Die „Langen Nächte“ der Museen, Gärten, Unis etc. sind für die betroffenen Hausmeister wahre Kampftage – schon im Vorfeld, und auch noch danach.
Die nächtlichen Besucher verirren sich in den Gängen, wo sie gar nicht hindürfen, verunreinigen die Toiletten, fassen alles an, verdrecken die Böden, stecken alles ein was nicht niet- und nagelfest ist, stellen doofe Fragen, halten einen von der Arbeit ab, vergessen anschließend Schirm und Hirn und sind überhaupt eine wahre Landplage – für die Hausmeister.
Deswegen besuchen diese sich gerne vorab, um sich auszutauschen oder mindestens hämische Bemerkungen zu machen: „Na, erwartet ihr in diesem Jahr in euerm Haus auch wieder einen ‚wahren Besucherrekord‘?“
Andere Hausmeister schauen sich gründlich bei der „Langen Nacht“-Konkurrenz um. Statt sich mit ihren Kollegen dort auszutauschen betreiben sie eine Art Industriespionage: Wie sind die Beschilderungen, die Fluchtwege, die Schließzeiten – und überhaupt die “
Stimmung“. Ich entschied mich heuer für eine Begehung des Technologieparks Adlershof in Berlin-Treptow-Köpenick, wo die Hausmeister in der „Langen Nacht der Wissenschaft“ auch noch um ihre Rabatten und sonstigen Grünanlagen bis hin zu Feuchtbiotopen fürchten müssen.
„Steige hoch, du roter Adler“
Die Lehre und Forschung wird immer praxisorientierter, d.h. verwertungsnäher, dazu tragen die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge bei sowie der wachsende Anteil an Drittmitteln für die Forschung, was eine „größere Nähe“ zu Privatunternehmen mit sich bringt. Im Gegensatz zu den Amerikanern forcieren die Deutschen dies mit immer neuen staatlichen „Immobilienlösungen“, die sie Innovations- oder Technologieparks nennen. Oft geht das schief, weil nicht genug „Bedarf“ da ist oder der „Mix“ nicht stimmt. Aber „Adlershof ist ein Beispiel funktionierenden Zusammenwirkens“, meint jedenfalls der TV-Wissenschaftsredakteur Jean Pütz – in der Monatszeitschrift „Adlershof special“. Bestätigt wird dies vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das dem „Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof“ gerade bescheinigte, „signifikant zur regionalen Wirtschaftsenwicklung in Berlin beizutragen“. In diesem seit kurzem an die Autobahn angebundenen 4,2 Quadratkilometer großen Stadtteil befanden sich zu DDR-Zeiten das Wachregiment „Féliks Dzierzynski“, etliche Institute der Akademie der Wissenschaften, der Erprobungsflugplatz Johannisthal und das Fernsehen der DDR. Die Wende überlebte nur der Jugendclub „Come In“ im Kulturhaus des Wachregiments, das inzwischen, wie etliche andere Gebäude auch, abgerissen wurde. Dafür hat die Wista (die landeseigene Wissenschaftsstandort-Management-GmbH) viele neue gebaut und andere umgebaut. Diese beherbergen jetzt insgesamt 793 Unternehmen, 12 außeruniversitäre Forschungsinstituten und 6 naturwissenschaftliche Institute der Humboldt-Universität. Hinzu kommen verschiedene Ämter des Bezirks Treptow-Köpenick und eine neue Bezirkssporthalle. Im Bau ist ein Studentenwohnheim für gehobene Ansprüche, ein weiterer Mehrzweckbau für Existenzgründer sowie eine neue Straßenbahnlinie. Aus dem Flugplatz wurde inzwischen ein Landschaftspark mit einem angrenzenden Eigenheimgebiet, das sich jedoch noch im Ausbau befindet.
Vor 1945 befanden sich in Adlershof ein Windkanal, ein Testlabor für Antriebsaggregate und zwei Werkstätten, die u.a. von den Raketenbauern in Peenemünde genutzt wurden. Zu DDR-Zeiten siedelte man deswegen hier u.a. das Institut für Kosmosforschung an, das nach der Wende als eines von elf Instituten der Akademie „positiv evaluiert“ wurde, dann im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt aufging und nun Orbitforscher aus Ost und West vereint, die sich neuerdings auch noch schwerpunktmäßig mit „Energie und Verkehr“ befassen. Unter anderem bauten sie bisher die Kamera für den „Mars-Expreß“, beschäftigen sich mit „Asteroiden-Prävention“ und bereiten sich demnächst auf eine Mond-Mission vor, denn „der Mond ist schlechter als der Mars erfaßt“. Aus den Gebäuden des DDR-Fernsehens machte man Ateliers für kleine und mittlere Medienfirmen sowie Aufnahmestudios für private und öffentlich-rechtliche Sender. Quasi auf der grünen Wiese wurde 1998 ein Speicherring zur Elektronenbeschleunigung von der Bessy GmbH errichtet. Das runde Großlabor ist zusammen mit einem Laserstrahl, der nachts sichtbar das Gelände bis über den S-Bahnhof überspannt, eine Art Wahrzeichen des Adlerhofer „Parks“, in dem bis jetzt 7000 Menschen beschäftigt sind. Das Eingangsportal zur altneuen Wissenschaftsstadt sollte eigentlich Albert Speer Jr.,der Sohn des für Peenemünde verantwortlichen Naziministers, gestalten, nun hat man sich jedoch für den Entwurf zweier Studenten entschieden, der im Zentrum auf dem neuen „Campus“ realisiert wird, wo auch die zwei Werkstätten der „Luft- und Raumfahrtpioniere“ stehen, die zu einem studentischen Café und einem Ausstellungsraum umfunktioniert werden. 6600 Studierende mußten – anfänglich unter Protesten – von Mitte nach Adlershof umziehen. Inzwischen haben sie sich an die um vieles grünere Stadtrandlage gewöhnt. Und die modernen Institutsräume sowie die neue Bibliothek haben sie versöhnt. Zudem bietet ihnen hier die direkte Nachbarschaft zu so vielen Firmen, die wiederum die Instituts-Ausrüstungen und -Netzwerke nutzen, mehr Möglichkeiten für ein Praktikum.
Am 14. Juni werden in Adlershof anläßlich der „klügsten Nacht des Jahres“ alle Einrichtungen ihre Türen auch bloß Neugierigen öffnen. Die die PR-Abteilung der Wista-Management-GmbH schreibt in ihrer Vorankündigung:
Es gibt es viel zu entdecken. „Pützmunter“ sollten die Besucher der „Langen Nacht“ gerade in diesem Jahr wieder sein. Der Wissenschaftsjournalist Jean Pütz, langjähriger Moderator der „Hobbythek“, der Fernsehsendung für Tüftler und Wissbegierige und Autor von mehr als 80 Büchern, präsentiert verblüffende Experimente in seiner „Pützmunter Show“, mit der er beweisen will, dass Wissenschaft weder langweilig noch trocken ist. Auch die Bühne auf der Terrasse des Gebäudes der WISTA-MANAGEMENT GMBH wird wieder ein Besuchermagnet. Mit der „Science Comedy Show“ z. B. will Andreas Korn-Müller mit eindrucksvollen Experimenten Wissenschaft erklären…
Die Hausmeister – in fast allen Wissenschaftseinrichtungen sind da weniger optimistisch oder gar begeistert. In einer Online-Studie wurde gerade ihre innere Einstellung ausgelotet, es ging dabei darum, den Grad ihres ganz persönlichen „Wettbewerbsdrucks“ zu ermitteln: Die meisten klagten über Arbeitshetze, Mobbing, fehlende Aufstiegschancen, Resignation. Der Spiegel schreibt: „70% wollen sich eine neue Stelle suchen. Die Stimmung in deutschen Unternehmen ist miserabel. Das geht aus einer aktuellen Online-Studie hervor. Knallharter Konkurrenzkampf mit den Kollegen, massiver Druck von den Vorgesetzten, kaum eine Chance aufzusteigen – viele haben nur noch einen Wunsch: Holt mich hier raus!“
Andererseits liegen die Vorteile des Jobs natürlich auch klar auf der Hand: ein regelmäßiges Einkommen, man kann die Schulden abbezahlen, man muß morgens nicht groß depressiv rumgrübeln, sondern sich beeilen, um pünktlich zu sein, man lernt interessante Leute kennen, auch wenn sie einem stets bescheuerte, d.h. aufwendig zu befolgende Befehle geben, die nicht selten über das sowieso schon überdehnte „Dienstleistungsangebot“ hinausgehen. Man hat dafür Urlaub, man kann sich krankschreiben lassen und verdient trotzdem was, man kann auch wirklich mal krank werden, oder bloß schlechte Laune haben (schon allein, weil mal wieder ein Freundlichkeitstraining im Schulungszentrum am Wannsee ansteht). Der Job ist abwechslungsreich – mal drinnen mal draußen und man kann sich zwischendurch immer mal wieder in die Werkstatt verdrücken, um eine zu rauchen. Viele Arbeitsplätze von Hausmeister sind inzwischen die einzigen Raucherzonen im Gebäude, das hat bereits zu einem wahren Beliebtheitsschub geführt: Andauernd kommen Kollegen vorbei und erkundigen sich nach dem werten Befinden, den Kindern, der Datsche und wie die Ernte in diesem Jahr wird – nur um auf die Schnelle eine zu rauchen: „Ich brauch das jetzt!“
Ja, dass der Trend, statt auf interne Hausmeister auf externe Dienstleistungsunternehmen zu vertrauen bei der „Hausversorgung“ sich mittlerweile wieder abgeschwächt wenn nicht gar umgedreht hat, und die verwaisten Hausmeisterbüros bzw. -werkstätten wieder besetzt werden – wird ebenfalls im Wesentlichen auf das allgemeine Rauchverbot zurückgeführt. Nicht wenige Hausmeister haben dieses Zeichen der Zeit bereits erkannt, sie verkaufen neuerdings nebenbei noch Tabakwaren, günstig – weil unverzollt, in einigen Berliner Hausmeisterunterkünften hängen inzwischen aber auch schon Zigarettenautomaten. Und gleich daneben steht jetzt oft einer dieser großen Alu-Aschenbecher aus DDR-Einrichtungen.
Die Arbeitsplätze der Hausmeister sind eine Art „Überdruck-Ausgleich“ – in bezug auf das Überangebot an Arbeitskräften. „Wo Arbeitslosigkeit herrscht – braucht man keine Stasi,“ meinte bereits der DDR-Ent-Dramatiker Heiner Müller. Die oben erwähnte Online-Studie bestätigt dies nun noch einmal, dazu heißt es im Spiegel:
Etwa die Hälfte der Befragten sehe – gemessen an den verfügbaren Stellen – „ein deutliches Überangebot an Arbeitskräften“.
Für die Chefs ist das eine angenehme Situation. Sie können die Mitarbeiter bequem gegeneinander ausspielen. Knapp 30 Prozent der Befragten stimmen denn auch dieser Aussage zu: „Die Unternehmensleitung forciert ganz bewusst den Wettbewerb ihrer Mitarbeiter um attraktive Positionen.“
Dabei sind es aber nicht nur die Chefs, die den Beschäftigten Druck machen. Auch die Kollegen untereinander schenken sich nichts. Jeder vierte Befragte stellt fest, dass der unternehmensinterne Wettbewerb von einem übertriebenen Konkurrenzverhalten der Kollegen angeheizt werde. Beides bedingt sich übrigens: In jenen Unternehmen, in denen ein hoher Arbeitgeberdruck herrscht, verschärft sich auch das Konkurrenzverhalten der Kollegen.
Die Stunde der Hausmeister (6)
von Thomas Rothschild (im „Freitag“)
Michael Scharang hat in einem Beitrag über Marcel Reich-Ranicki einmal das Wort „Blockwart“ verwendet. Diplomatischer wäre es gewesen, wenn Scharang ein anderes Wort gewählt hätte, etwa „Hausmeister“. Der wurde ja unter Metternich mit einer ähnlichen Funktion betraut wie der Blockwart unter den Nationalsozialisten. Es kann als missverständlich erscheinen, wenn jemand ausgerechnet ein Opfer der Nazis mit einem Begriff charakterisiert, der die Kollaboration mit dem Nationalsozialismus einschließt.