vonHelmut Höge 03.05.2009

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

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Michael Grey Wolf Gurujew/Selbstporträts in seiner neuen Wirkungsstätte am mongolischen Huvskul-See nahe Burjatien

 

 

Die taz-dorfkorrespondentin Imma Harms notierte in ihrem blog „jottwehdeh“ am 29.April:

Dicke Erbsensuppe am Mittag. In der Nachmittagshitze Besuch bei den Eseln. Sie gehören Seb. Er kommt aus Südfrankreich. Die Esel auch. Er will mit ihnen bis in die Mongolei gehen. Noch stehen die Esel auf der Weide. Sie stehen meist auf einem Fleck und knabbern sich gegenseitig den Rücken ab. Manchmal werfen sie ihren Kopf hoch, manchmal stellen sie die Ohren auf und lauschen in alle Richtungen. Am Morgen kommen zwei Leute vom Ordnungsamt auf den Karlshof gefahren. Die Esel wurden in Templin Stadt aufgegriffen. Sie waren schon mal alleine losgegangen.

Im Zuge der mongolischen Weltherrschaft nach Dschingis Khan war dies öfter vorgekommen, dass man mit Tieren von hier bis in die Mongolei zog oder umgekehrt. Noch im Zweiten Weltkrieg kamen viele mongolische Pferde mit der Roten Armee bis nach Berlin. Die Soldaten schrieben hernach Dankesbriefe an die mongolische Partei, dass die Pferde, die die Mongolei ihnen geliefert hatte, sich ganz wunderbar gehalten, um nicht zu sagen geschlagen hätten. Es gibt einen Historiker in Ulaanbataar, der diese Briefe alle gesammelt hat. Vor der Revolution mußten die Mongolen jährlich tausende von Pferde als Tribut an China zahlen. Heute landen die meisten als eingedostes Hundefutter in Japan.

Der von Imma erwähnte Seb. mit seinen zwei Eseln wird wahrscheinlich das Tempo und den Rythmus bestimmen, in dem die drei von Brandenburg über Sibirien, nehme ich an, bis in die Mongolei gehen.

Andersherum, wäre Seb. ein Hirte, und würde sich nomadisch der Wanderung seiner Herde anpassen, die sich grasfressenderweise von Brandenburg immer weiter nach Osten bis zum Baikalsee – und dann rechts um diesen herum in Richtung Mongolei bewegen täte, könnte er mitansehen, wie aus einem zu Beginn der Wanderung noch jungen Kalb am Ende des „Projekts“ ein altes Rind geworden wäre. So lange würde die Reise, die gar keine wäre, dauern.

Dazu sollte man vielleicht wissen:

Mit bloß 400 Geschmacksknospen, die ihnen zur Verfügung stehen, schmecken Katzen erbärmlich wenig. Süßes nehmen sie überhaupt nicht wahr. Weil sie Raubtiere mit einer Vorliebe für Frischfleisch sind, ist die Gefahr jedoch gering, daß sie verdorbenes oder vergiftetes Fleisch zu sich nehmen.

Pflanzenfresser haben den differenziertesten Geschmackssinn überhaupt; manche sind regelrechte Gourmets. Pferde beispielsweise sind mit 35000 Geschmacksknospen ohne weiteres imstande, Hunderte von Grasarten zu unterscheiden.

Allesfresser stehen, was das Geschmacksvermögen betrifft, irgendwo zwischen Pflanzen- und Fleischfressern. Der Mensch kommt als typischer Repräsentant dieser Gruppe mit immerhin 10000 Geschmacksknospen auf die Welt, hat aber das Pech, einen beträchtlichen Teil davon im Lauf der Zeit einzubüßen.

Lange galt der menschliche Geschmackssinn als primitiv, grobschlächtig und bloß für Weniges zu gebrauchen. Erst die Forschung der letzten Jahre hat sein erstaunliches Leistungsvermögen zutage gefördert.

Warum wir Süßes, Saures und Salziges schmecken, ist nicht schwer zu verstehen. Was süß schmeckt, ist in der Regel reich an Kohlenhydraten, liefert also Energie. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß es frei ist von Stoffen, die für den menschlichen Organismus giftig sind. Übrigens kann sogar der Dünndarm Süßes schmecken. Wie die Zunge ist er jedenfalls mit dem dafür erforderlichen Rezeptor T1R3 ausgerüstet.

Dadurch, daß Menschen imstande sind, Saures zu schmecken, werden sie vor unreifem Obst und verdorbener Nahrung gewarnt. Unlängst hat der Biologe Charles Zuker (Universität von Kalifornien in La Jolla) herausgefunden, daß ein einziges Protein namens PKD2L1 für die Wahrnehmung von Saurem sorgt. Es findet sich auch in bestimmten Nervenzellen des Rückenmarks, die möglicherweise den Säurehaushalt des Körpers überwachen.

Bleibt das Salz. Für den menschlichen Stoffwechsel ist die ständige Versorgung damit unbedingt notwendig. Der Körper kann es nicht speichern, schwitzt es aus. Nahrung, die salzig schmeckt, sollte Salz oder andere Mineralstoffe enthalten.

Warum schmecken wir Bitteres? Etliche Pflanzen produzieren Gifte, vor allem zyanogene Glukopyranoside, um zu verhindern, daß sie von Tieren verspeist werden. Menschen identifizieren diese Substanzen, die im Magen-Darm-Trakt Blausäure freisetzen, als bitter. Die zuständigen Rezeptoren reagieren 10000 Mal empfindlicher als die auf Süßes spezialisierten. Diese extreme Empfindlichkeit für Bitterstoffe ist u.a. das Ergebnis einer genetischen Mutation in der Altsteinzeit. Zu diesem Befund sind Wolfgang Meyerhof und Bernd Bufe vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke gelangt. Jedem zehnten Afrikaner fehlt diese Genvariante. Er schmeckt Zyanide erst in höheren Konzentrationen. Vermutlich ist das ein Vorteil. Wer mehr zyanidhaltige Nahrung ißt, leidet zwar häufiger an Sichelzellenanämie, ist jedoch besser gegen Malariainfektionen gefeit.

Bitterstoffe schützen direkt oder indirekt vor einen ganzen Reihe von Krankheiten. Leider nützt das der ständig wachsenden Schar derjenigen wenig, die eine Aversion gegen alles Bittere haben. »Der Selektionsvorteil von damals«, erklärt Meyerhof, »scheint sich heute ins Gegenteil zu verkehren, da viele Menschen bestimmte Gemüse ablehnen, weil sie bitter schmecken, obwohl ihr Verzehr das Risiko für bestimmte Krebs- oder Kreislauferkrankungen senken kann. Die Lebensmittelindustrie ist deshalb bemüht, den Bitterstoffanteil in der Nahrung zu reduzieren.«

Im Jahr 1908 entdeckte der japanische Chemiker Kikunae Ikeda einen fünften Grundgeschmack, den er »Umami« (das japanische Wort für »wohlschmeckend« oder »köstlich«) nannte. Die evolutionäre Bedeutung des Umami-Geschmacks ist nicht völlig geklärt. Offenbar dient er in erster Linie dazu, eiweißreiche Nahrung anzuzeigen. Jedenfalls ist er für Milch, Käse oder Sojaprodukte nicht weniger typisch als für hochreife Früchte oder Fisch und Fleisch überhaupt. Unter dem Strich ist Umami nichts anderes als der Geschmack des Glutamats, der in Lebensmitteln am häufigsten vorkommenden Aminosäure, die den jeweiligen Eigengeschmack der Nahrung verstärkt.

Lange hatte es den Anschein, als ob die Evolution vergessen hätte, den Menschen mit der nützlichen Fähigkeit auszurüsten, mit der Zunge Fettsäuren in der Nahrung aufzuspüren. Immer wieder bestätigte sich die Annahme der Ernährungswissenschaft, daß reines Fett nach gar nichts schmeckt. Doch vor kurzem ist es dem französischen Physiologen Philippe Besnard (Université de Bourgogne in Dijon) offenbar gelungen, einen Rezeptor ausfindig zu machen, der auf die Wahrnehmung von Fetten im Mundraum spezialisiert ist. Hierbei handelt es sich um das Glycoprotein CD36. Sobald man bei Säugetieren diesen Rezeptor lahmlegt, vergeht ihnen der Appetit auf fettreiche Nahrung.

Gelegentlich wird darüber spekuliert, ob der menschliche Geschmackssinn noch mehr im Repertoire haben könnte – Süßwasser etwa, Alkalisches oder Metall. Das ist möglich, aber die Wissenschaft hat hierfür noch keine Indizien entdeckt.

Im übrigen tragen nicht nur die primären Geschmacksqualitäten der Nahrung, sondern auch ihre Konsistenz, ihr Geruch und ihre Temperatur zum Geschmackserlebnis bei. Die Sensoren, die für Temperaturmessungen und Schmerzempfindungen zuständig sind, haben eine merkwürdige Eigenschaft. Sie werden auch dann aktiv, wenn sie mit scharf gewürzter Kost in Berührung kommen. So genügt schon etwas Senf oder Meerrettich, um den Kälterezeptor auf den Plan zu rufen. Der Hitzerezeptor hingegen reagiert auf das Capsaicin, das in Chilifrüchten jeglicher Art enthalten ist. Das Capsaicin hilft nicht nur dabei, den Körper zu kühlen, indem es die Absonderung von Schweiß steigert. Es bekämpft auch Parasiten. Der Mensch ist das einzige Säugetier, das den Geschmack von Chilifrüchten nicht als scheußlich empfindet. Man hat deshalb früher oft gerätselt, wie die Capsaicin produzierenden Pflanzen es schaffen, sich fortzupflanzen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß sich einzig und allein Vögel darum kümmern. Doch das ist eine andere Geschichte. (Dies schrieb Frank Ufen für die Junge-Welt-Wissenschaftsseite am 30.4.)

Mir ging es in seinem Text eigentlich nur darum, dass er dort erwähnt, Pferd und mithin auch wohl Esel haben 35.000 Geschmacksknospen, sie können hunderte von Grasarten geschmacklich unterscheiden. Ufen nennt sie „regelrechte Gourmets“. Im Falle der Wanderung von Brandenburg bis in die Mongolei käme noch hinzu, dass es sich dabei zwar die ganze Zeit um ein und die selbe Landschaft handelt, aber die Grasarten unterscheiden sich doch sehr. Für Grasfresser wäre es also ein äußerst abwechlungsreicher Gourmet-Trip. Am Ende dieser ursprünglich mit Wald und Sumpf bedeckten Landschaft, dort wo sie in die Wüste Gobi übergeht, wächst z.B. nur noch eine Schnittlauchart. Sie wird zwar von den Pflanzenfressern nicht verschmäht, aber vor allem die Kamele stinken davon fürchterlich aus dem Maul.

Kurz hinter der Grenze am Huvsgul-See käme Seb. mit seinen zwei Eseln an ein Camp, das gerade von dem Hamburger Seemann und Bildhauer Michail Grey Wolf Guruev aufgebaut wird. Er spricht dabei von einem „Nordasiatischen Kulturzentrum“ – und will dort u.a. eine riesengroße Plastik zu Ehren aller Tiere bauen. 2004 hatte er in Berlin eine große Ausstellung mit all seinen Werken – aus Holz und auf Papier.

Ich schrieb damals über sein „Projekt“:
Der Initiator des Nordasiatischen Kulturzentrums in der Mongolei, Michail Grey Wolf Guruev, arbeitet seit 9 Jahren an diesem Projekt und hat dafür bereits 95.000 Dollar zusammengekratzt. Er wurde 1940 als Sohn einer Ewenkin in Sibirien geboren und wuchs in der DDR auf, aus der er 1961 in den Westen floh. Seitdem hat er sich in vielen Ländern umgetan und dabei als Seemann, Koch und Musiker gejobbt. Bei den Navajos kam er mit indianischen Künstlern in Kontakt – und ist seitdem auch Maler und Bildhauer.

Einen Großteil seiner Arbeiten stellt nun die Berliner „Asia-Lounge“, eine Initiative abgewickelter Asiatistinnen der Humboldt-Universität, auf dem Pfefferberg aus. Gleichzeitig werden dort mehrere Dokumentarfilme über die indigenen Völker Nordasiens, der mongolische Film „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ sowie ein TV-Film über Michail Grey Wolf Guruev selbst gezeigt. Daneben gibt es eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen und Workshops – u. a. über die kleinen nordasiatischen Völker, über deren Spiritualität sowie über das Kultur- und Ausbildungszentrum; zuletzt einen Vortrag von Arved Fuchs. An einem Tag tritt außerdem die mongolische Musikgruppe Kukh Mongol auf. Das ganze Programm firmiert unter der Überschrift „Art from Another World“ – mit dem Zusatz: „Not an exhibition but a state of mind“. Michail Grey Wolf Guruev will damit sagen, dass er nicht wie ein westlicher Künstler darauf hofft, dass seine Objekte und Bilder möglichst viele rote Punkte aufgeklebt bekommen, er erwartet vielmehr, dass mit dieser Veranstaltung einige ihm besonders wichtige Punkte für das Publikum geklärt werden.

Zunächst einmal der Begriff „Nordasien“. Michail Grey Wolf Guruev dazu: „Ich bat zum Beispiel eine asiatische Stiftung um Unterstützung, verwies diese darauf, dass das geplante Kulturzentrum ja in Sibirien, d. h. in Russland, liege; also sollte ich mich an westliche Institutionen wenden. Tat ich selbiges in westlicher Richtung, wurde mir gesagt, dass mein Projekt ja für Asien gedacht sei“. Weil er sich dafür von der russischen Administration inzwischen weniger Hilfe verspricht als von der mongolischen, hat Michail Grey Wolf Guruev den Standort für das Nordasiatische Kulturzentrum 2002 vom burjatischen Baikalsee die Selenga hoch an das Ufer des mongolischen Sees Huvsgul verschoben.

Ähnlich wie mit dem Begriff „Nordasien“ verhält es sich auch mit dem Wissen über die sozialen und kulturellen Probleme der kleinen, meist nomadisch lebenden Völker dort, von denen viele hier nicht einmal namentlich bekannt sind. „Ihre Situation hat sich seit dem Ende der Sowjetunion noch mehr verschlechtert – unsere Leute sind fast alle arbeitslos, und es fehlt an Ausbildungsmöglichkeiten.“

Eher umgekehrt ist es mit ihrer Religion – dem Schamanismus, der hierzulande inzwischen fast zu einem Modethema geworden ist, sodass immer mehr Leute aus Nordasien sich als Schamanen ausgeben, obwohl sie eher Scharlatane sind. „Die Sowjetunion hat es ja verhindert, dass das Wissen der letzten alten Schamanen an junge weitergegeben wurde. Wir zeigen dazu einen Film des jakutischen Regisseurs Sakha über eine 108-jährige Ewenkin. Ein Schamane verlässt nie seinen Ort und ist außerdem nicht erkennbar. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass alle, die auf internationalen Schamanen-Konferenzen das Wort ergreifen, keine sind.“

Schließlich wird man auf dem Pfefferberg auch noch Näheres über Guruevs Kulturzentrum am Huvsgul-See erfahren und wie man es unterstützen kann. „Dort soll u. a. ein großes Denkmal für Tiere entstehen. Das Wichtigste für die indigenen Völker Nordasiens ist ihre Verbindung zur Natur, d. h. zur Flora und Fauna – von und mit denen sie leben.“ Dies führt zu einem weiteren Punkt: Was kann der Westen von ihnen lernen? „Neben ihrem Heilwissen ist es eben dies: ein anderes, unmittelbareres Verhältnis zur Natur – zur Umwelt.“

Aber gerade das wird ihnen zunehmend erschwert. Zwar gibt es mittlerweile im Westen eine ganze Reihe Initiativen und kleineren Organisationen, die sich mit der Situation der indigenen Völker Nordasiens befassen und diesbezüglich Aufklärungsarbeit leisten, aber die wahren Interessen hier richten sich auf die riesigen Erdöl-, Erdgas- und sonstigen Bodenschätze, die seit dem Ende der Sowjetunion vermehrt von internationalen Konsortien aufgesucht werden, wobei die Amerikaner, die Russen und die Chinesen sich geradezu ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Das bringt die nordasiatische Urbevölkerung aber noch mehr in Bedrängnis, indem es ihr nach und nach die Lebensgrundlage entzieht. Und dies gilt für nahezu die gesamte Region – vom Eismeer bis zur Mongolei und nach Tibet, vom Ural bis zu den Ainu auf Hokkaido. Einerseits gibt es hier also eine Verklärung der nordasiatischen Nomadenvölker als „edle Wilde“, andererseits sind sie akut vom technologischen Fortschritt bedroht, dem sie im Weg stehen.

Mit der Errichtung des Nordasiatischen Kulturzentrums soll beidem entgegengewirkt werden. Dazu brauchte es noch mehr Geld, das man vielleicht über den Verkauf einer Art Aktie akquirieren könnte. Damit ließe sich zum einen das Grundstück kaufen, zum anderen könnte man die bisher von Guruev angeschafften Einrichtungsgegenstände und Werkzeuge – 60 Tonnen in Containern, die bei Hamburg stehen – mit einer Art Karawane auf Lastwagen an den Huvsgul-See bringen.

So weit der taz-artikel. Guruev machte sich dann auch wirklich 2006 auf in die Mongolei – und ist dort seitdem mit dem Aufbau des Kulturzentrums beschäftigt. Immer mal wieder bekomme ich Post vom einen oder anderen seiner Unterstützer – mit der Bitte, ihm dort am Huvsgul-See Publizität hier zu verschaffen. Einmal bekam ich von Guruev selbst einen Text geschickt – ein Öko-Manifest für die nordischen Völker.

Seit Dondog Batjargal wieder in Ulaanbataar ist, um dort seine Jugendzeitung „Super“ sowie die Medizinzeitschrift seiner Schwestern wieder in Schwung zu bringen, ist unserer Mongolei-Berichterstattung in der taz eingeschlafen – und auch die Arbeit an der nächsten Ausgabe der deutsch-mongolischen Zeitschrift „Supernomad“ kommt irgendwie nicht voran. Sie soll nun in Ulaanbataar produziert und gedruckt werden. Das ist das letzte, was ich von unserem „Projekt“ gehört habe.

Eine der Autoren, die Mongolistin und Ströbele-Assistentin Ulrike, ist von ihrer Arbeit in der Mongolei zurück – und könnte noch so manchen Text beisteuern. Sie hat einen Viehzüchter von dort geheiratet. Er lebt jetzt mit ihr in Berlin. Neulich telefonierte er mit seinen Eltern – und erfuhr, dass die Finanzkrise in der Mongolei schwer durchgeschlagen ist: Alle Leute hoben ihr Geld von den Banken ab – mit der Folge, dass die Banken alle Kredite zurückverlangten. Auch das bereits investierte. Von seinen Eltern beschlagnahmten sie die halbe Rinderherde. Das war ein dreifacher Verlust:

1. waren die Fleischpreise gesunken – durch das plötzliche Überangebot durch die Banken. 2. War es noch Winter und die Rinder ganz mager. Und 3. waren viele Rinder tragend, so dass sie mit einem solchen beschlagnahmten Tier quasi gleich zwei auf einmal verloren.

Ulrike und ihr Mann sammelten auf die Schnellehier Geld ein und überwiesen es, gerade rechtzeitig, um die beschlagnahmte Herde wieder auszulösen.

Und dann erzählte Ulrike noch, dass der riesige Flohmarkt in Ulaanbataar, wo sonst immer hunderte und tausende täglich irgendetwas an- oder verkauften, derzeit wie ausgestorben ist. Der Handel ist quasi zum Erliegen gekommen. So hörte es sich jedenfalls an.

Unerwartet erhielt ich zuletzt noch Neuigkeiten von dem aus der Gobi stammenden Räuber und Partisan Dampignak (D.) – von dem Hamburger Mongoleikenner Eike Seidel:

1. Consten: an den Weideplätzen der Mongolen; darin die Vertreibung der Chinesen aus Hovd/Xovd/Kobdo 1911 und die Schlächtereien des Herrn D. incl. mehrere Fotos (der Herr und seine Opfer). Damals war der mongolische Adlige und Freiheitskämpfer Haatanbaatar Magsarjaw (heute ein Mausoleum mit Denkmal in Bulgan) schon über ihn aufgebracht. Haatanbaatar Magsarjaw war später unter dem Bogd Gegen quasi Verteidigungsminister, auch unter Ungern, ist dann aber zur Revolution übergeschwenkt und wurde zum Volkshelden der Revolution „geadelt“. Das Buch ist im Buchhandel oder über www.mongolei.de zu beziehen. Das Mausoleum in Bulgan gibt es erst wenige Jahre. Ich habe es 2008 besichtigt.

2. Henning Haslund-Christensen: Zajagan (Haslund schildert die Lebensgeschichte und Ermordung von D.; H. war mit Mühlenweg bei der Hedin-Expedition. Das Buch ist über ZVAB antiquarisch zu beziehen. Haslund-Christensen hat nach dem 1. WK im Norden der Mongolei gesiedelt (Roman: Jabonah) und war dann Karawanenführer bei Frans August Larson (und Vertreter von Britisch American Tobacco in der Mongolei).

Da ich Eike Seidel mitgeteilt hatte, dass der spätere Schwejk-Autor Jaroslav Hasek als damaliger Kommissar der Roten Armee in Irkutsk u.a. auch für die Mongolei gewissermaßen zuständig war, schrieb er mir zurück:

Die Rolle von D. nach der Entlassung in Irkutsk beim Kampf gegen Ungern-Sternberg ist mir recht dunkel.

Und völlig sensatinell für mich ist die Rolle von Hasek als Politkommissar in Irkutsk dabei – aus meiner Sicht ein weiteres Puzzleteilchen in der Geschichte der Mongolei, die ja ihre Geburtswehen u.a. in der Oktoberrevolution durchlitt.

Eike Seidel bereitet gerade einen Vortrag über Jugendbewegung und Mongolei vor, wie er mir mitteilte:

Da spielt Dampignak eine Rolle, weil er der positive Held bei Mühlenweg ist (Sajn Er – Guter Mann: die mongolische Bezeichnung für Räuber und Freiheitskämpfer), nach meiner Einschätzung aber allenfalls ein Vertreter der untergehenden Mongolei (Strauch-, Glücks- und Raubritter mit stark religiöser Aura), während trotz aller Opfer die VR Mongolei die einzige Zukunft für die Mongolen war.

Bei der Sichtung der Quellenlage kommt es immer wieder zu offenen Fragen. „Zu Hasek, dem Lama und Schwinger“, schrieb mir Eike Seidel, „gibt es ja viele Ansichten, u.a. Wurzer in Tübingen, der Schwinger der Lüge bezichtigt, was Irkutsk anbelangt. Consten (Weideplätze der Mongolen) bringt viel zum Lama 1911/1913, leider aber nichts zu Ungern. Woher stammt die Behauptung, er sei ausgepeitscht worden? Wir waren letztes jahr im Mausoleum von Magsarjaw in Bulgan. Ihm war der Lama in Hovd damals schon zu sadistisch…“

Aktuell teilte mir Eike Seidel mit:
An der Boro sind ca. 50 illegale Goldminen geschlossen worden, nachdem
das ganze Wasser mit Zyanid vergiftet wurde.
Zu Ungern: Die deutsche Nazi-Zeitung Junges Forum hat ein Heft über ihn
gemacht, nicht nur amerikanische Nazis.
Das Dschinghis-Denkmal im Xentej hat eine schwierige Geschichte. Es
wurde 1962 zum 8000. geplant errichtet, stieß aber auf russischen
Protest. Die schon gedruckten Briefmarken wurden nicht verkauft, fanden
aber reissenden Absatz unter der Hand. Das Denkmal wurde Ende der 70er Jahre
wieder aufgebaut.

Eike Seidel lebt in Hamburg und gehört u.a. mit dem Autor Kai Ehlers zu dem dortigen Arbeitskreis „Kultur der Jurte„. Letzterer hat darüber auch einmal ein Buch veröffentlicht, in der „Supernomad“ veröffentlichten wir dazu ein Interview mit dem Autor:

Im Mittelpunkt Ihres Buches „Die Zukunft der Jurte“ steht die Jurte als Kultur- und Lebensraum. Wer lebt heute in der Jurte, welche Bedeutung hat sie für die mongolische Bevölkerung, für welche Konzeption von Leben steht sie?

Ehlers: Die Jurte ist die traditionelle Wohnstätte der mongolischen Hirtennomaden von alters her. Gut zwei Drittel der ca. 2,5 Millionen Einwohner zählenden mongolischen Bevölkerung leben heute in Jurten. Auch in Ulaanbataar, wo inzwischen fast die Hälfte der Bevölkerung wohnt, und in einigen wenigen kleineren Orten des Landes leben die Menschen nach wie vor in Jurten. Sie breiten sich rund um die Innenstadt Ulaanbaatars oder die Kerne anderer kleiner Orte aus. Für das Leben in der Steppe ist die Jurte auch heute die optimale Heimstatt, die den Gegebenheiten des nomadischen Lebens durch die Leichtigkeit, mit der sie auf- und abgebaut werden kann, optimal entspricht. Das gilt selbst für halbnomadische Verhältnisse, also wenn Menschen im Winter ins Quartier ziehen, um sich und die Tiere vor den eisigen Winden zu schützen, aber mit dem Frühjahr wieder hinausziehen in die Steppe. Die Jurte bietet alles, was die Hirtenfamilie braucht: Schutz vor Sonne und Nachtkälte, den Herd für die Familie und als sozialer Treffpunkt, Schutz vor wilden Tieren usw.; zugleich ist sie leicht zu bewegen, wenn der Weideplatz gewechselt werden muss. Mit dem Wärme- und Frischluftkreislauf, der durch den offenen Dachkranz entsteht, bietet die Jurte einen optimalen Raum, in dem der Mensch gut leben kann. Ihre runde Gestalt mit dem zum Himmel offenen Dach lässt eine lebendige, naturbezogene Aura entstehen, in der, um es einmal so zu formulieren, der Mensch nicht aneckt, sondern sich rundum wohl fühlen kann. Auch sanitäre Fragen sind bei der Weite der Steppe kein Problem. Kurz, ihre Funktion als Heimstatt für das nomadische Leben wird die Jurte auch in Zukunft haben. Es gibt keinen sinnvollen Ersatz. Anders ist es in der Stadt, in die viele Menschen ziehen, weil sie unter den Bedingungen des Marktes mit dem nomadischen Leben nicht mehr zurechtkommen. Sie verkaufen ihre Tiere und kommen mit der Jurte in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen. Was draußen Freiheit war, wird hier zum Gegenteil: Es beginnt mit den sanitären Einrichtungen. Wo nicht die Weite der Steppe vor der Jurtentür liegt, sondern wenige Meter weiter schon die nächste Jurte, da wird das Besorgen von Wasser, Waschen, Kochen, Abfallbeseitigung, Toilette usw. zum Problem, in Extremfällen zur Kloake und zum Slum. Es fehlen die Tiere, es fehlt die Weite, vielen fehlen auch die Arbeit und die Lebensperspektive. Unter solchen Umständen wird die Jurte zum Synonym für Elend. So möchte niemand leben; Menschen, die in solchen Jurten leben, sehnen sich nach „zivilisierten“ Wohnungen. Die aber können nicht in ausreichendem Maße und nicht schnell genug gebaut werden. Aus all dem folgt das Problem einer Urbanisierung, die das Gleichgewicht des Landes zerstört. Das Bemühen der mongolischen Politik zielt daher darauf, einerseits Häuser zu bauen, andererseits die Jurte wieder zu einer Wohnstatt zu machen, in der zu leben angenehm ist. Dies ist gleichbedeutend mit dem Versuch, neue Formen des halb-nomadischen Wirtschaftens zu entwickeln, die das Leben draußen wieder lebenswert machen. Es ist klar, dass dies nur im Rahmen eines langfristig angelegten Programmes gelingen kann.

Welche Zukunft hat die Jurte unter den heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen? Warum sprechen Sie im Untertitel Ihres Buches auch von „Kulturkampf“?

Ehlers: Nun, die Jurte hat dann eine Zukunft, wenn nomadisches oder auch halbnomadisches Leben eine Zukunft hat. Welche Zukunft das ist, ist zur Zeit in der Mongolei sehr umstritten. Seit der „Revolution“ von 1992 tobt in der Mongolei die Auseinandersetzung, welchen Weg man künftig gehen solle – den einer forcierten Industrialisierung mit Hilfe ausländischer Gelder und durchgeführt durch ausländische Gesellschaften; oder ob man die traditionelle nomadische Wirtschaft entwickeln solle und ob das möglich sei. Von „Kulturkampf“ spreche ich deshalb, weil dies nicht nur eine Frage sachlicher wirtschaftlicher Erwägungen ist, sondern eng mit der Frage verbunden ist, wie man leben möchte, wie das Land nach 70 Jahren realsozialistischer Entwicklung seine Identität neu bestimmt. Will man zurück in eine traditionelle nomadische Wirtschaft? Will man zurückgreifen auf traditionelle Lebensvorstellungen, die mit einer solchen Wirtschaft verbunden sind? Oder gibt es ein solches „Zurück“ nicht, besteht die einzige Chance vielleicht darin, die aus den Industrieländern des Westens kommenden Wertvorstellungen einer modernen Gesellschaft zu übernehmen und das Land nach diesen Vorstellungen zu modernisieren? Die Diskussion um diese Fragen bestimmte den internationalen Kongress der Mongolenforscher und -forscherinnen von 1997, ebenso den von 2002. Im Jahr 2006 wurde die Frage unter die Überschrift „800 Jahre mongolische Staatlichkeit“ gestellt. Rund 600 Gäste des Kongresses besannen sich auf Tschingis Khan als den Stifter eines Kulturraumes, der erstmals den Osten mit dem Westen verband. Die mongolische Regierung unterstrich das Ereignis durch den Erlass einer Amnestie. Durch die aufwendigen Feierlichkeiten wurde die Grundfrage der zukünftigen Orientierung des Landes jedoch nur verdeckt.

Was kann die westliche Welt von der Kultur der Jurte lernen?

Ehlers: Der mongolisch-tuwinische Schriftsteller Galsan Tschinag hat für den Unterschied zwischen dem Westlichen und dem Nomadischen (nicht dem Östlichen!) die Begriffe des Runden und des Eckigen gewählt. Besser kann man es nicht treffen: Die Jurte ist rund; es gibt in ihr keine Ecken, an denen man sich stoßen könnte, ebenso wenig solche, in denen irgendetwas vergessen herumliegen könnte. Die Jurte trennt das Wohnen und Leben des Menschen nicht von seiner Umgebung ab, sondern verbindet ihn damit. In der Jurte wird das Wetter, werden Tag und Nacht, werden generell die natürlichen Kreisläufe des Lebens unmittelbar erlebt. Die Jurte macht den Wechsel von Innen und Außen unmittelbar erlebbar, insofern sie den Kreis des Lebens sehr eingrenzt und behütet, gleichzeitig aber nach außen hin sehr offen und durchlässig ist. Die Jurte lebt vom Prinzip des Minimalismus, Pragmatismus und der Mobilität. Das vermittelt dem Menschen ein Lebensgefühl der Leichtigkeit, des Provisorischen und der Vergänglichkeit. Man kommt dem Tod und dem Leben näher als in einem Haus, das für Ewigkeiten gebaut scheint. Gleichzeitig ist die Jurte streng nach Gesetzmäßigkeiten aufgebaut, die mit der nach Süden gerichteten Tür, mit dem Dachkranz, mit den Dachstangen, dem Filz usw. beginnen, sich mit der Zuweisung von Plätzen für die Männer, die Frauen, die Gäste usw. fortsetzen und mit der rituellen Bedeutung all der Sitten und Gebräuche in der Jurte enden. Dies alles lässt die Jurte für den Westen zu einem Symbol der Beweglichkeit, der Veränderung und in der gegebenen Situation unserer industriellen Krise des Aufbruchs werden, während sie gleichzeitig traditionelle Werte in Erinnerung bringt. Die Jurte ist damit für den westlichen Menschen so etwas wie ein Jungbrunnen, der ihn zu seinen Ursprüngen zurückführt und ihn zwingt, aufs Neue darüber nachzudenken, warum er lebt, wie er lebt.

Auch Ehlers‘ Mitstreiter für die nomadische Lebensweise speziell in der Mongolei – Eike Seidel – hat vor einiger Zeit ein Buch in diesem Zusammenhang veröffentlicht:

25 Jahre als Tierarzt in der Mongolei„, das die
Erinnerungen von Dr. Splisteser enthält, der von 1965 bis 1990 54 Mal in
der Mongolei war und von 2006 einen Orden dafür von der Republik
Mongolei bekommen hat? (Erschienen ist das Buch im Scheunen-Verlag)

Dr. Splisteser wird ebenso wie Eike Seidel auf dem diesjährigen deutsch-mongolischen Freundschaftsfest in Waßmannsdorf anwesend sein, das dort seit einigen Jahren regelmäßig am 6.Juni stattfindet. Waßmannsdorf gehört zur Gemeinde Schönefeld, dort wo jetzt noch der DDR-Flughafen ist. Ihr Bürgermeister Dr. Udo Haase organisiert in Waßmannsdorf diese Veranstaltung. Dazu schrieb er:

Die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der Mongolei und Schönefeld begann im Jahre 1977. Frau R. Mislowitsch, Mitarbeiterin des Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR, stellte dem Direktor des Volkseigenen Gutes Waßmannsdorf, Herrn Wilfried Kind, die Frage, ob er sich eine Zusammenarbeit mit der Mongolei vorstellen könnte. Herr Kind, der neuen Dingen stets sehr aufgeschlossen gegenüberstand, bejahte die Frage und der Grundstein für alles, was noch kommen sollte, war gelegt. Am 10. Juli 1978 traf der Direktor des Staatsgutes Bor nuur, Herr Jandag, ein. Bor nuur liegt ca. 100 km nördlich von der Hauptstadt Ulaanbaatar entfernt und ist über eine gut ausgebaute Straße leicht zu erreichen. Direktor Jandag blieb 19 Tage, um im damaligen Bezirk Potsdam und in Berlin(Ost) die Landwirtschaft kennen zu lernen. Ich hatte seinerzeit das große Glück, Herrn Jandag auf dieser Reise als Dolmetscher begleiten zu dürfen. Das daraus eine bis heute anhaltende Freundschaft geworden ist, sei nur am Rande erwähnt.

Am 16. Juli 1979 flogen aus dem Staatsgut Waßmannsdorf Direktor W. Kind, Herr H. Kawelke und Frau S. Weise in die Mongolei, um dort einen Freundschaftsvertrag zu unterschreiben, der bis 1989 Bestand hatte. Viele Waßmannsdorfer fuhren in den folgenden Jahren in die Mongolei, wie auch viele Mongolen aus dem Zentral-Aimak nach Waßmannsdorf kamen. Man lernte sich besser kennen, erfuhr Neues und konnte vom jeweils anderen Partner über Land und Leute, die Arbeit, die Kunst und Kultur sowie die Sprache vieles erfahren.

Nach der politischen Wende in beiden Ländern kamen die Beziehungen zum Erliegen. Die jeweiligen Organisationen und Träger der Beziehungen, das Staatsgut Bor nuur und das Volksgut Waßmannsdorf, hatten aufgehört zu existieren. Große Veränderungen kennzeichneten das Leben der Menschen in der Mongolei und im Osten Deutschlands. Man hatte in diesen Tagen andere Sorgen als die Fortsetzung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen nicht mehr existierenden landwirtschaftlichen Großbetrieben und so geschah fast 10 Jahre nichts, sieht man von wenigen bis heute existierenden persönlichen Beziehungen, die zwischen Menschen beider Ländern entstanden waren, ab.

Erfreulich war, dass im Juni 1998 die Deutsche Mongolei Agentur unter Leitung von Dr. Klaus Bormann das deutsche Büro in Selchow eröffnete. Im Mai hatte Dr. Bormann in Waßmannsdorf auf dem Hof der Gaststätte „Dymke“ zu einem großen „Jurten“-Empfang eingeladen, um seine Absichten kund zu tun. Auch das war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Aufnahme von Beziehungen zwischen Schönefeld und Bayangol. Kurz zuvor hatten mich Dr. K. Bormann und D. Damdinjav, zu der Zeit dritter Sekretär der mongolischen Botschaft in Bonn, gefragt, ob die Bürger des Amtes Schönefeld, nicht ein Interesse daran hätten, mit den Bürgern des Stadtbezirkes Bayangol partnerschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Eine erste Rücksprache mit den Mitgliedern des Amtsausschusses, zu denen unter anderem auch Herr Wilfried Kind und Herr Karl Mette gehörten, ließ klar erkennen, dass die Menschen die einst guten Beziehungen zur Mongolei noch immer fest in ihrem Herzen trugen. Eine besondere Rolle spielt dabei der ehemalige Leiter der Tierproduktion des Volksgutes, Herr Karl Mette.

War er es doch, der in den Jahren 1990 – 1997 häufig mongolische Delegationen und Gäste auf seinem 100jährigen Bauernhof in Waßmannsdorf empfing und dadurch in besonderem Maß dazu beitrug, dass die Beziehungen nie völlig zum Stillstand kamen. Sein Gästebuch liest sich wie das „Who is who?“ der Mongolei. Keiner der mongolischen Botschafter der letzten 30 Jahre dürfte darin fehlen. Neben vielen Ministern, Parlamentsangehörigen, Aimak- sowie Somonvorsitzenden findet man dort diejenigen wieder, die einen kleinen Beitrag zum Erhalt und Wiederaufblühen der Beziehungen beitrugen. Vor einigen Jahren drehte das mongolische Fernsehen über den Waßmannsdorfer Landwirt Karl Mette einen Dokumentarfilm, der in der Mongolei landesweit ausgestrahlt wurde und der sicherlich von vielen „Ehemaligen“ mit großer Freude gesehen wurde.

Das alles spielte eine Rolle und so entschloss ich mich, Herrn Damdinjav ein klares Ja-Signal zur Aufnahme der Beziehungen zwischen Bayangol und Schönefeld zu übermitteln, denn auch der Amtsausschuss hatte diesem Ansinnen mit großer Mehrheit zugestimmt. Und so konnte bereits am 2. August 1998 in Ulaanbaatar der Vertrag über die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schönefeld und Bayangol im Beisein des Konsuls der deutschen Botschaft in der Mongolei, Herrn Rudi Gabriel, von Bayangols Bürgermeister Sodnomzundui Erdene und mir, damals Schönefelder Amtsdirektor, unterzeichnet werden. Anwesend waren bei der feierlichen Unterzeichnung Herr Wilfried Kind, Herr Karl Mette und Herr Dr. Hans-Jürgen Wienen, ein Vertreter der Stadt Bochum sowie Herr Dr. Klaus Bormann.

Damit war nun zum zweiten Mal ein Grundstein gelegt, um die Zusammenarbeit zwischen weit entfernt und auf unterschiedlichen Kontinenten liegenden Kommunen zu besiegeln. Im September 1999 traf die erste Delegation aus Bayangol unter Leitung des Bürgermeisters S. Erdene in Schönefeld ein. Ein Jahr später reiste die Schönefelder Delegation unter meiner Leitung in die Mongolei. Zur Delegation gehörten Landrat Martin Wille, Bürgermeisterin Lydia Fischer und der Vorsitzende des Amtsausschusses Herr Olaf Damm. Neben vielen Treffen mit mongolischen Partnern wurde unsere Delegation auch vom deutschen Botschafter H. Schröder empfangen. Eine Spende des Kreistages für die Opfer der Dürre- und Kältekatastrophe im Jahr 2000, bei der mehr als 600.000 Tiere starben, wurde an einen Vertreter des Mittelgobi-Aimaks übergeben. Nach der Reise wurde in Waltersdorf eine weitere Spende an den mongolischen Botschafter B. Bayarsaikhan übergeben, um in Ulaanbaatar ein Waisenheim zu unterstützen. Die mongolische Delegation im Jahr 2001 stand unter Leitung von Bürgermeister D. Zorigt. Im Jahre 2002 wurde in Waßmannsdorf das erste deutsch-mongolische Volksfest gefeiert.

Eine Tradition, die bis heute fortgesetzt wird, konnte damit begründet werden. Zum 666. Jahrestag der Gemeinde Waßmannsdorf, im Jahre 2003, wurde neben dem mongolischen Botschafter Terbischdagva auch der Minister für Industrie und Handel der Mongolei, Herr Ganzorig, begrüßt. Der 666. Jahrestag wurde zusammen mit dem 2. deutsch-mongolischen Volksfest gefeiert. Zu diesem zweiten deutsch-mongolischen Volksfest war auch der bekannte Vertreter der deutschen Mongolistik Prof. W. Heissig aus Bonn eingeladen, der aber auf Grund gesundheitlicher Probleme leider absagen musste, jedoch an alle Teilnehmer des Festes eine herzliche Grußbotschaft übersandte. Selbstredend, dass zur Eröffnung der mongolischen Botschaft im Juli 2003 in Pankow eine Schönefelder Delegation teilnahm, um am Rande des Festes auch mit dem mongolischen Außenminister Herrn L.Erdenechuluun ins Gespräch zu kommen.

Es wird zuviel, wenn man alle Aktivitäten im einzelnen aufzählen würde, aber zahlreiche Ausstellungen, Empfänge und Informationsveranstaltungen, der Kinder- und Jugendaustausch, die Ausbildung von Praktikanten in den Bereichen Metallverarbeitung und Fenster- und Türenbau, die Übergabe zahlreicher Spenden, die direkte Zusammenarbeit von Kindergärten und Schulen, die gemeinsame Teilnahme an wichtigen Foren, wie z.B. das der Konrad-Adenauer-Stiftung „Dschingis Khans Erben im 21. Jahrhundert“, wurden angeschoben und kennzeichnen den langen und gemeinsamen Weg einer fast zehnjährigen guten Zusammenarbeit.

Am 5. Deutsch-Mongolischen Volksfest, welches unter der Schirmherrschaft des mongolischen Botschafters Dr. T. Galbaatar und Landrat Martin Wille stand, nahmen neben einer 14köpfigen Delegation aus der 38. Schule aus Ulaanbaatar, dem Präsidenten und dem Generalsekretär der mongolischen Freundschaftsgesellschaft, eine Delegation aus Bayangol unter Leitung des Bürgermeisters Zogtbaatar teil.

Natürlich hoffe ich auch zum diesjährigen Fest, viele mongolische und deutsche Freunde und Bekannte aus der Zeit der Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren wieder zu treffen. Wir werden alles tun, damit sich diese Zusammenarbeit weiter fortsetzt. Waren bisher im Rahmen unserer Aktivitäten ca. 50 Bürger aus Deutschland in der Mongolei, werden in den kommenden Jahren sicherlich noch viele folgen.

Letzte Meldung aus der Mongolei – von FAZ und AA (Auswärtiges Amt):

Den sichersten Stand hat man auf drei Beinen. Unter dieses Motto stellt die mongolische Regierung ihre Außenpolitik. Eingezwängt zwischen Russland und der Volksrepublik China, sucht das dünn besiedelte, aber an Rohstoffen reiche Land im Rest der Welt nach Partnern, die helfen, die erst 1990 gesicherte Unabhängigkeit auch langfristig zu sichern. Ministerpräsident Sanjaa Bayar erläuterte bei einem Besuch in der Redaktion dieser Zeitung, seine Regierung sei an Investitionen deutscher Unternehmen sehr interessiert. Zum Beispiel harrten große Kohlevorkommen in der Mongolei der Erschließung. Die politisch heikle Lage des Landes zwischen zwei übergroßen Nachbarn deutete Bayar nur an. Wenn deutsche Investoren etwa eine Anlage zur Kohleverflüssigung bauten, werde dies die Abhängigkeit der Mongolei von Energielieferungen aus Russland reduzieren. Deutschland sei in Europa der wichtigste Partner. Zwar habe es im Sommer vergangenen Jahres Unruhen in der Hauptstadt Ulan Bator gegeben. Aber insgesamt sei die Mongolei mittlerweile eine stabile Demokratie, sagte Bayar. Damit das so bleibe, setze seine Regierung auf Kooperation mit dem Ausland. Dann könne die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit ebenso reduziert werden wie die Zahl der Armen im Land. (FAZ)

Aufgrund aktueller Vorfälle weist das Auswärtige Amt darauf hin, dass zunehmend gewalttätige Überfälle zu beobachten sind. Außerhalb des Stadtzentrums und nach Einbruch der Dunkelheit wird daher ausdrücklich davon abgeraten, sich allein in Ulan Bator (alternative Schreibweise: Ulaanbaatar) zu bewegen.

Besondere Vorsicht ist bei der Benutzung von Privattaxis angebracht. Sofern der teilweise stark überhöhte Fahrpreis nicht gezahlt wird, kann es zu äußerst unangenehmen Situationen mit dem Fahrer kommen. Taxis sollten nicht allein benutzt werden. In jedem Fall sollte man auf der Rückbank Platz nehmen und das Zusteigen von weiteren Fahrgästen vermeiden. In einigen Fällen hat es sich bei den Zugestiegenen um Komplizen gehandelt, die gemeinsam mit dem Fahrer den Raub am Fahrgast durchgeführt haben.

Auf Märkten (insbesondere der „Schwarzmarkt“, auch Narantuul-Markt), in Einkaufszentren, in Kaufhäusern und in der Nähe touristischer Sehenswürdigkeiten (v.a. Gandan-Kloster in Ulan Bator) sollte man sich vor Taschendieben in Acht nehmen. (Auswärtiges Amt – Sicherheitshinweise)

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2009/05/03/bis_in_die_aeusserste_mongolei/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Von Zude, der zuletzt Politologie in Berlin und Stuttgart studierte und nun Beamter in der Akdademie der Wissenschaften der Mongolei ist, daneben noch Handelsvertreter für drei deutsche Firmen, erfuhr ich heute, dass der semiewenkische Künstler Michail Grey Wolf Guruev vor einigen Tagen oder Wochen starb – in seinem Basislager am Huvskul-See in der Nordmongolei, wo er ein Kulturzentrum für die kleinen nordasiatischen Völker und ein Denkmal für die Tiere errichtete.

    Er hinterließ eine Frau in Ulan-Udet und drei Töchter, wovon eine ebenfalls in Burjatien und zwei in Schweden leben.

    Auf seiner Webpage „http://www.grey-wolf-guruev.com/html/frame/personal_set.html“ schrieb er:

    My name is Michail Grey Wolf Guruev. Whilst my Buryat Wife with our Evenk Daughter live in the Siberian Republic of Buryatia, a member of the Russian Federation, I do roam places between Mongolia and Finland being a nomade by my nature. Because having such character I’m an artist without studio.
    My fields are GRAPHIC, PAINTING, TEXTILE, SCULPTURE and DESIGN.

    Having exclusively the theme „Natur & Man“ and not vice versa as my own, all works of art are created under the open sky in presence of my animal relation.
    My mother derives from the Evenkis, a small Tungus nomadic nation native in regions of Siberia, Mongolia and Northern China. Father is an European unknown.

    Our primary source of occupation is reindeer herding (Asiatic First Nations are the only one worldwide who rides them), hunting,fishing and horse breeding, but some of our people are busy in ‚higher‘ leveled professions.

    More information about our various peoples and regions you’ll find in: http://www.baikal.net,
    http://www.spri.cam.ac.uk/people/jeoh2/2evenki.htm and in THE BEST OF MY FAVORITE ‚PAGES.

    For those who are interested in as well for the media’s use, read what’s written by others under CURRICULUM VITAE ‚cause nothing is to hide.

    WISHES OF MINE

    1st) May I have your attention for a social project? Please visit the project CULTURE CENTER OF NORTHERN ASIAN FIRST PEOPLES‘ ART.

    2nd) Most important for me is to have a manager or gallery located outside of the Russ. Federation and Mongolia who like to devote time for organizing expositions, workshops, events, projects and does sale my art. Also I would like to own the help of an agent of literature who cares for ethnic art books.

    3rd) Being very creative and productive my works range from all size. From the design for a stamp up to large murals – interior & exterior. For great projects I’ll be willing to travel outside of my place if they are profitable enough. A manager may cause a good order, certainly by his or her own profit.

    4th) I like to offer my creative power to any kind of merchandise-productions, that like to own northern wildlife as reflection. In this case I think on: Books, calendars, posters, T-shirts, packings, souvenirs, et cetera.

    5th) I previously work with architects in many regions and would be willing to work in your area as well. Such works run under ‚Architecture & Art‘ and can show huge sculptures and wallpaintings, in- or outdoors. Some customers of my past were: ‚Simson & Sears‘, ‚Tchibo‘, ‚Unilever‘, ‚GermanFederal Institute of Oceanfishery‘, ‚German-Japanese-Centre‘, ‚Media-Center‘, ‚State Museum of Ethnology‘ and ‚Museum of the State Institute of Zoology‘ (the letter in Germany), etc., etc..

    6th) I’m also fit in the designing of carpets, scarves and other textiles which need a circulat or seamless view.

    For each reason you can reach me under sereme.guske@gmail.com.

    Please note: All fees bear my financial support for the top named center!

    MY ARTISTICAL CAREER

    Being a self-educated artist, many clippings tell about expositions mostly held in museums of Buryatia, Russia, Finland, Germany etc. and about workshops in Mongolia, Norway, Canada or USA.
    Also a t.v.-report was done on me and my work, ditto local t.v.- & radio-coverages. But such were never happen in Canada or USA, two countries which gave me the possibility of global thinking.

  • Jetzt kommt dazu auch noch, dass wegen der vielen Fleischeporte nach China die Fleischpreise in der Mongolei immer mehr steigen. Das Kilo Rindfleisch kostete schon fast so viel wie in Deutschland. Und das bei derzeit 36 Millionen Stück Vieh in der Mongolei.

    „mongolei.de/news meldet:

    0. Viehzählung 2011
    Im Dezember veröffentlichte das Nationale Amt für Statistik das vorläufige Ergebnis der Viehzählung 2011. Danach weiden in der Mongolei insgesamt 36 005 800 Nutztiere, 3 276 300 mehr als im vergangenen Jahr.
    Die Anzahl der Pferde erhöhte sich um 172 700 auf 2 093 000, die der Rinder um 139 100 auf 2 315 100, die der Kamele um 10 000 auf 279 600, die der Schafe um 1 028700 auf 15 509 100 und die Zahl der Ziegen erhöhte sich um 1 925 800 auf 15 809 000.

    1. „Mining Mongolia – 90″
    Im Rahmen des 90-jährigen Jubiläums des mongolischen Bergbaus organisieren das Ministerium für Mineralische Rohstoffe und Energie und die Bergbaubehörde am 09. und 10. Mai das internationale Forum „Mining Mongolia-90“.
    Im Februar 1922 fasste die erste Volksregierung den Beschluss, die Inbetriebnahme einer Kohlegrube in Nalaikh unter staatliche Verwaltung zu stellen.
    Heute werden im Bergbau 20,2 Prozent des BIP erwirtschaftet, 69,6 Prozent der Industrieproduktion und 89,2 Prozents des Exports. Dem Bergbau sei es zu verdanken, dass die mongolische wirtschaft im vergangenen Jahr um 17 Prozent gewachsen sei.
    Für mehr Informationen siehe auch http://www.miningmongolia90.mn

    2. Hungerstreik
    Die Viehhalter im Bukhmurun-Sum im Uvs-Aimag haben einen viertägigen Hungerstreik angekündigt.
    Damit wollen sie gegen die Schädigung und Zerstörung ihrer Weiden durch Bergbauunternehmen protestieren.
    Allein für das Territorium des Khar-Altat-Bags (kleinste administrative Einheit auf dem Land) seien sieben Kohleförderungslizenzen und neun Erkundungslizenzen vergeben worden. Bald werde ein Leben in unserer angestammten Heimat nicht mehr möglich sein, erklärte der Vorsitzende der Bürgerbewegung „Bayan Murun“ Ts. Amartaivan.
    Schreiben an die Unternehmen und an die drei Abgeordneten des Aimags seien bisher unbeantwortet geblieben. Nun sei die Zeit des Kämpfens gekommen.

    3. Streit um Bodenschätze
    Die mongolische Regierung will verhindern, dass die Aluminium Corporation of China Limited (Chalco) die Ivanhoe-Anteile am Kohleproduzenten South Gobi Resources übernimmt und hat die Explorations- und Minenlizenzen des Unternehmens ausgesetzt.
    Betroffen ist auch die Ovoot Tolgoi-Kohlemine, wo geschätzte 175,7 Millionen Tonnen Kohle lagern.
    Das Übernahmeangebot von Chalco an Ivanhoe Mines beläuft sich auf 928 Millionen US-Dollar für 60 Prozent der Eigentumsanteile.
    Nach dem vorläufigen Stopp seitens der mongolischen Regierung sanken die Aktienkurse von Chalco um 1,6 Prozent auf 3,70 Hongkong-Dollar, die von South Gobi fielen um zehn Prozent auf 49,90.
    Am 20. April hatte Tom Albanese, Vorstandsvorsitzender von Rio Tinto, das seine Eigentumsanteile an Ivanhoe Mines mittlerweile auf 51 Prozent erhöht hat, erklärt, den South Gobi-Anteilsverkauf noch einmal überdenken zu wollen. Der Verkauf würde jedenfalls dem Hauptziel des Unternehmens (die Ausbeutung der Gold- und Kupfermine Oyutolgoi) nicht entgegenstehen.
    Das Angebot Chalcos sei das höchste gewesen. Trotzdem würde Rio Tinto versuchen, die Bedenken der mongolischen Regierung zu berücksichtigen.

    4. Oyutolgoi-Inbetriebnahme
    Robert Friedland, Vorstandsvorsitzender von Ivanhoe Mines Ltd., informierte in Vancouver (Kanada) darüber, dass 73 Prozent des Oyutolgoiprojektes umgesetzt seien, bezüglich der Kupferförderung 80 Prozent.
    Im 4. Quartal dieses Jahres soll die Aufbereitung von Kupfer, Gold und Silber beginnen, im ersten Halbjahr 2013 die volle Produktionskapazität erreicht sein und Oyutolgoi offiziell in Betrieb gehen.
    Zu den bisher investierten fünf Milliarden USD müssten weitere vier Milliarden hinzugefügt werden. Dazu seien Verhandlungen mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, mit dem IWF, BNP Paribas, der kanadischen Exportagentur u. a. aufgenommen worden.
    Nach der vollen Inbetriebnahme 2013 sollen bis 2023 jährlich 544 000 Tonnen Kupfer, mehr als 600 000 Unzen Gold und etwa drei Millionen Unzen Silber gefördert werden.

    5. Falsche Schamanen
    In den letzten Jahren habe die Zahl falscher Schamanen, die hilfesuchenden Menschen mit sinnlosen, teilweise schädlichen Praktiken das Geld aus der Tasche zögen, zugenommen. Das Präsidialamt habe deshalb eine Initiative gestartet, um die Bürger zu schützen und diesem negativen Trend entgegen zu wirken. Zu diesem Zweck sollen diesbezügliche Erkenntnisse in den Aimags, in der Hauptstadt und in deren Stadtbezirken zusammen geführt werden. Kriminelle Machenschaften müssten aufgedeckt und entsprechend geahndet werden.
    Selbsternannte Schamanen versprächen Heilung von schweren Krankheiten, Abwehr von Not und Leid und sammelten damit nicht selten Millionen von Tugrug, Gold und Schmuck ein.
    Sie erböten sich, hauptsächlich sehr junge Mongolinnen zu Schamaninnen „auszubilden“.
    Das Strafgesetz ermöglichte die Verurteilung solcher Täter. Die ersten seien bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

    6. Frühjahrsaussaat ab Mai
    In einem Gespräch mit MONTSAME erklärte der stellvertretende Abteilungsleiter für Ackerbau im Landwirtschaftsministerium D. Yoson-Erdene, in diesem Jahr sei der anbaue von 330 000 Hektar Getreide, 15 000 Hektar Kartoffeln, 8 000 Hektar Gemüse und 18 000 Hektar Futterpflanzen geplant.
    Am 12. April finde in Darkhan die „Nationale Beratung der Ackerbauern“ statt, bevor ab Mitte Mai die Aussaat beginnt.

    7. Statistik Januar 2012
    Am 10. Februar veröffentlichte das Nationale Amt für Statistik die Zahlen für Januar 2012.
    Danach wurden 6 033 Kinder geboren, 843 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
    105 Babys starben vor ihrem ersten, 21 Kinder vor ihrem fünften Geburtstag. Das sind elf bzw. fünf mehr als im Januar 2011.
    Arbeitslos gemeldet waren 58 200 Menschen, 19 800 mehr als im Vorjahr.
    Aus dem nationalen Bevölkerungsentwicklungsfonds erhielten im Januar 2,6 Millionen Bürger insgesamt 32,9 Milliarden Tugrug.
    Die Zahl der registrierten Straftaten erhöhte sich um 413 auf 2 265.
    Infolge von Straftaten starben 199 Menschen, 707 wurden verletzt, 20 bzw. 61 mehr als im Januar 2011.
    Die Inflationsrate stieg im Vergleich zum Januar 2011 um 10,2, im Vergleich zu Dezember 2011 um 2,8 Prozent.
    Das Außenhandelsdefizit erhöhte sich von 139,6 auf 254,6 Millionen USD.
    Die Viehverluste sanken von 41 700 auf 22 800, davon waren 9 200 Schafe und 9 800 Ziegen.
    Die Industrieproduktion erreichte 154,8 Milliarden Tugrug, eine Steigerung um 5,7 Prozent. Milliarden.
    Bei 343 Verkehrsunfällen starben 13 Menschen.

    8. Gegen die Schließung der Bonner Mongolistik
    Aus Bonn erreichte uns die Nachricht, dass die Mongolistik an der Bonner Uni geschlossen werden soll.
    Lehrkräfte und Studenten bitten um Unterstützung für ihren Kampf gegen diese Maßnahme.
    Wir veröffentlichen hier den Wortlaut des Schreibens der Mitarbeiter und Studenten des Instituts für Orient- und Asienwissenschaften (IOA).

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Bonner Mongolistik ist ein traditionsreicher und weltweit
    renommierter Fachbereich des Instituts für Orient- und
    Asienwissenschaften (IOA) der Universität Bonn. Die Bibliothek unserer
    Abteilung ist deutschlandweit einzigartig.

    Aufgrund kurzsichtiger Sparpolitik soll nun die Mongolistik
    geschlossen werden, obwohl die Mongolei in Zukunft stärker in den
    Blick deutscher Politik kommen wird. Eine Schließung wäre angesichts
    dessen und der einzigartigen Stellung der Bonner Mongolistik ein
    völliger Fehltritt!

    Wir, Dozenten und Studenten des IOA, bitten Sie daher, Ihre Stimme
    kundzutun und bei unserer Unterschriftenaktion gegen die Schließung
    der Mongolistik und weitere zukünftige Schließungen im IOA
    mitzumachen. Die Liste wird an Frau Ministerin Schulze des
    Wissenschaftsministeriums NRW geschickt.

    Aus technischen und organisatorischen Gründen müssen wir auf eine
    elektronische Liste zurückgreifen (es gibt z.B. noch keine sog.
    Öffentlichen Petitionen online für NRW).

    Bitte senden Sie uns daher lediglich eine Antwort-Mail
    an zentralasien@uni-bonn.de, die den
    folgenden Text ,unterschrieben mit Ihrem Namen enthält:

    „Hiermit wende ich mich gegen die Schließung der Mongolistik und
    weitere zukünftige Schließungen im IOA.
    Ich stimme zu, dass mein Name anstatt einer persönlichen Unterschrift
    auf der Unterschriftenliste erscheint.“

    Sie werden dann von uns in eine Liste eingetragen.

    Bitte leiten Sie diese Mail an Ihre Mitglieder weiter.
    Wir danken für Ihre Hilfe und Unterstützung!

    Jens Thomas, M.A.

    Universität Bonn
    IOA, Abt. für Mongolistik und Tibetstudien
    Regina-Pacis-Weg 7
    D-53113 Bonn
    jcthomas@uni-bonn.de
    zentralasien@uni-bonn.de

  • n-tv.de meldete im November 2010:

    Mongolen profitieren kaum

    Die Mongolei ist reich an Bodenschätzen. Aber seine Bevölkerung ist bettelarm. Von der Ausbeutung der Bodenschätze in ihrem Land haben die Mongolen ziemlich wenig. Schlimmer noch: Inflation und Arbeitslosigkeit machen ihnen das Leben noch schwerer.

    Gigantische Bodenreichtümer wie Kohle, Gold, Silber, Uran, Zink und Flussspat sind in dem Land zwischen China und Russland entdeckt worden. Unter dem kargen Steppenboden wird noch viel mehr vermutet. Was die Mongolei attraktiv macht für rohstoffhungrige Industrieländer wie den großen Nachbarn China oder auch Südkorea. Nach den bislang entdeckten Rohstoffvorkommen nimmt die Mongolei den 14. Platz in der Welt ein – nach den vermuteten sogar den 3. Platz. Doch wem gehören die Bodenschätze und wer profitiert davon?

    „Die Chefs werden immer reicher. Für uns hingegen wird alles immer teurer“, sagt Altangerel, Angestellte in einem Kosmetikstudio in Ulan-Bator. „Kostete ein Liter Milch vor wenigen Jahren noch 700 Tugrug (39 Cent), muss ich jetzt das Doppelte bezahlen.“ Sie kann die Begeisterung der mongolischen Politiker und ausländischen Multis über den zu erwartenden Bergbauboom im Land nicht teilen.

  • Wallstreet. online meldete:

    Mit einer spektakulären Meldung macht ein Land auf sich aufmerksam, das über die letzten großen ungehobenen Rohstoffvorkommen dieser Welt verfügt – die Mongolei.

    Um Geld in die Staatskasse zu bekommen, will das fernöstliche Land seine Rohstoffvorkommen nach und nach privatisieren und an die Börse bringen. Auf diesem Wege könnte die Mongolei, so etwa die Einschätzung von Alisher Djumanov von Eurasia Capital Management in Beijing, in den kommenden drei Jahren mehr als drei Milliarden US-Dollar neues Kapital einnehmen. Geld, das dringend für die Weiterentwicklung des Landes benötigt wird.

    Bei der Privatisierung der Rohstoffvorkommen möchte man auch westliche Investoren berücksichtigen, so versichert der Premierminister des Landes, Süchbaataryn Batbold, in einem Interview mit Bloomberg.

    Erfolgreiche Beispiele

    Wie das dann konkret aussieht, dafür gibt es bereits einige Beispiele. So etwa das Tavan Tolgoi Kohleprojekt, für dessen Erschließung die Mongolei im letzten Oktober ein Abkommen mit Ivanhoe Mines geschlossen hat. Ein anderes Abkommen wurde mit Rio Tinto unterzeichnet, das die Entwicklung des Kupfer-Gold-Projektes Oyu Tolgoi vorsieht. Oyu Tolgoi wird von Rio Tinto als das weltweit größte Vorkommen dieser Art bezeichnet, das über einen Zeitraum von 30 Jahren (!) abgebaut und einen Umsatz von 30 bis 50 Milliarden US-Dollar generieren kann.

    Großes Interesse an Kohle

    Als besonders aussichtreich wird von Experten das Kohlevorkommen in der Mongolei bewertet. Zumal die potenziellen Abnehmer, Russland und die Volksrepublik China, unmittelbare Nachbarn sind. So ist die bereits erwähnte Ivanhoe Mines am Minenbetreiber SouthGobi Energy Resources beteiligt, der in der Mongolei Kohlevorkommen von 400 Millionen Tonnen besitzt.

    SouthGobi Energy Resources ist seit einigen Jahren an der Börse in Toronto gelistet – das Kürzel lautet SGQ – und wird dort derzeit mit einer Marktkapitalisierung von 2,6 Milliarden Kanadischen Dollar bewertet. Zudem hat das Unternehmen erst vor wenigen Wochen einen Börsengang in Hongkong (HK:1878) durchgeführt. In der ehemaligen Kronkolonie stießen die Papiere auf großes Interesse, es konnten in kurzer Zeit knapp 460 Millionen Kanadische Dollar eingesammelt werden.

    Geheimtipp Prophecy Resource

    Ein Listing in Hongkong plant auch eine Gesellschaft, die derzeit noch ein absoluter Geheimtipp ist: Prophecy Resource (CA:PCY, WKN A0MS1Q). Das Unternehmen wird nach der angekündigten Übernahme von Red Hill Energy (CA:RH) in der Mongolei zwei Kohlelagerstätten haben, die zusammen auf Vorkommen von über 1,5 Milliarden Tonnen kommen. Das ist also fast viermal soviel wie SouthGobi aufweisen kann.

    Nach dem Zusammenschluss von Prophecy Resource und Red Hill Energy werden beide Gesellschaften zusammen aber nur auf eine Marktkapitalisierung von 35 Millionen Kanadische Dollar kommen. Verglichen mit dem Konkurrenten SouthGobi Energy, der wie bereits erwähnt mit 2,6 Milliarden Kanadischen Dollar bewertet wird, ist das wirklich sehr wenig.

  • „Mongolei.de“-News meldete im Herbst 2010:

    Entlassungen bei Boroo Gold

    Bis Dezember will Boroo Gold 250 Arbeiter und Angestellte entlassen. Der Betrieb in Boroo werde demnächst eingestellt und die Betriebsaufnahme in Gachuurt verzögert sich wegen der ungeklärten Entscheidung über das Wald- und Wasserschutzgesetz weiter.
    Den Betroffenen würden Übergangsgelder gezahlt.
    Die Leitung des kanadischen Unternehmens bedauerte die Entscheidung, aber sie hätte keine andere Wahl.

  • Und schließlich sei noch ein Text über eine japanische Beschäftigung mit der Mongolei hier angehängt. Die meisten Touristen dort sind Japaner – für sie ist die (äußere) Mongolei der Wilde Westen und ihr Interesse an diesem Land und seiner Kultur ist mindestens ebenso groß wie das der Koreaner, wenn auch anders gelagert.

    Den folgenden Text druckte zuerst die F.R. – allerdings gekürzt. Als ein Germanistik-Institut in Tokio ihn in einen Sammelband aufnehmen wollte, bestand ich darauf, nicht die schlecht gekürzte FR-Fassung zu nehmen, sondern den Originaltext, den ich der höflichen aber unnachgiebigen Japanerin dann auch zuschickte. Sie wollte davon aber nichts wissen! Es galt für sie albernerweise nur das, was in der Zeitung stand!

    „Opa war in Ordnung“

    Die äußerste Mongolei – als japanische Innerei

    In der Mongolei stellen die Japaner alljährlich das größte Tourismus-Kontingent, ihr Beitrag zur Entwicklungshilfe ist ebenfalls der höchste – er ist u.a. als eine Form von Wiedergutmachung gedacht. Während des russischen Bürgerkriegs und des Zweiten Weltkriegs waren sie wiederholt in Sibirien und der Äußeren Mongolei eingefallen. Anschließend hatte man dort tausende japanische Kriegsgefangene beim Wiederaufbau eingesetzt. Heute erinnert ein Denkmal in Ulaanbaatar an sie.

    Dorthin gehen die japanischen Touristen als erstes – und zünden ein Räucherstäbchen für die Seelen der dort Gestorbenen an. Danach mieten sie gerne eine Jurte auf dem Land – und meditieren bzw. genießen die Einsamkeit sowie den bestirnten Himmel über sich. Mehr als 40 Japanerinnen haben inzwischen Viehzüchternomaden geheiratet.

    Einmal machte auch der Erfolgsautor Haruki Murakami aus Tokio Urlaub in der Steppe. Er hatte fünf Bücher mit dabei – über die Kämpfe zwischen Japan und der Sowjetunion bzw. der Mongolei, und speziell über die Schlacht von Nomonhan, an der Grenze zwischen der Äußeren Mongolei und der Mandschurei, über die es auch viele sowjetische und mongolische Bücher gibt.

    Nach Lektüre seiner Bücher hatte Murakami den starken Eindruck: Sibirien ist eine japanische Seelenlandschaft! Wieder zurück in Tokio schrieb er einen 750-Seitenroman mit dem Titel „Mister Aufziehvogel“ – über die Sinngebung des Sinnlosen mittels der Geschichte eines leicht ermüdeten Ich-Erzählers, dem sich einige Episoden aus dem japanischen Überfall auf China und die Mongolei zu einer Reihe mehr oder weniger blutrünstiger Abenteuer bündeln, die bis heute fortwirken. Wobei sie jedoch zu Opfergängen umgedeutet werden, die erst im Ich-Erzähler selbst – einem arbeitslosen jungen Juristem, dem erst sein Kater und dann auch noch seine Frau weggelaufen sind – einen neuen Sinn ergeben.

    Die erste „lange Geschichte“ erfährt er mündlich und handschriftlich von einem Veteranen namens Leutnant Mamiya. Dieser ist ein Kriegskamerad von Herrn Honda, den der Ich-Erzähler und seine Frau in den ersten Jahren ihrer Ehe auf Anraten seiner Schwiegereltern regelmäßig konsultiert hatten – bis sie ihn einfach vergaßen, „so wie die meisten vielbeschäftigten jungen Leute dazu neigen, die meisten alten Leute zu vergessen“. Von Mamiya erfährt er, dass dieser zusammen mit Honda 1938 an einem geheimen Kommandounternehmen gegen die mongolische Volksrepublik teilnahm. Ihre Aktion war jedoch gescheitert und Mamiya anschließend für zehn Jahre in einem sibirischen Arbeitslager inhaftiert worden. Es folgt eine detaillierte Schilderung dieser „Hölle“ – bis rauf zum damaligen NKWD-Chef Berija. Damit wird erklärt, warum Mamiya bis zu seiner Repatriierung als Spitzel im Lager diente: Weil er der russischen Sprache mächtig war, wollte man ihn als Dolmetscher für die Zwangsarbeiter verwenden.

    Im „sibirischen Konzentrationslager“ brachte er es dann bis zum Adjudanten des Leiters, d.h. er war dort für „das Geschäftliche zuständig“, während ein ehemaliger mongolischer Ringer gleichzeitig die „gewalttätige Seite“ verantwortete. Anfang 1949 verschiffte man ihn von Nachodka aus nach Japan: Ein Spätheimkehrer, der zu Hause nirgends mehr richtig Fuß fassen kann, dennoch alle seine Kriegskameraden überlebt. „Die meisten Soldaten, die in sowjetische Gefangenschaft geraten waren, weigerten sich nach dem Krieg, am Gefangenenaustausch teilzunehmen, weil sie befürchteten, wegen Feigheit vor dem Feind vor Gericht gestellt zu werden. Diese Männer düngten zuletzt mit ihren Knochen die mongolische Erde,“ schreibt Murakami.

    Neben den militärischen Aktionen gab es auch zivile japanische Siedlungsprojekte. Murakamis zweite Geschichte stammt von den Kindern solcher Siedler, die in der Mandschurei aufwuchsen, aber dann nach Japan flüchten mußten. Sie erinnern sich zunächst an die Ängste ihrer Mutter, erst von sowjetischen Soldaten vergewaltigt und – zuletzt – auf dem Flüchtlingsschiff von einem amerikanischen U-Boot torpediert zu werden, derweil die Stadt Nagasaki ganz in der Nähe von einer Atombombe ausradiert wird. Als die überlebenden zwei Töchter nach dem Krieg im demokratischen Japan endlich einen Neuanfang wagen wollen – ist ihre Vertriebenen-Mutter am Ende: Sie sehnt sich nur noch in die Mandschurei zurück und „erzählt von der glücklichen Vergangenheit, die hinter ihr liegt“.

    Nach dem Scheitern seiner Mission in der Äußeren Mongolei wurde der Berichterstatter Mamiya gezwungen, einer Folterung zuzusehen, bei der einige wilde mongolische Soldaten seinem hochzivilisierten japanischen Vorgesetzten mit dem Messer die Haut abzogen.

    Fast die selbe Scene hatte zuvor bereits der chinesische Erfolgsautor Mo Yan in seinem inzwischen von Zhang Yimou verfilmten Roman „Das rote Kornfeld“ geschildert. Nur dass es hier ein Chinese war, den die Japaner bei lebendigem Leibe enthäuteten, was sie perfiderweise von einem chinesischen Schlachter erledigen ließen, der anschließend wahnsinnig wurde. Mo Yan und Zhang Yimou wurde wegen dieser und anderer Szenen von vielen China-Watchern „Antijapanismus“ vorgeworfen

    Für Murakami erklärt sich die mongolische Grausamkeit aus den vorangegangenen Stalinschen Säuberungen, die auch in der Mongolei zu Verhaftungen und Liquiderungen führten – vor allem von Adligen, Händlern, buddhistischen Mönchen, Schamanen und „rechten Abweichlern“ in der kommunistischen Partei, denen man allesamt vorwarf, in geheimer Verbindung zu den Japanern gestanden zu haben, um mit ihrer Hilfe die Mongolei aus dem sowjetischen Einflußbereich quasi herauszuputschen: „offenbar fühlten sich die Mongolen uns Japanern, als Mitasiaten, näher als den Russen,“ vermutet Murakami.

    In der Mandschurei bekamen die Japaner es dann mit den „antijapanischen Guerillaeinheiten“ der Chinesen zu tun. Und schließlich mit den Sowjets, die ihr mandschurisches Hauptquartier einnahmen. Um ihnen nicht in die Hände zu fallen, kommt es unter den japanischen Zivilisten zu Massenselbstmorden. Einem kleinen Kommando gelingt es gerade noch, im Zoo von Hsing-ching die gefährlichsten Raubtiere zu erschießen. Einer der Soldaten dieses Kommandos hat im Roman keinen anderen Namen als den, „der später in einem Bergwerk in der Nähe von Irkutsk erschlagen werden würde.“ Für die letzten Flüchtlinge gilt unterdes: Kaum dass sie das „Land ihrer Ahnen“ endlich erreicht haben, versank das „Phantomreich Mandschukuo bereits in den Nebeln der Vergangenheit“. Eine der Heimatvertriebenen heiratet später einen anderen Flüchtling vom Festland. Dieser wird dann jedoch in einem Hotelzimmer ermordet – wobei die unbekannten Täter seine Innereien herausschneiden und damit verschwinden.

    Für den ideellen Gesamt-Enkel, der sich mit diesen ganzen verlorenen Gebieten, Geschichten, Organen und Metzeleien beschäftigt, ist natürlich auch eine „empirische Untersuchung über den Schmerz“ unverzichtbar. Er baut dazu quasi den mongolischen Brunnen nach, in den der Leutnant Mamiya seinerzeit auf Befehl eines NKWD-Offiziers geworfen worden war. Vom trockenen Grund aus gelingt es dem Ich-Erzähler, gedanklich zu den generationsübergreifenden Anknüpfungspunkten vorzustoßen. Und nachdem er sich „ein Paar neue Schuhe“ gekauft hat, vermag er daraus sogar ein Geschäft zu machen, mit dem er endlich seinem erfolgreichen Schwager gewachsen ist. Vergebens warnen einflußreiche Kräfte den Ich-Erzähler: „Das halten Sie nicht ewig durch. Früher oder später ist der Saft raus!“

    An dieser Stelle kommt das Internet ins Spiel – und zwar dadurch, daß er im Computer des Enkels des Zoo-Veterinärs von Hsing-ching die Paßwörter „zoo“ und „u-boot“ errät. Im Laufe seiner Geschichte hat sich der Ich-Erzähler derart in die Vergangenheit verstrickt, daß ihm bereits die Lektüre einer Tageszeitung „die Verbindung zur äußeren Wirklichkeit herstellt“. Aber auch dort stößt er prompt wieder auf ein loses Ende seiner Recherchen: Auf den Onkel seines ihm feindlich gesonnenen Schwagers, der in den 30er-Jahren auf Sachalin Kälteexperimente durchführte, um die optimale Bekleidung für Soldaten in einem zukünftigen Sibirien-Feldzug zu testen. Dieser „Technokrat“, schreibt Murakami, „war zwei Jahre lang in Berlin stationiert gewesen“. Nach 1945 hatten ihn die Amerikaner als zu „belastet“ für ein öffentliches Amt eingestuft, später kandidierte er jedoch für die Konservative Partei und wurde Parlamentsabgeordneter. Diesen Sitz soll nun sein junger, dynamischer Neffe quasi erben.

    Vorher schickt der Enkel des Zoo-Veterinärs dem Ich-Erzähler aber noch eine Email, in der er ihm erzählt, wie sein Opa in Hsing-ching erst Zeuge der Hinrichtung der Raubtiere wird und dann bei der Exekution einer Gruppe junger chinesischer Kadetten, die aus der japanischen Militärakademie desertiert waren, hinzugezogen wird. Um Munition zu sparen, erstach man sie mit dem Bajonett, bis auf ihren Anführer, der mit einem Baseballschläger getötet wird, wobei es ihm gelingt, den Veterinär noch im Sterben mit in das Massengrad zu ziehen. Daran stirbt dieser aber nicht. Er wird wenig später von den Sowjets gefangen genommen und als Zwangsarbeiter in ein „sibirisches Kohlenbergwerk“ deportiert. Dort kommt er bei einem Schachtunfall ums Leben.

    Der Ich-Erzähler nimmt nun einen solchen Baseballschläger mit nach unten in seinen trockenen Brunnen, der im Garten seines neuerworbenen Hauses in Tokio steht. Von seinem Onkel hat er erfahren, daß das „Anwesen“ früher einem Eliteoffizier gehörte: „Die Soldaten, die unter seinem Kommando in Nordchina kämpften, bekamen alle möglichen Auszeichnungen, aber sie haben dort schlimme Dinge getan – fünfhundert Kriegsgefangene hingerichtet, Zehntausende von Bauern gezwungen, für sie zu arbeiten, bis die Hälfte davon tot umgefallen ist, solche Sachen…Und aus dem, was da ablief, konnte er sich ausrechnen, daß man ihn als Kriegsverbrecher vor Gericht bringen würde…Als er also eines Tages einen GI-Jeep vor seinem Haus halten sah, schoß er sich sofort eine Kugel durch den Kopf …Seine Frau hängte sich in der Küche auf…“ Dabei suchte der GI nur nach dem Haus seiner Freundin: „Er hatte sich verfahren und wollte nach dem Weg fragen“.

    Mit dem Baseballschläger in der Hand auf dem Grund des Brunnens sitzend, träumt der Ich-Erzähler davon, damit seinen Schwager während eines Wahlkampfauftritts den Schädel einzuschlagen. „In Wirklichkeit“ erledigt das dann aber am Schluß des Buches seine Frau, die ihren älteren Bruder noch mehr hasst, weil er ihre jüngere Schwester auf dem Gewissen hat und zudem einmal eine Prostituierte „mißbrauchte“. Dem Ich-Erzähler bleibt danach nichts mehr zu tun übrig, als darauf zu warten, dass sie aus dem Gefängnis entlassen wird – er liebt sie noch immer.

    Gleichzeitig hat der Autor damit aber die dunkle Vergangenheit Japans durch eine erschöpfte Enkelperspektive erhellt, indem er uns – laut Klappentext seines deutschen Verlags – erkennen läßt, daß unter dem (neobanalen) „Alltagsleben der Großstadtgesellschaft andere, geheime Kräfte wirken“ – nämlich die der Großväter! Das ist „Stephen King, Franz Kafka und Thomas Pynchon unter einen Hut…“, urteilte der Berliner Tagesspiegel.

    Ich würde dagegen eher von einer verbumfiedelten Mischung aus Manga und Landserroman sprechen, die zudem im wesentlichen auf einem Ideenklau basiert: Auf dem chinesischen Film „Alter Brunnen“ von Wu Tianming, dem der gleichnamige autobiographische Roman von Zheng Yi zugrundeliegt. Der Autor wurde dafür von Kenzaburo Oe für den Nobelpreis vorgeschlagen. Zheng Yi war einst einer der ersten Rotgardisten in Peking gewesen, seine Radikalität zeigte er u.a. dadurch, dass er die Mao-Anstecker auf der bloßen Haut trug, heute ist er einer der bekanntesten Öko-Aktivisten Chinas. Die Hauptrolle in „Alter Brunnen“ spielte Zhang Yimou, der dafür 1987 auf dem Internationalen Filmfest in Tokio als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde. In dem Film geht es um einen gebildeten Jugendlichen, der nach der chinesischen Kulturrevolution in sein Dorf zurückkehrt.

    Der Ort hat 127 Brunnen, sie sind jedoch alle trocken. Zusammen mit einer Frau macht er sich daran, einen der Brunnen tiefer zu graben. Dabei bricht eine Wand ein und die beiden werden verschüttet. Während sie auf Rettung warten, erzählen sie sich ihre Geschichte und die Gefühle, die sie füreinander haben.

  • Schließlich sei noch dieser Text – von Wei Wutai – hier abgebunkert:

    Mongolische Wölfe und chinesische Schafe

    Im März 2008 veröffentlichte der Bertelsmann-Verlag den ersten chinesischen Bestseller auf Deutsch: „Wolf Totem“. Er thematisiert die Lebensweise der Nomaden in der Inneren Mongolei – bzw. ihr Verhältnis zur Natur. Die chinesischen Kulturfunktionäre – und -beobachter sprechen von einem Marktwunder, weil sie sich nicht erklären können, wie ein solch langatmiger Roman bereits in wenigen Monaten über 500.000 Mal verkauft werden konnte: Er handelt fast ausschließlich von einem Tier, beinhaltet keine Sex- oder Liebesszenen und wurde zudem noch von einem bisher völlig unbekannten Autor geschrieben. Die Rede ist von Jiang Rong und seinem Buch „Wolf Totem“, in dem es um die Philosophie und Moral des „Wölfisch-Werdens“ geht. Sein Literatur- und Kunstverlag Yangtse inszenierte als Werbemaßnahme für das Buch einen heftigen Streit unter Kritikern, TV-Prominenten und erfolgreichen Geschäftsleuten – über den Hauptgedanken des Autors: „Für die heutigen Chinesen ist es notwendig, vom Geist des Wolfes zu lernen!“ Inzwischen findet man im Google unter den chinesischen Wörtern „Wolf Totem“ und „Jiang Rong“ 90.000 Eintragungen, was es bisher noch nie gab.

    Die Hauptfigur des Romans ist Chen Zhen, ein junger Mann, der während der Kulturrevolution (1966-76) Peking verlassen hatte und sich im Autonomen Gebiet der Inneren Mongolei niederließ. Dort wurde er mit dem ihm bis dahin fremden „Ethos der Steppe“ konfrontiert. So etwas Ähnliches gab es schon einmal – jedoch unter anderem Vorzeichen: Bei dem von 1986 bis zur Niederschlagung der Demokratiebewegung zum Kulturminister ernannten Schriftsteller Wang Meng, den man 1958 als Rechtsabweichler zur Umerziehung aufs Land geschickt hatte, wobei er 16 Jahre im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang verbrachte – das ihm dabei zur zweiten Heimat wurde. Die uigurischen Bauern hatten ihn nicht nur sehr freundlich aufgenommen, insbesondere Abdul Rahman und seine Frau in der Kommune Bayandai, bei denen Wang Meng und seine Familie wohnte, sondern auch während der Kulturrevolution vor allen Demütigungen geschützt. Mehr noch: Die dortigen Kader verschafften ihm sogar eine Anstellung als Redakteur und Übersetzer in der uigurischen Vereinigung der Kulturschaffenden. Der Schriftsteller revanchierte sich später mit mehreren schönen Erzählungen über das menschenfreundliche Leben in der uigurischen Steppe.

    Der Autor Jiang Rong nun bzw. sein Held Chen Zhen findet in der mongolischen Steppe heraus, dass die Wölfe dort in einer seltsamen Verbindung zu den Menschen stehen. Nur wenn man diese verstehe, so meint er, komme man auch der geheimnisvollen Region und ihren nomadischen Bewohnern auf die Spur. Die Steppe ist schon seit Urzeiten die Heimat der Wölfe, Chen bemüht sich um eine genaue Kenntnis ihres Lebensraumes, in dem man sie zuletzt fast ausrottete. „Im Buch gibt es Dutzende dramatischer Geschichten die von der Überlebensfähigkeit, Treue und Opferfähigkeit der Wölfe zeugen,“ schreibt die „China Daily“. Der Autor habe sich daneben gründlich mit der alten Nomadenkultur und ihrem Wolfs-Totemkult beschäftigt.

    Die mongolischen Viehzüchter sehen im Wolf einen Adoptivsohn von Tengri, dem Himmel – der höchsten Macht im Kosmos. Die Tiere verkörpern für sie alle Fähigkeiten, die man für den harten Überlebenskampf in der Steppe brauche – auch der Mensch. In ihrer Gewitzheit, ihrem Mut und ihrer Geduld sind sie unschlagbar, ebenso aber auch in ihrer Aggressivität, Unbarmherzigkeit und Widerstandsfähigkeit. Gleichzeitig verletzten sie jedoch niemals die Spielregeln, d.h. sie töten nur, wenn sie hungrig sind, und zerstören nicht das natürliche Gleichgewicht in der Steppe, dazu sind sie jeder Zeit bereit, sich für ihr Rudel zu opfern. Wie Chen Zhen an einer Stelle sagt, „rufen sie Furcht, aber auch Respekt bei ihren Gegnern hervor“.

    Viele Leser sind vor allem angetan von der traurigen Eloge auf das verschwundene einfache Leben in der Steppe und ihren edlen Bewohnern, den Wölfen, die seit unvordenklichen Zeiten schon die Mongolen spirituell beeinflusst haben. Laut Chen glauben die nomadisierenden Viehzüchter, dass das Raubtier notwendig ist, um das „Ökosystem der Steppe auszubalanzieren“. Den Viehzüchter Bilige läßt der Autor sagen: „Tengri schickte uns den Wolf, der dafür sorgt, dass die Grasflächen nicht überweidet werden“. Aber keiner, der sich an den (chinesischen) Ausrottungsaktionen gegen den Schädling Wolf beteiligte, habe auch nur geahnt, wie richtig diese „Warnung“ war, schreibt die China Daily, „denn als der Wolf verschwand, war die Verwüstung dieses Lebensraumes fast besiegelt“.

    Immer wieder weist der Autor auf die parallelen Schicksale der Wolfsrudel und der mongolischen Viehzüchter hin – „den Nachkommen Dschingis Khans, ihres einstigen militärischen Führers, dessen Herrschaftsbereich bis heute an Größe von niemandem übertroffen wurde“. Diese Botschaft hören die von den Chinesen heute in eine geradezu verschwindende Minderheit gedrängten Mongolen wohl. Tengger, der Sänger der Musikgruppe „Canglang Yuedu“ (Wolf Band), bedankte sich öffentlich für die chinesische Wolfseloge: Das Buch habe mit seiner leise trauernden Klage tief verschüttete Erinnerungen wachgerufen.

    Jiang Rongs Recherchen und Geschichten haben aber auch viele junge Chinesen begeistert: So meint z.B. der Computerspezialist Fu Jun, „wie der Autor die Wölfe beschreibt, aber auch die mongolischen Nomaden, das hat mich sehr berührt. Es sind harte Burschen, die bis zum letzten Blutstropfen kämpfen. Einige ihrer positiven Eigenschaften sind es wert, von uns übernommen zu werden, z.B. durch unsere Fußball-Mannschaften, damit sie ihre Gegner besiegen – statt besiegt zu werden.“

    Jiang Rong meint, dass es die kleinbäuerliche chinesische Landwirtschaft war, die aus den Chinesen das gemacht habe, was er ein Schafs-Temperament nennt: „Sie sind unterwürfig, demütig und passiv, dazu verdammt, geschlagen und eingeschüchtert zu werden. Dem gegenüber haben die Mongolen der Steppe Selbstbewußtsein und großen Mut – so wie der Wolf!“ Dem Autor gerät seine Nomaden-Romantik immer wieder zu einer faden Wolfs-Predigt. Wahr ist daran jedoch, dass die Spezifik und Dauer der chinesischen Reisbauernkultur eine fast schon eingefleischte Kollektivität hervorgebracht hat. Die prosperierende Handels- und Industriegesellschaft verlangt nun aber eher individuelles Denken und Handeln von jedem – so wie es die nomadischen Viehzüchter scheinbar vorgelebt haben. Für den Literaturkritiker Zhang Qianyi aus Hongkong ist das eine „allzu simple „Geschichtsauffassung“. In der chinesischen Geschäftswelt, „wo sich heutzutage die heftigste Jagdleidenschaft austobt,“ wie die China Daily schreibt, stieß sie jedoch auf große Resonanz. Hier ist man der Meinung, dass der Wolf, so wie einst schon die mongolischen Viehzüchter von ihm lernten, nun auch Vorbild für den modernen Geschäftsmann sein sollte – mindestens im Hinblick auf seine Jagdtechniken: „Aus dem Buch von Jiang Rong erfahren wir, dass die Wölfe ausgezeichnete militärische Führer sind,“ sagt z.B. Zhang Ruimin, Geschäftsführer der Haier-Group, einer in Shandong ansässigen Elektrofirma, „sie gehen nie unvorbereitet in einen Kampf und sie wissen, wie man sich anschleicht, einen Hinterhalt legt, belagert und jemanden abfängt. Und stets wählen sie den richtigen Zeitpunkt zum Angriff. Sie warten geduldig und vergeuden keine Kraft. Erst wenn ihre Beute in die Enge getrieben ist, schlagen sie zu – überraschend und ohne große Verluste. Aber ihre am meisten zu lobende Eigenschaft ist, das sie immer und in jedem Fall als Team kämpfen.“

    Seit der Veröffentlichung von „Wolf Totem“ im April 2004 sind in China bereits vier Ratgeberbücher erschienen, in denen es darum geht, wie man mit Hilfe von Wolfsstrategien beim Geschäftsmachen erfolgreich ist.

    Unterdes hat der Autor Jiang Rong der Pekinger „Youth Daily“ in seinem ersten Interview gestanden, dass er in Wirklichkeit Jiang Mao heißt, er ist 58 Jahre alt und Wirtschaftsprofessor an der Pekinger Universität. Während der Kulturrevolution – ab 1967, lebte er elf Jahre in der mongolischen Steppe. Und sein Romanheld, Chen Zhen, das sei er selbst. 25 Jahre lang habe er für das Buch recherchiert, das er dann in sechs Jahren niederschrieb. Der Kritiker Meng Fanhua meinte begeistert, es sei eine gute „Fiktion“ und gleichzeitig eine „großartige anthropologische Monographie“. Andere, wie der Kolumnist Zhang Ruixi, bemängeln darin jedoch den Hang des Autors zum Pädagogisieren: „Das Buch wirkt stellenweise nicht wie eine Erzählung, sondern wie eine didaktisch aufbereitete Theorie“. Es ist die alte Theorie des kapitalistischen Wiederwölfischwerdens, auch Neodarwinismus genannt, die diesmal nur mit einigen mongolischen Ideen angereichert wurde.

  • Ich schrieb zuletzt (für die „Supernomad“) eine Sammelrezension von Büchern über die Mongolei:

    Während die DDR vorwiegend mongolische Literatur, von alten aber auch jüngeren Autoren auf Deutsch veröffentlichte, überwiegt hier und jetzt die Literatur über die Mongolei. Es entstehen nicht nur – wegen der vielen Geberländer, die dort heute tätig sind – eine Unmenge Forschungs- und Entwicklungs-Berichte, daneben werden auch immer mehr Reisenotizen publiziert oder alte Reiseberichte ausgegraben und neu ediert.

    Es gab in Deutschland zwei „Mongolistik-Schulen“: eine – noch aus der Geopolitik des Nationalsozialismus überkommene – an der Bonner Universität und eine neue – solidarisch ausgerichtete – in Ostberlin, nachdem die DDR im Rahmen der internationalen Bruderhilfe besonders enge Beziehungen zur Mongolei aufgenommen hatte.

    Zu den wenigen noch lebenden mongolischen Schriftstellern, die erst in der DDR, aber dann auch im Westen bekannt wurden, gehört Galsan Tschinag. Er schreibt seit seinem Germanistik-Studium in Leipzig in den Sechzigerjahren auf Deutsch. Zuletzt erschien von ihm ein Roman über „Dschingis Khan“ – rechtzeitig zur 800-Jahrfeier der Mongolei 2006, wobei der Autor sich darin jedoch kritisch mit dem seit 1990 zunehmenden – staatlichen wie auch privatgewerblichen – „Dschingis-Khan“-Rummel in der Mongolei auseinandersetzt. Zudem ist er weit davon entfernt, den Mongolenherrscher, wie neuerdings auch wieder etliche russische und amerikanische Geopolitiker, zu verherrlichen, dessen Leben – folgt man seinen neun von Tschinag aufgezeichneten letzten (Alp-)träumen – vorwiegend aus Ficken und Töten bestand.

    Es geht dem Tuwiner Tschinag primär um dessen mit der Ersten Natur noch eng verbundene Jagdmotive dabei – und ihre moralisch-intellektuelle Durchdringung am Ende des Lebens – die darin gipfelt, dass der vom Pferd gefallene Herrscher zuletzt auch noch seine eigene Ermordung befiehlt.

    Tschinags Bücher sind in der Mongolei so gut wie unbekannt, einzig ein kleiner schlecht gedruckter Gedichtsband erschien dort vor 12 Jahren. „Nomaden lesen nicht,“ meint der Autor, der dieses Bändchen zwar zu Hochzeiten und ähnlichen Anlässen gerne verschenkt, aber nur, um damit z.B. das erste Feuer in der Jurte des jungen Paares anzuzünden. Einen Teil der darin enthaltenen Gedichte gibt es jetzt auch auf Deutsch – unter dem Titel „Liebesgedichte“.

    Ein Schweizer Verlag hat sich die Herausgabe des umfangreichen Gesamtwerks von Fritz Mühlenweg vorgenommen. Der Konstanzer Drogist war Ende der Zwanzigerjahre im Auftrag der Lufthansa in die Mongolei aufgebrochen: „Drei Mal habe ich die Mongolei bereist und jedes Mal war es schöner,“ schrieb er – begeistert von der Lebensweise und Gastfreundschaft der Viehzüchternomaden.

    Besonders hatte es Mühlenweg der mongolische Freiheitskämpfer und Nationalist Dampignak angetan, den er selbst nicht mehr in dessen Festung in der Wüste Gobi kennenlernen konnte, da Dampignak zuvor auf Betreiben des mongolischen Revolutionsführers Sukhbaatar ermordet worden war. Auch Sukhbaatar wurde – 1923 – getötet.

    In einer Festschrift für den Bonner Mongolisten Walther Heissig veröffentlichte seine Kollegin Veronika Veit 1973 Näheres über „Die Ermordung Dambijzancans“, wobei sie sich u.a. auf einen Bericht stützte, den der Leiter des Exekutionskommandos D. Nanzad nach der Tat 1922 verfaßt hatte. In einer Email meinte sie jedoch kürzlich: Ob es sich bei dem Mühlenwegschen „Dampignak“ um den von ihr in den „Serta Tibeto-Mongolica“ behandelten Dambijzancan handelt, „ist unklar, nach der Persönlichkeit sogar wenig wahrscheinlich“.

    Im Mühlenweg-Reader „Drei Mal Mongolei“ hat die Sinologin Gabriele Goldfuß desungeachtet jedoch gerade Veronika Veits Dambijzancan-Forschungen herangezogen, um Mühlenbecks „Dampignak“-Porträts historisch zu fundieren.

    Eine ähnlich detektivische Arbeit hat sich auch der brasilianische Journalist Bernardo Carvalho gemacht, allerdings nur, um seinen Bericht über eine Reise „5000 Kilometer durch das Landesinnere der Mongolei“ damit quasi zu rahmen. Zusammen mit einem einheimischen Führer und einem Fahrer macht er sich auf die Suche nach einem dort irgendwo verschollenen Brasilianer.

    Wo dieser „Plot“ sich mit seiner Reiseerfahrung berührt, kommt Mühlenwegsche Mongoleierkenntnis zustande. So wenn der Autor z.B. sauer ist, weil sein „Guide“ Purevbaatar immer wieder von der vermeintlich festgelegten Route abbiegt, nur um anscheinend Verwandte zu besuchen – und der ihn dann aufklärt: „Ich nehme meine Arbeit sehr ernst…Welche Route das ist, hängt davon ab, wem wir unterwegs begegnen. In einem Land von Nomaden bleiben die Menschen logischerweise nie am selben Ort. Entsprechend der Jahreszeit wandern sie weiter. Die Menschen sind die Orte.“

    Und dass was die Seßhaften Orte nennen – Versammlungsstätten, Winterplätze, Wasserstellen, zwischen denen sie sich wie von A nach B bewegen – ist bei den Nomaden den Wegen, die sie bestimmten, streng untergeordnet.

    Geradezu oberflächlich macht sich dagegen der Photo-Reisebericht von Michael Schindhelm und Jörg Jeshel aus: „Das Kamel auf der Startbahn“. Dazu heißt es im Klappentext: „Weil seine Bewerbung als Flugbegleiter bei der Lufthansa ohne Antwort blieb, plant der Autor, ein Reisebüro zu eröffnen, das sich auf Trekkingtouren in der Mongolei spezialisiert. Zielgruppe sind konsummüde, aber kaufkräftige Nachachtundsechziger.“ Das dünne Buch besteht aus tagebuchartigen Skizzen. Um „die multimediale Reise abzurunden“ wurde vom Verlag noch eine CD mit lauter Musik aus turksprachigen Ländern beigefügt.

    Wenn die Mongoleierfahrung von Michael Schindhelm viel zu kurz war, dann ist – umgekehrt – die 25 Jahre dauernde Deutschlanderfahrung von Tschuluunzezeg Gaaw zu lang gewesen: Sie wurde 1962 in einem nomadischen Winterquartier geboren – und bekam den Namen „Steinblume“. Nach der Schule studierte sie Ingenieurtechnik bei Dresden, heiratete, bekam zwei Kinder, ließ sich scheiden, machte sich als Händlerin selbständig und absolvierte eine Ausbildung als Altenpflegerin. Sie wohnt derzeit im Erzgebirge. Wenn es finanziell möglich ist und eine Feier in der Familie ansteht, fliegt sie mit ihren Kindern nach Hause in die Mongolei. 2007 veröffentlichte ein süddeutscher Verlag ihre Lebensgeschichte – unter dem Titel „Die kleine Steinblume: Das Glück des Ankommens“.

    Die Autorin hat sich darin auf die Schilderung ihrer unmittelbaren Lebensumstände beschränkt – vielleicht ließen diese auch nichts anderes zu. Obwohl es viele Farbfotos aus ihrem Leben enthält, kommt ihr Buch bescheiden und wie selbstverlegt – geradezu anrührend – daher.

    Sehr viel glamouröser wirkt dagegen das „Ankommen“ der mongolischen Mode in Deutschland: In den letzten Jahren stellten mongolische Modemacherinnen bereits mehrmals hier ihre teuersten Kreationen vor – zusammen mit einigen inzwischen international beschäftigten mongolischen Models. Das in Ostberlin und Stuttgart domizilierte „Institut für Auslandsbeziehungen“ hat nun eine nicht minder aufwendige Ausstellung über „Mode made in Mongolia“ ausgerichtet: „abgesteppt“ heißt sie – wie auch der dazugehörige Katalog, der u.a. ein „Foto-Essay“ aus der Mongolei von Jens Rötzsch enthält.

    Nicht weniger begeisternd ist die Foto-Sammlung des Mongoleiforschers Hermann Consten, der zwischen 1907 und 1929 mehrmals wie Mühlenweg die Mongolei bereiste. Die Präsidentin der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft e.V. in Bonn, Doris Götting, hat daraus zusammen mit der Ethnologin Barbara Frey Näf und der Germanistin Rita Mielke eine Wanderausstellung samt umfangreichen Katalog gemacht: „Bilder aus der Ferne“ betitelt.

    All diese Werke sind Ausdruck eines wachsenden Interesses an der Mongolei und der alten nomadischen Lebensweise, von der der Südtiroler Bergsteiger und Extremerfahrungssammler Reinhold Messmer nach einer Wanderung durch die Wüste Gobi (für die er sich „aus Respekt vor den Einheimischen“ den Bart abnehmen ließ), meinte:

    „Diese alternative Lebensform, so mutig und archaisch sie sein mag, wird unserem modernen Nomadentum nicht genug entgegenzusetzen haben, um mit ihren ureigenen Werten weiterbestehen zu können.“ („Die Wüste in mir“, 2004).

    Die FAZ war dagegen umgekehrt ganz optimistisch, dass die „modernen Nomaden“ – womit vor allem mobile Arbeitsmigranten gemeint sind – auch in Deutschland bald zunehmen werden: „Bis zum Jahr 2030 werden 20 Millionen Menschen in Europa fehlen“. Noch bremse zwar die SPD – aus wahrscheinlich lohnprotektionistischen Gründen, aber die CDU, besonders der Wirtschaftsminister, setze sich bereits für „eine Lockerung des Aufenthaltsrechts“ ein. Ihm bleibe dafür jedoch kaum noch Zeit: „Denn andere Länder schlafen nicht“.

    Es ist paradox: Während die Seßhaften zum Nomadismus gezwungen werden, will man fast weltweit die nomadischen Viehzüchter partout seßhaft machen. Mitunter kommt dies sozusagen in einem Atemzug zum Ausdruck – so gerade in Kirgistan: Dort will man wegen der vielen als Arbeitsmigranten außer Landes gegangenen Männer für die dagebliebenen und erneut nomadische Viehzüchter gewordenen wieder die Vielweiberei einführen – um dem Frauenüberschuß im Land abzuhelfen. Nahezu überall verknüpft sich jetzt Archaisches und Postmodernes zu ebenso grellen wie groben Mustern.

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    Galsan Tschinag: „Die neun Träume des Dschingis Khan“, „Liebesgedichte“, Insel-Verlag, Frankfurt/Main und Leipzig 2007.

    Fritz Mühlenweg: „In Geheimer Mission durch die Wüste Gobi“, „Fremde auf dem Pfad der Nachdenklichkeit“, „Drei Mal Mongolei“, „Nuni“, „Kleine mongolische Heimlichkeiten“, Libelle Verlag, Lengwil 2003-2007

    Veronika Veit: in „Serta Tibeto-Mongolica“, Kommissionsverlag O. Harrassowitz, Wiesbaden 1973

    Bernardo Carvalho: „mongolia“, Luchterhand-Verlag, München 2007

    Michael Schindhelm/Jörg Jeshel: „das kamel auf der start

    bahn“, Chr. Merian Verlag, Basel 2004

    Tschuluunzezeg Gaaw: „Die kleine Steinblume. Das Glück des Ankommens“, EWK-Verlag, Kühbach-Unterbernbach 2007

    Katalog: „abgesteppt.Mode made in Mongolia“, hrsg. von der ifa-galerie, Berlin und Stuttgart 2007

    Katalog: „Bilder aus der Ferne“, hrsg. von der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft e.V., Bonn 2007

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