Auf der Genossenschaftswissenschaftlichen Tagung in Köln sprach ein Referent über das nach der Wende in der Region Berlin-Potsdam entstandene wirtschaftlich-wissenschaftlich-technische „Cluster“. In bezug auf selbstorganisierte „Genossenschaften“ meinte er, es gäbe derzeit zwar eine „Renaissance der Kooperation“ (mit „strategischen Allianzen vor allem in der Hightech-Branche“), diese ginge jedoch mit einem „Bedeutungsverlust der Genossenschaften“ einher – angesichts „von Netzwerken und deren Prominenz in Praxis und Wissenschaft“. Über eine solche „Cluster“-Bildung war er dann voll des Lobes.
Ganz anders die zwei Autoren des soeben im Verlag „Assoziation A“ erschienenen Bandes „Cluster – Die neue Etappe des Kapitalismus“: Für Detlef Hartmann und Gerald Geppert ist die Cluster-Bildung, die sie u.a. am Beispiel der Region um Wolfsburg – „als der aktuell wohl weitestgehendste Fall von Privatisierung“ – erforschten, rundum von Übel. Zu den Vordenkern dort gehört der inzwischen vorbestrafte Wirtschaftskriminelle Peter Hartz. „Unser bester Mann!“ so VW-Chef Piech über seinen einstigen Personalchef. Hartz veröffentlichte 2001 sein Cluster-bahnbrechendes Buch „Job Revolution“, nach der dann in der Region „Wolfsburg-Salzgitter“ in allen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sozialen Bereichen die Ware Arbeitskraft neu definiert und mobilisiert wurde. Alle Anstrengungen von oben gehen dort nun dahin, „die Selbstzurückhaltung des arbeitenden Individuums“ aufzubrechen und „seine Lebendigkeit effizient in den Verwertungsprozeß“ einzubinden, um „erneut die Dichotomie zwischen Arbeit und Leben zu überwinden und die eigensinnigen Nischen unproduktiven und ineffektiven Lebens zu besetzen“.
Dass Peter Hartz einige VW-Betriebsräte dazu brachte, bei dieser schändlichen Tat gewissermaßen Schmiere zu stehen, ist nicht das eigentlich Kriminelle, sondern dass er sie dafür mit Viagra und Puffbesuchen abspeiste. Im Kern ging es bei dieser postfaschistischen Cluster-Bildung in Wolfsburg um „eine Übertragung der Methoden der Betriebsführung auf die Region“. Die Hierarchien blieben unangetast, im Gegenteil verschafften die sogenannten Hartz I-IV-Reformen den Agenturen für Arbeit und ähnlichen „Dienstleistern“ noch mehr Drohmacht. Nur das „mittlere Management“ wurde zermürbt und verstreut.
Mit dem neuen Regional-„Cluster“ wird „ein Kollektiv konstruiert, das nach innen homogen ist und sich nach außen von anderen Regionen unterscheiden muß,“ so zitieren Hartmann und Geppert einen der Gebiets-Vermarkter, und fügen hinzu: „Der Netzwerkansatz, einst als linker und alternativer Ansatz selbstorganisierter Strukturen verstanden, hat sich als hochmodernes Verfahren entpuppt, um soziale Strukturen in den kapitalistischen Transformationsprozeß einzubinden.“ Zu diesem Schluß kam auch gerade Arndt Neumann in seinem „Nautilus“-Buch „Kleine geile Firmen“.
Institutionalisiert wird das Cluster der „Wolfsburg AG“ über „Public Private Partnerships“ (PPP), Ziel ist die profitable Verwertung „kommunaler Ressourcen“ und eine immer weitergehende Lohndrückerei. Auch die IG Metall ist an diesem schweinösen „Verfahren“ beteiligt (eingebunden), u.a. mit immer neuen Tarifverträgen für immer prekärer und preigünstiger eingestellte „Modul“-Belegschaften. Peter Hartz hat ihnen das alles 2001 nahegelegt: Wir brauchen eine neue „Job-Moral“, jeder muß selbst die Verantwortung für seine Beschäftigungsfähigkeit übernehmen – und „Mit-Unternehmer/Workholder“ werden. Wer das „lebenslange Lernen“ dafür nicht mitmacht oder schafft, der kann immer noch „dienend“ unterkommen. Dazu brauchen wir eine „Erlebniswelt“. eine solche hatte auch schon der fürchterliche US-Präsidentenberater Brczewinski gefordert, ehrlicherweise sprach er dabei von „Tittitainment“, um die unteren Schichten ruhig zu halten. Peter Hartz will auch diese „Langzeitarbeitslosen“ noch trainieren, um daraus den „aufmerksamen Serviceanbieter zu entwickeln, der es an Freundlichkeit mit jedem Mitarbeiter eines Spitzenhotels aufnehmen kann, obwohl aktuell vielleicht nur der richtige Parkplatz anzuweisen ist.“
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Das anglo-amerikanische Wort „cluster“ wird von Wikipedia mit „Traube“, „Bündel“, „Schwarm“, „Haufen“ übersetzt. Über „Schwärme“ gibt es mittlerweile im Deutschen zig Diplom- und Doktorarbeiten, sogar einen Bestseller. Über den „Haufen“ dagegen nur ein paar abfällige Bemerkungen – u.a. von Mao tse tung: in bezug auf das vorrevolutionäre China und seine Völker sprach er von einem „Haufen Sandkörner“.
Gegenüber PPP und Cluster-Bildung hatte sich beizeiten bereits der der Ethnologe Claude Lévy-Strauss für ein Denken und Planen auf „authentischem Niveau“ ausgesprochen: Weil diese Gesellschaft die Individuen auf auswechselbare Atome reduziere und sie zugunsten des Profits zentraler, anonymer Gewalten enteigne, dürfe man gerade jetzt nicht mehr das „Niveau des Authentischen“ verlassen. Und dieses existiere nur in „konkreten Beziehungen zwischen Einzelnen: Auf authentischem Niveau liegt z.B. das Leben in einer Gemeinde“, wo keine abstrakten Entscheidungen, sondern solche von konkreten Individuen getroffen werden, „deren kollektives Leben auf einer authentischen Wahrnehmung der Wirklichkeit beruht: auf Wahrheit. Eine globale Gesellschaft beruht dagegen auf Menschenstaub“.
Die neoliberalen Politiker, Reagan und Thatcher, die übrigens beide schnell debil wurden, wollen genau das: eine Gesellschaft als ein Haufen Sandkörner bzw. Menschenstaub. „Ich kenne keine Gesellschaft (mehr), sondern nur Individuen,“ so wird gerne Margret Thatchers diesbezüglicher Gedanke zitiert. Da war sie schon debil. Mathias Greffrath schickte mir einmal ihren vollständigen Satz, ich finde ihn leider nicht mehr. Aber in einem Radi-Bremen-Interview über die Frage „Was ist links?“ äußerte er sich folgendermaßen darüber:
„Das Grunddogma, das Margret Thatcher in die Welt setzte, es gebe keine Gesellschaft, nur
‚Individuen und Märkte‘ – ist eine profane Version der Lehre von der Unmittelbarkeit der
Christenseele zu Gott. Und der Glaube, dass die Marktfreiheit langfristig allen Menschen
Gerechtigkeit und Wohlstand bringt, mögen die Statistiken auch belegen, dass die Schere zwischen
Armen und Reichen sich immer weiter öffnet – es ist die Geschichte vom Heil durch Entbehrungen und vom Paradies am Ende der Geschichte. Und vor diesem globalen Spiritualismus des Kapitals verblasst die säkulare Zivilreligion der Neuzeit, die Demokratie. Was also ist heute Links? Kurz gesagt: der Kampf der Bürger gegen diesen neuen Feudalismus und seine geistlichen Begleiter.“
Noch eine Bemerkung über „Cluster“ – aus dem „stern“: „‚Cluster-Kopfschmerzen zählen zu den schlimmsten Körperqualen, die ein Mensch ertragen kann‘, sagt Stefan Evers, Neurologe am Universitätsklinikum Münster.“
Aber es ist Heilung in Aussicht – wie das gc.at gerade meldet, dazu haben sich mehrere Medizinkonsortien zusammengetan zu einem GC: „Der Gesundheits-Cluster (GC) ist ein branchenübergreifendes Netzwerk zur Stärkung der Innovationskraft und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Bereich der Medizintechnik.
Im Mittelpunkt der Cluster-Aktivitäten stehen Stärkung und Ausbau des Medizintechniksektors und die Zusammenarbeit von Unternehmen und Gesundheitseinrichtungen. Darüber hinaus will man Kooperationen mit dem Bund und anderen Bundesländern forcieren.“
Ähnliche Cluster-Bildungen gibt es auch in anderen Branchen. Kein Wunder, dass da die Künstler nicht länger abseits stehen wollten:
„‚Cluster‘ ist ein von elf Künstlerinnen und Künstlern betriebener und angemieteter Raum, der die Werke der zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Einzelpositionen in Gruppen- und Einzelausstellungen vorstellt.
Die Kunsthistorikerin, Kritikerin und Kuratorin Barbara Buchmaier ist Projektleiterin von ‚Cluster‘. Von Zeit zu Zeit lädt „Cluster“ auch KünstlerInnen und KuratorInnen ein, die nicht direkter Teil des „Cluster“-Teams sind. Ähnlich wie es der vielschichtige Begriff „Cluster“ bereits in seiner ökonomischen Bedeutung impliziert, geht es der Gruppierung um das Etablieren und Nutzbarmachen einer gemeinsamen Netzwerkstruktur und Ausstellungsplattfom. Gleichzeitig sind auch andere Konnotationen des Begriffs sinnbildlich: der Cluster als Nest, der Cluster als Datenbank, der Cluster als Sonderform eines Akkords, in dem die einzelnen Töne nahe nebeneinander liegen…“
Sogar die Prostituierten bilden seit neuestem Cluster – wie die Münchner Hurenorganisation „Fuck You“ meldet:
„Wir haben uns im Frühjahr zu einem ‚Cluster‘ zusammengeschlossen, um unser Dienstleistungsangebot zu erweitern – technisch, räumlich und zeitlich. Dazu haben wir eine ehemalige Fabriketage in Schwabing-Süd angemietet und uns gleichzeitig mit mehreren Internet-, Telefon- und Escort-Services vernetzt.“
Bei all diesen Cluster-Bildungen wundert es nicht, dass das Ekelwort „Cluster“ inzwischen auch in der Unterschicht Karriere gemacht hat. Im Umkreis der Neuköllner Galerie im Saalbau, Karl-Marx-Straße, wo sich die Ausstellung „Le Grand Magasin“ befindet, hört man immer wieder Sätze wie diese:
„Du bist doch wohl völlig beclustert!“ „Ich cluster dir gleich eine!“ „Geh mir nicht auf den Cluster!“ „Den haben sie doch voll abgeclustert!“ (mit „sie“ ist in diesem Fall die dortige Agentur für Arbeit gemeint) „Wenn du keine Ruhe gibst, stecken wir dich in ein Cluster – ehrlich!“ (ein bayrisches Ehepaar zu ihrer Tochter) „Die Sonnenalle ist eben ein heißes Cluster!“ (ein Palästinenserjunge zu einem anderen – im Ghazastreifen der Sonnenallee) „Wir müssen uns wohl oder übel verclustern!“ und „Spätestens die Finanzkrise ist aller Cluster Anfang!“ (zwei Handyshop-Besitzer in der Karl-Marx-Straße im Gespräch) „Der hat doch nicht mehr alle Cluster im Schrank!“ (ein Polizist über den Neuköllner Bürgermeister) „Ach, das ist doch nur ein sozialdemokratisches Trostcluster!“ (ein anderer Polizist über den Neuköllner Bürgermeister und seine Taskforce)
Abschließend sei noch angemerkt, dass man unter PPP (Public Private Partnership) in Neukölln, aber nicht nur dort – auch an der Humboldt-Universität – durchgehend „Power-Point-People“ (PPP) meint: In dem Problembezirk sind damit die Quartiersmanger und -Berater sowie -Experten gemeint, und in der Problemuni (ihr wurde keine „Excellence“ zugetraut, weil es dort anscheinend immer noch zu viele Ostler gibt) meint man damit durchgehend Ami-Wissenschaftler, die ihre neobanalistischen und spiralistischen Dumpfthesen jedesmal totsicher mit einer designmäßig ausgefuchsten Power-Point-Präsentation (PPP) verbinden, ja meistens bestehen ihre Thesen sogar aus nichts anderem als aus einer solchen lächerlichen PPP. Ein Geograph aus Wisconsin zeigte neulich an der HUB übrigens eine PPP – über die Erde als „Global Cluster“. So weit ist es schon gekommen! Und auch, dass er anschließend ordentlichen Beifall (standing ovulations) für seinen „Vortrag“ bekam.
Rezension des „Cluster“-Buches in der Jungen Welt von Gerhard Hanloser:
Vor über einem Vierteljahrhundert kam ein Buch heraus, das viele als »Bibel der Autonomen«, also der militanten westdeutschen Sozialbewegung der 80er Jahre, bezeichneten. Der Titel war Programm: »Leben als Sabotage«. Sein Autor war einer der wenigen sozialrevolutionär gebliebenen Aktivisten, die sich in den 70er Jahren von einer spezifischen Lesart des Marxismus in Italien, in dem der Klassenkampf als primär angesehen wurde, inspirieren ließ: die Rede ist von Detlef Hartmann. Hartmann hat sich nun zusammen mit dem Ko-Autoren Gerald Geppert der neuen Etappe des Kapitalismus angenommen – ohne dem alten, sozialstaatlich eingepackten Kapitalismus in der Retrospektive menschliche oder bessere Züge attestieren zu wollen. An vielen Stellen des Buches wird eindrucksvoll illustriert, wie sehr das fordistisch-wohlfahrtsstaatliche »Modell Deutschland« im Westen den Nazismus beerbte und die deutsche »soziale Marktwirtschaft« bloß den Faschismus modernisierte.
Aktuell steht ein – wie sie schreiben –neuer »Paradigmenwechsel« an: Heutzutage wird das ursprünglich im Faschismus zu propagandistischen Zwecken der »Volksmobilisierung« gebaute Volkswagen-Werk in Wolfsburg mittels neuester Managementstrategien umgebaut. Geppert zeigt, wie der Unternehmensberater McKinsey, die VW-Werke und die Stadt Wolfsburg mit der regionalen Entwicklungsgesellschaft Südostniedersachsen e.V. an der vollständigen Ausrichtung und Neuzusammensetzung der Region arbeiten, um im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu werden und die Krise der Automobilindustrie in den 90er Jahren zu überwinden. Im Zentrum der Strategien steht eine hinter großen Begriffshüllen verborgene direkte Auspressung der VW-Arbeiter, die bedroht sind, mittels Selbstaktivierung in die neue Etappe kapitalistischer Ausbeutung eingesaugt zu werden. Diese neue Etappe als »Neoliberalismus« zu bezeichnet, sieht Hartmann in seinem Beitrag als Verharmlosung an. Er durchforstet neueste Managementliteratur, die gemeinhin von Marxisten nicht gelesen wird. Hartmann meint hier eine neue Strategie des Kapitals herauszulesen, die mit dem Begriff Cluster (Häufung, Konzentration von ökonmischen Aktivitäten) auf den Punkt zu bringen ist. »Cluster«, so schreibt er, » bedeutet die organisatorische Bündelung und Intensivierung innovativer Energien, gepaart mit den aggressiven Sozialstrategien des postfordistischen Kapitalismus in der Region.« Nicht Adam Smith mit seiner unsichtbaren Hand, nicht die Anarchie des Marktes machen die neue Etappe des Kapitalismus aus, sondern eine allumfassende Mobilisierung des Subjekts zu Verwertungszwecken, eine Mobilisierung des Individuums, das gleichzeitig verdammt ist, sich selbst zu aktivieren, wenn es nicht untergehen will. Die marktwirtschaftliche Rationalität soll Herz, Verstand und Körper des je Einzelnen total besetzen und liegt verdoppelt in der Technologie vor, die als neutral zu bezeichnen ein großer Irrtum wäre. Hartmann schildert plastisch, wie das Prinzip der permanenten Selbstaktivierung in der Unternehmensberatung und in den Arbeitsagenturen angewendet und bis in die Universitäten hineingetrieben wird.
Die entwürdigenden »Selbsteinschätzungsseminare«, die die »Agenturen für Arbeit« und ihre Helfershelfer organisieren, erinnern Hartmann nicht umsonst an die vom französischen Philosophen Michel Foucault beschriebenen mittelalterlichen Exerzitien.
Besonders in dem Vorwort liefern die Autoren eine Gesellschaftskritik, die man schon lange nicht mehr gehört hat und – gerade auch in Publikationen aus dem Spektrum der parlamentarischen Linken – systematisch ausgegrenzt bleibt. Die Autoren plädieren dafür, sich »neben oder gegen den reißenden Zeitstrom zu stellen«. Hier finden sich auch Anklänge an eine Kulturkritik, die eher an die Kritische Theorie Adornos und Benjamins erinnern: »Heute weicht jeder genüßlich von der Norm ab. Das Biedere, Langweilige, Komplizierte wird argwöhnisch beäugt…«
Hartmann hält daran fest, daß die Ausdehnung der Zumutungen des Kapitals nicht grenzenlos ist. Damit widerspricht er einer affirmativen Tendenz innerhalb der aktuellen Soziologie, die jegliche Behauptung von Naturhaftigkeit, Grenzen und moralischen Widerständen als in künstlichen Lebenswelten hoffnungslos rückschrittlich und überholt diffamiert. Möglich ist alles, nichts ist unmöglich, so der fröhliche Chor, der den Angriffscharakter des Kapitalverhältnisses systematisch ausblendet. Ob ein Soziologieprofessor, der diesen Theoriemoden aus Karrierezwecken folgt, bereits ein »propagandistischer Akteur der Zwangs- und Gewaltstrategien der Agenda 2010« darstellt, mag dahingestellt sein. Diese Etikettierung hängt eher mit dem unguten Hang zur Überzeichnung zusammen, die dem Schreiben der beiden Autoren anhaftet. Und so irritiert auch die Verdammung all jener, die nicht gewillt sind, den – in der Tat anregenden und diskussionswürdigen – Theoriemix mitzumachen. Hartmann zeigt sich als ehemaliger Marxist, der nur noch die Frage des Klassenkampfes und des Antagonismus als wesentliche Errungenschaften von Marx stehen lassen will, und bezieht sich gleichzeitig auf empirische Analysen des Kapitalismus als Netzwerk wie sie Manuel Castells am Beispiel des hegemonialen Clusters Silicon Valley erstellt hat. Gleichzeitig versucht er sich an der radikalen Rekonstruktion von Michel Foucaults Kritik an Disziplinartechniken, die längst in den Universitäten verwässert und um ihre antagonistische Spitze gebracht wurde. Hartmann sieht das neue Terrain der Auseinandersetzung nicht auf der Ebene des Klassenkampfes, sondern aufgrund des auf die »Seele« gerichteten Zugriffs des Kapitals in der Selbstbehauptung. Tatsächlich werden in der neuesten »Terrorismusforschung« – wie anhand der Literatur gezeigt wird – der »Existenzbegriff der Individualität«, das »Beharren auf Autonomie« und die »Sehnsüchte nach Authenitizität« unter Terrorverdacht gestellt.
Alles in allem ist das Buch ein Plädoyer, die im wahrsten Sinne des Wortes totalitäre Dynamik des aktuellen Kapitalismus in den Blick zu bekommen. Die Autoren sind bescheiden: Ihr Buch soll Material liefern, eine etwaige neue Verankerung der radikalen Linken im Stadtteil und im Kampf gegen die Zumutungen der Arbeitsämter zu beflügeln, man solle die beiden Aufsätze als »inhaltlich-thematische Steinbrüche für die eigenen politische Arbeit nutzen«. Das kann man. Wichtig ist schließlich, was man aus dem Steinbruch rausbrechen kann und was man mit den Brocken dann macht.
Detlef Hartmann/Gerald Geppert: Cluster – Die neue Etappe des Kapitalismus. Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg 2008, 222 Seiten, 14 Euro