen Euro zahlen. (dpa)

  • Über das „Siemens-System“ berichtet der Spiegel anhand eines 2006 verfaßten internen Berichts für den Aufsichtsrat:

    Brisant an dem 40-Seiten-Papier: Es erweckt den Eindruck, das Kontrollgremium sei schon seit einigen Jahren ausführlich über das System schwarzer Kassen informiert gewesen.

    In dem Gremium saßen neben Cromme auch Ex-Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle, Siemens-Mann Heinrich von Pierer und zwei Arbeitnehmervertreter. Verfasst hat das Papier Albrecht Schäfer, lange Chefjurist des Hauses und bis Ende 2006 Chief Compliance Officer, jener Mann, der die Einhaltung der Anti-Korruptionsvorschriften überwachen sollte.

    Schäfer schreibt, dass er bereits in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 26. Juli 2006 ausführlich über die dubiosen Zahlungen bei der Com-Sparte berichtet habe. Ausdrücklich habe er den Ausschuss darauf hingewiesen, dass es sich aufgrund „der Verzahnung der Verfahren in Liechtenstein und in der Schweiz“ um ein „System handele“.

    Doch Schäfer soll damals keineswegs auf ein derartiges System hingewiesen haben. Es war Cromme, der laut der handschriftlichen Aufzeichnung eines Mitarbeiters der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG nach Schäfers Vortrag nachhakte: Man kön- ne, so Cromme damals, sogar den Eindruck gewinnen, dass es sich bei den Vorgängen um ein System handele. Schäfer antwortete, diesen Eindruck könnte man gewinnen.

    Allerdings fand die Einlassung des Anti-Korruptionsbeauftragten nicht einmal Eingang ins offizielle Sitzungsprotokoll.

    Schäfers merkwürdige Informationspolitik zeigt sich auch an seiner Vorlage für die Sitzung vom 6. November 2006. Auf den ersten zehn Seiten beschreibt er die neueingeführten Verhaltensregeln im Konzern und elektronische Schulungen der Mitarbeiter. Später referierte er mögliche Kartellrechtsverstöße in der französischen Sanitätsbranche und wies darauf hin, dass es in Brasilien Probleme wegen gefälschter Transportpapiere für Glühlampen gebe.

    Es finden sich aber auch Vorgänge größerer Tragweite, etwa Bestechungsvorwürfe in Italien mit einem „Vermögensvorteil von 338 Millionen Euro“ sowie der Hinweis auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bozen um mögliche Schmiergeldzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe.

    Statt einen Zusammenhang zwischen solchen Fällen herzustellen, beließ Schäfer es bei der nüchternen Aufzählung. Aber hätten erfahrene Kontrolleure wie Cromme bei solchen Summen nicht hartnäckiger nachfragen müssen?

    „Selbst ein bösgläubiger Mensch“, sagt Cromme, „hätte hinter dieser Art der Darstellung nicht den Skandal vermuten können, vor dem Siemens heute steht.“

    Auch in einem weiteren Fall fühlen sich die Mitglieder des Prüfungsausschusses durch das Schäfer-Papier zu Unrecht attackiert. Der Jurist erwähnt Einzelheiten eines Ermittlungsverfahrens in Liechtenstein. Darüber habe er den Prüfungsausschuss unter anderem am 26. April vergangenen Jahres informiert, versichert er. Das mag formal korrekt sein. In der Sitzungsvorlage wurden dieser Angelegenheit indes nur sieben Zeilen gewidmet. Statt von zwei beschuldigten Ex-Siemens-Mitarbeitern ist nur von einem die Rede. Auch dass es um fragwürdige Zahlungen von bis zu 25 Millionen Euro ging, wird nicht erwähnt. Für Heinz Hawreliuk, der für die Arbeitnehmerseite im Prüfungsausschuss sitzt, ist klar: „Das Gremium wurde offenbar bewusst hinters Licht geführt.“

    Wenn es so war, dann bleibt die Frage: Handelte Schäfer aus eigenem Antrieb, oder erledigte er mit Rückendeckung der damaligen Konzernspitze nur jene delikaten Arbeiten, die nach deren Ansicht eben erledigt werden mussten? Sollte die interne Kontrollabteilung bei Siemens weniger die Korruption als vielmehr die Korruptionsermittlungen verhindern? In seinem Bericht mahnte Schäfer mehrfach: „Mit Durchsuchungen ist zu rechnen.“

    Das Schäfer-Papier liest sich deshalb eher wie eine Schutzschrift, in der sich der Manager selbst verteidigt. Zugleich wirkt es wie ein Drohbrief. Ein Mann, der so viel weiß, wird in den meisten Konzernen nicht entlassen. Bei Siemens wollte sich mit Blick auf die laufenden Ermittlungen zu Details niemand äußern.

    Doch Cromme muss und will bei Siemens aufräumen. Schäfer soll das Unternehmen verlassen – und zwar ohne jede Abfindung. Eine Zahlung an Schäfer könnte wie Schweigegeld aussehen. Die möglichen Folgen sind Cromme bewusst. Die Schlammschlacht könnte noch schmutziger werden.

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