vonHelmut Höge 26.11.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Aus dem tazinternen Intranet:

Liebe tazler,

immer wieder hört man, dass bei kaputter beleuchtung der hausmeister,
und das betrifft auch mich mitunter, nicht schnell genug reagiert. Hier
deswegen ein Hinweis, wie es die Amerikaner machen, vielleicht kann man
daraus lernen:

Auf dem Opel-Gelände in Rüsselsheim ist im Büro des Betriebsrats Klaus
Franz eine Neonröhre kaputt. Klaus Franz greift daraufhin zum Telefon
und läßt sich mit der Zentrale verbinden, die unten im selben
Bürokomplex sitzt. Das kann man als tazler noch nachvollziehen.

Da es sich bei Opel aber um ein Tochterunternehmen des US-Konzerns
General Motors (liebevoll GM genannt) handelt, verbindet die
Telefonzentrale Klaus Franz mit der Konzern-Telefonzentrale, die aus
einem outgesourcten Call Center in Detroit besteht. Von dort wird der
Auftrag weitergeleitet an das „World-Wide-Facility Management“, von dem
man hier nicht genau weiß, wo es überall domiziliert ist, auf alle Fälle
ist GM sehr stolz darauf: Es wurde im Zuge des Konzernprogramms
„Transparent Management“ eingerichtet und wird derzeit von Mr. Kamesh
Gupta geleitet. Diesem Patrioten liegt besonders der indische Markt am
Herzen und den kennt er auch gut, ebenso die schlechten und oftmals
unsicheren indischen Straßen. Von da aus hat er deswegen die Order für
sein GM-World-Wide-Facility-Management ausgegeben: „Always take the
shortest way!“ und „As fast as possible!“

Im Falle der kaputten Neonröhre im Büro des Betriebsrates Klaus Franz in
Rüsselsheim geht der Auftrag nun also vom World-Wide-Facility-Management
zügig raus zur Facility-Abteilung von Opel Rüsselsheim und die gibt ihn
weiter an die immer noch so genannte „Haustechnik“. Dort befinden sich
Ablagen für ihr Wartungs- und Reparatur-Personal, in denen die für sie
bestimmten Auftrags-Eingänge und -Ausgänge landen.

Der Auftrag „Neonröhre im Betriebsratsbüro, Klaus Franz, auswechseln“
landet beim Elektriker Jürgen Senftler. Er erledigt den Auftrag sofort,
denn das Betriebsratsbüro befindet sich nur 250 Meter von seinem
Standort entfernt, allerdings muß er zuvor noch einen Umweg von etwa 800
Metern machen – ins Lager, wo die Neonröhren liegen. Und hinterher noch
mal einen anderen Umweg von etwa 900 Metern – ins Lager, wo die kaputten
Neonröhren gesammelt werden. Nachdem das alles geschehen ist – und alle
Beteiligten hochzufrieden sind, meint Betriebsrat Klaus Franz jedoch –
an die Adresse des ihn interviewenden Redakteurs der Süddeutschen
Zeitung Karl-Heinz-Buschmann: „Dieser Unsinn muß doch aufhören!“

Und damit es nicht bei dieser Unmutsäußerung bleibt, hat Klaus Franz
auch schon vor einigen Wochen angefangen, die Dinge zu ändern, d.h. er
hat Kontakt mit „Berlin“ aufgenommen. Dort geht es zwar ähnlich kafkaesk
wie in Detroit zu, schließlich heißt von den Amerikanern lernen siegen
lernen oder hieß es jedenfalls, aber Klaus Franz hat sich durchgebissen
– zum Finanzminister Steinbrück und von da aus zum Wirtschaftsminister
Michael Glos, der ihn wiederum zu seinem eigenen Besten („der Glos
kümmert sich“) mit in die Talkshow „Anne Will“ geschleppt hat.

Anschließend gingen die zwei – Glos und Franz – in Berlin noch einen
trinken: „Fragen Sie nicht, wie viele Flaschen wir getrunken haben!“ Auf
alle Fälle war laut SZ bereits „am nächsten Tag die Sache im Kanzleramt
geritzt“. Der Betriebsrat darf also demnächst im Falle einer kaputten
Neonröhre über seinem Schreibtisch den Elektriker Jürgen Senftler oder,
falls dieser krank geschrieben, in Weiterbildung oder in Urlaub ist,
den Aushilfselektriker Egon Blaschke direkt anrufen und um Behebung des
Schadens bitten.

Ob einer der beiden dann allerdings sofort den Auftrag übernimmt und
ausführt, der ja nun nicht mehr aus Amerika (!) kommt, sondern von dem
Nervbolzen und Karrieristen Klaus Franz, der schon 1975, als er bei Opel
in der Lackierabteilung anfing, als „anstrengend“ galt, ist mehr als
fraglich.

Aber darum geht es gar nicht, denn mit seinen „guten Drähten nach
Berlin“ wollte der Betriebsrat, „der wie jeden Tag morgens um halb fünf
aufsteht“, noch viel mehr erreichen: Nämlich ein mähliches Kappen aller
Drähte nicht nur zum World-Wide-Facility-Management von Mr. Kamesh
Gupta, sondern zu GM insgesamt. In anderen Worten: „Berlin“ soll Opel
von den Amis loseisen – abkaufen. Egal, ob das möglich ist und ob
„Berlin“ das überhaupt will (ich nehme eher an, dass Glos und Steinbrück
im Falle einer Opel-Schließung von GM es eher dabei bewenden lassen,
ihre Privatopel sofort und im Beisein der Presse demonstrativ zu
verschrotten) – jedenfalls hat das alles mit unserem
taz-neonröhren-auswechselproblem nur am Rande zu tun. Deswegen lasse ich
es hiermit bewenden…

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