vonHelmut Höge 14.07.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Für jeden Hausmeister und sogar Aushilfshausmeister ein Muß:
Die alljährliche große Gartenschau mit soundsoviel Händlern und Highlights – auf Schloß Ippenburg bei Bad Essen am Teutoburger Wald. Hier hat die Schloßherrin Viktoria
Freifrau von dem Bussche mit Hilfe von 30 Rußlanddeutschen aus dem
weiträumigen Schloßpark eine Ansammlung üppiger Gärten geschaffen. Ihr
Mann züchtet Schweine und baut Getreide an. Wie jedes Jahr gibt es rund
ums Schloß neben 200 Gartenbedarfs-Ausstellern auch eine
Garten-Sonderausstellung. Die diesjährige stand unter dem Motto „Der
Schrebergarten“. 70.000 Besucher schauten sich das heuer alles an.

Wiewohl die gärtnerische Elite nach wie vor in England und Holland zu
finden ist, versuchen doch die Deutschen – voran die Freifrau –
aufzuholen. Allgemein ist das Interesse an Gärten enorm gestiegen. Sie
sind die effektivste Form der Bodenbewirtschaftung – im Gegensatz zur
industrialisierten Großlandwirtschaft, die die profitabelste ist. Ein
Garten ist für Zeiten der physischen Not ebenso wie für psychisches
Leiden, und sei es bloß eine samstägliche Sinnkrise, bestens geeignet.
Auf alle Deregulierungsmaßnahmen folgte noch immer ein wahrer
Gartenboom.

Plötzlich veröffentlichen die Zeitungen wie blöd immer mehr
Gartenseiten und ständig erscheinen neue Gartenmagazine. In einem heißt
es z.B.: „Die Kombination aus Stadtleben und ländlichem Flair wird immer
gefragter.“ Radio Bremen sendet allwöchentlich plattdeutsche „Gespräche
über den Gartenzaun“, während der SFB nach dem Vorbild BBC eine eher
hochdeutsche Gartensendung ins Programm genommen hat. An der
Humboldt-Universität gibt es einen Lehrstuhl für „Stadtgärten“. Die
Lehrer lassen sich immer neue Schikanen bei ihren „Schulgärten“
einfallen. Die Berliner Zeitung hat eine Schrebergärtner-Kolumne
eingerichtet. Wladimir Kaminer veröffentlichte ein Buch über sein erstes
Jahr als Schrebergärtner in Pankow. In einigen Stadtteilen gibt es
bereits die ersten besetzten Gärten, neulich wurde einer allerdings geräumt. Die organisierten Baumschützer
gehören inzwischen zu den aktivsten Bürgerinitiativlern der Stadt. Und
bei einigen Hardcore-Grünen liegen Geheimpläne bereit – zur floralen
Umvolkung aller Golfplätze im Speckgürtel. Der Ökologe Josef H.
Reichholf hat in sein Buch über die „Stadtnatur“ ein Extrakapitel über
Gartenteiche und -sümpfe mit hineingenommen, am Ende meint er jedoch
resigniert: Die Literatur darüber sei inzwischen „schier unübversehbar“.

Noch ist sie allerdings weit davon entfernt, mehr als nur
Ratgeberliteratur zu sein. Das ist in Tschechien ganz anders: 1. haben
die Tschechen in der Vergangenheit nicht wie die Deutschen ständig ihre
Nachbarländer überfallen, um sie mit ihrer Gartenbaukunst zu beglücken,
sondern sie haben sich selbst damit beglückt. 2. gibt es dort ganze
Regionen – die „Böhmischer Garten“ und „Böhmisches Paradies“ heißen. Und
gerade ihre größten Schriftsteller haben sich stets auch an
Gartenliteratur versucht.

So schrieb z.B. der Antifaschist Karel Capek
1929 ein Buch mit dem Titel „Das Jahr des Gärtners“. Der Philosoph
Theodor Lessing veröffentlichte im tschechischen Exil – bis die Nazis
ihn dort ermordeten, Feuilletons über Blumen. Der im KZ Dachau
inhaftierte Maler Karel Kasak führte Tagebuch über seine Arbeit in der
dortigen Gärtnerei. Und ein anderer, Ludvik Vaculik, meinte –
rückblickend über die Zeit nach dem sowjetischen Einmarsch 1968: „Der
Garten, das war das Einzige, was mich vor dem Verrücktwerden bewahrt
hat.“

Ähnlich äußerten sich auch Bohumil Hrabal, Vaclav Havel und Pavel
Kohut, nachdem sie sich 1968 zunächst in ihre Gärten zurückgezogen
hatten – und erst einmal verstummt waren. Kohut ließ sich damals sogar
von einem Gärtner anlernen. Während Bohumil Hrabal einige Jahre lang
ausgerechnet am 1. Mai, da sich in Nymburk der Festzug zum Tag der
Arbeit dem Marktplatz näherte, die Güllegruben dort leerte, so daß
anschließend die ganze Gegend stank. Der Inhalt der Gruben war für
seinen Garten bestimmt, der Geruch auf dem Marktplatz sollte die
Demonstrationsteilnehmer an einige wesentliche Dinge der Lebens
erinnern.

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