vonHelmut Höge 13.12.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Im Bemühen, sämtliche so genannten 68er-Einflüsse zurück zu drängen, d.h. zu liquidieren, schießt dieser Scheißstaat immer wieder übers Ziel hinaus.  Erwähnt werden Elitenförderung, Excellence-Gedröhne, hohe Studiengebühren, Erziehungsgeld für Reiche, Bundeswehreinsätze in Konfliktregionen, Rauchverbot in Kneipen, Sexverbot für Jugendliche,  die Kostümierung und Konditionierung von Wachtmeistern zu New York Cops (mit Plastikhandschellen, Gummihandschuhen und allem drum und dran bis hin zum Shit-for-brain), der ganze Öko-Stumpfsinn als deutsche Top-Export-Technologie,  die Aufklärung des Siemens-Bestechungs-Sumpfes  als  „Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter“, Fingerabdrücke bei Beantragung eines dämlichen Ausweises (Paß), die Verhaftung von Soziologen (sic), die das Wörtchen „Gentryfication“ in ihren Texten benutzen und und und.

Hier ist eine neue Sauerei zu vermelden (aus der Jungen Welt):

Lügen in Zeiten der Folter (von Rüdiger Göbel) 

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat am Mittwoch einen neuerlichen Erfolg im internationalen Antiterrorkampf vermeldet. Doch die Pressemitteilung Nr. 32 aus Karlsruhe basiert auf einer Lüge – bei dem vermeintlichen Coup gegen eine international gesuchte Terroristin handelt es sich offensichtlich um einen Einschüchterungsversuch gegen eine mutige linke Journalistin. Am 10. Dezember 2007 sei »die 42jährige deutsche Staatsangehörige Heike S. durch Beamte des Bundeskriminalamtes auf dem Flughafen Köln/Bonn bei der Einreise in die Bundesrepublik« festgenommen worden, teilte die Bundesanwaltschaft gestern mit. »Der Beschuldigten liegt zur Last, von Frühjahr 1996 bis Frühjahr 1998 Mitglied der im Inland innerhalb der DHKP-C bestehenden terroristischen Vereinigung gewesen zu sein.« Und wörtlich weiter: »Die Beschuldigte war flüchtig und wurde seit dem Jahr 2001 mit Haftbefehl gesucht.« Das klingt brandgefährlich. Doch daß die Verhaftete das wirklich ist, glaubt nicht einmal der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. Der setzte den Haftbefehl am Dienstag gegen eine Kaution in Höhe von 5000 Euro – die Staatsanwaltschaft hatte 30000 Euro verlangt – und Meldeauflagen umgehend außer Vollzug.

Bei »Heike S.« handelt es sich um die Journalistin Heike Schrader, und die war in den vergangenen Jahren alles andere als flüchtig. Sie heiratete 2002 einen Griechen und hat seitdem ihren Lebensmittelpunkt in Athen. Sie ist seit Jahren dort beim zuständigen Ministerium als junge Welt-Korresponden­tin akkreditiert. Dies ist auch den deutschen Behörden bekannt. Heike Schrader besuchte in den vergangenen Jahren wiederholt ihre Familie in Deutsch­land sowie die jW-Redaktion. Sie trat in der BRD mehrfach als Referentin in öffentlichen politischen Veranstaltungen auf, zuletzt im März dieses Jahres in Berlin.

In dieser Woche reiste die Journalistin nach Deutschland, um das im Pahl-Rugenstein Verlag erschienene Buch »Guantanamo auf griechisch. Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat« über die linke griechische Stadtguerillagruppe »Epanastatiki Organossi 17. Novembri« (Revolutionäre Organisation 17. November, kurz »17N« genannt) vorzustellen. In dem Buch beschreibt Savvas Xiros detailliert, wie er nach seiner Verhaftung 2002 trotz schwerster Verletzungen von den Sicherheitsbehörden des EU-Mitgliedslandes Griechenland auf der Intensivstation in einem Athener Krankenhaus gefoltert und zu Aussagen erpreßt wurde. Man muß beileibe kein Anhänger des 17N sein, um das in dem Buch geschilderte Agieren von Polizei und Geheimdiensten in der Europäischen Union als skandalös und Verstoß gegen die Antifolterkonvention zu bezeichnen.

Das Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden läßt zwei Schlußfolgerungen zu. Entweder das BKA hat bei der Terrorfahndung jahrelang geschlampt und eine mögliche frühere Verhaftung schlichtweg verpennt. Oder aber, die BRD-Behörden agierten auf einen Wink aus Athen, in der Hoffnung, die Publizistin mit dem »Terrorvorwurf« zu diskreditieren. Letzteres dementierte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch nachmittag auf jW-Nachfrage ausdrücklich. Die deutschen Ermittler seien auf die Lesereise »per Internetrecherche« aufmerksam geworden. Daß die Gesuchte in Griechenland gelebt habe, sei bekannt gewesen – ein Widerspruch zur am Morgen schriftlich verbreiteten Erklärung, Heike Schrader sei »flüchtig« gewesen.

»Guantanamo auf griechisch« wurde am Mittwoch auf Einladung der Linksfraktion im Bundestag vorgestellt. Deren innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke kritisierte bei der Gelegenheit das »absurde Ermittlungsverfahren« gegen eine »couragierte Journalistin« und den »gezielten Einschüchterungsversuch« zu Beginn einer Vortragsreise über Folter an politischen Gefangenen.

jW-Autorin Heike Schrader auf Lesereise: Hamburg, heute 19.30 Uhr, Schwarze Katze (Fettstr. 23), Linke Literaturmesse in Nürnberg, Samstag, 17 Uhr, K4 (Königstr. 93)

Und hier kommt schon die nächste Schweinerei:

Bordelle sollen in Berlin zukünftig geprüft und mit einem Gütesiegel – für Einhaltung der Menschenrechte, der Steuerabgabepflicht, des Rauchverbots etc.. – versehen werden.

Zu den bisher erfolgten „Schließungsverfügungen“ gegen Wohnungsbordelle in Berliner Wohn- und Mischgebiete gibt es eine Pressemitteilung des Bundesverbandes sexueller Dienstleistungen (von Margrit Fleischhauer und Stephanie Klee):

Erstaunlich ist, dass bis heute ausschließlich diejenigen Bordelle in ihrer Existenz bedroht werden, welche stets dem Klischee der kriminellen Verquickung und „milieube­dingten“ Begleiterscheinungen konsequent entgegen getreten sind. 

So wurden fast alle betroffenen Etablissements von Frauen aufgebaut und werden auch von ihnen geleitet. 

Die Vielfalt dieser kleinen Bordelle hat verhindert,  dass es in Berlin Verhältnisse gibt wie in Hamburg – St. Pauli oder im Frankfurter Bahnhofsviertel. Nicht umsonst hat das Landes­kriminalamt Berlin ein klares Statement für den Erhalt der Wohnungsbordelle abgegeben! 

Die entspannte, lockere Atmosphäre in Berliner Bordellen spricht für sich und mit Fug und Recht können wir sagen, dass wir einen gewissen Weltruhm erlangt haben. Davon profitieren nicht nur die Prostituierten, sondern auch deren Kunden. 

Wem ist das ein Dorn im Auge? Einigen Aktiengesellschaften, als Betreiber von Großbordellen? Finanzkräftige Kreise, die nicht wissen, wo sie ihre Gelder investieren oder sauber waschen sollen? Oder unterstützen die Bauämter lediglich moralische oder feministische Kreise, die meinen, dass man Prostituierte vor sich selber schützen müsse, indem man ihre Arbeitsmöglichkeiten begrenzt und möglichst schwierig gestaltet? 

Diese Bordelle werden nicht kampflos aufgegeben, denn die spezifisch gewachsene Berliner Struktur kleiner Wohnungs­bordelle ist Ausdruck selbstbestimmter Prostitution und humaner Arbeitsbedingungen. 

Unsere Aktivitäten haben in den letzten Monaten erstaunliche Unterstützung auf allen politischen Ebenen der Bezirke, des Landes Berlin, des Bundestages und der jeweiligen Verwaltung erzielt. 

Die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Charlottenburg-Wilmersdorf (36:14 Stimmen in der Sitzung am 05. 07. 2007) steht hinter uns steht und forderte eine Aussetzung der Schließungen und die Erarbeitung neuer Regelunge am Runden Tisch,

im Bezirksamt von Ch-W engagiert sich die Hälfte der Stadträte (3:3 Stimmen) für ein neues Verhalten des Bauamtes gegenüber Bordellen

und Einstimmigkeit herrscht sogar in der BVV Tempelhof-Schöneberg, die mit den Stimmen aller Fraktionen – auch denen der CDU – eine Berlinweite einheit­liche Regelung unterstützt und Schließungen ausgesetzt hat.

Das Bauamt von Charlottenburg-Wilmersdorf ignoriert jedoch konsequent diese Mehrheitsentscheidungen und setzt sich bewusst über die Köpfe ihrer politischen Kollegen hinweg. Selbst die Ausübung eines Ermessensspielraums lehnen sie ab. Funktioniert so Demokratie? Wie glaubhaft ist diese Politik, wenn die letztendlich doch nur von einigen wenigen gemacht wird? 

Der eingerichtete Runde Tisch stellte letzten Montag seine Arbeit ein, da eine Zusammenarbeit und ein aufeinander Zugehen nicht möglich war. Kapitulieren nun die Verwaltung und die Politik vor dem Bauamt? 

Wir geben nicht auf – aber wir sind auch nicht der Spielball der Behörden. Als weitere Diskussionsgrundlage legen wir nun ein von Frau Leopold erstelltes umfangreiches, soziologisches Gutachten vor. Dies ist das erstes Gutachten, das wir als Berufsverband in Auftrag gegeben haben. Es ist einmalig in der Prostitutionsbranche: noch nie zuvor wurden Bordelle im Rahmen einer ausführlichen teilnehmenden Beobachtung so genau unter die Lupe genommen. Die explorative, multimethodische Feldstudie belegt eindeutig, dass die klischeehaften Vorwürfe der Bauämter und der Gerichte jeglicher Realität widersprechen und nichts als Vorurteile sind. Im Gegenteil: es belegt die Seriosität der Berliner Wohnungsbordelle und deren Integration im Wohnumfeld. 

Beate Leopold ist eine renommierte Sozialwissenschaftlerin, die vielfach im Bereich Prostitution Studien durchführte und zuletzt entscheidend an der Evaluation des Prostitutionsgesetzes für die Bundesregierung beteiligt war. 

Mit dem Gutachten werden auch die jeweiligen Gerichtsverfahren untermauert. Die betroffenen BordellbetreiberInnen scheuen sich auch nicht vor einem Marsch durch sämtliche Gerichtsinstanzen. 

Unterstützen Sie uns weiterhin für den Erhalt der seriösen, diskreten, ruhigen, im Wohnumfeld integrierten Wohnungs­bordelle, für gute Arbeits- und Rahmenbedingungen und einen modernen, wertneutralen, von Recht und Respekt geprägten Umgang mit Prostituierten und BordellbetreiberInnen.

Eine weitere Pressemitteilung, ebenfalls Prostituierte betreffend, kommt aus Frankfurt/Main – von „Dona Carmen“: 

Ausländische Prostitutierte & Gewerbeschein:

Pressekonferenz – Dezember 2007

Warum dümpeln staatsanwaltschaftliche Ermittlungen vor sich hin? – Keine Veranlassung für Nachsicht gegenüber, unserer Ansicht nach, rechtswidrigem Handeln von Polizei und städtischen Behörden bei ausländischen Prostituierten in Frankfurt/Main!

1.

Anlass:

Doña Carmen hat im März 2007 gegen Polizei und Stadt Frankfurt Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat zwar Ermittlungen aufgenommen. Diese dümpeln jedoch vor sich hin. Es ist aus unserer Sicht klar die Tendenz erkennbar, die Sache nicht zu verfolgen, obwohl massive Gründe dafür sprechen. Über diesen Zusammenhang möchten wir sie heute informieren.

2.

Hintergrund:

  • Die bei der Frankfurter Polizei für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zuständige Abteilung K 65 hatte in der zweiten Hälfte des Jahres 2006, verstärkt aber in den beiden ersten Monaten des Jahres 2007 Frauen, die aus anderen EU-Staaten stammen und hier in Frankfurt der Prostitution nachgehen, aufgefordert beim städtischen Gewerbeamt ein Gewerbe anzumelden.

  • Als Druckmittel wurden so genannte „Platzverweise“ eingesetzt (zeitlich befristete Berufsausübungsverbote).

  • Das alles erfolgte im Zusammenspiel mit dem Gewerbeamt, das den Frauen Scheingewerbe-Anmeldungen ausstellte, da Prostitution bis heute nicht als Gewerbe anerkannt ist.

  • Sowohl Polizei wie Gewerbeamt mussten wissen, dass es sich um Phantasiegewerbe handelte (die Polizei kontrollierte später die Unterlagen in den Bordellen, das Gewerbeamt war zuvor schon Objekt von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in einer gleich gelagerten Angelegenheit (dazu später).

  • Doña Carmen lagen allein 30 – 40 solcher Scheingewerbe-Anmeldungen der Frauen vor, die wir seinerzeit der Presse vorgelegt hatten.

  • Die Stadt Frankfurt spricht im Magistratsbericht B467 vom 29.6.07 von allein rund 150 Gewerbeanmeldungen im fraglichen Sektor „Hostessen, Tänzerin etc.“ im ersten Vierteljahr 2007.

3.

Folgen der seinerzeitigen Aufklärung durch Dona Carmen:

  • die damaligen Informationen von Doña Carmen hatten sich allesamt als zutreffend erwiesen. Niemand konnte unseren Vorwurf widerlegen, dass der Polizeipraxis gegenüber den Prostituierten und der Praxis des Gewerbeamtes eine rechtliche Grundlage fehlte.

  • So erklärte Hanns-Joachim Kühn, stellvertretender Leiter des Kassen- und Steueramts in Frankfurt: „Das hätte so nicht stattfinden dürfen.“ (Neues Deutschland, 30 März 2007)

  • Nach den Informationen von Doña Carmen sah man sich gezwungen, die Schikanen gegen die Prostitutionsmigrantinnen einzustellen: „Die Polizei wird Prostituierte im Stadtgebiet nicht mehr nach einem Gewerbeschein fragen. Darauf habe sich die Stadt mit dem hessischen Innenministerium und dem Wirtschaftsministerium geeinigt, sagte Ordnungsdezernent Boris Rhein (CDU). (FR, 25.04.07)

4.

Wir stellen fest: Herunterspielen und Abwiegelei im Zusammenhang mit der Angelegenheit:

  • Jede Behörde stellte sich selbst einen Persilschein aus. Die Polizei sprach von einer Unsicherheit, für die allerdings nicht sie, sondern das Gewerbeamt zuständig sei. „Wir arbeiten korrekt“, behauptete seinerzeit der Pressesprecher der Polizei. (WELT Kompakt, 1.3.2007) Das Gegenteil war der Fall, sonst hätte sie ihre Praxis ja nicht einstellen müssen.

  • Und Gewerbeamts-Mitarbeiterin Doris Bürk erklärte gar: „Wir müssen das anmelden, auch wenn wir wissen, dass das gar nicht stimmt.“ (Welt kompakt, 1.3.2007).

  • Der Magistrat stellte sich schützend vor die seinerzeit Kritisierten: Auf eine Anfrage der LINKEN / WASG-Fraktion im Frankfurter Römer antwortete man am 29.06.2007 im „Bericht des Magistrats B467“: „Zunächst ist festzustellen, dass es dem Magistrat nicht zusteht, Maßnahmen der Polizei zu kommentieren.“ (Diese Feststellung steht in krassem Gegensatz zu den ständigen lobenden Worten der Stadt Frankfurt gegenüber der Polizei aus den verschiedensten Anlässen (Fußball-WM, Nazi-Aufmärsche). Offensichtlich stand der Magistrat in vollem Einverständnis mit der damaligen Polizei-Praxis gegenüber Prostituierten.)

  • Entschuldigend hieß es in der Magistratsvorlage: „Bei Entgegennahme der Gewerbeanmeldung kann nicht überprüft werden, ob das angezeigte Gewerbe tatsächlich ausgeübt wird bzw. tatsächlich ausgeübt werden soll.“ Tatsache ist aber, dass die Frauen anschließend von der Polizei in den Bordellen kontrolliert wurden und es den Beteiligten klar war, dass es Scheingewerbeanmeldungen waren (was man im Gewerbeamt auch einräumte). Im Übrigen musste das Gewerbeamt aufgrund zuvor erfolgter staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen (über die der Magistratsbericht schweigt) schon bekannt gewesen sein, dass Scheingewerbeanmeldungen gerade im Bereich der Prostitution getätigt werden. Es bestand also kein Grund, öffentliche Arglosigkeit zur Schau zu stellen.

Fazit:

  1. Sämtliche öffentliche Einlassungen zur Sache waren von der Haltung geprägt, das Handeln der Polizei und der in die Kritik geratenen Behörden gegenüber den Prostituierten in Schutz zu nehmen, obwohl es sich hier anscheinend um rechtswidriges Handeln geht, für das sich jeder andere Bürger gerichtlich zu verantworten hätte.

  1. Man enthält sich der notwendigen Kritik an der Polizei, zumal ja auch die eigenen Behörden am rechtswidrigen Treiben gegenüber den Prostituierten beteiligt waren. Damit aber wird, nach unserer Meinung, Rechtsbruch offiziell toleriert und gedeckt.

  1. Hier wird, unserer Ansicht nach, ganz eindeutig mit zweierlei Maß gemessen: Man fühlt sich hierbei offenbar nicht an Recht und Gesetz gebunden, sondern dem Ansehen der kritisierten Behörden und Institutionen verpflichtet.

Diese Haltung scheint sich jetzt auch in den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen fortzusetzen.

5.

Strafanzeige von Doña Carmen / Stand der Dinge

Da es die Verantwortlichen mit der Aufklärung offenbar nicht eilig hatten, hatte Doña Carmen sich zu einer Strafanzeige bei der hiesigen Staatsanwaltschaft entschlossen.

In der im März 2007 gestellten Anzeige heißt es u. a.: „Wollen die Frauen der Prostitution nachgehen, werden sie gezwungen, dem Gewerbeamt gegenüber unrichtige Angaben zu machen. Diese unrichtigen Angaben sind nach § 146 Abs. 2 Ziffer 1 GewO eine Ordnungswidrigkeit. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu EUR 1.000,00 geahndet werden. Es liegt auf der Hand, dass es staatlichen Behörden nicht gestattet sein kann, Menschen zu nötigen, Ordnungswidrigkeiten zu begehen. Da hier ganz offenkundig ein Zusammenspiel zwischen verschiedenen Behörden erfolgt, dieses Zusammensiel jedenfalls eine Rechtsgrundlage nicht hat, machen alle diese Behörden, die an diesem Zusammenspiel teilnehmen, sich zumindest einer Straftat nach § 240 StGB schuldig.“

Wir sind mittlerweile allerdings der Ansicht, dass die mit den Ermittlungen betraute Staatsanwältin Eckert aus Hemmung, sich mit den kritisierten Behörden und Staatsorganen anzulegen, nach Wegen sucht, das Ermittlungsverfahren einzustellen und keine Anklage zu erheben.

Auf Nachfragen von Doña Carmen erklärte die Staatsanwältin zunächst, die Ermittlungen seien bereits eingestellt. Dann wieder waren sie es nicht. Gegenwärtig sucht die Staatsanwältin nach eigenem Bekunden nach Urteilen, die eine solche Einstellung ermöglichen.

Wir halten es für zweierlei Maß und damit ein Unding, wenn in Frankfurt Bürger wegen Scheingewerbe-Anmeldungen von Prostituierten strafrechtlich belangt werden, gleichzeitig derselbe Rechtsbruch – wenn er im Zusammenspiel von Polizei und städtischen Behörden begangen wird – mit größter Nachsicht behandelt wird und die Verantwortlichen offenbar straffrei ausgehen sollen.

6.

Strafverfahren Az 3420 Js 229301/04

Wir möchten in diesem Zusammenhang auf das Strafverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft mit dem Aktenzeichen Az 3420 Js 229301/04 verweisen.

  • Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens aus dem Jahre 2004 war die Anwerbung osteuropäischer Frauen für die anschließende gewerbliche Prostitutionsausübung in Frankfurt und anderen Städten des Bundesgebiets. In diesem Verfahren wurde zwei Beschuldigten vorgeworfen, nach der EU-Osterweiterung am 1. 5. 2004 Frauen aus den neuen EU-Staaten u. a. mit Scheingewerbe-Anmeldungen behilflich gewesen zu sein, hier der selbständigen Prostitutionstätigkeit nachzugehen.

  • Die Anklage lautete u. a. auf „mittelbare Falschbeurkundung“ und „Beschaffung von Aufenthaltsgenehmigungen mit unrichtigen Angaben“. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, 26 Ausländer (darunter 21 osteuropäische Frauen und 2 Transsexuelle) in dieser Form unrechtmäßig begünstigt zu haben. Auch in diesem Falle wurden für Prostituierte wissentlich falsche Gewerbeanmeldungen getätigt: als „Hostessenservice“, „Tänzerin“, „selbständiges Fotomodell“, „Messe- und Hostessenservice“ sowie „Promotion“ und „Hauswirtschafts- und Partyservice“. Mit den gleichen Gewerbebezeichnungen hat das Frankfurter Gewerbeamt von sich aus jene Prostituierte bedacht, die aufgrund der mit Platzverweisen unterstrichenen Aufforderungen des K 65 wenige Monate später bei ihnen gemeldet hatten.

  • So heißt es in der Anklageschrift der Frankfurter Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte meldete „ein Scheingewerbe wie ‚Hostess’ oder ‚Tänzerin’ für die jeweiligen Personen beim Gewerbeamt Frankfurt am Main an, obwohl ihm bekannt war, dass die Betroffenen in Deutschland der gewerblichen Prostitution nachgingen oder nachgehen wollten. Durch ihr Vorgehen schufen die Angeschuldigten erst die Voraussetzungen für die Erteilung einer fünfjährigen EU-Aufenthaltsgenehmigung, die in den überwiegenden Fällen zur Erteilung führten…“ (17.05.2006)

  • Gegen die Beschuldigten wurde Anklage erhoben. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft beantragte die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens. Das Ergebnis waren Verurteilungen in allen Punkten auf Amtsgerichtsebene. Das Ergebnis auf Landgerichtsebene war die Verurteilung in drei Fälle sowie die vorläufige Einstellung in den weiteren Anklagepunkten.

  • Auch gegen die Frauen wurde wegen mittelbarer Falschbeurkundung und Verstoß gegen das Ausländergesetz ermittelt! Die Verfahren sind teilweise wegen geringer Schuld eingestellt.

7.

Fragen

Der Eifer, mit dem die Staatsanwaltschaft hier vorging, ist bei den gleich gelagerten Ermittlungen gegen die Frankfurter Polizei (K 65) gegenwärtig nicht erkennbar.

Die inkriminierten Straftaten der angeklagten Privatpersonen erfolgten von Mai bis September 2004, die Ermittlungen der Kriminalpolizei erfolgten unmittelbar darauf. Im Mai 2006 kam es zur Anklageerhebung.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2006 kam es aufgrund der repressiven Aktivitäten des K 65 ebenfalls zu Scheingewerbe-Anmeldungen, ohne dass dies Anlass zu Ermittlungen gegeben hätte.

Damit stellen sich für Doña Carmen (und unserer Meinung nach auch für die Öffentlichkeit) folgende Fragen:

1.

Wie ist es möglich, dass das Frankfurter Gewerbeamt über zwei Jahre hinweg (2005 / 2006) von Ermittlung der Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen Scheingewerbe-Anmeldungen zwecks selbständiger Prostitutionstätigkeit betroffen war bzw. davon zumindest Kenntnis gehabt haben musste, das Amt aber die nach § 271 StGB strafrechtlich relevanten Verstöße bzw. verstöße gegen das Ausländerrecht aber offenbar dann mitträgt, wenn sie wenige Monate später vom K 65 der Frankfurter Polizei selbst initiiert werden?

2.

Wie ist es möglich, dass die Abteilung K 62 der Frankfurter Polizei (unter Kriminaloberkommissar Born) gegen Scheingewerbe-Anmeldungen von Prostituierten vorgeht (wenn sie von Privatpersonen vorgenommen werden), während nahezu zeitgleich die Abteilung K 65 der Frankfurter Polizei (unter Herrn Meyer) in Zusammenarbeit mit dem städtischen Gewerbeamt durch Aufforderung zur Scheingewerbe-Anmeldung genau dasselbe initiiert, was die Abteilung K 62 der hiesigen Polizei für eine strafrechtliche relevante Verfehlung hält?

3.

Wie ist es möglich, dass die Staatsanwälte Frau Gottwald und Herr Koch im Zusammenhang mit Scheingewerbe-Anmeldungen Anklage wegen Verstoßes gegen § 271 StGB („mittelbare Falschbeurkundung“) und § 92, 2 AuslG (Beschaffung von Aufenthaltsgenehmigung durch falsche Angaben) gegen Privatpersonen erheben, während Staatsanwältin Eckert von der gleichen Frankfurter Staatsanwaltschaft derartige Verfehlungen im Falle des Agierens der Frankfurter Polizei ( K 65) unter Herrn Meyer, wo es ebenfalls zu Scheingewerbe-Anmeldungen kam, nicht zu erkennen vermag?

Doña Carmen ist der Auffassung, dass die hier angesprochenen Institutionen der Öffentlichkeit Aufklärung schulden.

Der Eindruck ist, dass im Hinblick auf die Frage „Scheingewerbe-Anmeldungen für ausländische Prostituierte“ mit doppeltem Maß gemessen wird: strafrechtliche Relevanz dann, wenn Privatpersonen Initiatoren sind, aber strafrechtlich anscheinend unbedeutend, wenn selbiges Handeln von öffentlichen Institutionen ausgeht.

8.

Was ist mit den betroffenen Frauen?

Als Interessensvertretung von Prostituierten sieht sich Doña Carmen in besonderem Maße verpflichtet darauf zu achten, dass rechtswidriges Verhalten der Polizei gegenüber Prostituierten nicht toleriert wird, vor allem wenn die Polizei umgekehrt auch nur den leisesten Hauch eines rechtswidrigen Verhaltens von Prostituierten mit Bußgeldern, Strafbefehlen, Ausweisung oder Abschiebung ahndet.

  • In unserer Strafanzeige und unseren öffentlichen Äußerungen in der Sache sind wir bisher davon ausgegangen, dass die ausländischen Frauen, die den Aufforderungen des Ordnungsamtes und der Polizei zur Gewerbeanmeldung Folge geleistet haben, wegen Falschangaben hinsichtlich der Art des ausgeübten Gewerbes nach § 146 Abs. 2 Ziffer 1 GewO mit Bußgeld in Höhe von 500 € bis 1000 € bedacht werden können und zudem erpressbar gemacht wurden.

  • Tatsächlich stellt sich die Sache für die betroffenen Frauen noch schlimmer dar, als wir ursprünglich annahmen. Denn wie aus dem oben genannten Verfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft hervorgeht, gelten diejenigen, die für die Frauen Scheingewerbe-Anmeldungen vornahmen als „Hauptbeschuldigte“, die betroffenen Frauen aber gleichzeitig als „mitbeschuldigt“. Auch ihnen wird wegen der Scheingewerbe-Anmeldung eine Straftat nach § 271 StGB („mittelbare Falschbeurkundung“) sowie Verstoß gegen das Ausländergesetz nach § 92,2 zur Last gelegt. Damit droht ihnen, sollte man ihrer habhaft werden, möglicherweise Abschiebung mit Wiedereinreiseverbot.

9. Forderungen von Doña Carmen

Die Ermittlungen gegenüber Verantwortlichen der fragwürdigen Scheingewerbe-Anmeldungen bei Polizei und städtischen Behörden in Frankfurt/Main dauern nun schon über 9 Monate. Da es sich bei Polizei und städtischen Behörden nicht um abgeschottete kriminelle Milieus handeln dürfte, stellt sich die Frage, warum die Ermittlungen immer noch andauern und offenbar nicht vom Fleck kommen. Doña Carmen fordert zügige Ermittlungen. Wir fordern:

  • Initiatoren der rechtswidrigen Praktiken gegenüber ausländischen Prostituierten bei Polizei und Gewerbeamt der Stadt Frankfurt müssen straf- und dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden!

  • Keine Verschleppung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen! Zulassung der Anklage gegen die Verantwortlichen ohne Ansehen der Person!

Die betroffenen Frauen aus der Prostitution sind Opfer von rechtswidrigen Polizeiaktionen. Zum Opferschutz gehört, dass man die Täter für ihre rechtswidrige Aktivitäten entsprechend der für alle geltenden Strafbestimmungen zur Verantwortung zieht.

Darüber hinaus fordert Doña Carmen von den Verantwortlichen der Stadt Frankfurt Aufklärung:

Sind den betroffenen Frauen aufgrund der Nötigung zu Scheingewerbe-Anmeldungen bisher irgendwelche straf- oder ausländerrechtliche Nachteile entstanden? Um dafür Sorge zu tragen, dass dies nicht geschieht, fordern wir:

  • Annullierung der von der Stadt ausgestellten Scheingewerbe-Anmeldungen ohne Nachteile für die betroffenen Frauen!

  • Löschung der entsprechenden Daten beim Finanzamt und der Ausländerbehörde; keine Zwangsmitgliedschaft der Frauen bei der IHK.

Ganz grundsätzlich tritt Doña Carmen dafür ein:

  • Green-Card für ausländische Prostituierte! Information für die Frauen statt Repression!

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/12/13/der-staat-laeuft-amok/

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kommentare

  • […] Das habe ich hier im Forum auch schon reichlich gemacht. So hatte ich mal exakt die Fehler von Don Kohlione aufgezeigt, als er nur seiner Wiederwahl willen die Interessen ganz Deutschlands regelrecht geopfert hatte. Ich hatte seinerzeit exakt vorgerechnet, dass Währungsumstellung plus Treuhandanstalt plus Gruppenegoismen der westdeutschen Industrie derart viel Geld gekostet hat, dass Deutschland nun wirklich kurz vor dem Staatsbankrott steht, weil man dank Währungsunion und Euro keinerlei Zugriff mehr auf Zinshöhe und Währungsrelation mehr hat. Soll heißen: Man kann kein Geld mehr drucken (ungedeckte Kreditaufnahme) und kann auch keine Sozialversicherungen mehr artfremd belasten. Diese Hinterlassenschaft von Kohl sollte mit Gefängnis nicht unter 5 fach lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung wegen der Gefahr der Wiederholungstat bestraft werden. Statt dessen läuft der Mann frei rum und hält wieder Wahlreden. Ein Grund, warum ich hier in den Emiraten erst gar keinen Wahlschein beantragt habe, denn mein mathematischer Verstand sagt mir, dass man nunmehr nur eine große Partei wählen kann, damit nicht schon wieder eine Koalitionsregierung zustande kommt. Kompromisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner seit mehr als 25 Jahren haben Deutschland genau dahin geführt, wo Deutschland heute steht. Da aber die SPD nur in Zeiten gewählt werden darf, wo man soziale Experimente auch bezahlen kann, die CDU für mich aber solange nicht wählbar ist, wie es dort ein Mitglied Kohl gibt, wird halt eben nicht gewählt. Nur lebe ich ja auch nicht in Deutschland und kann gut rumposten. Würde ich in Deutschland leben, hätte ich tatsächlich eine eigene Partei versucht zu gründen. MPD Mittelstandspartei Deutschlands. Damit mal wieder etwas Sachverstand in die Politik kommt. Aber nach spätestens fünf Jahren wäre eine solche Partei auch korrumpiert. Ist halt eben imanent in Deutschland. G.-J. […]

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