vonHelmut Höge 13.08.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Die internen Ermittler, Anwälte der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton, sprechen von einer „schockierenden Summe“. Bei Geschäften in der Kommunikationssparte und im Kraftwerksbau wurden wahrscheinlich mehr als eine Milliarde Euro Schmiergelder von Siemens gezahlt. „Die Transaktionen reichten bis Anfang der 90er Jahre zurück,“ schreibt die Süddeutsche Zeitung. Allein in der Kommunikationssparte, wo man bisher von 420 Mio Euro ausging, stießen die US-Prüfer auf „dubiose Zahlungen“ von fast 900 mio Euro. Gleichzeitig gab es auch noch mehrere polizeiliche Razzien an verschiedenen Siemens-Standorten. Vielfach wurden die Zahlungen über Liechtensteiner Firmenkonten abgewickelt, aber auch über andere ausländische, z.B. in den Vereinigten Emiraten. „Den Ermittlern zufolge verfügte die Kraftwerkssparte bis Ende der 90er Jahre über in System von Scheingesellschaften und Tarnkonten“, schreibt die Süddeutsche Zeitung und illustriert ihren Bericht mit einem riesigen Farbphoto von einer Verkehrskreuzung in Abu Dhabi. In ihrem Kommentar heißt es: „Die internen und externen Ermittler kommen voran – und sie stoßen auf immer neue Abgründe.“ Aber mit dem neuen Siemens-Vorstandschef Peter Löscher sei der Konzern auf einem guten Weg – der Aufklärung aller Verbrechen, das „hat sich bereits gezeigt: Siemens hat den früheren Anti-Korruptionsbeauftragten Albrecht Schäfer entlassen – nachdem der Konzern zuvor monatelang an ihm festgehalten hatte. Es dürfte nicht der letzte Rauswurf des neuen Chefs sein.“ Zuvor hatte die SZ berichtet: Siemens treibe ein „unwürdiges Spiel“ mit seinem Anti-Korruptionsbeauftragten: „Hat der Jurist wirklich einiges vertuscht, dann muss er gehen. Auch auf das Risiko hin, dass er beim Arbeitsgericht auspackt und der Skandal sich ausbreitet.“ Und davor schrieb die SZ: „Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme hat stets behauptet, erst im Nov. 2006 vom wahren Ausmaß der schwarzen Kassen erfahren zu haben. Jetzt sind Dokumente aufgetaucht – danach hätten die Verantwortlichen im Münchner Konzern früher alarmiert sein müssen.“

Der österreichische Standard berichtete:

In der Affäre um Schmiergeldzahlungen bei Siemens kommt auch die österreichische Landesgesellschaft immer mehr in den Fokus. Führungskräfte in Österreich und Griechenland sollen eine „Drehscheibe“ für die illegalen Aktionen gewesen sein, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ am Freitag auf ihrer Internetseite.

Weiters seien diese beiden Landesgesellschaften ebenso wie die in Belgien und in zahlreichen afrikanischen und asiatische Staaten nur bedingt zu Gesprächen mit der US-Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton bereit. Diese Kanzlei wurde von Siemens mit der Aufklärung des Skandals rund um „Schwarze Kassen“ beim Elektronikkonzern betraut.

Mehrere Mitglieder des Kontrollgremiums sagten der „Süddeutschen Zeitung“ nach einer Aufsichtsratssitzung diese Woche in München, auch der neue Konzernchef Peter Löscher sei nun gefordert. Er müsse die Widerstände gegen die Untersuchungen brechen und dafür sorgen, dass der Skandal so rasch und so umfassend wie möglich aufgeklärt werde. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sagte nach Angaben von Aufsichtsratsmitgliedern sinngemäß, er werde dieses Verhalten nicht hinnehmen, sondern durchgreifen.

Im Aufsichtsrat wächst inzwischen die Angst, die US-Justiz könnte die Sache in die Hand nehmen. „Wenn Debevoise nicht vorankommt, dann schicken uns die SEC und das US-Justizministerium amerikanische Staatsanwälte ins Haus“, hieß es dem Bericht zu Folge aus dem Aufsichtsrat.

Um schneller voranzukommen hat die Konzernspitze aber jetzt eine tolle Idee: „Der Konzern plant dem Bericht zufolge die Einrichtung einer „Hotline“ für anonyme Hinweise auf Gesetzesverstöße.“ (dpa)
Nicht thematisiert wird Siemens im Zusammenhang mit der derzeitigen „Finanzkrise“: Wenn der Konzern eigentlich eine Bank ist (die sich bloß den Luxus einer Produktion leistet), dann müßte Siemens eigentlich auch von der Finanzkrise betroffen sein.

Die Siemens-Gewerkschaft AUB will sich ohne Siemens und ihren Gründer Schelsky, der noch immer in U-Haft sitzt, konsolidieren: „Der Vorstand kündigte einen Neuanfang an. Zum Bundesvorsitzender wurde der Hamburger Airbus-Betriebsrat Rainer Knoob gewählt. Die Mitgliederversammlung verabschiedete mit großer Mehrheit eine neue Satzung. Diese sieht den Angaben zufolge mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Mitglieder vor.“ Die AUB hat angeblich noch immer 30.000 Mitglieder.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/08/13/siemens-schmiergeldzahlungen/

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kommentare

  • Die Süddeutsche Zeitung berichtet:

    Der Siemens-„Topmanager“ Michael Kutschenreuther, zuletzt Finanzvorstand in der Sparte Telekommunikation, sitzt immer noch in U-Haft. Aber nun packt er aus.
    Ein Geständnis von Kutschenreuter, der seit 1974 bei Siemens nach und nach Karriere gemacht hat, könnte hilfreich sein. Ein anderer Beschuldigter hat ausgesagt, der Top-Manager habe die Verwaltung der schwarzen Kassen und die daraus vorgenommenen Provisionszahlungen – das sei eine Umschreibung für Korruption gewesen – bei Siemens-Com und bei der Vorgängergesellschaft IC Networks (ICN) organisiert beziehungsweise delegiert.

    Auch sei Kutschenreuter von einer Führungskraft der Abteilung Compliance gewarnt worden, als schwarze Kassen in Österreich aufzufliegen drohten, sagte der langjährige Angestellte Reinhard S. bei seinem Geständnis. S. ist eine Schlüsselfigur in dem Skandal. In der Abteilung Compliance sind die Korruptions-Bekämpfer bei Siemens angesiedelt. Sollte Kutschenreuter die Vorwürfe gegen diese Abteilung bestätigen, dann könnte sich der Skandal dramatisch ausweiten und ein Erdbeben in der Konzernzentrale auslösen.

    Damit nicht genug. Bei ICN saß Kutschenreuter mit Thomas Ganswindt im Vorstand. Ganswindt war dort der Chef und rückte später sogar in den Zentralvorstand der Siemens AG auf, den innersten Machtzirkel des Konzerns, ehe er das Unternehmen vor zehn Wochen verließ. Ganswindt ist bereits schwer belastet worden – auch er von Reinhard S., dem früheren Angestellten, der schwarze Kassen in Liechtenstein und in der Schweiz eingerichtet hatte, nachdem das Modell Österreich nicht mehr funktioniert hatte.

    S. hat bei seinem Geständnis ausgesagt, er habe Ganswindt über Schmiergeldzahlungen informiert und konkrete Summen genannt: 10 Millionen Euro im Jahr in die Staaten der ehemaligen Sowjetunion, 15 Millionen nach Griechenland und 10 Millionen nach Nigeria. Ganswindt hat dazu vor zwei Wochen mitgeteilt, er verfolge die Ermittlungen sehr aufmerksam.

    Nunmehr, da jetzt auch Kutschenreuter aussagt, vermutlich noch aufmerksamer als bisher. Spannende Fragen tun sich auf. Was weiß Kutschenreuter über Ganswindt? Und was weiß er über andere Spitzenmanager, deren Namen in den Geständnissen schon gefallen sind? Wie weit reicht der Skandal, der sich um Vorgänge in der Ära des früheren Konzernchefs Pierer dreht, in die Konzernspitze hinein?

    Die Staatsanwaltschaft will alles wissen, und sie ist schon weit gekommen: Sechs Geständnisse von aktiven und ehemaligen Führungskräften und Angestellten in den Sparten Com und ICN in nicht einmal vier Wochen. Alle haben zugegeben, die schwarzen Kassen installiert oder ermöglicht zu haben, in denen mindestens 200 Millionen Euro versteckt worden waren.

    Die vielen Millionen seien als Schmiergeld geflossen, in Europa, Asien, Afrika und Mittelamerika, beichteten mehrere dieser sechs Beschuldigten. Sie nannten mehr als zehn Länder, in denen man wertvolle Informationen und lukrative Aufträge gekauft habe. Die Aussicht, Weihnachten im Gefängnis zu verbringen, hat sie gesprächig gemacht. Nun redet auch Kutschenreuter.

  • Die Netzeitung meldete:

    Siemens soll in Israel geschmiert haben

    Millionen sollen geflossen sein, damit der Münchner Konzern einen lukrativen Auftrag des staatlichen israelischen Energiekonzerns IEC erhalte. Ein gekündigter Siemens-Beauftragter klagt unterdessen. Die Israel Securities Authority ermittle gegen den Manager des staatlichen israelischen Energiekonzerns IEC, Dan Cohen, wegen Verdachts der Bestechlichkeit, berichtet der «Spiegel». Er soll von der Kraftwerkssparte des Konzerns Millionen bekommen haben, damit Siemens in den Jahren 2003/2004 einen Auftrag über jeweils 100 Millionen Euro für die Lieferung von zwei Turbinen an die IEC erhalte. Laut einem internen Siemens-Papier, das dem Magazin vorliege, seien für das IEC-Projekt Zahlungen über insgesamt rund fünf Millionen Euro geleistet worden.

    Zudem klagt der frühere Anti-Korruptionsbeauftragte der Siemens AG, Albrecht Schäfer, Medienberichten vor dem Arbeitsgericht München gegen seine Kündigung, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet. Schäfers Anwalt trage in der Klageschrift vor, sein Mandant habe den Vorstand frühzeitig und umfassend über «systematische und planmäßige» Verstöße gegen interne Richtlinien informiert. Das lasse sich im Detail belegen. Siemens hatte den Vertrag von Schäfer laut der Zeitung vor gut einem Monat gekündigt, weil der Jurist Vorstand und Aufsichtsrat nicht ausreichend über Hinweise auf Korruption informiert habe. Die Güteverhandlung sei am 24. September.

    Wie der «Spiegel» berichtet, hat sich der Konflikt der Siemens- Führung mit Schäfer zwischenzeitlich zugespitzt. Der Jurist bestehe auf Weiterbeschäftigung. An einigen Stellen enthalte der Schriftsatz zur Klagebegründung sogar unverhohlene Andeutungen. «Der Kläger behält sich vor, weitere und detaillierte Ausführungen zur Information über systematische und planmäßige Compliance-Verstöße im Unternehmen zu leisten», zitiert das Nachrichtenmagazin aus dem Papier. (nz/dpa)

  • letzte Korruptionsmeldungen – zusammengefaßt von N24:

    Die chinesischen Antikorruptionsbehörden untersuchen die Verstrickung in einem Bestechungsfall in einem Krankenhaus in der nordostchinesischen Provinz Jilin, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Die Pekinger Siemens-Zentrale habe bestätigt, dass die Polizei eine chinesische Mitarbeiterin des Konzerns vorübergehend festgenommen und verhört habe. Sie sei inzwischen wieder auf freiem Fuß – und bei Siemens vorübergehend beurlaubt.
    Die „Süddeutsche“ zitierte chinesische Medien, wonach der Leiter des Zentralkrankenhauses der Stadt Songyuan, Hou Yingshan, wegen des Verdachts auf Korruption festgenommen wurde. Hou sei seit 1992 für den Einkauf von Medikamenten und medizinischen Geräten zuständig gewesen. Immer wieder habe das Krankenhaus auch Ausrüstung bei Siemens bestellt. Krankenhaus und Behörden hätten den Fall am Montag nicht kommentieren wollen. Die Siemens-Medizintechniksparte Medical Solutions zählt weltweit zu den größten Anbietern.

    Erst vor wenigen Tagen hatte Siemens Korruptionsfälle bei seinen Geschäften in China eingeräumt. Während des erstmaligen Besuchs des neuen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher hatte der Chef des China-Geschäfts, Richard Hausmann, „Unregelmäßigkeiten“ eingeräumt. 20 Mitarbeiter seien wegen „unangemessener Geschäftsaktivitäten“ entlassen worden.
    Unterdessen berichtet das Wirtschaftsmagazin „Focus Money“ am Dienstag vorab, dass sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die den Konzernabschluss prüft, sich schon Ende 2006 in einem Dokument für die US-Börsenaufsicht SEC von den internen Kontrollmechanismen des Konzerns distanziert hatte. Darin spreche das Prüferteam um KPMG-Deutschlandchef Rolf Nonnenmacher von „materiellen Schwächen“ und ziehe die „Effektivität der internen Kontrollen“ in Zweifel. Zu den von Siemens in Folge der Korruptionsermittlungen ergriffenen Gegenmaßnahmen wollte die KPMG damals ausdrücklich kein Urteil abgeben. (ddp/nz)

  • Es kommt immer dicker – und dazu noch das langsame Platzen der Finanzblase im Zusammenhang mit dem Platzen der Immobilienblasen in Irland und Spanien: Am Ende droht Siemens im Schmiergeldskandal unter zu gehen. Auf alle Fälle drohen starke Auftragseinbußen, wenn die Korruptionspraxis bei Siemens allzu konsequent eliminiert wird. Durch die Fuusion der Kommunikationssparte mit Nokai sind zudem bereits die Umsätze in China, Griechenland, Italien, Südafrika und Indonesien bis zu 50 % „weggebrochen“.

    Und es werden immer mehr Koruptionsfälle „entdeckt“: Jetzt sind es schon 1 Milliarde Euro an „dubiosen Zahlungen“ allein in der Kommunikationssparte, hinzu kommen über 300 Millionen im Kraftwerksbereich.

    In China setzte Siemens 2006 5 Milliarden Euro um – „mehr als die Hälfte des Geschäfts ist von Bestechung infiziert,“ schreibt die Wirtschaftswoche – und fährt fort: „Das System der Münchner unterscheidet sich grundlegend von dem vorgehen der Konkurrenten GE und ABB“ – mit denen Siemens zusammen einst das weltweite Elektrokartell IEA gegründet hatte, das sich angeblich kurz vor der Auflösung der Sowjetunion Ende 1989 selbst liquidierte.Seitdem läuft die Beeinflussung von Aufträge vergebenden Staatsdienern und Konzernmanagern bei Siemens vornehmlich über Agenten, sogenannte Mittelsmänner: „Ohne die läuft gar nichts,“ so ein Siemens-Manager. Bei ABB wurden allein 2006 54 Mitarbeiter, die derart Aufträge „acquirierten“, entlassen.

    Der Spiegel berichtet von einem weiteren Siemens-Bestechungsfeld:

    Danach besteht der Verdacht, dass auch im Zusammenhang mit einem Kraftwerksbau in Indonesien Schmiergelder in Höhe von fast 20 Millionen Euro geflossen sein könnten.

    Bei dem Indonesien-Geschäft sollte Siemens gemeinsam mit einem britischen und einem indonesischen Partner Ende der neunziger Jahre ein 1200-Megawatt-Kohlekraftwerk unter dem Namen „Paiton II“ im Osten der Insel Java bauen und betreiben. Der Vertrag mit einem Wert von 1,2 Milliarden Dollar war im April 1995 im Beisein des damaligen Kanzlers Helmut Kohl (CDU) und des indonesischen Diktators Suharto unterzeichnet worden. Ein mit dem Projekt vertrauter hochrangiger indonesischer Strommanager hatte den Kontrakt im Jahr 1998 als „Auswuchs der korrupten Gebräuche des Suharto-Clans“ bezeichnet. Siemens-Manager hätten damals beteuert, bei dem Bau sei alles korrekt gelaufen. Jetzt seien Unterlagen aufgetaucht, die an diesen Aussagen zweifeln lassen.

    „Die Zukunft des Konzerns ist ungewisser denn je,“ schreibt die Wirtschaftswoche.Es wird mindestens zu einer Reihe weiterer Entlassungen von Siemens-Vorständlern und -Managern kommen. Die Wirtschaftswoche zählt dazu insbesondere Finanzchef Joe Kaeser, aber – wird dazu ein Insider zitiert: „Kaeser weiß zu viel“. Es ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit, so zitiert die Wirtschaftswoche einen anderen „Siemens-Insider“, bis der Siemens-Zentralvorständler Uriel Sharef und Klaus Voges, Chef der Kraftwerkssparte,“ihre Siemens-Ämter aufgeben müssen“.

    In den USA ermittelt derzeit die Börsenaufsicht (SEC) ebenso gegen Siemens wie das Justizministerium, und daneben auch die Justizbehörden in Deutschland, der Schweiz, Italien und Griechenland.Es wird immer enger für Siemens.

    Die Konzernmanager fangen an zu mauern. Wie absurd die ganze Aufklärung funktioniert, zeigt sich u.a. darin, dass die von den Ermittlern der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton in die Zange genommenen „Siemensianer“ sich einen Anwalt der US-Kanzlei Baker & McKenzie nehmen dürfen. Intern gilt jedoch die Regel „Bloß nichts sagen!“ Die Wirtschaftswoche schreibt: „Wer dennoch eine Aussage machen will, die einen Kollegen oder Siemens belastet, der muss sich einen eigenen Anwalt suchen – allerdings auf eigene Kosten. Also empfiehlt es sich, zu schweigen.“

    Soll das heißen, das die Baker & McKenzie-Boys nur dazu da sind, die „Zeugen“ dahingehend zu präparieren, dass sie den Ermittlern „Bullshit“ oder Nichtssagendes vorsetzen? Siemens zahlt also zigmillionen Dollar – einerseits dafür, dass Debevoise & Plimpton ermittelt – und andererseits dafür, dass Baker & McKenzie deren Ermittlungen ins Leere laufen lassen. WÄhnliches hatte Ende Juli bereits die „Süddeutsche Zeitung“ gemeldet. Nach ihren Angaben gingen beim Aufsichtsrat des Münchener Technologiekonzerns Beschwerden von Debevoise & Plimpton ein, weil einige Führungskräfte die Aufklärung des Skandals um schwarze Kassen und weltweite Schmiergeldzahlungen blockierten. Was ist das bloß für ein gigantischer Schwachsinn! Hinzu kommt noch, dass gerade jetzt Siemens keinen Leiter seiner Compliance-Abteilung mehr hat – die beiden letzten wurden entlassen.

    Die Zeit hat zusammen mit einem Ethikprofessor eine elegante Lösung gefunden:

    Josef Wieland heißt der Mann und er sieht die Sache so:

    „Man kann ein Geschäftsmodell nicht von heute auf morgen verändern, da spielen auch die Partner nicht mit. Aber die Gesellschaft ist an dieser Stelle auch heuchlerisch. Wenn sie etwa sehen, dass der ehemalige britische Premier Toni Blair noch vor wenigen Wochen seinen obersten Strafverfolger anwies, die Korruptionsermittlungen gegen eine saudische Familie einzustellen, weil das angeblich im nationalen Interesse wäre, dann sieht man, welche mächtigen Interessen da im Spiel sind. Deshalb kann eine Firma, und sei sie auch so groß wie Siemens, dieses Problem nicht alleine lösen. Da muss die Politik helfen, müssen Nichtregierungsorganisationen mitarbeiten. Hier brauchen wir neue Allianzen. Und man muss ehrlich sein in Bezug auf die Usancen in manch anderen Kulturen. Auch die Gesellschaft hat einen »Fall Siemens«.

  • Zwei Siemens-Meldungen:

    1. Der Bremer Cola-Light-Trinker Klaus Kleinfeld hat als weggemoppter Siemens-Chef einen Stockwerk tiefer wieder Fuß gefaßt: Er wird laut SZ „Präsident und Vorstand für das operative Geschäft des amerikanischen Aluminium-Konzerns Alcoa“. Nach Ausscheiden des Alcoa-Chefs Alain Belda könnte er 2008 sogar auf dessen Posten nachrücken. Interessant an diesem fast fliegenden Konzern-Wechsel ist, dass die Aluminium-Branche gleich nach der Elektrobranche der kartellierteste und somit korrupteste Wirtschaftssektor überhaupt ist. Der Ex-Siemensianer Kleinfeld darf sich bei Alcoa also quasi wie zu Hause fühlen, zumal er sowieso eine Amimacke hat und am Liebsten Amerikanisch parliert, wenn es ihm ernst wird.

    2. Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität (EMAU) in Greifswald (Vorpommern) wollte eigentlich dem Siemens-Zentralvorständler Jürgen Radomski die Ehrendoktorwürde verleihen. Zuvor hatte der Siemens-Personalchef mit der Uni bereits eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, wozu u.a. die Gründung eines Zentrums für den „Forschungs- und Wissensaustausch in der Medizintechnik“ gehörte. Nun hat die Uni jedoch beschlossen, wegen des ausufernden Korruptionsskandals beim Siemenskonzern die Verleihung des Ehrendoktors an Radomski erst mal zu verschieben. Radomski ließ daraufhin vom Siemenssprecher verärgert erklären: Man solle von der Verleihung insgesamt absehen.

    Zur Erinnerung: Der imm er noch in U-Haft sitzende Siemens-Gewerkschaftsboß Schelsky besitzt etwa 41 Prozent der Greifswalder Firma »manufacturing, logistics and services GmbH und Co. KG« (ml&s), weitere Anteile gehören Siemens. Das Unternehmen entstand als Ausgliederung aus dem Konzern. 2002 drohte Siemens damit, die Fertigung zu schließen, weil die Kapazitäten in Deutschland nur zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet seien. Das hätte 250 Menschen in Greifswald den Arbeitsplatz gekostet. Der damalige Betriebsratschef Klaus Bahl (AUB) befürwortete seinerzeit den Übergang von Arbeitskräften zu ml&s. »Die darauf folgenden fünf Wochen, in denen die Verhandlungen liefen, ließ der AUB-Betriebsratsvorsitzende Klaus Bahl keine Informationen an die Beschäftigten oder andere Betriebsräte durchsickern«, kritisierte hingegen die IG Metall. Thomas Möller vom DGB Greifswald erinnert sich: »Bahl hat damals IG-Metall-Betriebsratsmitgliedern Konsequenzen angedroht, wenn sie öffentlich auf Probleme bei Siemens aufmerksam machten.«

    Ex-AUB-Chef Schelsky gehört auch die Greifswalder »Schema Unternehmens-Infrastruktur-Planung Nord GmbH«. Die Firma führte er bis 2006 zusammen mit Lothar Mahling, der laut Wirtschaftswoche wiederum unter Martin Bangemann Sprecher der FDP und zeitweilig auch Sprecher der AUB war. »Schema« ist Besitzer der Gaststätte im Volksstadion »Golden Goal« und stellte Arbeitskräfte für Siemens zur Verfügung. Die Zeitarbeitsfirma hat die Westanbieter in den letzten Jahren weitgehend verdrängt und war sehr eng in die inneren Abläufe eingebunden. Die Bezahlung ist, den Andeutungen von Mitarbeitern nach zu urteilen, nicht besonders gut, aber für hiesige Verhältnisse immerhin so lohnenswert, daß selbst aus Berlin, von der Insel Rügen, aus Anklam usw. Beschäftigte die Woche über nach Greifswald kommen, um hier zu arbeiten. Mittlerweile geht Nokia Siemens auf Distanz zu Schelsky und trennte sich von »Schema«. Die Beschäftigten wurden nach heftigen Protesten von der Zeitarbeitsfirma Manpower zu den gleichen Konditionen übernommen.

    Die AUB ist in Greifswald relativ stark. Bei ml&s stellt sie zwei Drittel der Betriebsratssitze und mit Gudrun Haseloh die Vorsitzende der Beschäftigtenvertretung. Diese schätzt die Mitgliederzahl der AUB in Greifswald auf insgesamt etwa 100 bis 120. In der AUB seien vor allem Betriebsratsmitglieder organisiert, so Haseloh, die die Unterschiede zu den DGB-Gewerkschaften betont: Im Gegensatz zu diesen erhebe die AUB keine branchenbezogenen Forderungen. Man sei keine Tarifpartei – und wolle das auch nicht sein. »Natürlich fordere ich als Betriebsrätin Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung – vorausgesetzt, die Situation meines Betriebes erfordert es«, wirft sie ein. Die Beschäftigtenvertretung solle aber nur im einzelnen Betrieb erfolgen. Als Organisation, die sich auf Betriebsratsarbeit konzentriere, gebe es für Tarifpolitik auch keinen gesetzlichen Spielraum: Tarifliche Regelungen dürfen von Vereinbarungen zwischen Unternehmern und Betriebsräten nicht unterlaufen werden, schreibt das Betriebsverfassungsgesetz vor. Diesen Paragraphen würde die AUB gerne ändern: »Regionale Anpassungen« – sprich: die Öffnung der Flächentarifverträge – befürwortet der Verein. Dem Druck eines Konzerns wie z. B. Siemens, der mit Standortverlagerung und Ausgliederungen die Belegschaften gegeneinander ausspielen kann, wird man so kaum standhalten können. Haseloh meint dennoch, ohne den gewerkschaftlichen Hintergrund auszukommen, und möchte »eine Vertretung, die Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt, ohne das Wohl des Betriebes aus dem Auge zu verlieren«.

    In Greifswald hatte diese Strategie offensichtlich bislang Erfolg. Nicht nur bei ml&s, sondern auch bei Nokia Siemens stellte die AUB bisher die Mehrheit der Betriebsräte. Ob dieser Trend indes anhält, bleibt abzuwarten. Die AUB ist 2002 in ein gut gelegenes Büro am Marktplatz eingezogen. Mit Margrit Schuldt fungierte als Ansprechpartnerin der AUB die ehemalige Sekretärin des Greifswalder Siemens- Standortleiters. Ein schickes Auto mit Nürnberger Kennzeichen – die Zentrale der AUB befindet sich in der Frankenmetropole – sorgte für Aufsehen. DGB-Mann Möller fragte sich da schon, »wie das mit acht Euro Mitgliedsbeitrag funktioniert«. Haseloh gibt freimütig zu, daß die AUB ein Lieblingskind von Schelsky war: »Er war vielfältig tätig, als Unternehmer und Unternehmensberater. Es steht ihm natürlich frei, Vereinigungen zu fördern, die die Arbeit der Betriebsräte unterstützen.« Schelsky hat den Vorsitz der AUB mittlerweile niedergelegt. Die Landesgeschäftsstelle der AUB in Greifswald wurde aufgelöst. Auf den Internetseiten ist nur noch die Bundesgeschäftsstelle Nürnberg zu finden. Die Arbeit der AUB soll laut Gudrun Haseloh in Zukunft »stärker ehrenamtlich erfolgen«.

    Zuvor hatte der ebenfalls in U-Haft genommene Siemens-Vorständler Johannes Feldmayer für eine ähnliche akademische Irritation gesorgt. Die SZ schreibt:

    In Veranstaltungen deutscher Universitäten und Hochschulen war Johannes Feldmayer oft der gute Mann von Siemens. Er war beispielsweise zuständig, als sich der Münchner Konzern zu einer großzügigen Spende an die TU München entschloss. Oder Feldmayer stellte eine „strategische Partnerschaft“ mit der TU Bergakademie Freiberg vor – und beschrieb in seinem Vortrag, wie überlebenswichtig ständige Innovation für Siemens sei.

    An der TU Berlin wiederum gab Feldmayer in der Fakultät VII Wirtschaft und Management sein Wissen weiter. Seine Ernennungsurkunde als Honorarprofessor erhielt er am 31. Oktober 2006, am gleichen Tag wurde ein Denkmal für Werner von Siemens eingeweiht.

    Professor Johannes Feldmayer hat solche Auftritte überzeugend gemeistert. Er gilt als Mann klarer Worte, der auf Menschen geschickt zugeht. Der 50-Jährige war bereits 1979 zu Siemens gestoßen und absolvierte dort eine kaufmännische Stammhauslehre. Er arbeitete zunächst als Wirtschaftsplaner im Bereich Datenverarbeitung, durchlief das Young Managers Programme der Elite-Ausbildungsstätte Insead im französischen Fontainebleau und arbeitete sich hoch, zum Beispiel über Stationen in Johannesburg oder Alpharetta/USA.

    Im Dezember 2001 wurde er Strategie-Chef und stieg dann im August 2003 in den Zentralvorstand auf. Dort war der gebürtige Augsburger für vieles zuständig, zum Beispiel für IT, Immobilien, Global Shared Services, das Corporate Information Office und Europa.

    Das Geschäft mit der bei den Ermittlungen der Justiz in Frage stehenden Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) des Wilhelm Schelsky hatte Feldmayer schon vor Jahren eingefädelt. Der Erlanger Siemens-Betriebsratsvorsitzende Klaus Hannemann zeigt sich „sehr überrascht“ über die neuesten Entwicklungen: Er kenne Feldmayer als „jemanden, der auch bei kontroversen Diskussionen mit dem Betriebsrat sehr offen für Anregungen und Argumentationen war“. Vielleicht, so spekuliert IG Metall-Mitglied Hannemann, habe Feldmayer die intensive Zusammenarbeit mit Schelsky „auf Anraten oder Bitten anderer im Konzern“ in die Wege geleitet und gepflegt.

    Die Technische Universität Berlin mußte sich unterdes fragen lassen, warum sie sich nicht von ihrem verhafteten Siemens-Professor Johannes Feldmayer distanziert. Auf ihrer Webpage nahmen einige TU-Mitarbeiter dazu Stellung:

    SKANDAL! Unser Honorarprof ist in U-Haft genommen worden…

    Ja ja, die feinen Herren…

    Tja, die Herren von Siemens haben ja ganz schön Dreck am Stecken!

    Die Meldung fand ich wirklich unglaublich. Ich saß damals im Fakultätsrat, als diskutiert wurde, ob Herr Feldmayer Honorarprof werden dürfe. Die Gegner bemängelten vor allem, dass er keinerlei akademischen Grade hat und insofern nicht sonderlich wissenschaftlich orientiert wäre. Hätten sie gewusst, was er stattdessen so drauf hat, wäre die Entscheidung vermutlich anders ausgefallen. Aber wer weiß, vielleicht ists ja auch alles nicht so, wie es scheint. Der ganze Verein ist mir trotzdem unsympathisch.

    Äh, was genau hat das jetzt mit Strategischem Management zu tun? Würde das eher unter Smalltalk einordnen, es sei denn, Korruptions- und Bestechungsmanagement sowie Strategien zur Unterwanderung des Betriebsrates werden neuerdings ins Lehrangebot aufgenommen…

    DAS wär doch mal ein Angebot, das einen sinnvoll auf die spätere Karriere vorbereitet! Wenn die Deppen sich immer erwischen lassen, besteht da wohl dringend Forschungsbedarf.

    Naja, jedenfalls wurde der ehrenwerte und ganz gewiss komplett unschuldige und völlig zu Unrecht verdächtigte Herr Feldmayer am 31. Oktober 2006 zum Honorarprofessor für Strategisches Management ernannt. Mir tut’s bloß leid für die TU bzw. die Leute, die das eingefädelt haben. Is bestimmt nich so einfach, n Siemens-Vorstand für den Job ranzukriegen – und dann sowas…

    Der Siemens Vorstand ist strategisch in vielen Deutschen Universtäten verteilt, also eine so einseitige Interessenverteilung war das nicht mit der Honorarprofessur! Siemens hat auf jeden Fall ein großes Interesse an der Uni vertreten zu sein!

    TRotzdem eine gute Leistung der Einfädler, keine Frage!

    Ja, das bezweifel ich ja gar nicht. Meinte auch eher: da diskutiert man ewig in irgendwelchen Gremien und pipapo, hat sich irgendwann mal entschieden, der wird mit Pomp (und zu Recht nicht ohne Stolz) vorgestellt – und dann kommt sowas. Ich würd abkotzen.

  • „Die AUB mit neuem Gesicht“, so stellt sich die AUB nun vor. Der Neuanfang beschränkt sich im Wesentlichen auf ein Facelifting. Der in vielen Jahren gewachsene Ungeist hinter dem Gesicht dieser sehr abhängigen Vereinigung vermeintlich Unabhängiger kann sich eben nicht so schnell ändern. Keiner will was gewusst haben. Nichtwissen ist ja überhaupt sehr wichtig in diesen Tagen. Und Schelsky hat ja jede Frage im Ansatz abgewürgt. Aber wiedergewählt haben sie ihn dann doch immer wieder. Wie anders als mit psychischer Abhängigkeit kann man dieses Handeln gegen die eigene Restvernunft erklären? Wachsamkeit ist auch weiterhin gefragt: Wer greift der AUB jetzt unter die Arme? Hat nur Siemens Betriebsratswahlen beeinflusst? In welchen anderen Aufsichtsräten sitzen noch Sponsoren der AUB?

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