Unter diesem Motto mobilisierten einige Leute aus dem Wrangel-Kiez eine Diskussions- und Protestveranstaltung im Altersheim Falckensteinerstraße gegen den Bau eines Mc Donald’s Drive-In an der Ecke Saklitzerstraße/Wrangelstraße. Es kamen über 100 Leute – und sie versprachen, mehr zu werden, außerdem eine breite und scharfe Anti-Mc Donald’s-Kampagne in S.O.36 (der autonome Teil Kreuzbergs – im Gegensatz zu 61, dem alternativen Teil Kreuzbergs, den man auch als die Futonficker vom Südstern bezeichnet). Der grüne Kreuzberger MdB Christian Ströbele sagte seine Unterstützung des Widerstands zu. Dafür mußte er sich heute im Tagesspiegel von einem Praktikanten, der zum ersten Mal ein fetziges Feuilleton und das auch noch auf Seite 1 schreiben durfte, ganz böse anti-alternative Worte gefallen lassen. Aber er brachte immerhin einige Leser darauf, auch noch die ganzen Döner-Anbieter in Kreuzberg zu agitieren.
Hier die Presseerklärung der Initiatoren der Kreuzberger Anti-Mc Donald’s-Kampagne:
Liebe aktive MitstreiterInnen, sorry, dass die Mail so spät kommt.... Erstma super von Euch, dass Ihr alle gekommen seid gestern und wir hoffen, ihr werdet euch auch nächsten Mittwoch wieder zum Treffen in der Falckensteinstraße 6 einfinden!!! Wir haben heute morgen eine PM (siehe unten) rausgegeben, und die Presse ist schon gut aufgesprungen. Heute abend wird der rbb in der Abendschau berichten sowie diverse Tageszeitungen morgen (BZ, Tagesspiegel, Welt...)... Philipp hat schon eine Mailingliste eingerichtet, werden euch da morgen eintragen, dann haben wir ja schon mal eine Kommunikationsplattform (siehe Infos morgen)... zudem hat er die Domains www.keinmcdoofinkreuzberg.de und www.kein-mc-doof-in-kreuzberg. de für uns gesichert (vielen Dank dir!). Alles weitere werden wir dann auf der Mailingliste besprechen. Leitet die PM ruhig an alle weiter! Mit kämpferischen Grüßen, Sarah und Katrin Sehr geehrte Damen und Herren, wir möchten Sie auf folgende Pressemitteilung aufmerksam machen: Pressemitteilung, 10.05.07 Kreuzberg muss Mc Donald's ? frei bleiben! Gegen die geplante Mc Donald's Filiale in Verbindung mit einem Mc Drive in der Wrangelstr. Ecke Skalitzer Str. in Kreuzberg hat sich gestern eine BürgerInneninitiative gegründet. Über 100 AnwohnerInnen, SchülerInnen, Kiez-Initiativen und andere politisch Aktive fanden sich zusammen und begannen mit den Planungen für eine bunte und laute Kampagne gegen den Fast-Food Konzern. Wir wenden uns aus politischen, ökonomischen, ökologischen und ernährungstechnischen Gründen gegen eine Mc Donald's Filiale im Kiez. Politisch, da für uns weder der Ansatz der kulturellen und gastronomischen weltweiten Gleichschaltung, für den Mc Donald's mit seiner agressiven Expansionstrategie steht, noch die Produktions- und Arbeitsbedingungen der Kette akzeptabel sind. Ökonomisch, da durch eine Kette, die durch Rationalisierungen Kampfpreise anbieten kann, viele kleine Gewerbetreibende und eine gewachsene Struktur in Kreuzberg gefährdet werden. Ökologisch, da vor allem durch einen Mc Drive das ohnehin schon starke Verkehrsaufkommen auf der Skalitzer Str. und den Anrainerstraßen noch verstärkt wird, in denen sich auch mehrer Schulen befinden. Hier liegt auch die besondere Bedeutung der ernährungstechnischen Kritik. Da sich drei Schulen in direkter Nähe befinden, würde hier vor allem der Fast-Food Konsum von Kindern und Jugendlichen gefördert und die Bemühungen Berlins um ein gesundes und vollwertiges Schulessen konterkariert werden. Das nächstes Treffen der BürgerInneninitiative ist am Mittwoch, den 16.Mai um 19 Uhr in der Falckensteinstraße 6. Alle Interessierten sind herzlich willkommen! Bei Fragen: keinmcdoofinkreuzberg@yahoo.de
Fastfood-Kettenreaktionen
Alle sechs Stunden eröffnet irgendwo auf der Welt ein neues McDonald’s-Restaurant. Und dann gibt es noch Burger King, gleich Pepsi – in seinem ewigen Ringen mit Coca-Cola – ein Me- too-Produkt, wie Unternehmensberater Firmen nennen, in denen Marketingleute die Entwicklungsabteilung ersetzen. Das heißt, der Burger-King-Konzern aus Miami macht alles, was auch beim Branchen-Ersten McDonald’s aus Illinois erfolgreich ist – vom Fleischklops mit Käse bis zur Kindergeburtstagsparty. Einziger Unterschied: Beim Fast-food-Ersten werden die Hamburger gebraten, beim -Zweiten gegrillt.
McDonald’s steigerte seinen globalen Umsatz 1994 von 7,4 auf 8,4 Milliarden Dollar – mit nunmehr 15.205 Restaurants und 745 „Satelliten-Lokalen“. Burger King erreichte zur selben Zeit mit weltweit 7.547 Restaurants (Company-eigen oder im Franchise-System) und 270.000 MitarbeiterInnen einen Umsatz von 7,5 Milliarden Dollar. Allein auf Hawaii gibt es 2.000 Burger-King-Restaurants, außerdem eine Burger-King-Universität. Seit der Wende hat Burger King, seit 1985 beim britischen Nahrungsmittelkonzern („Wimpy“) Grand Metropolitan PLC, in Ostdeutschland zwölf Restaurants eingerichtet. In Berlin gibt es bis jetzt 24 Lokale, in den Ostberliner Bezirken Pankow und Schöneweide erfreut sich ein Burger-King-Drive-thru großer Beliebtheit, das entsprechende McDonald’s-Drive-in befindet sich – wegen der dort ehemals stationierten U.S. Army – in Zehlendorf. Die McDonald’s Corporation eröffnete in Ostdeutschland bisher 25 Restaurants, in Berlin gibt es insgesamt zwölf Lokale.
Seit der Wende sprießen außerdem die vom Kettengedanken inspirierten „Mc“-Läden aus dem Boden: von McPaper über McShirt, McSport, McKraft, McMaxiMumm, McTrödel und McBillig bis zu McHair. Falls sich solche Unternehmensgründer in der selben Branche wie McDonald’s tummeln, haben sie schlechte Karten: McFish, McPommes, McReis, McDöner – alle mußten sich einen neuen Namen – ohne „Mc“ – suchen. Jüngst erwischte es ein serbisches Lokal, „McJugo“, dessen Wirt sich teuer unterwerfen und das Geschäft in „Mr. Jugo“ umbenennen mußte.
Genau umgekehrt versuchen nationale Me-too-Ketten, sich an den Erfolg von McDonald’s und Burger King anzuhängen: Sie kopieren das Angebot, nennen sich aber anders. In Hongkong und Macau heißt die chinesische Fast- food-Kette „Gemeinsame Freude“, in Manila „Fröhliche Biene“, und im Norden der USA ist die „Weiße Burg“ weit verbreitet. Sie verkauft winzige Hamburger, über die insbesondere Südstaatler gerne ihre Witze machen, einer geht so: Kommt ein Texaner ins White Castle und verlangt einen Hamburger. Als das kleine Ding vor ihm liegt, dreht er sich um und
sagt: „O.k., wo ist die versteckte Kamera?!“
Es gibt auch Konsumentenstrategien, die geschäftsschädigend sind, zumal sie nicht juristisch eingedämmt werden können. So werden die auf schnellen Kundendurchlauf bedachten Lokale zum Beispiel gerne von Pennern und Fixern angesteuert. Um letztere zu vertreiben, hat man in den Berliner Burger-King-Klos jetzt Schwarzlichtlampen installiert, damit finden die Fixer ihre Venen nicht. Eher machtlos sind die Konzerne gegen üble Nachrede: In São Paulo und Rio de Janeiro hält sich
zum Beispiel hartnäckig das Gerücht, kleine Plantagenbesitzer würden im Auftrag von McDonald’s Riesenregenwürmer züchten, die dem Rindfleisch als Quantitätsverstärker beigegeben würden. In Manila wiederum sollen aus dem selben Grund immer mehr Katzenfänger einträgliche Nebengeschäfte mit der Fast-food-Kette zu laufen haben (vgl. dazu die volkskundlichen Sammlungen von R.W. Brednich). Und in Istanbul kursiert das böse Gerücht, die Fleischklopse enthielten Impotenzmittel.
Ebenso interessant wie der lokale Widerstand gegen globale Konzernketten mittels solcher „Urban Tales“ sind die regionalen Differenzen bei den Fast-food- Ketten selbst: In Istanbul und Manila sind die McDonald’s- und Burger-King-Filialen stark unterkühlt, die Klimaanlagen auf volle Kraft gestellt. Die Lokale werden vornehmlich von Schülern und Studenten der oberen Mittelschicht frequentiert. Im Universitätsviertel von Manila, Quezon-City, ist McDonald’s der Treffpunkt junger Schwuler, die einen dezent-teuren Tuntenschick kreieren. Die Lokale werden von schwerbewaffneten Wächtern in Phantasieuniformen geschützt. Dazu gibt es dort eine Motoguzzi-Staffel, die telefonische Bestellungen erledigt. An Allerheiligen liefern sie die Hamburger sogar bis zu den Grabsteinen auf den Friedhöfen, wo an diesem Tag Millionen von Menschen Picknick machen. In Bangkok hängt in fast jedem Fast-food-Lokal ein buddhistischer Altar an der Wand. In Japan treffen sich derzeit in den McDonald’s-Läden junge Leute, die Original-NVA-Klamotten tragen, und bei Burger King die Flower-power-Modeträger. Die drei McDonald’s-Restaurants in Moskau sind überheizt. Warme Stuben strahlen dort Wohlhabenheit aus. Der McDonald’s- Manager residiert übrigens in der ehemaligen Luxuswohnung Dimitroffs. Jewgeni Jewtuschenko erwähnt in seinem neuen Roman das 5.000-Plätze-McDonald’s am Puschkinplatz, das nicht einmal während des Putsches 1991 geschlossen hatte: „Hunderte von Menschen standen Schlange. Ihnen war alles egal, wenn sie nur auf einem BigMac herumkauen konnten, der mit Ketchup wie mit Hollywood-Blut beschmiert war.“
Anders sieht es in dem einst von Andy Warhol besonders gepriesenen McDonald’s-Restaurant in Peking aus, das trotz Pachtvertrag gerade einem einheimischen Restaurant-Investor weichen soll. Dort bedienen vornehmlich Studentinnen, die begeistert sind vom neuen westlichen Teamgeist und Führungsstil, der Initiativen von unten mehr entgegenkommt als der in den Staatsbetrieben. Trotzdem haben auch sie sich jetzt gegenüber einer Jugendzeitung über die allzu niedrigen Löhne beschwert. Stündlich gibt eine uniformierte Fege-Brigade eine Sondervorstellung, indem sie zum Rhythmus lauter Popmusik saubermacht. Im eher von Arbeitskräftemangel gekennzeichneten Hongkong versuchen die McDonald’s- und Burger-King-Lokale, an die noch nicht ausgelasteten Bevölkerungsteile heranzukommen, indem sie beispielsweise Zwei- Stunden-Jobs (für Schüler und Hausfrauen) anbieten, die mit dem Versprechen schneller Aufstiegschancen verbunden sind.
Einen Berliner Restaurant-Besitzer, Fang Yu, brachte das auf die Idee, über eine Kombination aus McBurger und chinesischer Garküche nachzudenken. Er kam dabei einem Gedanken des tschechisch-brasilianischen Philosophen Vilém Flusser nahe: „Seit das Menü ein Wort im Computing wurde, beginnen wir überhaupt erst zu begreifen, was Freiheit ist.“ Laut Flusser gab es einen Übergang von der mediterranen Küche, „in der für den Teller kalkuliert wird“, zum amerikanischen „Deep Freeze, wo auf dem Tisch kombiniert wird“. Auch käme eine „Synthese aus McDonald’s und tragbarer chinesischer Küche“ nun in den Bereich des Möglichen.
Nicht zuletzt um dem wachsenden Konsumentenprotest zuvorzukommen, der sich in Parolen wie: „Keine Rinderzucht auf Regenwaldböden! Boykottiert McBurger!“ äußert, bemühen sich die Fast-food-Konzerne in letzter Zeit vor allem um Regionalisierung ihrer Zulieferer unter Beibehaltung der Qualitätsstandards. Mitunter ohne Erfolg: So scheiterten einige Kibbuzim in Israel jahrelang am Anbau bestimmter Kartoffelsorten, die McDonald’s ihnen abzunehmen versprach. Erst 1994 war ein neuer Kibbuz erfolgreich, und seitdem gibt es auch ein McDonald’s-Restaurant in Tel Aviv, das einem Lizenznehmer gehört. Diesen Franchisern räumen beide Fast-food-Konzerne bei der Lokaleinrichtung „gewisse Gestaltungsmöglichkeiten“ ein, ebenso die Entscheidung für oder gegen Bierausschank und Raucherecke.
In Gesamtdeutschland hat allein McDonald’s täglich 1,3 Millionen Gäste. 1990 berichtete der letzte DDR-Minister für Handel und Versorgung, Manfred Flegel: „Ich habe mit den BRD-Vertretungen von McDonald’s verhandelt. Sie möchten gerne ihre Ketten hier auch aufbauen, Burger King ebenso. Natürlich ist unsere Forderung dabei, daß dann die Vorprodukte und Halbprodukte bitteschön maximal aus der eigenen Landwirtschaft kommen.“ Mit der Auflösung der DDR übernahmen die „BRD-Vertretungen“ die Expansion in den Osten, mit der Folge, daß die ostdeutschen Burger-King-Lokale heute das Rindfleisch von der Aschaffenburger Firma Salomon/Hitburger, die Kartoffeln von Lemb Westan aus Holland und die Brötchen von der Firma Weber aus Stuttgart bekommen – also komplett aus dem Westen. Ähnlich sieht es bei McDonald’s aus: Auch dort kommen die Brötchen von der Firma Weber, das Rindfleisch liefert eine Allgäuer Kooperative, und die Pommes frites stammen von Stöver- Agrarfrost – der allerdings mittlerweile auf bestem ostdeutschem Boden, bei Magdeburg, etliche Bauern unter Subunternehmer- Vertrag genommen hat.
Das Bedienungspersonal in den Fast-food-Lokalen kommt dagegen schon eher aus dem Osten. Wie eine Blitzumfrage ergab, bleiben sie jedoch meist nicht lange: zuviel Arbeit, zu wenig Lohn und kaum Kontakt zu den ausländischen Kollegen, die oft die Mehrheit bilden. In Westdeutschland werden die US-Fast-food-Konzerne immer wieder von der Gewerkschaft Nahrung, Genuß und Gaststätten (NGG) wegen ihrer „ungeschützten Arbeitsbedingungen“ kritisiert. Bei Burger King gibt es immerhin seit 15 Jahren einen Betriebsrat, während McDonald’s seinen Mitarbeitern bis heute einredet: „Die NGG braucht ihr doch nicht!“ (Miese Arbeit nennt man neuerdings „McJobs“.) In den USA haben die Gewerkschaften die Geschäfte von McDonald’s und Burger King eher beflügelt, indem sie zum Beispiel in vielen Branchen regelmäßige Pausen erzwangen. Die Arbeitgeber offerierten ihren Mitarbeitern dann meist Coca-Cola und Hamburger. Selbst Schüler und Studenten sind oft auf die nächstgelegenen Fast-food-Lokale angewiesen. Während der philippinischen „Edsa-Revolution“ 1986 mieteten die US-Fernsehgesellschaften als erstes die Motorradstaffeln der Polizei samt Fahrern an. Die Maschinen wurden mit Kühlboxen für Hamburger und Cola ausgerüstet, weil die US- Journalistengewerkschaft auch dort auf regelmäßigen Pausen mit Verpflegung bestand.
Der Widerstand gegen die Arbeitsbedingungen in den Hamburger-Lokalen selbst ist in den USA meist subtil und individualisiert. „Der Anteil von Fast-food-Arbeiterinnen, die zugeben, absichtlich ,langsam und nachlässig‘ zu arbeiten, liegt bei 22 Prozent“, schrieb Harper’s Index, und das Security Management Magazine konstatierte: „Manchmal schafft die Firmenleitung es nicht, die Angestellten zu kontrollieren, tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall.“ Ein Reader zum Thema „Sabotage“ erwähnt einen Fall, wo sämtliche Mitarbeiter sich an einem Tag privat trafen: „Wir verbrannten unsere kleinen Mützen und entschieden dann, alle gleichzeitig zu kündigen, und zwar noch am gleichen Tag, an Silvester. Wir ließen den Chef regelrecht hängen.“ In einem anderen Fall nahm ein rachsüchtiger Angestellter die Musikkassetten, die im Lokal abgespielt wurden, mit nach Hause: „Ich ließ zehn Minuten Musik durchlaufen, nahm dann zwei Sekunden Radiogeräusche in voller Lautstärke auf und ließ wieder fünf Minuten durchlaufen. Dann nahm ich noch ein richtig aggressives Lied auf, das richtig einschlagen würde.“ Anschließend brachte er die Kassetten zurück, kündigte und freute sich auf das, was passieren würde.
Als der Kulturkritiker Michael Rutschky nachts in den USA landete, müde, hungrig und zerschlagen, und er nur noch in einem McDonald’s-Lokal was zu essen fand, konstatierte er anschließend: „Amerika, du magst mich nicht!“ Das würden junge Ostdeutsche wahrscheinlich ganz anders sehen. Jedenfalls gibt es bereits mehrere Fast-food-Lokale in der Ex-DDR, die sich zu regelrechten „Kultstätten“ gemausert haben: beispielsweise jenes in Neubrandenburg, das sogar von motorisierten Jugendlichen aus Usedom, Greifswald, Anklam und Wolgast umlagert wird. Ebenso McDonald’s in Magdeburg, das sich zu einem regelrechten „Lungerplatz“ entwickelt hat, der von normalen älteren Bürgern gemieden wird. Am Herrentag 1994 fand dort die Skinhead-Randale statt. Seitdem fragen einen viele junge Leute, die aus den umliegenden Dörfern kommen, schon am Bahnhof: „Wo ist denn McDonald’s?“
Bei den Bediensteten deutscher Fast-food-Lokale treffen meist Unterprivilegierte aufeinander. Das gilt in Westdeutschland selbst für das Management: Meist gescheiterte Selbständige mit einem Hang zu Aufschneiderei mit Cognac. Stadtplaner halten es mittlerweile für bedeutsam, daß all diese Filialleiter – von Fast-food-Lokalen, Sparkassen, Super- und Möbelmärkten – abends in den westdeutschen Fußgängerzonen traurige Haufen bilden, getröstet meist nur von Pub-Wirten, die sich nicht selten ebenfalls mehr vom Leben erhofft hatten, in jungen Jahren.
(Dieser taz-text ist schon einige Jahre alt, inzwischen gibt es ein sehr gut recherchiertes Buch über Mc Donald’s und den Einfluß, den dieser Konzern auf die US-Landwirtschaft genommen hat und nimmt – von einem amerikanischen Autor, dessen Namen mir gerade entfallen ist.)
Hier ist der Artikel von Dr. Sabine Vogel aus der Berliner Zeitung vom 30.4.2007:
Sirenen in der Nacht/Zwanzig Jahre Hönkel: Die 750-Jahrfeier Westberlins und der 1. Mai 1987
Mythos Berlin“ hieß die Ausstellung am Anhalter Bahnhof. Mit einem
Budget von sechs Millionen Mark war sie eher ein mittleres Projekt der
mit Wasserkorso und Kunstbombast protzenden 750-Jahrfeier West-Berlins
1987. Ein historisches Ereignis sollte es werden, verkündete
CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen. Es war ein Erfolg. 17 Prozent mehr
Touristen kamen und sorgten für Umsatz.
„Die Inszenierung der Macht“ titelten wir damals großmäulig in der taz.
Berlin, das von Macht und Hauptstadtexistenz unvorstellbar weit entfernt
war, wollte sich als „geistiges und kulturelles Zentrum“ darstellen. Was
sonst konnte das alimentierte Schaufenster des Westens ohne Sperrstunde
bieten? Etwa Studenten, die weniger Revolte als faulen Entzug vorm Bund
im Sinn hatten; Emanzen und dazu Jungs, die sich als Frauen verkleideten?
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
Die inzwischen auch in New York gehandelten Maler der „Neuen Wilden“,
die in Berlin Neoexpressionisten hießen und aus dem Kreis der
Moritzboys, der Selbsthilfe-Galerie am Moritzplatz, kamen, posierten
aufgedonnert wie Nina Hagen in den Werbekampagnen des Senats. Der
aufgeschlossene Kultursenator Volker Hassemer (CDU) hatte das
Marketingpotenzial des Schrägen und Schrillen erkannt. „Kunst muss
provozieren“, verkündete er tapfer, als das Volk gegen seinen
Skulpturen-Boulevard am Kurfürstendamm protestierte. Die meisten der
sieben dort aufgestellten Kunstwerke waren dekorativ und störten nicht,
doch als der Fluxuskünstler Wolf Vostell auf der Verkehrsinsel am
Rathenauplatz einen Cadillac – Protest gegen die Konsumgesellschaft! –
einbetonieren ließ, ging dem Bund der Steuerzahler der Hut hoch.
Aufgeschreckte Bürger bildeten mitten im Berufsverkehr, etwa um halb
sieben Uhr morgens, eine Menschenkette gegen die Verschwendung von 1,8
Millionen West-Mark Steuergeldern für „Schrottkunst“. Die Protestformen
der Anti-AKW-Bewegung waren bei den Wilmersdorfer Witwen angekommen.
Ein fast noch giftigerer Dorn im Auge des Steuerzahlers war das Werk
gegenüber vom Kranzlereck. Dort hatte Olaf Metzel aus Absperrgittern,
Einkaufswagen und Pflastersteinen eine Skulptur aufgetürmt. Das sperrige
Kunstwerk „13. 4. 1981“ sollte an eine Demonstration erinnern, bei der
es auf Grund einer Falschmeldung der Springerpresse über den angeblichen
Hungertod eines RAF-Häftlings zu Krawallen kam. Im Kern der
Kunst-Pflastersteine, den „Berliner Argumenten“, waren Styroporreste aus
der „Zeitgeist“-Installation von Joseph Beuys (1981 im Gropiusbau)
verarbeitet. Metzel hätte sich über die Bewachung seines Kunstobjekts
durch einen Polizisten sehr gefreut. Stattdessen stand dann da ein
Student, der den Passanten das Kunstwerk erklärte.
Die gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der 750-Jahrfeier (1,8
Milliarden Mark Gesamtbudget) integrierte noch den letzten
überqualifizierten 68er mit einem Werkvertrag als Stehgeiger für den
Festakt. Nichts war verblasen oder albern genug, als dass es sich nicht
in den erweiterten Erlebnisbegriff Berlins integrieren ließe. Das
Gestapo-Gelände wurde vom Brachland-Autodrom zur Topografie des Terrors
umgestaltet, im Gropius-Bau wurde die Ausstellung „Berlin. Berlin“
inszeniert, im frisch renovierten Hamburger Bahnhof gab’s literarische
Lektionen zur „Reise nach Berlin“, und die Redaktion des linken Magazins
„Ästhetik und Kommunikation“ unter dem intellektuellen Eisenbahnfan
Eberhard Knödler-Bunte lancierte „Mythos Berlin“ ins offizielle
Festprogramm.
In Wellblechcontainern wurde dort ein „Hinterzimmer der deutschen Seele“
oder die „Hassstube der Großstadt“ inszeniert. Inszenierung war ohnehin
das Wichtigste der Zeit. Im Rahmen von „Mythos Berlin“ gaben auch die
Krachmusiker „Notorische Reflexe“ einen „Bunkerkonvent“ mit dem Titel,
„Wenn alles egal ist“. Zwei benachbarte Hochhäuser funkten einander
Lichtsignale zu, unter großem Pathosgetue flog ein Fernseher vom Dach.
50 000 Mark Produktionshonorar – das war damals schon eine Hausnummer.
(„Ich lasse mich von niemandem gängeln, auch wenn ich Geld vom Senat
nehme!“) Weil die umherschweifenden Performance-Besucher das museale
Rauchverbot unter freiem Himmel missachteten, begann die
Mythen-schwangere Installation eines „Torf-Forums“ zu kokeln.
Kurzum: Nahezu jede Interessengruppe, die in der Lage war,
Projektbewilligungsanträge zu formulieren, konnte damit rechnen, sich
staatsgefördert verwirklichen zu dürfen. Jede noch so subversive
Systemkritik ließ sich in die Sozialpartnerschaft einer „pluralistischen
Gesellschaft“ einbinden. Selbst Robert Musils Beschreibung des „großen
Ereignisses“ ohne Gehalt wird schon im Katalog der Eröffnungsausstellung
„Momentaufnahmen“ zitiert.
Es wäre billig, daraus zu schließen, dass dann nur die abgehängte
kulturelle und soziale Unterschicht in Kreuzberg am 1. Mai die Sau
rausgelassen hätte. Einer der Autonomen von damals ist heute mein
Anwalt, der Dealer verkauft jetzt Immobilien. Aus den Hausbesetzern
waren längst öko-avantgardistische Instandbesetzer geworden, die
Solarzellen installierten und das Konzept der behutsamen Stadtsanierung
vorwegnahmen. Die Spekulanten agierten doch genauso illegal wie die
Besetzer, sagt der Polizist Klitzing in Dorothee Hackenbergs Kreuzberger
Porträtbuch „Keine Atempause“.
Inzwischen besitzen die Besetzer ihre Häuser als Genossenschaft; sie
haben alle Balkone und eine kollektive Dachterrasse, und in der
langjährigen Müllgrube daneben gibt es einen „Bürgergarten“ mit
Liegestühlen und Bierbude. So paradox es klingt – die Rebellen von
damals haben dafür gesorgt, dass Kreuzberg so blieb, wie es war. Sie
haben Kahlschlag-Modernisierungen verhindert und das alte Herz des
Stadtteils erhalten. Bis heute hat das Sushi-Bistro den türkischen
Imbiss nicht vertrieben. Nur bietet der inzwischen auch vegetarischen
Döner an. Der Inder blockiert zwar mit fast 50 weißeingedeckten Tischen
den Bürgersteig, aber er wirbt mit „Fusionsküche“.
Von Subversion zur Subvention
Natürlich war es nicht ganz so niedlich in der Nacht des 1. Mai 1987.
Aber schön schon. Das Signal dafür, dass plötzlich das echte
„historische Ereignis“ eingetreten war, war die Stille. Die Dunkelheit.
Ein Kabelbrand hatte die Elektrizität im Umkreis des Görlitzer Bahnhofs
ausgeknipst. Die Feuerwehr stand wie eine Geisterarmee wenige Meter
entfernt an der dunklen Wache in der Wiener Straße. Es dauerte ein
wenig, bis man realisierte, dass „bullenfreie Zone“ war. Langsam setzten
Trommeln auf Müllcontainern und allem möglichen ein. Ein Radioreporter
nahm den Sound auf, der als „Hönkel“ mit dem neuen „Mythos Berlin“
assoziiert wird. Auf die Frage, warum die Situation urplötzlich zu einer
anarchistischen Krawallfeier eskalierte, blieb auch die unmittelbar
einsetzende „Hönkel-Forschung“ die Antwort schuldig. Vielleicht
explodierte nur das rumorende Bedürfnis, beim großen Ereignis eine Rolle
zu spielen zu wollen. Geplant war nichts. Das konstatierten auch die
Einsatzleiter der Polizei im Nachhinein. Ein Prinzip der spontanen
Revolte ist eben ihre Unplanbarkeit.
Ästhetik und Kommunikation
Zeitzeugen sprechen hinterher mit heiligem Augenschimmern von
friedlicher Stimmung. Vernünftig und effektiv werden die Waren aus Bolle
(siehe auch Seite 20) herausgeschafft. Kartonweise fliegen Schokoriegel
in die Menge der Schlachtenbummler. Ein Punker fragt eine entsetzte
Dame, was sie bräuchte. Waschpulver. Kurz danach überreicht er es ihr.
Wenn dieser höfliche Mob das Proletariat ist, bin ich für dessen Diktatur.
Schnaps und Champagner sind zuerst weg. Der Getränke-Discounter an der
Manteuffelstraße hat keine Chance. Es geht um den totalen Rausch. Beim
Rotzheulen in der ersten Tränengassalve hört mein Heuschnupfen auf. Für
Wochen. Adrenalin pulsiert durch alle wie ein Aphrodisiakum. Beim
Plus-Markt am Oranienplatz zerbersten die Scheiben – das Motto „Prima
leben und sparen“ wird in aktionistische Praxis umgesetzt. Im zweiten
Stock gibt es einen Billardsalon. Jetzt ist das Gebäude zu verkaufen.
Gegenüber werden „klassische Lofts“ angeboten.
Von multikulturellem Dialog zu sprechen, wäre zu viel. Aber was bringt
einen näher als das gemeinsame Erlebnis einer außerordentlichen
Situation? Die Ordnungskräfte waren draußen. „In der Türkei würden wir
dafür erschossen“, so formuliert ein euphorisierter Türke sein
Bekenntnis zur Demokratie, als eine vorbeijagende Polizeiwanne in
Steinhagel gerät.
Als der aktions- und diskursorientierte Kunstverein ngbk schon im August
’87 die Ausstellung „Schlaglichter, Schlagstöcke“ realisiert (4 500 Mark
Budget), werden Dias von der Morgendämmerung nach jener Nacht gezeigt.
Ist es okay, Gewalt zu ästhetisieren? Klar, sagte sich ein Künstler und
stellte die provisorisch geflickten Glasscheiben des Görlitzer Bahnhofs
in seiner Selbsthilfe-Galerie aus. Und die Schaubühne am Kudamm kaufte die Cassette mit dem Hönkelsound vom Görlitzer-Bahnhof, um damit ihre Brechtinszenierung zu aktualisieren. So entstand der Mythos Berlin doch noch im Sinn von „Ästhetik und Kommunikation“.