vonHelmut Höge 29.05.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Welch ein Unterschied: Einmal ein Interview mit dem IG Metall-Funktionär und Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat Wolfgang Müller über die von Siemens finanzierte gelbe Gewerkschaft AUB. Und zum anderen zwei Interviews mit dem Siemens-Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Comme über den Korruptionsskandal. Beginnen wir mit dem ersten – abgedruckt in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift konkret:

konkret: Wer steckt hinter der »Arbeitsge-
meinschaft Unabhängiger Betriebsangehöri-
ger« (AUB)?

Müller: Anders als in den Medien oft dar-
gestellt, ist die AUB keine Gewerkschaft, auch
keine Klientel- oder Splittergewerkschaft, son-
dern ein von Herrn Schelsky gegründetes Per-
sonaldienstleistungsunternehmen. Erklärtes
Ziel ist es, dem Wohl des Unternehmens zu
dienen. Eine Dienstleistung unter vielen ande-
ren, die Schelsky seinen Kunden bietet, ist es,
ihre Unternehmen möglichst gewerkschafts-
frei zu halten ­ »union busting« nennt man
das in den USA. Doch anders als in den USA
benötigt man in der BRD nicht bloß eine
Rechtsanwaltskanzlei und Männer mit Geweh-
ren; damit dieses Geschäft funktioniert, müs-
sen Schelsky und das betreffende Unterneh-
men Betriebsräte für sich gewinnen, die sich
als »unabhängig« ausgeben. Es werden dann
beispielsweise führende Angestellte, die gera-
de einen Karriereknick haben, gefragt, ob sie
nicht für den Betriebsrat kandidieren wollen.
Ihnen wird gesagt: Wir unterstützen euch, und
ihr bekommt vor der Wahl ein halbes Jahr
Auszeit, um den Wahlkampf zu führen. Das
war das Modell Siemens. Für diese Dienstlei-
stung hat sich Schelsky gut bezahlen lassen,
wie die Staatsanwaltschaft inzwischen heraus-
gefunden hat. Es geht um mindestens 50 Mil-
lionen Euro, die Siemens an die AUB gezahlt
hat. Hier in Bayern gibt es mindestens 20 wei-
tere Unternehmen, in denen die AUB vertreten
ist, und nun muß herausgefunden werden, ob
auch dort Geld gezahlt wurde.
konkret: Siemens soll zusammen mit der
AUB mehrfach versucht haben, Betriebsräte
der IG Metall zu diskreditieren. Wie das?
Müller: In München gab es vor einigen
Jahren eine sehr harte Auseinandersetzung
über die Telekommunikationssparte. Mitte
August 2002 gab Siemens bekannt, daß von
den 10.000 Arbeitsplätzen im Festnetzbe-
reich 2.300 Stellen abgebaut werden. Und
zwar innerhalb von 6 Wochen zum 30. Sep-
tember 2002. Der Betriebsrat, der gemischt
ist, dem also auch über 20 Prozent AUB-Mit-
glieder angehören, hat dies ­ mit den Stim-
men der AUB-Leute ­ abgelehnt. Siemens hat
trotzdem Anfang 2003 über 300 Angestellten
gekündigt. Der Betriebsrat hat allen Kündi-
gungen widersprochen, was eine große Lei-
stung war, da innerhalb einer Woche pro Kün-
digung eine Schrift von sechs oder sieben Sei-
ten verfaßt werden muß, in der begründet
wird, warum die Kündigung nicht rechtens ist.
Das Ergebnis war, daß Siemens vor dem Mün-
chener Arbeitsgericht eine Niederlage erlitten
hat, fast alle Kündigungen wurden für ungül-
tig erklärt. Das hat die Vorstände zur Weißglut
gebracht.

Daraufhin hat die AUB-Zentrale ­ natür-
lich im Einverständnis mit Siemens ­ im
ganzen Stadtteil Plakate kleben lassen mit
dem Inhalt: Der Betriebsratsvorsitzende und
die IG Metall ruinieren den Standort, und der
stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ist so-
gar Mitglied in der DKP. Der Schuß ging al-
lerdings nach hinten los: Bei den nächsten Be-
triebsratswahlen kam die IG Metall auf über
40 Prozent der Stimmen, so viele hatten wir
an diesem Standort noch nie gehabt.
konkret: Es heißt, die IG Metall habe
schon 1997 die Bezahlung der AUB durch
Siemens vermutet. Was hat sie daraufhin un-
ternommen?
Müller: Die IG Metall hatte damals einen
Hinweis bekommen, besaß aber keine ge-
richtsverwertbaren Beweise. Sie hat das The-
ma bei der Sitzung des Aufsichtsrats ange-
sprochen, aber ohne Erfolg. Was fehlte, waren
Belege, aus denen zum Beispiel hervorgeht,
daß der Personalchef den Mitarbeiter X für
den Zeitraum von so und soviel Monaten frei-
stellt, mit dem Ziel einer Kandidatur für die
AUB. Solche handfesten Beweise hatten wir
nicht. Die hat jetzt erst die Staatsanwaltschaft
gefunden. Die Verdachtsmomente waren im-
mer stark, aber es langte nie dafür, vor Gericht
zu ziehen. Auch das Ausmaß der Bestechung
war uns nicht klar. Wir wußten zwar, daß die
AUB sich nicht aus Mitgliedsbeiträgen finan-
zieren kann, aber von den 50 Millionen Euro,
die gezahlt worden sein sollen, waren wir sehr
überrascht.
konkret: Andere Unternehmen vertragen
sich gut mit der IG Metall. Warum ist das bei
Siemens anders?
Müller: Siemens hat schon zu Zeiten des
Kaiserreichs die Philosophie gehabt: »Mia san
mia« ­ wir haben nichts mit Gewerkschaften
zu tun, sondern machen uns höchstens unsere
eigene. Diese Siemens-Kultur hat sich nach
dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt. Zu ihr trägt
auch die Tatsache bei, daß bei Siemens ein
großer Teil der Mitarbeiter Angestellte sind, al-
so nicht die klassische IG Metall-Klientel. Das
ist der sozialstrukturelle Grund. Den Rest
macht die Firmenphilosophie, die lautet: Ge-
werkschaften gehören nicht mit an den Tisch.
Das ist ganz anders als etwa bei Thyssen-
Krupp. Der »Rheinische Kapitalismus« war
für Siemens nie eine Option. Bis vor kurzem
saß die IG Metall bei Siemens am Katzentisch.
konkret: Ist das vergleichbar mit SAP?
Müller: SAP hat als IT-Unternehmen eine
andere Tradition, aber es gibt gewiß große
Ähnlichkeiten.
konkret: Ist die AUB nun erledigt, da alle
wissen, daß Siemens dahintersteckt?
Müller: Die AUB als AUB ist erledigt.
Aber der Verein wird versuchen, sich einem
Facelifting zu unterziehen, ein neues Image zu
kreieren und wahrscheinlich einen neuen
Namen. Die AUB ist ja nicht nur ein Siemens-
Problem. Bei Siemens ist der Laden zwar
entstanden, hat sich aber von dort überallhin
verbreitet. In allen Discountern, die wegen ih-
rer üblen Arbeitsbedingungen angeprangert
werden, im Dienstleistungssektor, in Bau- und
Möbelmärkten und in den traditionell gewerk-
schaftsfeindlichen mittelständischen Unterneh-
men verfügt die AUB über starke Bastionen.
Das union busting ist bei diesen Ausbeutern
gang und gäbe.

Nun zu den anderen zwei Interviews
„Wir Aufklärer wurden angefeindet“, meinte der Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme kürzlich in FAZ und FAS – und so hieß dann auch die Überschrift des Interviews. Cromme begreift sich also als „Aufklärer“. Es stimmt aber nicht – im Gegenteil: Er ist eher ein eitler Vertuscher. Er redet wie ein Bundeswehr- oder Polizei-General über Neonazi-Umtriebe unter seinen Untergebenen: Ja, es gab da einzelne Fälle, wo sich unsere Leute falsch verhalten haben, aber das darf man nicht verallgemeinern. Die überwiegende Mehrheit ist sauber. Zitat:

„Man muß festhalten: Bei Siemens gab es in einem Ausmaß Verstöße gegen das Gesetz, das in dieser Form überrascht.“ Aber: „Der überwiegende Teil der über 450.000 Mitarbeiter hat sauber, korrekt und tüchtig gearbeitet. Es gibt jedoch Mitarbeiter, die sich offenbar nicht gesetzeskonform verhalten haben. Die haben das Unternehmen in schwerwiegende Probleme gebracht, verbunden mit Imageverlust, Ausschluß von Aufträgen und am Ende wohl hohen Strafen.“

Cromme fragt sich jedoch: „Warum hat Siemens damals, Ende der 90er-Jahre, als die Bestechung strafbar wurde und der Konzern in New York an die Börse ging, warum hat man damals diese Praktiken nicht abgestellt?“ Seine Antwort lautet: „Ich weiß es bis heute nicht genau. Vermutlich hat man die Tragweite der gesetzlichen Veränderungen nicht ausreichend realisiert…Aufgefallen ist mir das fehlende Unrechtsbewußtsein bei jenen, die direkt oder indirekt mit den gesetzwidrigen Dingen zu tun hatten. Ich kann mir eigentlich auch nicht vorstellen, dass nicht mehr Mitarbeiter darauf aufmerksam geworden sind, vor allem wenn sie seit vielen Jahren in führenden Positionen sind oder es lange Zeit waren…Im dritten und vierten Glied gab es auch Fälle von Selbstbedienung, das sind aber Ausnahmen. Es stimmt, fast alle Beschuldigten haben im vermeintlichen Interesse der Firma gehandelt…Das Versäumnis des Managements besteht darin, die Leute nicht ausreichend konsequent darauf hingewiesen zu haben, dass Schmiergelder nicht im Interesse des Unternehmens liegen, sondern Siemens schaden.“

Besonders im „Compliance-Bereich scheint einiges falsch gelaufen zu sein.“ Mit seinem Rücktritt hat „Herr von Pierer Verantwortung übernommen. Das ist sehr respektabel.“ Sein Rücktritt war „ein sehr honoriger Schritt, der einen Neuanfang erleichtert.“

Sein Nachfolger wird nun statt des Favoriten „Reitzle“ ein in Hongkong ausgebildeter Österreicher namens „Löscher“ – nomen est omen! Mit Aufklärung hat das allerdings alles nichts zu tun – im Gegenteil. Und dann sagt Cromme noch: „Wir haben bei Siemens in den letzten Jahren zu viele Kommunikatoren gehabt“ – auch das werde Löscher wohl löschen – und „dann ist das sicher in Ordnung“. Löscher war schon überall in Japan, USA etc. – mit seiner Familie: „er ist immer hin und hergeflogen. Jetzt sagt er überzeugend: Europa, das ist seine Welt.“ Bei so einem Quatsch bleibt einem glatt die Spucke weg.

Aber es kommt noch besser: Löscher „weiß, was bei Siemens jetzt wichtig ist: Tempo, Tempo, Tempo…Indem wir gleichzeitig mit der Ernennung von Herrn Löscher Herrn Hiesinger, einen Siemens-Manager DURCH UND DURCH in den Zentralvorstand berufen haben, haben wir ein doppeltes Signal ausgesendet: Kontinuität nach innen, Aufbruch nach außen.“

Zu dem abservierten Siemens-Vorstandsvorsitzenden, den Bremer Cola-Light-Trinker Kleinfeld, meint Cromme – auf die Frage der FAS, ob Kleinfeld vor lauter Ratgebern am Ende die Nerven verloren hat – „ist das Ihre Deutung der Dinge?“ „Lassen Sie mich dazu nur sagen, was ich jungen Leuten immer rate: Haltet euch von Spin-Doktoren fern. Oft bedeutet so etwas das Ende der Karriere…Auf die Dauer werden Sie nur akzeptiert und Erfolg haben, wenn sie sich durch Leistung, durch Substanz und durch Charakter nach oben entwickeln. Spin-Doktoren pushen kurz hoch. Das geht ab wie eine Rakete. Nur: Dann stürzen Sie ab und liegen platt wie eine Flunder. Das Gefährliche ist ja, dass die Manager glauben, was sie an lancierten Heldengeschichten über sich selbst lesen. Die halten sich selbst für unersetzlich.“

Im Spiegel von heute legt Cromme dagegen den Verdacht nahe, dass Kleinfeld nicht wegen seiner Spin-Doktoren-Geschichten „platt wie eine Flunder“ gemacht wurde, sondern weil die Amis ein Bauernopfer – ihn – verlangt haben:

SPIEGEL: Jetzt haben Sie also einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Aber warum musste der alte eigentlich gehen? Immerhin hat Klaus Kleinfeld hervorragende Zahlen geliefert.

Cromme: Die Anteilseigner haben sich vor der letzten Aufsichtsratssitzung zweimal intensiv beraten, was geschehen soll. Herr Kleinfeld ist zweifellos ein sehr tüchtiger Manager, und Debevoise …

SPIEGEL: … die amerikanische Anwaltskanzlei, die im Auftrag von Siemens für die Börsenaufsicht SEC die Korruptionsaffäre aufarbeitet, die den Konzern seit Monaten erschüttert …

Cromme: … hat keinerlei Hinweise auf „smoking guns“ gefunden, wonach er sich gesetzwidrig verhalten hat. Die Strafen, die aus Amerika auf Siemens zukommen können, sind allerdings sehr groß. Wir wissen aus allen Erfahrungen, dass die Verantwortlichen sehr klug beraten sind, die amerikanischen Behörden nicht zu reizen. Deshalb haben wir jeden Schritt mit den amerikanischen Anwälten abgesprochen.

SPIEGEL: Und die rieten Ihnen, Kleinfeld zu opfern?

Cromme: Nein. Aber sie warnten uns dringend, Klaus Kleinfelds Vertrag, der zum 30. September ausläuft, bereits auf der Aufsichtsratssitzung Ende April zu verlängern. Immerhin war Herr Kleinfeld knapp zwei Jahre Vorstandsvorsitzender, bevor die Korruptionsaffäre erkennbar wurde. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass er etwas wusste oder falsch gemacht hat. Aber niemand weiß, was in den nächsten Monaten noch hochkommt. Deshalb rieten sie uns, mit der Vertragsverlängerung so lange wie möglich zu warten …

SPIEGEL: … was Kleinfeld als Brüskierung empfand. Er zog die Konsequenzen.

Cromme: Da spielte natürlich auch die Indiskretion um Reitzle eine Rolle. Herr Kleinfeld war der Meinung, er könne in dieser Situation ohne Gesichtsverlust nicht länger warten. Daraufhin hat er am 24. April den Arbeitnehmern und uns mitgeteilt, dass er für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung steht.

SPIEGEL: Und Sie und Ackermann standen ziemlich blamiert da.

Cromme: Das sehe ich völlig anders, auch wenn es in der Presse so dargestellt wurde. Warum sollen wir uns blamiert haben?

SPIEGEL: Weil Sie Kleinfeld vertrieben haben, ohne einen Nachfolger präsentieren zu können. Siemens war kopflos, an der Spitze herrschte totales Chaos.

Cromme: Das war doch kein Chaos! Die operativen Einheiten bei Siemens laufen und funktionieren voll. Wir haben Herrn Kleinfeld auch nicht vertrieben, wir haben ihn gebeten, die Vertragsverlängerung zu verschieben. Das Gespräch mit Herrn Reitzle war eine rein hypothetische Sache. Immerhin hatte es zuvor schon Abwanderungsgerüchte um Herrn Kleinfeld gegeben.

SPIEGEL: Aber dass Sie als neuer Aufsichtsratsvorsitzender, der gerade im Amt war, ohne einen Vorstandschef dastanden, wollen Sie uns nicht auch als Erfolg verkaufen?

Cromme: Dass das eine unglückliche Situation war und ich alles getan hätte, um sie zu vermeiden, ist doch völlig klar. Aber was wäre geschehen, wenn wir den Vertrag von Herrn Kleinfeld gegen den Rat der Anwälte verlängert hätten? Dann wäre der Kurs vielleicht am nächsten Tag hochgegangen. Aber wie hätten wir dagestanden, wenn nach drei oder sechs Monaten etwas hochgekommen wäre?“

Auch der Spiegel kommt dann noch mal auf die eigentlich einzig interessante Frage in diesem ganzen Zusammenhang zu sprechen: Hat die Korruption bei Siemens System (erst Elektrokartell-fighting procedures dann unveröffentlichte Clearstream-Bankkonten zum Schmieren) – oder gab es bloß Verfehlungen einiger Manager und Übereifriger gemeinsam mit externen „Beratern“ als Comrads in Crime?

SPIEGEL: Sie sitzen seit gut vier Jahren im Siemens-Aufsichtsrat, seit Anfang 2005 auch im Prüfungsausschuss. Haben Sie eine Erklärung dafür, wie bei Siemens die Kontrollmechanismen derart außer Kraft gesetzt werden konnten?

Cromme: Nein, ich kann mich nur wundern. Vielleicht spielt eine Rolle, dass in Deutschland die Bestechung von ausländischen Amtsträgern bis hoch in die neunziger Jahre nicht strafrechtlich verfolgt wurde und sogar steuerlich absetzbar war. Das änderte sich wenig später. Und nachdem Siemens sich 2001 an der US-Börse listen ließ, musste sich der Konzern damit freiwillig der amerikanischen Rechtsprechung unterwerfen, sich also an die dortigen Spielregeln halten.

SPIEGEL: Die von Siemens verpflichteten US-Anwälte fordern, dass der langjährige Siemens-Jurist Albrecht Schäfer, der zuletzt die Compliance-Abteilung leitete, den Konzern verlassen soll. Warum ist er immer noch da?

Cromme: Wir müssen unterscheiden zwischen der amerikanischen Sicht und dem deutschen Arbeitsrecht. Es macht doch keinen Sinn, jetzt übereilt zu handeln und nach neun Monaten womöglich einen anschließenden Prozess zu verlieren. Unsere deutschen und amerikanischen Anwälte arbeiten zurzeit an einem gemeinsamen Vorschlag. Wenn der vorliegt, wird der Vorstand darüber entscheiden und der Empfehlung sicher folgen.

SPIEGEL: Hätten Sie selbst als Vorsitzender des Prüfungsausschusses nicht früher merken müssen, was los ist?

Cromme: Was hätte ich denn sonst noch tun sollen? Ich habe am Ende jeder Sitzung alle Anwesenden, unter anderem die Prüfungsgesellschaft KPMG, Herrn Schäfer und den Vorstand, gefragt: Gibt es irgendetwas, worüber wir nicht gesprochen haben? Sind Sie bei Ihrer Arbeit behindert worden?

SPIEGEL: Und?

Cromme: Kein Mensch ist in diesem Zusammenhang jemals zu mir gekommen.

SPIEGEL: Hätte nicht wenigstens der Vorstand bei den Vorträgen reagieren müssen. Dort sollen einige Vorgänge doch im Detail bekannt gewesen sein.

Cromme: Wenn Herr Schäfer im Vorstand genau dasselbe vorgetragen hat – und so ist mir das berichtet worden -, dann weiß ich heute, dass ein Vorstand da am Tisch gesessen hat, dem das wie Grimms Märchenstunde vorgekommen sein muss.

SPIEGEL: Die Führungsmannschaft des Siemens-Konzerns umfasst inklusive Zentral- und Bereichsvorständen sowie den nachgeordneten Abteilungen rund 150 Manager. Wie viele von denen sind durch die Affäre belastet?

Cromme: Die überwiegende Mehrheit der Siemens-Angestellten leistet ihre Arbeit erfolgreich unter Beachtung der geltenden Gesetze. Aber bei einigen Top-Managern kommen einem schon Zweifel, ob sie ihrer Führungsverantwortung gerecht geworden sind. Die einen haben womöglich pflichtwidrig gehandelt. Die anderen sagen, sie hätten trotz der Schwere der Verstöße nichts gewusst. Ich frage mich, was von beidem schlimmer ist. Natürlich herrscht intern nun teilweise eine gewisse Angst und Wagenburgmentalität. Aber das darf uns nicht abhalten, das Richtige zu tun, weil Siemens sonst schweren Schaden nehmen könnte.

SPIEGEL: Die Dimension der Affäre ist so groß, dass es eine Vielzahl Mitwisser gegeben haben muss. Sie können sich ja schlecht von allen trennen.

Cromme: Für die, die sich nachweislich gesetzwidrig verhalten haben, können und wollen wir nichts tun. Andere haben sich womöglich in einer Grauzone bewegt und nicht schnell genug reagiert. Wir werden uns das von Fall zu Fall ansehen. Eine Hexenjagd wird es jedenfalls nicht geben.

SPIEGEL: Zumindest einige Vorstände und Aufsichtsräte sollen tatsächlich mehr gewusst haben als andere.

Cromme: Tatsache ist, dass der Antikorruptionsbeauftragte des Konzerns vor jeder Sitzung des Aufsichtsratsprüfungsausschusses zunächst dem Vorstand die aktuellen Verdachtsfälle vorgetragen hat. Heute wissen wir, dass dort zumindest in einem Fall ein Manager saß, dem klar gewesen sein musste, dass die Mitglieder des Kontrollgremiums nur unzureichend oder falsch informiert wurden.

SPIEGEL: Meinen Sie den Ex-Zentralvorstand Thomas Ganswindt, der die Kommunikationssparte überwachte?

Cromme: Er wusste zumindest, dass die Fakten unrichtig waren. Jetzt müssen wir prüfen: Haben es noch andere gewusst? Einige sind schon durchleuchtet worden, und man hat, Gott sei Dank, nichts festgestellt. Ich hoffe, dass wir auch bei den anderen nicht fündig werden.

SPIEGEL: Wollen Sie damit andeuten, dass dem Prüfungsausschuss bewusst Herrschaftswissen vorenthalten wurde, das dem Vorstand vorlag?

Cromme: Bei einem Vorstandsmitglied stimmt das. Die von uns beauftragte US-Kanzlei hat nach umfassender Durchsicht aller Unterlagen festgestellt, dass wir unvollständig informiert wurden – und gleichzeitig bestätigt, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses sich korrekt verhalten haben.
Der FAS sagte Cromme noch: „Ich kann nicht ausschließen, dass wir in den nächsten Monaten noch einige böse Überraschungen erleben werden, wenn jetzt die Untersuchungen in andere Bereiche gehen. Ich weiß nur nicht, welche.“

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/05/29/siemens-aufklaerer-in-action/

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kommentare

  • Wolfgang Schivelbusch, Kulturwissenschaftler avant le mot, schreibt im aktuellen Spiegel – über diese „Aufklärer“ in den Chefetagen – unter der Überschrift „Ende des Schau-Geschäfts“:

    Von Konzernchefs historisches Bewusstsein zu verlangen wäre indes etwa so sinnvoll wie von Historikern Ellenbogen-Energie und betriebswirtschaftliches Know-how. Bereits Henry Ford sagte: „History is bunk.“ Ähnlich äußerte sich DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche erst kürzlich, als er auf die Ursachen des Fiaskos seines Konzerns angesprochen wurde: „Es bringt nichts, wenn wir uns als Historiker betätigen und nach möglichen Ursachen in der Vergangenheit forschen.“

    Solche Sätze belegen nicht ein Bildungsdefizit, sondern die offenbar notwendige Scheidung der Menschheit in Handelnde und Reflektierende. Eine Scheidung, zu der Friedrich Nietzsche in seinem Essay „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ einige Bemerkungen machte. Wie der Handelnde „immer gewissenlos“ sei, so sei „er auch wissenlos; er vergisst das meiste, um eins zu tun, er ist ungerecht gegen das, was hinter ihm liegt, und kennt nur ein Recht, das Recht dessen, was werden soll“.

    Ihren jüngsten Höhepunkt fand die Durchdringung der Konzernkultur mit Zeitgeistphantasie bekanntlich in der Internet-Euphorie. Dass dem eine längere Aufbauphase voranging, ist erinnernswert. Die Einführung von PR-Abteilungen nach amerikanischem Vorbild gehörte dazu. Wichtiger war vielleicht noch jene
    Rolle, die die Großkonzerne nicht selbst anstrebten, die ihnen aber beharrlich aufgedrängt wurde von einer Öffentlichkeit, die nach dem politisch-militärischen Zusammenbruch von 1945 die Wirtschaft als neuen Hoffnungsträger auserkor. Keine anderen Nationen investierten auf der Suche nach neuen Symbolen so viel Hoffnung, Vertrauen und Stolz in ihre Exportkonzerne wie die Kriegsverlierer Japan und Deutschland. Dass so etwas die Mentalität der Manager nicht unbehelligt lässt, liegt auf der Hand.

    Wie sehr die Formen den Inhalten davonzulaufen drohen, zeigt das harmlose Beispiel der Konzernsprache Englisch. Nichts ist logischer, effizienter, natürlicher als der Gebrauch des Englischen als Geschäftssprache im internationalen Verkehr. Aber wenn Konzernspitzen vorschreiben, dass die innerbetriebliche Kommunikation unter den deutschen Spitzenmanagern in Deutschland auf Englisch zu führen ist, erscheint das Besuchern aus der englischsprachigen Welt ähnlich wunderlich wie die Beobachtung, dass deutsche Manager lieber als Amerikaner wahrgenommen werden. Die Mimikry setzt sich fort in der Ersetzung alter Firmenbezeichnungen durch neue amerikanische Logos. Auch der gute alte Gütersloher Bertelsmann-Konzern definiert sich längst über die Unterzeile „Media Worldwide“.

    Wie aber wirkt sich die Ausrichtung an der Chimäre eines Globalmarktes auf den heimischen Markt aus? Diese Frage führt uns vom Problem der Form zurück zu dem der Substanz – und damit zum Begriff der schöpferischen Zerstörung. Die entscheidende Frage ist, ob das, was plattgemacht wird, tatsächlich überreif ist für den Ersatz durch das ins Auge gefasste Neue. Und ob dieses Neue seinerseits für seine Aufgabe genügend herangereift ist.

  • Während die Süddeutsche Zeitung Spökenkiekerei betreibt:

    Die 480 000 Siemens-Mitarbeiter können aufatmen, eine sechsmonatige Lähmung ist beendet. Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Chefs wird darin bestehen, den verstörten und in Fraktionen versprengten Konzern wieder zu einen – und die Wunden zu heilen, die die Korruptionsaffäre bei den Beschäftigten geschlagen hat.

    Dass dieser Konzern lange nicht die Kraft fand, die Korruption in den eigenen Reihen aufzuklären, hat auch mit einer typischen deutschen Krankheit zu tun, an der auch Siemens leidet: In den meisten großen Konzernen ist es Brauch, dass ein verdienter Vorstandsvorsitzender beim Erreichen des Rentenalters zum Chef des Aufsichtsrates wird; darunter leidet ein wirklicher Generationenwechsel, weil der neue Mann oft vom Vorgänger an Veränderungen gehindert wird.

    Wie gefährlich dieser Unfug sein kann, zeigte sich, als bei Siemens neben dem normalen Tagesgeschäft die Lösung einer Korruptionsaffäre zu bewerkstelligen war. Das Unternehmen wurde von Machtkämpfen geschüttelt, es drohte ins Trudeln zu geraten.

    Siemens ist mit fast 90 Milliarden Euro Umsatz einer der wenigen deutschen Konzerne mit Weltgeltung. Doch zugleich ist dieses Unternehmen erstaunlich provinziell geführt. Die Chefs kamen seit Jahrzehnten nur aus den eigenen Reihen.

    Der Sturm der Korruptionsaffären hat bei Siemens Fenster und Türen aufgerissen und Dinge ermöglicht, die bislang undenkbar waren.

  • das finanzen.net hat unterdes herausgefunden:

    Unter charttechnischem Blickwinkel haben Korruption und Managementfehler beim Siemens-Papier keinen elementaren Schaden angerichtet. Ganz im Gegenteil:

    Seit Sommer vergangenen Jahres dynamisierte sich die Aufwärtstendenz erheblich und führte die Aktie bis an den massiven Widerstandsbereich von 90 und 91/92 Euro heran. Schon einmal, im April, startete die Aktie einen Angriff auf diesen Widerstand, musste sich jedoch geschlagen geben. Nun scheint die Barriere mit dem kraftvollen Überschreiten vom vergangenen Freitag überwunden. Aber auch hier werden die nächsten Tage, wenn nicht gar Wochen, darüber Aufschluss geben, ob auch Nachhaltigkeit im Spiel ist. Die nächsten Barrieren sind nicht allzu fern in der Region von 100 und 105 Euro, gebildet in den Jahren 2000 und 2001. Schafft Siemens auch hier den Sprung, so liegt das nächste mittelfristige Kursziel bei 120 bis 130 Euro, das ehemalige Hoch vom März 2000.

  • Das manager-magazin schreibt:

    Die amerikanische Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit dem Oil-for-Food-Skandal im Irak auch gegen mehrere deutsche Unternehmen. Zu dem Kreis dieser Firmen gehört auch Siemens. Den betroffenen Unternehmen wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit Lieferungen im Öl-für-Lebensmittel-Programm der Vereinten Nationen das frühere irakische Regime geschmiert zu haben.

    Die Grundlage für die Ermittlungen der US-Behörden ist das amerikanische Gesetz gegen ausländische Korruptionspraktiken (Foreign Corrupt Practices Act, FCPA). Das Gesetz wurde 1977 erlassen und stellt Bestechung unter Strafe. Seit 1998 gilt das Gesetz auch für ausländische Unternehmen, die aus den USA heraus operieren oder deren Aktien an einer amerikanischen Börse gehandelt werden.

    Der deutsche Elektronikkonzern Siemens ist allerdings auch noch aus einem ganz anderen Grund im Visier der US-Börsenaufsicht SEC und des amerikanischen Justizministeriums. Die Ermittler gehen dem Verdacht der Bestechung nach. Mehr als 400 Millionen Euro sollen Siemens-Mitarbeiter an Schmiergeldern gezahlt haben.

    Ein von Siemens engagierter US-Anwalt namens Owen von der US-Kanzlei Latham & Watkins meinte:

    Das Management signalisiere durch die Einschaltung externer Kontrolleure den Behörden, dass es zumindest jetzt bereit sei, die Regeln ernsthaft umzusetzen, erklärt der Jurist. „Es kommt sogar vor, dass die US-Behörden ein Verfahren einstellen oder mildere Maßnahmen fordern, beziehungsweise gegen geringe Auflagen zu einem Vergleich bereit sind, weil ein Unternehmen ein gut funktionierendes Compliance-Programm hat oder dieses während der Ermittlungen bedeutend verbessert hat“, sagt Owens.

    Personalmaßnahmen gehören für ihn ebenfalls zur Überzeugungsarbeit, die ein ins Visier der US-Behörden geratenes Unternehmen zu leisten habe. „Die Entlassung von Managern, die in einem Bestechungsfall involviert sein können, ist ein positives Signal an die Ermittlungsbehörden“, meint der ehemalige Staatsanwalt.

    Der Aufsichtsratschef von Siemens, Gerhard Cromme, hatte das Aufschieben der Vertragsverlängerung des Vorstandschef Klaus Kleinfeld damit begründet, dass es entsprechende Signale von der SEC gegeben habe. Cromme sprach von „ernsten Bedenken der US-Behörden“.

    Owens bemerkt allerdings, dass die SEC normalerweise keine Hinweise oder Empfehlungen an ein Management gebe, was es an personellen Veränderungen vorzunehmen habe.Für die US-Ermittler ist es nach Owens Erfahrung sehr wichtig, welchen Eindruck sie von der Compliance-Kultur in einem Unternehmen erhalten. Bei der Etablierung einer guten Compliance-Kultur kommt seiner Ansicht nach dem Prüfungsausschuss eine „entscheidende“ Rolle zu. Zum Aufgabenbereich dieses Ausschuss des Aufsichtsrates gehören auch das interne Kontrollsystem des Unternehmens und die Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften.

    Es gehöre zu einer guten Compliance-Kultur in einem Unternehmen, dass sich ein Chief Compliance Officer in begründeten Fällen direkt an den Prüfungsausschuss wende, erklärt Owens. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass das Gremium auch mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzt sei. „Diese Mitglieder müssen einen solchen Ruf haben, dass sich der Chief Compliance Officer vertrauensvoll direkt an sie wendet, falls er bei dem für die Compliance zuständigen Vorstand nicht Gehör findet“, unterstreicht der Jurist. Auch das gehöre zu einer guten Compliance-Kultur in einem Unternehmen.

  • Hier ein Beitrag aus der „Roten Fahne“:

    Unterdessen hat sich die Affäre um schwarze Kassen für Bestechungsgelder erheblich ausgeweitet. Laut Justizkreisen seien bereits verdächtige Zahlungen in Höhe von drei Milliarden Euro festgestellt worden – eine Milliarde im Bereich Kommunikation und zwei Milliarden in anderen Geschäftsfeldern. Das sind Gelder, die rücksichtslos aus den Belegschaften herausgepresst wurden. Siemens hatte bislang „nur“ von 420 Millionen Euro gesprochen. Es ging in diesem Korruptionssumpf aber nicht nur um die Bestechung von Regierungen, Beamten, Auftraggebern usw., sondern auch um die systematische Finanzierung der gelben Gewerkschaft AUB („Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsräte“), um die Gewerkschaftsarbeit der IG Metall in den Siemensbetrieben zu schwächen.

    Der neue Siemens-Chef Peter Löscher arbeitete zeitweise für den amerikanischen Mischkonzern General Electric (GE), der als vorbildlich bei der sogenannten “Compliance-Organisation“ gilt, die für Ethik und Anstand bei ihren Geschäften sorgen sollen. Auch daher rührt sein „Saubermann“-Image. In Münchner Justizkreisen wird aber bezweifelt, dass sich US-Firmen tatsächlich so sauber verhalten, wie von dortigen Managern behauptet wird. Einige Beschuldigte im Siemens-Verfahren meinten gegenüber der Staatsanwaltschaft, ihre amerikanischen Kollegen würden die Korruption nur besser kaschieren. Beispielsweise mit Hilfe von Vermittlern, die im jeweiligen Exportland Schmiergeld zahlten. Die US-Firmen hätten dann damit offiziell nichts zu tun.
    Auf dem Hintergrund eines verschärften internationalen Konkurrenzkampfes um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt wird in allen großen Konzernen tatsächlich mehr oder minder offen eine systematische Bestechung organisiert, um Aufträge an Land zu ziehen. Und die für die verschärfte Ausbeutungsoffensive notwendige Klassenzusammenarbeit soll schließlich auch wie „geschmiert“ laufen.

    Es ist daher nicht zu erwarten, dass „Korruption und Kahlschlag“ mit dem Austausch einiger Personen an der Spitze bei Siemens beendet werden. Es ist eine Illusion, wenn Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer von der Chance für einen Neuanfang spricht. Was erwarten der IG-Metall-Vizevorsitzende Berthold Huber und der Siemens-Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann eigentlich, wenn sie in einer gemeinsamen Erklärung die Hoffnung äußern, dass durch Herrn Löscher der Konzern „in ruhigere Fahrwasser“ geführt wird? Auch durch einen zukünftigen Verzicht auf die Unterstützung der AUB und eine engere Zusammenarbeit mit der IG-Metall-Führung wird die geplante „Umstrukturierung“ von Siemens nicht weniger einschneidende Folgen für die Belegschaften haben. Sie werden das mit Sicherheit nicht ruhig hinnehmen.

  • Noch ein aufklärerischer Geist mit „Herrschaftswissen“

    – aus de.internet.com:

    „Im Zusammenhang mit der Siemens-Affäre hat sich Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, für ein kompromissloses Vorgehen gegen Korruption ausgesprochen. „Ich kann auf mich bezogen sagen: Wenn in der Deutschen Bank systematisch solche Dinge aufbrechen würden, würde ich morgen zurücktreten. Denn entweder war ich Teil davon, dann gehöre ich sowieso weg, oder ich habe es nicht gewusst, dann habe ich nicht geführt“, sagt Ackermann dem ‚Zeitmagazin Leben‘ (kommende Ausgabe). Damit greift der Konzernchef auch indirekt Heinrich von Pierer, ehemals Aufsichtsratschef bei Siemens, an. Von Pierer versuchte über Monate hinweg im Amt zu bleiben, obwohl fast täglich neue Enthüllungen veröffentlicht und Topmanager verhaftet wurden. Es gebe „kein Geschäft, das es wert ist, den eigenen Ruf zu ruinieren“, so Ackermann weiter. „Da gibt es überhaupt keine Grauzone, da gilt: null Toleranz.“

    Aus seiner Sicht sei die Wirtschaft „viel moralischer, als sie dargestellt wird“, sagt der Deutsche Bank-Chef weiter. „Der Vorwurf, dass ich nicht ehrbar oder nicht moralisch bin, würde mich viel mehr treffen als der Vorwurf, ich hätte das Unternehmen nicht erfolgreich geführt.“ An der Debatte um die Mannesmann-Prämien habe ihn „verletzt, dass ich bisweilen in eine unmoralische Ecke gestellt wurde durch eine Handlung, die nach meinem Verständnis rechtmäßig und international üblich war“.

    Der Satz, Deutschland sei das einzige Land, in dem diejenigen, die erfolgreich seien und Werte schafften, deswegen vor Gericht ständen, sei zu Beginn des Mannesmann-Prozesses aus Trotz gefallen, räumt Ackermann ein. „Ich war verärgert über diesen Prozess und ich war auch trotzig, das gebe ich gerne zu. Wir standen in diesem Blitzlichtgewitter, die Kameras ganz dicht vor dem Gesicht, so was wünsche ich wirklich niemandem, das war schon demütigend.“

    Oberflächlicher Luxus sei ihm persönlich „zutiefst zuwider“, so Ackermann. „Alles Abgehobene mag ich überhaupt nicht, weder im täglichen Leben, noch in anderen Dingen“.(as)“

    [ Mittwoch, 23.05.2007]

  • Der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt heute:

    Der in Haft sitzende Ex-Chef der managementfreundlichen Arbeitnehmerorganisation AUB, Wilhelm Schelsky, hat sein öffentliches Schweigen gebrochen und den Vorstand des Münchner Siemens-Konzerns schwer belastet. „Ich war verdeckt als Lobbyist für Siemens tätig. Es gab einen klaren Auftrag aus der Konzernspitze. Der Plan kam aus dem Zentralvorstand“, sagte der Unternehmensberater dem „Stern“. Schelsky ist Steuerdelikten und der Beihilfe zur Untreue verdächtig.

    Der seit kurzem von Siemens freigestellte Zentralvorstand Johannes Feldmeyer bestätigt das in zentralen Punkten. „Richtig ist, dass Schelsky als Lobbyist finanziert worden ist“, sagte Feldmeyer-Anwalt Martin Reymann-Brauer im Namen seines Mandanten über den Zweck der Geschäftsbeziehung von Siemens zu Schelsky. Das habe Feldmeyer gegenüber der Staatsanwaltschaft ebenfalls ausgesagt. Als Reaktion auf diese Offenbarungen hat Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer bei Siemens den Rückzug der dortigen AUB-Aufsichtsrätin Hildegard Cornudet gefordert. „Frau Cornudet sollte ihr Mandat niederlegen“, sagte der Gewerkschafter. Schon Anfang April hat die IG Metall wegen der Machenschaften von Siemens und Schelsky eine Strafanzeige gestellt. Die AUB-Aufsichtsrätin will indessen nicht freiwillig weichen. Es sei nicht richtig, eine Art Fahnenflucht zu begehen, ließ sie wissen. Die Art und Weise, wie ihre Organisation finanziert wurde, sei allerdings nicht in Ordnung. Davon hätten einfache Mitglieder wie sie aber nichts gewusst.
    Dem als AUB-Chef jüngst zurückgetretenen Schelsky wird vorgeworfen, von Siemens – offiziell als Berater – Millionenhonorare kassiert zu haben. Er habe diese zum Großteil für den Aufbau der AUB verwendet, um sie als eine Art Gegengewerkschaft zur IG Metall aufzubauen. Die Rede ist von 45 Millionen Euro, die seit 2001 an Schelsky und teils weiter an die AUB geflossen sind.

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